Auszug aus dem Donaukurier:
http://www.donaukurier.de/news/eichstaett/art575,1574902.html?fCMS=ebfb686373e664a0c1ad725c8dcdfc58
Der Musikantiquar und große Mäzen sowie Ehrendoktor der Hochschule und gebürtige Eichstätter, Dr. Hans Schneider, jedenfalls hat den Kontakt zur Uni-Bibliothek "restlos abgebrochen", wie er gegenüber dem EICHSTÄTTER KURIER bestätigt. Der Grund: Carola Schneider, Frau des Verlegers, hatte im Jahr 2000 bereits die Sammlung an Schallplatten ihres 1999 verstorbenen Vaters Heinrich Sievers, Professor an der Musikhochschule Hannover, der Universitätsbibliothek kostenlos übereignet.
Dies sei "in Anbetracht des seinerzeit hohen Ansehens der Universitätsbibliothek Eichstätt und ihres Leiters, Dr. Hermann Holzbauer, geschehen. Der Bestand von etwa 3000 Tonträgern sollte "eine wertvolle Hilfe in der Ausbildung von Studenten auf dem Gebiet der Musik" leisten. Die Aktion sei aus ideeller Überzeugung entstanden, schließlich seien über die Universitätsbibliothek Eichstätt gewichtige Publikationen auf dem Gebiet von Tonträgern herausgebracht worden.
"Entsetzt" habe sie, Schneider, nun erfahren müssen, dass dieser Bestand vor einigen Monaten durch die nunmehrige Bibliotheksdirektorin an ein sächsisches Antiquariat "verscherbelt" worden sei. Nun sei auch ihr Mann, Dr. Hans Schneider, in großer Sorge, ob der von ihm der Uni-Bibliothek spendierten und in vier Bänden erfassten Bücherbestand im Wert von etwa 150 000 Euro "auch entsorgt wird".
Während Hans Schneider, Ehrendoktor der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt und beachteter Förderer der Hochschule, diese Angaben bestätigt, weist Bibliotheksdirektorin Dr. Angelika Reich die Vorwürfe zurück. Auf Anfrage erklärte sie zunächst, von einem Verkauf überhaupt nichts zu wissen. Außerdem sei dies ein Vorgang, zu dem sie sich nicht äußern wolle.
Schließlich räumte sie ein, die Sammlung Sievers durchgesehen und etwa 1000 Schallplatten katalogisiert zu haben. Lediglich Tonträger, die bereits im Besitz der Universitätsbibliothek waren, seien an ein Antiquariat abgegeben worden. Von "Verscherbeln eines kompletten Bestandes", so Reich, könne keine Rede sein. Es werde nichts unbesehen weggegeben, erklärte Reich, und wies zugleich darauf hin, dass die Universitätsbibliothek unter Platzproblemen leide. "Unsere Magazine sind bis obenhin voll", sagte sie. Und: "Geschenkt ist geschenkt, und mit Geschenken kann die Bibliothek machen, was sie will."
Dem gegenüber befürchtet der frühere Leiter der Bibliothek, Hermann Holzbauer, in einem "aus großer Sorge" veranlassten Brief an den Präsidenten der Universität, Professor Ruprecht Wimmer, dass der gesamte Bestand der wertvollen Schallplattensammlung Sievers abgegeben worden sei. Zugleich fordert er die Unileitung angesichts von Nachrichten, dass Bücher " containerweise " weggeworfen würden, auf, von einer " übergeordneten Stelle transparent " nachprüfen zu lassen, "was ,verkauft’ beziehungsweise verschleudert, ,entsorgt’ beziehungsweise unwiederbringlich vernichtet wurde".
Zu den miesen Praktiken in Eichstätt erreichte mich per Mail vom 13. Juli 2006 eine anonyme Zuschrift, an deren Wahrheitsgehalt ich keinen Anlass zu zweifeln habe:
Sehr geehrter Herr Dr. Graf,
Sie haben dankenswerterweise bereits im Oktober 2001 auf die Vorgänge
rund um die Zentralbibliothek der bayerischen Kapuzinerprovinz, die
von der Universitätsbibliothek Eichstätt-Ingolstadt übernommen wurde,
hingewiesen: den antiquarischen Verkauf von sog. "Dubletten".
Zwischenzeitlich haben sich in Eichstätt einige Veränderungen ergeben:
- Herr Dr. Holzbauer, der Initiator und Motor der Übernahme der
Kapuzinerbibliothek, ging am 31. Januar 2005 endgültig in den
Ruhestand
- Am 1. Februar 2005 folgte als seine Nachfolgerin Frau Dr. Reich,
ehedem stellvertretende Leiterin der Universitätsbibliothek Regensburg
und dort Leiterin der Benutzungsabteilung sowie zuständig für "Rara,
Handschriften", außerdem "Lehrbeauftragte für Buch- und
Handschriftenkunde an der Universität Regensburg"
Sicher interessiert es Sie, wie es nach Ihren Hinweisen von 2001 an
der Universitätsbibliothek Eichstätt-Ingolstadt mit der Bibliothek der
Kapuzinerprovinz weiterging.
Der Verkauf von "dubletten" Bänden an Antiquare ging auch nach Ihren
Hinweisen von 2001 unverändert weiter. Eine Dokumentation der
veräußerten Bände fand weiterhin nicht statt.
Frau Dr. Reich hat nun ab 2005 ganz neue Methoden zur Bewältigung des
"Massenproblems" Kapuzinerbibliotheken eingeführt:
Im Laufe des Jahres 2005 wurde eine der angemieteten Lagerhallen, in
der sich ca. 1.400 Umzugskisten mit Bänden aus den übernommenen
Kapuzinerbibliotheken befanden, vollständig geräumt. Das erfolgte
folgdendermassen:
Von den 1.400 Bücherkisten wurde ca. die Hälfte, also 700 Kisten,
aussortiert, und ging zum wohl größeren Teil in den
Antiquariatsverkauf, der zweite Teil dieser 700 Kisten wird in den
Bestand der Universitätsbibliothek aufgenommen. Weitere ca. 700 Kisten
wurden jedoch einfach weggeworfen, in große Müllcontainer, und dann
dem Restmüll, vermutlich in einer Müllverbrennungsanlage,
zugeführt. Dazu muss man wissen, dass es in den Räumen, in denen die
"Bearbeitung" der Bücherkisten stattfand, bis Ende 2005 keine
angemessene technische Ausstattung gab, insbesondere keinerlei
Verbindung zu Online-Katalogen, so dass eine Dublettenprüfung weder im
Bestand der Universitätsbibliothek noch in irgendwelchen anderen
Katalogen möglich war. Auch der von Frau Reich erzeugte erhebliche
Zeitdruck trug nicht dazu bei, eine sorgfältige Auswahl der
wegzuwerfenden, zu verkaufenden und zu behaltenden Bände zu
ermöglichen. Es gab anfänglich außer der Vorgabe, Bände mit
Erscheinungsjahr vor 1800 nicht wegzuwerfen, keinerlei weitere
Kriterien für die Auswahl der Bände. Die Auswahl wurde durch bloßen
Augenschein, in den ersten Wochen durch Frau Reich selbst, später
durch "vertrauenswürdige" Bibliotheksmitarbeiter vorgenommen. Als
Hilfsmittel gab es wohl nur einen umständlich zu bedienenden, nicht
aktuellen Offline-Katalog eines Teilbestandes der
Universitätsbibliothek Eichstätt-Ingolstadt. Die Container wurden
übrigens immer sorgfältig abgeschlossen, so dass niemand prüfen
konnte, welche und wieviele Bücher tatsächlich weggeworfen wurden.
Es kann von außen nur sehr schwer abgeschätzt werden, wie viele Bände
tatsächlich weggeworfen wurden, aber man kann wohl von mehreren 10.000
weggeworfenen Bänden ausgehen - wohlgemerkt vollkommen undokumentiert!
Anfang Juni 2006 wurde nun begonnen, eine zweite Halle, die
Turnhalle des Eichstätter Kapuzinerklosters, zu räumen, in der sich
mehrere Tausend weitere Umzugskisten mit historischen Buchbeständen
aus Kapuziner- und Jesuitenbibliotheken befinden. Auch diesesmal
soll wieder alles "Unbrauchbare" weggeworfen werden.
Interessant ist in diesem Zusammenhang vielleicht auch noch, dass die
Universitätsbibliothek Eichstätt-Ingolstadt in ähnlicher Weise wie die
Zentralbibliothek der Bayerischen Kapuziner im Jahr 2003 auch drei
Bibliotheken der süddeutschen Jesuiten aus München übernommen
hat. Auch hier handelt es sich um einen großen Bestand, der derzeit in
einer Halle gelagert wird, und dessen Umfang nur geschätzt werden kann
- ich denke, es sind weit über 1000 Bücherkisten. Auch diese Bücher
sollen auf "Relevanz" überprüft und alles "Überflüssige" entsorgt
werden - wie auch immer.
Ich habe sofort die UB (CC an die Hochschulleitung) und die Bayerische Staatsbibliothek um eine Stellungnahme gebeten. Lediglich die Staatsbibliothek teilte mit, dass sie zu anonymen
Beiträgen sich nicht äußere. Ein presserechtliches Auskunftsersuchen blieb unbeantwortet, ob ich gegen die Auskunftsverweigerung Klage vor dem VG München einreiche, habe ich noch nicht entschieden. Da mich kein Dementi erreichte, darf ich von der Richtigkeit der Sachverhaltsdarstellung der anonymen Zuschrift ausgehen.
Materialien zu den verscherbelten Eichstätter Kapuzinerbüchern finden sich unter:
http://log.netbib.de/index.php?s=kapuzi
Hier werden unter anderem wertvolle Bücher dokumentiert, die aus den Bibliotheken bayerischer Kapuziner stammen und im Antiquariatshandel zu finden sind.
Im Juli 2006 fand ich im ZVAB zahlreiche frühneuzeitliche Drucke des Antiquariats Thomas Haker Berlin mit dem Schlagwort Kapuziner (auch jetzt noch teilweise im Angebot). Das Antiquariat bestätigte:
"es sind alles Ausgaben aus bayerischen Kapuzinerklöstern: St.Anton in München, Eichstätt, Vilsbiburg und andere, auch aus Altötting."
Am 22.4.2004 schrieb ich in netbib und ich nehme die Anschuldigung keineswegs zurück:
"Doubletten werden, sofern es keinen Grund zum Aufbewahren gibt, aussortiert oder an Antiquariate und Buchliebhaber verkauft. Bei den Bänden nach 1800 sind rund 50 Prozent doppelt, bei denen bis 1800 rund ein Viertel". Kulturgutschänder Dr. Littger (UB Eichstätt) setzt seine Praxis fort, sogenannte Dubletten aus den Kapuzinerbibliotheken zu verscherbeln (Artikel in der Neuen Presse Passau 3.4.2004).
Die Aufdeckung des Skandals, dass die UB Eichstätt in großem Umfang frühneuzeitliche Drucke als angebliche Dubletten an Antiquariate gibt und dadurch eklatant gegen bibliothekarische Grundsätze (siehe die Regeln für kirchliche Altbestandsbibliotheken http://archiv.twoday.net/stories/2804757/ ) und buchgeschichtliche Standards verstößt, erfolgte in INETBIB 2002 (nicht 2001):
From: Klaus Graf
Date: Tue, 01 Oct 2002 18:14:32 +0200
Subject: Skandal: UB Eichstaett verhoekert alte Kapuzinerbuecher
Message-ID: <1581D936AB1@zb2.ub.uni-dortmund.de>
Die Vorgaenge um die Nordelbische Kirchenbibliothek haben viele
betroffen gemacht und auch zu Diskussionen im Kreis der kirchlichen
Bibliotheken gefuehrt. Ich habe vor wenigen Tagen hier die
Presseerklaerung von Naurod der katholischen Bibliothekare zitiert, die
sich zum Kulturgueterschutz bekennen:
http://www.akthb.de/presse_2002.htm
Fuer mich selbst schockierend - und ich sollte eigentlich abgebrueht
sein - gilt es nun aber einen krassen Fall aus dem Bereich der
katholischen Orden und des kirchlichen Hochschulwesens zu berichten, der
zu empfindlichen Kulturgutverlusten gefuehrt hat und grossen Schaden an
wertvollen fruehneuzeitlichen Geschichtsquellen angerichtet hat.
Mit Vertrag von 1999 hat die UB Eichstaett die Zentralbibliothek der
bayerischen Kapuzinerprovinz uebernommen. Diese zukunftsweisende
vertragliche Vereinbarung wurde dann auch mit einer Ausstellung
"gefeiert".
Ende Mai erfuhr ich, dass Baende aus dem Kapuzinerkonvent Eichstaett im
Handel zu finden seien. Es ging dabei um folgende Baende, die ich selbst
gesehen habe und die alte Besitzeintraege aufwiesen:
J�ger, Johann Caspar. Antarcticus, Oder Gr�ndlicher Bewei�, das Herrn
Martini BeersWiderlegung des kurtzen Erberm�nnischen Bewei� Grundlo�
seye. W�rzburg: Sylvester Gassner, gedruckt in der Zinckischen Truckerey
1660. 8�. R�cken mit Marmorpapier bezogen, RSig., Provenienz: Kapuziner
Wemding, spaeter Kapuziner Eichst�tt
Biegeisen, Georg. Mons Myrrhae. Seu brevis instructio de sacramento
poenitentiae. Ingolstadt: Ostermayer 1660. 12�. Ldr. d. Zt. Provenienz:
Kapuziner Eichst�tt
Ich hatte unmittelbar danach Kontakt mit der Bayerische Provinz des
Kapuzinerordens und habe mit dem Guardian des noch bestehenden
Kapuzinerklosters Eichstaett telefoniert und auch mit dem Direktor der
Universitaetsbibliothek Dr. Holzbauer. Eine schluessige Aufklaerung
erfolgte nicht, man gab vor, nichts zu wissen, man koenne sich die
Existenz der Baende im Handel nicht erklaeren. Der Eichstaetter Guardian
gab zu bedenken, dass einzelne Baende vor laengerer Zeit gestohlen
wurden.
Ich gebe die am 6. Juni 2002 an mich abgesandte Mail des Provinzials
wieder; weder die UB Eichstaett noch das Kapuzinerkloster haben sich
schriftlich zur Angelegenheit mir gegenueber geaeussert.
Sehr geehrter Herr Dr. Graf,
vor dem Vertrag unserer Provinz mit der Universit�tsbibliothek der
Katholischen Universit�t Eichst�tt wurde unsere Zentralbibliothek in
Alt�tting
gelagert. Durch unsere personelle Situation waren wir nicht in der Lage,
den gro�en Buchbestand aufzuarbeiten. Unser inzwischen leider
verstorbene
Provinzbibliothekar, P. Dr. Alfons Springhart, hat bis zu seinem Tod
unerm�dlich gesorgt, die immense Menge an B�cher sach- und fachgerecht
zu
bearbeiten. Ein Verkauf der wertvollen B�chern in Antiquariate war in
keiner Weise intendiert und vollzogen. Seit 1966 wurden in unserer
Provinz 19 Niederlassungen aufgel�st. Die Bibliotheken wurden in die
Zentralbibliothek Alt�tting eingelagert. Unser Archivar und Bibliothekar
war bei der Aufl�sung der Bibliotheken jedesmal zur Stelle. Wenn es bei
einer so gro�en Bewegung Unregelm��igkeiten gegeben haben sollte - und
durch Ihre Beobachtung mu� wohl so etwas geschehen sein - dann ist das
nur zu bedauern. Aufgel�ste H�user erfahren Besuche von
unterschiedlichen
Personen mit sehr diversen und manchmal seltsamen Interessen. Eine von
Ihnen vermutete gesch�ftliche Absicht durch unsere Provinz bestand zu
keiner Zeit. �ber Vorg�nge auf dem Gebiet der Schweiz kann ich nichts
aussagen; ich wei� nur, da� die Archivare und Bibliothekare der
Schweizer
Kapuzinerprovinz wie alle anderen der Provinzen auch sehr sorgsam mit
dem Kulturgut umgehen.
Mit herzlichen Gr��en
P. Josef Mittermaier
Provinzial
Danach erfuhr ich, dass auch Baende aus dem Kapuzinerkloster St. Anton
in Muenchen im Handel seien. Gestern erhielt ich die ich die Mitteilung,
da� das Dresdner Antiquariat in Dresden ca. 50-100 gro�formatige alte
Baende aus diversen sueddeutschen Kapuzinerbibliotheken (z.B. Augsburg,
Burghausen, Muenchen) anbietet, darunter mindestens zehn aus dem
Kapuzinerkloster Eichst�tt. Ein Band tr�gt den Kastenstempel:
"Universit�tsbibliothek Eichst�tt" "ausgeschieden" (hss.:) Bauernfeind
(Mitarbeiter der Handschriftenabteilung der UB Eichst�tt).
Im ZVAB.COM waren gestern zwei Baende aus dem Kapuzinerkloster
Eichstaett zu finden, darunter auch der folgende:
"Theologie ohne Autor: Die heiligen Evangelien. sehr alt, keine Datums-,
Verlags und Ortsangabe. Leder mit sch�ner Deckelpr�gung, Goldpr�gung,
intensiv abgegriffen, besonders der R�cken, dreiseitiger Goldschnitt,
Gelenke gebrochen, aber fest verbunden, Zustand sonst ordentlich,
exlibris-Aufkleber
(Bibliothek des kapuzienerklosters Eichst�dt),innen teilweise fleckig,
Buchblock tadellos, 18 cm, 288 Seiten und etwa 50 Leerseiten f�r
Notizen,
davon zwei Seiten handschriftlich eng in deutscher Schrift beschrieben,
datiert
auf den 15.9.1621. -
Antiquariat Fuchsm�hle [D-91541 Rothenburg o. d. T.]"
Eine Stellungnahme der Kapuzinerprovinz und der UB Eichstaett wurde zwar
angefordert, hat mich aber bislang nicht erreicht. Ich habe aber bei
einem Telefongespraech heute Nachmittag mit dem Leiter der
Handschriftenabteilung der UB Eichstaett Dr. Klaus-Walter Littger die
folgenden Informationen erhalten.
Da kein Raum fuer die geschlossene Aufstellung der 400.000 Baende
umfassenden Bibliothek gewesen sei und etwa zwei Drittel Dubletten
gewesen seien, habe man sich schon seit der Uebernahme 1999/2000
entschlossen, Mehrfachexemplare im Einvernehmen mit den Kapuzinern an
vertrauenswuerdige Antiquare abzugeben, um mit dem Erloes die
Einarbeitung der Bestaende zu finanzieren. Die Existenz von Buechern aus
dem Eichstaetter Konvent erklaere sich dadurch, dass man dort ebenfalls
schon Altbestaende an Alt-Oetting abgegeben hatte. Er koenne, sagte Dr.
Littger nicht jede x-beliebige Provenienz, die mit dem Eichstaetter Raum
nicht in Beziehung stehe, halten. Eine Inventarisierung der
ausgeschiedenen Buecher sei nicht erfolgt, das habe man personell nicht
leisten koennen.
Eine Nachfrage bei der Bayerischen Staatsbibliothek ergab, dass man dort
von den Verkaeufen nichts wusste, ebensowenig in Wolfenbuettel (in der
Sammlung deutscher Drucke fuer das 17. Jahrhundert zustaendig). Dort
zeigte man sich einmal mehr befremdet darueber, dass solche Verkaeufe
ohne Absprache mit den dafuer zustaendigen Schwerpunktbibliotheken
erfolgten, da die Baende durch die Verdienstspanne des Handels erheblich
teurer wuerden. Dr. Schmalor von der Arbeitsgemeinschaft
Katholisch-Theologischer Bibliotheken bestaetigte, dass auf der Nauroder
Tagung und auch sonst bisher im Kollegenkreis nichts von den
Eichstaetter Verkaeufen bekanntgeworden sei.
KOMMENTAR
Es ist offenkundig, dass die mir gegenueber Anfang Juni von den
angesprochenen Stellen erteilten Auskuenfte grob wahrheitswidrig waren.
Alles spricht dafuer, dass das ganze Unternehmen "unter der Decke"
gehalten werden sollte, dass man kein Aufsehen, alles vertuschen und
verheimlichen wollte.
Wer heute noch nicht begriffen hat, dass es bei historischen
fruehneuzeitlichen Bibliotheken (seien es protestantische
Kirchenbibliotheken, seien es Klosterbibliotheken) keine "Dubletten"
geben kann, hat bei der Betreuung historischer Altbestaende nichts zu
suchen - man sollte ja auch nicht den Bock zum Gaertner machen.
Historische Kapuzinerbibliotheken, an sich schon durch die
Saekularisation empfindlich getroffen, sind wichtige Quellen fuer die
Kirchen- und Geistesgeschichte des katholischen Raums in der fruehen
Neuzeit. Exemplarisch sei nur auf
http://www.kath.ch/skz/geschichte/gesch20.htm
verwiesen. Die alten Besitzeintraege und handschriftlichen Vermerke
machen jeden Band zu einem Einzelstueck, das immer auch im Verbund mit
der ganzen Bibliothek zu sehen ist.
Werden solche alten Drucke undokumentiert - also ohne beispielsweise die
Titelblaetter und Besitzeintraege/handschriftlichen Beigaben
durchzukopieren - als vermeintliche Dubletten oder Mehrfachexemplare in
den Handel gegeben, so wird damit eine wissenschaftliche Quelle und ein
Kulturdenkmal ZERSTOERT. Die ganze sueddeutsche Bibliothekskultur des
Kapuzinerordens wird auf diese Weise der serioesen wissenchaftlichen
Forschung entzogen - eine beispiellose Schande. Zwar hat es in der
Schweiz mit der Aufloesung der Klosterbibliothek der Kapuziner von
Dornach bereits einen "Suendenfall" gegeben, aber im Bereich der
katholischen Bibliotheken ist die Eichstaetter Kulturbarbarei in der
juengeren Geschichte ohne Beispiel.
Wenn es denn unabweisbare Sachzwaenge hinsichtlich nicht vorhandener
Ressourcen gegeben hat, wieso hat man in Eichstaett nicht das Gesprach
mit anderen Bibliotheken, mit Kollegen gesucht, um eine bessere Loesung
zu finden, die nicht auf die undokumentierte Zerstoerung historischer
Aussagewerte hinauslaeuft? Wieso geht man - ob raffgierig oder mit
besten Absichten, sei dahingestellt - einen Vertrag ein, wenn man von
vornherein weiss, dass man die ueblichen wissenschaftlichen Standards
bei der Erhaltung von Kulturgut nicht einhalten kann? Wieso fuegt man
der Forschung einen immensen Schaden zu, ohne zu bedenken, was das fuer
das Ansehen des kirchlichen Bibliothekswesens bedeutet?
Die Kapuziner sind ein Orden paepstlichen Rechts, kein deutscher Bischof
hat ihnen irgend etwas zu sagen. Aber die UB Eichstaett verwahrt
teilweise staatliche Bestaende, steht zwischen Kirche und Staat. Was
geschehen ist, kann nicht ungeschehen gemacht werden. Aber man kann
versuchen, die Verkaeufe zu stoppen und mit lauten Protesten dafuer zu
sorgen, dass kuenftig der Erhalt wertvollen Kulturguts mit mehr
Sensibilitaet betrieben wird. Wer wird denn das fromme Lippenbekenntnis
von Naurod noch ernst nehmen, wenn das Eichstaetter Sakrileg Schule
macht (oder, konfessionell ausgewogen, die Hamburger Causa NEKB)?
Dr. Klaus Graf
http://www.uni-koblenz.de/~graf#kulturgut
[nun: http://projekte.geschichte.uni-freiburg.de/mertens/graf/ }
[Zweiter Beitrag in 2 Teilen]
From: Klaus Graf
Date: Sun, 20 Oct 2002 04:53:27 +0200
Subject: Skandal: UB Eichstaett verhoekert Kapuzinerbuecher (1)
Message-ID: <3DB21AA7.1E3E@uni-koblenz.de>
Liebe Listenmitglieder,
am 1. Oktober habe ich hier in INETBIB das Resultat meiner Recherchen
zum skandaloesen Umgang der UB Eichstaett mit der ihr anvertrauten
Zentralbibliothek der Kapuziner vorgestellt.
http://www.ub.uni-dortmund.de/Listenarchive/INETBIB/200210/20021001.html#
Es kann meines Erachtens keinem Zweifel unterliegen, dass die
Eichstaetter Vorkommnisse - ebenso wie im Fall Donaueschingen oder NEKB
- die folgenden Kriterien fuer einen Skandal im Bereich des
Kulturgutschutzes erfuellen:
1. keine Offenheit und Transparenz des Verfahrens
2. ein gravierender Verlust schuetzenswerter Buchbestaende, Missachtung
des Provenienzprinzips durch obsoletes "Dublettendenken"
3. keine vorrangige Anbietung an andere Bibliotheken
4. keine detaillierte Ersatzdokumentation exemplarspezifischer Details.
Ich gehe nun auf die Erwiderung von Herrn Littger ein, der sich meiner
unmassgeblichen Meinung nach als absolut ungeeignet erwiesen hat,
Altbestaende zu betreuen.
Littger, Dr. Klaus Walter schrieb am 9. Oktober hier in INETBIB:
>
> Lieber Herr Schmalor,
>
> laut INETBIB-Mitteilung eines Dr. Klaus Graf wissen Sie nicht, da�
> die
> UB Eichst�tt Dubletten aus dem �bernommenen Bestand
> bayerischer
> Kapuzinerbibliotheken verkauft. Das kann ich eigentlich nicht
> glauben,
> haben wir doch wiederholt dar�ber gesprochen; au�erdem habe ich
> den
> Sachverhalt ausf�hrlich in einem Beitrag dargestellt, der im 1.
> Jahrgang (2000) des von uns beiden mitherausgegebenen
> Jahrbuchs
> Kirchliches Buch- und Bibliothekswesen erschienen ist. Da� man
> an den
> zust�ndigen Stellen der Bayerischen Staatsbibliothek nichts davon
> wisse, wie es in derselben Mitteilung hei�t, trifft nicht zu. Da� es
> in Wolfenb�ttel unbekannt sei, bezweifle ich; denn sonst m��ten
> sich
> die dortigen Kollegen fragen lassen, warum sie unser Jahrbuch,
> das sie
> ja beziehen, nicht lesen. Da� Dr. Graf den Artikel nicht kennt, wie
> er
> mir telefonisch versicherte, steht auf einem anderen Blatt.
Klaus Walter Littger, Die �bernahme der Zentralbibliothek der
Bayerischen Kapuziner in Alt�tting durch die Universit�tsbibliothek
Eichst�tt, in:
Kirchliches Buch- und Bibliothekswesen. Jahrbuch 1 (2000), S. 133-140
Es trifft nicht zu, dass der Sachverhalt dort "ausfuehrlich" dargestellt
wuerde.
Der Beitrag beginnt mit der Feststellung, dass "Migration" seit jeher
fuer Bibliotheksbestaende typisch sei und die Bestimmung von
Provenienzen massgeblich zu jeder Bibliotheksgeschichte gehoere. In
ungewoehnlichem Ausmasse haetten Kapuzinerkonvente seit einem Dekret
Papst Innozenz X. von 1648 Dubletten und wenig benoetigte Buecher
ausgetauscht haetten, weshalb es schwierig, ja teilweise unmoeglich sei,
fuer einen bestimmten Zeitpunkt den Besitzer eines zwischen
verschiedenen Klosterbibliotheken gewanderten Buchs zu bestimmen.
Littger (L.) geht dann auf die Eigentumsverhaeltnisse ein, denn der
Freistaat Bayern betrachtet alles als sein Eigentum, was ihm durch die
Saekularisation 1802ff. zugefallen ist, also auch Buecher der z.T. bis
heute noch bestehenden bayerischen Kapuzinerkonvente. Aus pragmatischen
Gruenden werden bis 1802 erschienene Buecher, die danach im Besitz eines
sog. "Aussterbeklosters"/Zentralklosters waren, als staatliches Eigentum
der als Depositum von der UB Eichstaett verwalteten Staatlichen
Bibliothek Eichstaett zugewiesen (S. 137).
Er verweist auf die Aufloesung des Wemdinger Konvents 1990, deren
saekularisierte Bestaende in die Studienbibliothek Dillingen abgeliefert
werden mussten, und auf die Aufhebung des Dillinger Konvents 1992, deren
nichtstaatlicher Anteil 1993 von der UB Eichstaett uebernommen wurde:
"In der Universit�tsbibliothek Eichst�tt nicht Vorhandenes wurde ihr
geschenkweise �berlassen, das �brige durch die Universit�tsbibliothek
zugunsten des Ordens verkauft" (S. 134).
Seit 1994 erfolgte ein Abgleich der UB-Bestaende mit der
Zentralbibliothek in Altoetting, die P. Alfons Sprinkart bis zu seinem
Tod am 17.9.1997 betreute (s. auch Artikel Altoetting im Handbuch der
hist. Buchbestaende in Dtl. XI, 1997, 20f., in dem Littger uebrigens
selbst ueber den Bestand des Kapuzinerklosters Eichstaett schrieb). Am
25.6.1999 schloss dann die Bayerische Kapuzinerprovinz einen
Ueberlassungsvertrag mit der Kath. Univ. Eichstaett. Der letzten Endes
in Eichstaett gelandete Bestand, schreibt L., duerfte "nach einer ersten
Aussonderung von Dubletten und stark schimmelbefallenen Bestaenden" gut
300.000 Baende umfassen. Im Abschnitt "Bearbeitung" rechnet L. mit einer
Erschliessung der Bestaende in einem Zeitraum von zehn Jahren durch die
Handschriftenabteilung (Baende vor 1800 nach RAK-Alte Drucke). Nach
nochmaligen Ausfuehrungen zur Eigentumsfrage folgt ein mit "Dubletten"
ueberschriebener Abschnitt, der 15 Druckzeilen umfasst. Den Schluss
bilden Angaben zum Bestand (im OPAC unter Erscheinungsform "a�"
abrufbar), u.a. ca. 80 Inkunabeln, und eine Liste der Kloester der bay.
Provinz.
Was steht nun im Abschnitt ueber die Dubletten? Die ZB Altoetting sei
ein Konglomerat "aus mehreren teilweise deckungsgleichen
Bibliotheksbestaenden aufgehobener Konvente": "Schon der Bibliothekar
der Zentralbibliothek hatte daher zahlreiche Dubletten ausgesondert und
verkauft. Bei der �bernahme der Bibliothek fand sich ein eigener
Dublettenbestand von ca. 40.000 B�nden, die noch w�hrend des Umzugs
verkauft wurden. Auch weiterhin werden Dubletten in der Regel
ausgesondert. Der Erl�s kommt den Erschlie�ungskosten zugute".
In "Empfehlungen" von 1998 werde davon ausgegangen, dass rund ein
Drittel aus der Zeit vor 1800 stammt, wovon sich in Eichstaett etwa die
Haelfte als Dubletten erweisen duerfte. Bei den neueren Bestaenden liege
dieser bei 70 %. Genauere Schaetzungen seien nicht moeglich gewesen,
vermutlich liege der Anteil "her noch h�her" (S. 137f.).
Man muss schon sehr aufmerksam lesen, um aus diesen Ausfuehrungen den
Schluss zu ziehen, dass die UB Eichstaett auch vor 1800 erschienene
Baende als vermeintliche "Dubletten" in grossem Umfang vermarktet. Ueber
das Verfahren bzw. eine vorherige Anbietung an oeffentliche oder
kirchliche Bibliotheken, ueber die Dokumentation der Provenienzen kein
Wort!
-- Forts. folgt
[Fortsetzung]
> Offenbar, lieber Herr Schmalor, haben Sie n�mlich nicht bemerkt,
> da�
> wir ins Visier eines Strategiespiels "Hybride Bibliothek" geraten
> sind. Der Spieler hat nur den Terminus "hybrid" mi�verstanden. Das
> Spiel ist ziemlich einfach und kann, da alle Bibliotheken Dubletten
> verkaufen, endlos weitergespielt werden. Unser Spieler spielt schon
> seit Jahren.
Diese Bemerkung wuerde ich, wenn ich sie denn verstuende, vermutlich
duemmlich finden. Getroffene Hunde bellen.
Vermutlich spiele ich dieses angebliche Strategiespiel, ohne es zu
wissen. Was die Problematik der Mischbibliothek ("hybride Bibliothek")
aus traditioneller und digitaler Bibliothek hier fuer eine Rolle spielen
soll, ist mir unklar. Mir geht es seit 1999, wie auf meiner Homepage
unter
http://www.uni-koblenz.de/~graf/#kulturgut
[aktuelle URL s.o.]
dokumentiert, um den Schutz von bedrohtem Kulturgut.
Zum Schlagwort hybride Bibliothek lese man:
http://archiv.ub.uni-marburg.de/sonst/2001/0002/welcome.html
> Deshalb finde ich es schade, da� Sie nicht geantwortet haben:
> "Nat�rlich wei� ich das. Und das f�gt sich auch durchaus in
> unsere Nauroder Erkl�rung. Denn wir verkaufen alle, soweit das
> damit vereinbar ist, Dubletten." Unser Spieler h�tte sich daraufhin
> rasch neu positioniert und wahrscheinlich alle kirchlichen
> Bibliotheken als unzuverl�ssig, ja "skandal�s" qualifiziert. Aber Sie
> h�tten damit einen gewissen Schutzwall gegen�ber �hnlichen
> Attacken um
> unsere vielen kleinen Mitgliedsbibliotheken gezogen.
>
> Eichst�tt verkraftet das. F�r uns hat das Ganze sogar den Vorteil,
> da�
> wir uns wieder einmal der Korrektheit unseres Vorgehens
> vergewissern
> mu�ten:
>
> Die Kapuziner haben n�mlich von jeher ein eigenes Verh�ltnis zu
> ihren Bibliotheken. Die Constitutionen dieses Bettelordens
> beschr�nkten den Buchbestand ihrer Bibliotheken auf das f�r den
> Orden und seine T�tigkeiten Notwendige, namentlich seelsorglich-
> homiletische Literatur und Hilfsmittel. Nicht Erforderliches soll
> ausgeschieden werden. Darum hatten alle alten Konvente,
> vornehmlich
> auf den Dachb�den, (Abstell-)R�ume mit ausgesonderten B�chern.
> Au�erdem sollten andere, z.B. neugegr�ndete Konvente nach
> Kr�ften mit
> Literatur unterst�tzt werden. Das f�hrte zu einer oft verwirrenden
> Wanderung von B�chern innerhalb einer Provinz, z.B. von Eichst�tt
> nach
> Neumarkt/OPf. und nach Wemding und wieder nach Eichst�tt,
> wobei die
> Eintr�ge, soweit �berhaupt vh., i.d.R. undatiert sind, die Reihenfolge
> also auch anders gelaufen sein kann: Was wann wo war, ist meist
> nicht
> mehr rekonstruierbar, es sei denn �ber Kataloge. Wichtig ist es
> daher
> vor allem zu wissen, welche B�cher in der Provinz vorhanden waren
> (innerhalb der ja auch die fratres rege wechselten) - und das halten
> wir heute bei den Rechnungen fest. �hnlich sind die Kapuziner seit
> Errichtung ihrer Zentralbibliothek in Alt�tting verfahren: Zum einen
> wurde (und wird) weiterhin ausgetauscht, zum anderen wurden
> nicht nur
> die Bibliotheken aufgehobener Konvente, sondern auch
> "�berfl�ssige"
> Werke aus weiterhin bestehenden Konventen in die
> Zentralbibliothek
> gegeben. Dort wurden, soweit der eine Bibliothekar �berhaupt in der
> Lage war, die Menge zu �berschauen, immer wieder Dubletten
> ausgesondert und verkauft. Bei der �bernahme der Zentralbibliothek
> nach Eichst�tt lag ein Bestand von mehreren 1.000 Dubletten dort,
> den wir
> vertragsgem�� noch von Alt�tting aus verkauft haben.
>
> Nach diesen Prinzipien: Erschlie�ung der Titel in allen
> vorhandenen Auflagen f�r die Zentralbibliothek, deren Funktion
> heute die UB Eichst�tt wahrnimmt, dabei Aussonderung der
> �berz�hligen Exemplare, verfahren wir, den Eigent�mlichkeiten der
> Provenienz entsprechend, nun auch in Eichst�tt. Nat�rlich behalten
> wir
> in Sonderf�llen wie z.B. Inkunabeln oder Werken mit besonderem
> intrinsischen Wert auch die Mehrfachexemplare. Unsere
> Verfahrensweise
> ist also speziell auf diesen Bibliothekstyp abgestellt.
> Benediktinerbibliotheken z.B. ( etwa die von St. Walburg in
> Eichst�tt,
> die wir ja vor einigen Jahren einschlie�lich des vors�kularen
> Bestandes vollst�ndig erfa�t haben) oder F�rstenbibliotheken d�rften
> so nat�rlich nicht behandelt werden. Da ist das Verh�ltnis zum Buch
> bzw. zur Bibliothek eben ganz anders - weshalb ja auch z.B. eine
> Zentralbibliothek einer Benediktinerprovinz unvorstellbar w�re.
>
> Lieber Herr Schmalor, ich hoffe, Sie verstehen, da� ich Ihnen auf
> diesem Wege schreibe. Durch Feiertage und Dienstreisen komme ich
> leider erst heute dazu.
>
> Mit besten Gr��en,
> Ihr Klaus Littger
Alle Bibliotheken verkaufen Dubletten, das ist wahr. Aber doch nicht aus
schuetzenswerten Altbestaenden! Es geht hier doch nicht um dutzendfach
vorhandene Werke des spaeten 19. oder 20. Jahrhunderts, die natuerlich
ohne weiteres ausgeschieden werden koennen, wenn sie nicht einem als
Gesamtheit schuetzenswerten geschlossenen Bestand angehoeren (z.B. einer
bedeutenden Gelehrtenbibliothek) oder handschriftliche Eintraege
aufweisen. Aber selbst dann sollten bei einer Aussonderung Titel und
Provenienz (soweit durch Exlibris etc. erkennbar) dokumentiert werden.
Der sog. Dublettenverkauf bei Altbestaenden ist seit der spektakulaeren
oeffentlichen Auseinandersetzung zwischen Halm (BSB Muenchen) und Ruland
(UB Wuerzburg) ueber die Muenchner Inkunabeldublettenverkaeufe im 19.
Jh. offenbar ein Tabu-Thema des Bibliothekswesens. Alle tuns, aber
niemand wills gewesen sein. Mir ist glaubhaft zu Ohren gekommen, dass
auch die HAB Wolfenbuettel vor der Amtszeit von Raabe Mehrfachexemplare
ausgesondert hat und dass die hochgeruehmte Johannes a Lasco Bibliothek
in Emden heute noch so verfaehrt. Aus meiner Dissertation kann ich ein
schlagendes Beispiel fuer einen unsinnigen Dublettenverkauf der LB
Stuttgart Anfang des 20. Jh. anfuehren: sie hat ein landesgeschichtlich
bedeutsames Mehrfachexemplar einer Lirer-Inkunabel nach New Haver
verkauft, siehe
http://www.uni-koblenz.de/~graf/heinr.htm#t67
[ http://projekte.geschichte.uni-freiburg.de/mertens/graf/heinr.htm#t67 ]
Es gibt aber zum Dublettenverkauf, sweit ich weiss, keine
uebergreifenden Forschungen.
Aus der Sicht der Wissenschaft darf ich einen Text des Hamburger
Kirchenhistorikers Johann Anselm Steiger anfuehren, der ja vehement
gegen die Verkaeufe aus der NEKB protestiert hat:
"Immer mehr Wissenschaftler, die aus gedruckten Quellen des 16. bis 18.
Jahrhunderts zitieren, geben neben den bibliographischen Angaben auch
das Exemplar, das sie verwendet haben, an. Das hat seinen guten Grund:
Was fr�hneuzeitliche Drucke angeht, hat man bis zum schlagenden Beweis
des Gegenteils von der Pr�misse auszugehen, da� es Doubletten nicht
gibt. Ein solcher Beweis aber l��t sich keineswegs auf den ersten oder
zweiten Blick, h�ufig auch nicht durch den Vergleich der sog.
Fingerprints, sondern nur durch m�hsame Kollation, d.h. durch
detaillierte textkritische Arbeit, etwa innerhalb eines
Editionsprojektes, erbringen. Von enormem Quellenwert sind zudem nicht
nur Besitzeintr�ge, sondern auch auf den ersten Blick unerhebliche (und
den antiquarischen Marktwert meist verringernde!) Anstreichungen bzw.
Marginalien, die selbst dann von rezeptionsgeschichtlichem Interesse
sein k�nnen, wenn es nicht m�glich ist, den Autor dieser Paratexte zu
identifizieren."
Die allermeisten wissenschaftlichen Bibliotheken wuerden heute davon
ausgehen, denke ich, dass der Bereich des historischen Bucherbes, der
Altbestaende im Sinne des Handbuchs der historischen Buchbestaende
"sakrosankt" ist und nicht durch Verkaeufe geschmaelert werden darf.
Eichstaett sieht das allerdings anders, und verstoesst damit gegen alle
vier von mir genannten Kriterien.
1. Transparenz: Sowohl die telefonischen Auskuefte um den 1. Juni herum
als auch die Mail des Provinzials entsprechen nicht der Wahrheit. Wieso
hat man mich damals nicht auf den wahren Sachverhalt hingewiesen bzw.
auf die Publikation von Littger 2000? Der Provinzial legt auf einen
weiteren Schriftverkehr mit ihm keinen Wert, wie er mir per Mail
mitteilte, da ich seine Mail ungenehmigt verwendet haette. Ich begruesse
das, denn auch ich moechte mit Leuten, die mich anluegen und denen
Gottes Gebot so wenig bedeutet, nichts zu tun haben.
Ich kann nun nicht detailliert offen legen, mit wem ich vor meiner Mail
an INETBIB gesprochen habe. Aber diese Gespraeche hatten keinerlei
Anhaltspunkte dafuer ergeben, dass die Eichstaetter Vorgaenge allgemein
bekannt waren. So wurde auch in Naurod nicht ueber Eichstaett
gesprochen.
Bei Dublettenverkaeufen denkt man nun einmal nicht an historische
Bestaende vor 1800, sondern an modernes Schrifttum.
Ich selber habe ja einen Band gesehen, der einen Besitzeintrag des
Konvents Wemding aus dem 17. oder 18. Jh. enthielt und der zuletzt im
Kloster Eichstaett (einem Zentralkloster) war, also nach dem o.g.
Kriterium EIGENTUM des Freistaats Bayern zu gelten hatte. Daher traegt
die Generaldirektion der Bayerischen Staatsbibliothek eine
Mitverantwortung, denn sie muss die Altbestandsverkaeufe aus Eichstaett
auch hinsichtlich der staatlichen (vermeintlichen) Dubletten genehmigt
haben. Merkwuerdig nur, dass man davon in der Handschriftenabteilung
nichts davon wusste, als ich mich dort erkundigte ...
Zweites Beispiel aus dem ZVAB: "Theologie ohne Autor: Die heiligen
Evangelien. sehr alt, [...]
exlibris-Aufkleber
(Bibliothek des kapuzienerklosters Eichst�dt) 288 Seiten und etwa 50
Leerseiten f�r Notizen, davon zwei Seiten handschriftlich eng in
deutscher Schrift beschrieben, datiert auf den 15.9.1621".
Wer kaeme auf die aberwitzige Idee (ausser einem Herrn Dr. L.), in einem
solchen (ebenfalls staatlichen) Band mit einem handschriftlichen Text
eine Dublette statt ein MANUSKRIPT (mit angebundenem Druck) zu sehen? Im
angloamerikanischen Raum gibt es eigene Forschungskataloge fuer
Bestaende mit Marginalien - aber die UB Eichstaett verhoekert derlei
munter als "Dublette".
Kriterium 2 ist klar erfuellt, es wurde wertvolles Kulturgut geopfert.
Ob die Ausfuehrungen von L. zur Bibliothekssorge der Kapuziner zutreffen
oder nicht, kann dahingestellt bleiben. Richtig ist, dass fuer eine
Rekonstruktion der Bibliotheken einzelner bayerischen Kapuzinerkonvente
nun einmal von dem Bestand ausgegangen werden muss, der ihnen durch
Besitzvermerke oder Kataloge zugewiesen werden kann. Wer den
Gesamtbestand nach dem Dublettenprinzip ausduennt, zerstoert eine
historische Quelle. In seinem Beitrag von 2000 sagt L. ja auch, dass
eine Provenienzbestimmung "teilweise" unmoeglich sei. Schweizer
Kapuzinerbibliotheken (Zug, Luzern) konnten aber durchaus als wichtige
geistesgeschichtliche Quellen erforscht werden - was absurd waere, wenn
die Fluktuation jegliche wissenschaftliche Aussage verunmoeglichen
wuerde.
Nun muessten wir eigentlich dankbar sein ueber alles, was uns von
historischen Kapuzinerbibliotheken uebrig geblieben ist, denn bei der
Saekularisation galten diese als Horte des Obskurantismus und wurden von
den zustaendigen Beamten oft restlos dezimiert. Man lese beispielsweise
P. Bonaventura von Mehr, Das Predigtwesen in der k�lnischen und
rheinischen Kapuzinerprovinz, Roma 1945, S. 323-325. Das
Bibliothekswesen der Kapuziner kann nicht als gut erforscht gelten, z.B.
fehlt ein Artikel im LGB�. Das angeblich so korrekte Vernichtungswerk
der UB Eichstaett setzt mit dem Deckmaentelchen der ganz anderen
Bibliothekskultur diesen Ordens die damalige Barbarei im 21. Jahrhundert
fort.
Und warum hat man sich ueberhaupt an den Altbestaenden vergriffen und
nicht erst die modernen "Dubletten", die man vielleicht auch als solche
ausscheiden durfte, entfernt, womit man doch erheblich mehr Platz
gewonnen haette? Offenbar, weil man auf das durch Antiquariatsverkaeufe
zu erzielende Geld scharf war.
Kriterium 3 ist auch erfuellt, denn von einer vorrangigen Anbietung an
andere Bibliotheken verlautet nichts. Aus Wolfenbuettel wurde ich
nachtraeglich in privater Mail angegriffen: Die Sammlung deutscher
Drucke habe durchaus Bestaende des 17. Jh. aus Kapuzinerbibliotheken
erwerben koennen und somit etwas davon gewusst. Aber aus Antiquariaten!
Und unabhaengig davon, wie guenstig die Kaeufe waren, bleibt es eine
eklatante Verschwendung von Steuergeldern, wenn die fuer Barockdrucke
zustaendige Bibliothek nicht direkt und damit guenstiger bei einer
anderen oeffentlichen Bibliothek erwerben kann.
Ebensowenig hat - Kriterium 4 - eine Dokumentation exemplarspezifischer
Eigenheiten stattgefunden. Es genuegt eben nicht, dass man aus den
Rechnungen ersehen kann, wie L. oben schreibt, was Besitz der ZB war.
Wenn man schon nicht alles meint behalten zu koennen, sollte man immer
versuchen, den Schaden fuer die Wissenschaft durch vorherige
Dokumentation (Kopieren der Titelblaetter, Besitzeintraege usw.) so
gering wie moeglich zu halten. In Eichstaett: Pustekuchen! Man habe
dafuer kein Personal. Aber haette man sich denn nicht solange Zeit
lassen koennen, wenn man die ganze Sache ohnehin langfristig angehen
musste?
FAZIT:
Eine alte Regel des kanonischen Rechts lautet: Wer schweigt, stimmt zu.
Hier ist das Forum, mir laut zu widersprechen, wenn ich mich irren
sollte - insbesondere hinsichtlich der allgemeinen Auffassung in
wissenschaftlichen Bibliotheken, dass Altbestaende und inbesondere alle
Bestaende vor 1800 - unabhaengig von ihrem angeblichen
Dublettencharakter - NICHT in den Handel gegeben werden duerfen.
Von der UB Eichstaett ist zu fordern:
1. Keine weiteren Verkaeufe aus den Kapuzinerbibliotheken aus dem
Bestand vor 1802 mehr!
2. Ausscheidung juengerer sog. Dubletten nur in einem transparenten
Verfahren durch vorrangige Anbietung an andere Bibliotheken und unter
Dokumentation ihrer Provenienz.
Wer diese Forderungen unterstuetzen moechte, kann dies gegenueber seiner
Magnifizenz, dem Praesidenten der KU Eichstaett Prof. Dr. Ruprecht
Wimmer mailto:praesident@ku-eichstaett.de tun.
Ergaenzend sollte in den kirchlichen, aber auch anderen Bibliotheken und
den dafuer zustaendigen Gremien kritisch und ausfuehrlich ueber die
sogenannten Dublettenverkaeufe gesprochen werden. Ich kann nur aus der
Sicht des Wissenschaftlers wiederholen, dass heute keine Bibliothek mehr
das Recht hat, in schuetzenswerten, weil wissenschaftlich wertvollen
historischen Buchbestaenden mit dem im Ansatz verfehlten
Dublettenargument zu wildern.
Kontaktaufnahme mit dem kath. Verband: via http://www.akthb.de.
Dr. Klaus Graf
Der Umgang der UB Eichstätt mit den Kapuziner-Altbeständen ist absolut indiskutabel und für mich ein Verbrechen (das leider nach herrschender Lehre im Strafgesetzbuch nicht vorgesehen ist).
Man vergleiche aber § 304 StGB:
§ 304
Gemeinschädliche Sachbeschädigung
(1) Wer rechtswidrig Gegenstände der Verehrung einer im Staat bestehenden Religionsgesellschaft oder Sachen, die dem Gottesdienst gewidmet sind, oder Grabmäler, öffentliche Denkmäler, Naturdenkmäler, Gegenstände der Kunst, der Wissenschaft oder des Gewerbes, welche in öffentlichen Sammlungen aufbewahrt werden oder öffentlich aufgestellt sind, oder Gegenstände, welche zum öffentlichen Nutzen oder zur Verschönerung öffentlicher Wege, Plätze oder Anlagen dienen, beschädigt oder zerstört, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
Die verantwortlichen Bibliothekare der UB Eichstätt tun genau dies: Sie zerstören Gegenstände der Wissenschaft in einer öffentlichen Sammlung.
Es ist Unding, dass die Fachwelt genau weiss, was in Eichstätt geschieht (spätestens seit meiner Mitteilung in INETBIB), aber wegschaut. Dass jemand wie Dr. Staecker (HAB Wolfenbüttel) sich zwar wegen der von mir in INETBIB aufgedeckten NEKB-Causa echauffiert hat, aber in Sachen Kauzinerbücher keinerlei Handlungsbedarf sah, ist einfach nur erbärmlich. Kapuzinerbibliotheken sind ebenso wie andere Klosterbibliotheken Geschichtsquellen, die nicht undokumentiert im Handel verscherbelt werden dürfen!
Update im Kommentar.
http://www.donaukurier.de/news/eichstaett/art575,1579585.html
"Mit Vehemenz hat die Leitung der Katholischen Universität die Vorwürfe gegen die Bibliothek zurückgewiesen. Die Aussonderung von Beständen sei ein ganz normaler Vorgang, so Kanzler Gottfried von der Heydte. "Ich sehe keinerlei Veranlassung anzunehmen, dass aus bibliothekarischer oder universitärer Sicht inkorrekt durch die Leitung der Universitätsbibliothek vorgegangen wurde", erklärte der Kanzler der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt und Dienstvorgesetzter von Bibliotheksdirektorin Angelika Reich, Gottfried Freiherr von der Heydte, gestern gegenüber dem EICHSTÄTTER KURIER.
Die Vorwürfe, die Bibliothekschefin habe, wie berichtet, eine wertvolle Tonträgersammlung an ein Antiquariat "verscherbelt", wies er damit als gegenstandslos und "schon aus Fürsorgepflicht" zurück.
Bei den durch Carola Schneider geschenkten Schallplatten ihres Vater, des Musikprofessors Heinrich Sievers, habe es um eine Sammlung gehandelt, die "keinerlei irgendwie gearteten bibliothekarischen Wert" gehabt habe. Dies habe eine sorgfältige Prüfung der Sammlung ergeben. Lediglich die etwa 80 Schellack-Platten aus der Sievers- Sammlung seien in den Schellack-Bestand der Universitätsbibliothek eingearbeitet worden. Der Rest der 3000 Platten sei an das sächsische Antiquariat in Leipzig verkauft worden.
Und die Universität könne froh sein, überhaupt einen Abnehmer gefunden zu haben, so von der Heydte, der von einem Verkaufspreis von 1100 Euro spricht. Dem gegenüber war der Wert der Sammlung bei der Überlassung an die Unibibliothek damals mit 30 000 Mark angegeben worden. Allerdings, so der Kanzler, sei die Zeit der Schallplatte einfach vorbei. Die Sammlung habe "sowohl für die Lehre und Forschung als auch für die Bibliothek schlichtweg keine Bedeutung" gehabt. Sicherlich, so von der Heydte, stelle die Sammlung für den verstorbenen Professor Sievers und dessen Tochter, Carola Schneider, einen ideellen Wert dar, "aber wir müssen nach bibliothekarischen Gesichtspunkten bewerten und sind kein Museum".
Außerdem habe der Mäzen und Ehrendoktor der Universität Eichstätt, der Musikantiquar und Verleger Hans Schneider, die Kontakte zur Bibliothek nicht erst nach den Vorgängen um die Schallplattensammlung seines Schwiegervaters abgebrochen, sondern bereits mit dem Ausscheiden von Hermann Holzbauer als Direktor der Bibliothek.
Dass "selbstverständlich Dubletten abgegeben werden", aber nur nach "sorgfältiger und gewissenhafter Prüfung" sei für eine Bibliothek ein ganz normaler Vorgang. Dies gelte auch für die Bestände der Provinz der bayerischen Kapuziner, die die Universitätsbibliothek im Jahr 1999 übernommen hatte. Auch hier werde "ganz in Übereinstimmung mit dem damals geschlossenen Überlassungsvertrag und in Absprache mit der Provinzleitung" verfahren. Das bedeute, dass sämtliche Bestände vor dem Jahr 1802 in die Bibliothek eingestellt würden – mit Ausnahmen von Dubletten. Bände nach dem Jahr 1802 würden dann eingearbeitet, wenn die Bibliotheksleitung dies für richtig halte. Weggeworfen oder abgegeben würden verschmutzte oder verschimmelte Literatur, Taschenlexika oder Krimis – alles selbstverständlich nach genauer Sichtung.
Damit setzt sich von der Heydte gegen Kritiker wie den Historiker Klaus Graf von der Universität Freiburg zur Wehr, der der Leitung der Eichstätter Unibibliothek "Vernichtung von Kulturgut" vorwirft."
Nein, die Aussonderung von Altbeständen ist eben kein normaler Vorgang, sondern für Bestände vor 1800 bzw. "historische Buchbestände" außerordentlich unüblich.
Mir ist per Mail eine Bestätigung der in meinem Beitrag gegebenen Darstellung zugespielt worden.
Von anderer Seite wurde mir mitgeteilt:
"Erst vor wenigen Tagen erwarb ich antiquarisch einen Titel, der aus dem Kapuzinerkloster Rosenheim stammt und mit größter Sicherheit aus den Eichstätter Beständen stammt, ohne daß die beiden Bücher eines Konvolutes im Katalog der UB nachgewiesen wären. Es läßt sich auch an anderen Beispielen aufzeigen, daß es gelogen ist, wenn behauptet wird, nur Doppelstücke seien ausgesondert worden."
Die Zurückweisung meiner Kritik bezieht sich auf einen Artikel vom 9.1.2007
http://www.donaukurier.de/news/eichstaett/art575,1579581.html?fCMS=06836328885f97eaec2e62b521b8e4dc
"Vernichtung von Kulturgut" angeprangert
Hermann Redl
Eichstätt (hr) Ausgelöst durch den Verkauf der Schallplattensammlung von Professor Heinrich Sievers durch die Bibliothek der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt, sieht sich der Freiburger Historiker Dr. Klaus Graf in seiner Einschätzung bestätigt , dass die Leitung der Eichstätter Universitätsbibliothek "Kulturgut vernichtet".
Graf, der seit Jahren einen Feldzug gegen den Verkauf von Beständen aus in sich geschlossenen Sammlungen führt, hat die Eichstätter Bibliothek schon seit längerer Zeit im Visier, weil sie seiner Meinung nach nicht sorgfältig genug mit dem ihr anvertrauten Bestand der Bibliotheken der bayerischen Kapuziner umgeht. Denn immer wieder habe er selbst in Antiquariaten oder ähnlichen Einrichtungen Bestände entdeckt, die aus der Kapuzinersammlung aus Eichstätt stammen. Dabei handelte es sich nicht nur um Werke aus der Zeit nach 1802, sondern um mehrere Bände auch aus der Zeit des frühen 17. oder 18. Jahrhunderts.
Außerdem sollen – unbesehen und nicht katalogisiert –, hunderte von Büchern einfach per Container entsorgt worden sein. Der Umgang der UB Eichstätt mit den 300 000 Bände umfassenden Kapuzinerbeständen sei "absolut indiskutabel und für mich ein Verbrechen", schreibt Graf. "Kapuzinerbibliotheken sind ebenso wie andere Klosterbibliotheken Geschichtsquellen, die nicht undokumentiert im Handel verscherbelt werden dürfen", stellt Graf fest.
Auch einer der führenden Esperantologen und Erforscher der Plansprachen, Reinhard Haupenthal, übt scharfe Kritik an dem Verhalten der Unibibliothek und deren "Vernichtungsaktion". Haupenthal wollte der Bibliothek seine etwa 10 000 bibliografischen Einheiten umfassende Plansprachensammlung überlassen. Eine entsprechender Vertrag war bereits unterschrieben. Doch dann kam es zum Rückzieher. Kanzler Gottfried von der Heydte habe ihm, Haupenthal, im März 2005 mitgeteilt, dass man dabei sei, "containerweise "Bücher zu vernichten, da man keinen Platz mehr in den Magazinen habe. Der Überloassungsvertrag kam nicht mehr mit der Eichstätter Unibibliothek zustande, sondern mit der Bayerischen Staatsbibliothek. Haupenthal, der in einem Schreiben an den EICHSTÄTTER KURIER von einem "Augiasstall" in der Unibibliothek spricht: "Ich hoffe und wünsche, dass die Förderer und Freunde der Katholischen Universität von all diesen Vorkommnissen erfahren und entsprechende Gegenmaßnahmen einleiten. Nur so ist größerer Schaden abzuwenden." Und: "Man sollte durchaus prüfen, ob ein Disziplinarverfahren einzuleiten ist." [...]
Zu den Berichten ,,Vorwurf: Tonträgersammlung verscherbelt" und ,,Vorwürfe gegenstandslos" (EK vom 3. und 10. Januar 2007):
Unerhörter Satz
"Mit Geschenken kann die Bibliothek machen, was sie will." Ein unerhörter Satz, den ich noch von keinem Bibliotheksleiter des In- und Auslands gehört habe. Da kann von "gewissenhafter Prüfung" gefaselt werden, aber wer außer der Leiterin der Bibliothek entscheidet denn definitiv, was behalten und was vernichtet wird? Nach welchen subjektiven Grundsätzen trifft sie ihre Entscheidung? Welchen jahrelangen Vertrauensverlust bei den Schenkern nimmt die Bibliothek hier in Kauf? Wenn "containerweise" vernichtet wird, wie selbst der Kanzler der Uni Eichstätt kleinlaut zugeben muss, was ging dabei an Werten unwiederbringlich verloren? Den Begriff ,,Platzmangel" kennt jeder, der einmal eine Bibliothek geleitet hat. Dagegen gibt es Maßnahmen, die sorgfältig geprüft und abgewogen werde müssen: Verschiebung der Bestände, Ausweichquartiere, Umbauten. Dazu gehört allerdings Geist und Mühe, die bei der jetzigen Bibliotheksleitung in Eichstätt nicht mehr ausreichend vorhanden zu sein scheinen. Wenn man international hoch geachtete Persönlichkeiten wie Hans Schneider, ohne Rückfrage zu halten, so vor den Kopf stößt und erhebliche Teile seiner Plattensammlung einfach ,,verscherbelt", so ist das unerhört. Dass der Kanzler diesen Vorgang als ,,gegenstandslos" abtut und seine ,,Fürsorgepflicht" gegenüber der Bibliotheksleiterin ins Spiel bringt, ist kaum zu fassen. Was wird hier für ein Spiel getrieben? Was ist aus dem Glanz des ehemaligen ,,Mekka der Bibliothekare", wie man Eichstätt einst nannte, geworden? Wie lange noch werden diese Ungeheuerlichkeiten, welche zu Recht ,,Vernichtung von Kulturgut" genannt werden, geduldet, ohne dass eingegriffen wird? Armes Eichstätt.
Dr. Ernst R. Hauschka Leitender Bibliotheksdirektor a.D. RegensburgDr. Ernst R. Hauschka (* 28.8.1926 in Aussig, Böhmen), der auch als Aphoristiker und Erzähler bekannt geworden ist (Mitglied der Sudetendeutschen Akademie der Wissenschaften und Künste in München und Träger zahlreicher literarischer Auszeichnungen und Preise), war von 1956 - 1988 im Bibliotheksdienst. 1959 Lt. der Bayerischen Bibliotheksschule in München, 1960-68 Vorsteher der StB Regensburg und nebenamtlicher Leiter der Staatlichen Provinzialbibliothek Amberg (1963-68), 1969-1977 stv. Bibl.Dir. der UB Regensburg, 1978-1988 Ltd. Bibl.Dir. in der Generaldirektion der Bayerischen Staatlichen Bibliotheken, Referat Öffentliche Bibliotheken.
EICHSTÄTTER KURIER, Redaktion Eichstätt, Lokales, LESERBRIEFE, 11.1.07
Zum Bericht: ,,Tonträgersammlung verscherbelt" (EK vom 3. Januar 2007)
Viel Lärm um Wenig: Eine ostdeutsche Stimme zum Schallplattenstreit
Die produktiven Arbeitsbeziehungen zwischen Bibliotheken und Antiquariaten sind etwa 300 Jahre alt. Antiquare lieferten den Bibliotheken Titel, die lange vergriffen waren, um die eigenen Bestände sinnvoll zu ergänzen. Die unmittelbare Gegenwart zeigt ein etwas verändertes Bild. Die immer geringer werdenden Ankaufsfonds veranlasste die Bibliotheken, sich in der Ankaufspolitik fast ausschließlich auf neue Titel zu konzentrieren. Die Magazine platzen aus allen Nähten. Wohlgemeinte Schenkungen von Sammlern und ehemaligen Professoren (die Titel sind oft schon vorhanden) lassen eine Vielzahl von Dubletten entstehen, für die die Bibliotheken oft auch aus Profilgründen keine Verwendung mehr haben. Antiquare nehmen diese ab. Für die vereinbarten Preise kann die Bibliothek vielleicht sogar den Ankaufsfonds aufbessern. Nach der Wiedervereinigung kam eine neue interessante Dimension in die Zusammenarbeit. Die Bestände der Bibliotheken und Antiquariate der ehemaligen beiden deutschen Staaten waren wechselseitig interessant und bereicherten die Angebote maßgeblich. Als Geschäftsführer des Zentralantiquariates Leipzig waren für mich die Bestände der bayrischen Antiquariate und Bibliotheken besonders interessant, da sie für uns bis dato kaum zugänglich waren. Mitte der 90er Jahre lernte ich auf diesem Wege den damaligen Direktor der Universitätsbibliothek Eichstätt, Dr. Holzbauer, und vor allem seine Mitarbeiter kennen. Über ein Jahrzehnt entwickelte sich eine vertrauensvolle Zusammenarbeit. Durch Schließungen von Bibliotheken im regionalen Umfeld hat die Eichstätter Bibliothek neben dem Erwerb und der Einarbeitung von Neuerscheinungen auch unzählige Altbestände zu sichten und einzustellen. Die Zahl der dabei entstehenden Mehrfachexemplare sind platzmäßig nicht zu verkraften. In der Regel werden diese Titel an Studenten und Antiquariate verkauft. Diese Methoden sind in fast allen Universitätsbibliotheken unseres Landes üblich. Wichtig ist: Es werden keine Bücher vernichtet. Es sei denn sie sind total beschädigt oder inhaltlich veraltet. (...) Die Sammlung von Professor Sievers beziehungsweise Herrn Schneider hat den Besitzer gewechselt, da sie heute offensichtlich in ihrer Qualität auch nicht mehr in das Profil der Bibliothek passte. Für den von mir geschätzten Musik-Antiquar Hans Schneider (Tutzing) mag die Sammlung seines Schwiegervaters Professor Sievers von außerordentlichem ideellen Wert sein. Sie stammt aus den 50er bis 80er Jahren, ist etwas lückenhaft und leider: das Medienzeitalter ist darüber hinweg gegangen (...) Gute, auch historische Aufnahmen bedeutender Dirigenten und Orchester erhält jeder Musikfreund in den Filialen der Wohlthat'schen Buchhandlung zum Preis von 3.99 Euro (vier CD's). (...) Nun könnte die Frage im Raum bleiben: Wenn dem so ist, wieso hat diese Kollektion in Leipzig antiquarische Abnehmer gefunden? Vor allem deshalb, da wir in Leipzig direkt gegenüber der Thomaskirche ein kleines Musik-Antiquariat betreiben und Schallplatten rund um die Bach-Familie von Plattenfirmen aus den alten Ländern für die wenigen Schallplattenfreaks nicht uninteressanter als für Gleichgesinnte in München oder Eichstätt sind. Insofern ist diese Sammlung, so lückenhaft und von durchschnittlicher Qualität sie auch war, wohl an keine schlechte Adresse geraten. Die ehemaligen Besitzer sollten damit wohl gut leben können, auch wenn die ursprüngliche Schenkungsabsicht eine andere war.
Hans Rainer Arnold Geschäftsführer Zentralantiquariat LeipzigDipl. cult. wiss. Hans-Rainer Arnold führt Deutschlands größtes Ladenantiquariat in unmittelbarer Nähe der wiederaufgebauten Frauenkirche, sowie ein Musikantiquariat am Thomaskirchhof in Leipzig. Beides sind Filialen des Zentralantiquariats Leipzig, 1959 als "Zentralantiquariat der DDR" gegründet, des größten Antiquariats der DDR mit weltweiten Geschäftsbeziehungen.
Eichstätt (EK) Die Stiftungsvorstand der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt hat der Leiterin der Universitätsbibliothek die Aufarbeitung der Bestände der so genannten Kapuzinerbibliothek verboten. Grund ist der Verdacht, dass etwa 100 000 Bücher als Altpapier vernichtet worden sind.
Damit reagierte der Vorstand unter Vorsitz des Eichstätter Altlandrats Konrad Regler auf Berichte im EICHSTÄTTER KURIER von Mitte Januar dieses Jahres, denen zufolge Bibliothekschefin Dr. Angelika Reich aus bayerischen K apuzinerklöster stammenden Bibliotheksbeständen, die der Eichstätter Einrichtung überlassen wurden, im großen Stil der Altpapierverwertung hat zuführen lassen. Wie Gottfried Freiherr von der Heydte, Kanzler der Universität und damit auch Dienstvorgesetzter Reichs, gestern gegenüber dem EK erklärte, scheinen unter Leitung von Reich im Zeitraum von Juni 2005 bis Oktober 2006 insgesamt 80 Tonnen Bücher in 17 Containern unterschiedlicher Größe in die Altpapierverwertung gekommen und damit vernichtet worden zu sein. Dies hätten seine Recherchen ergeben, so von der Heydte.
Dem EICHSTÄTTER KURIER, der von der Heydte zu der Nachforschung veranlasst hatte, liegen zudem Hinweise vor, dass alleine im Jahr 2006 mindestens drei weitere Container entsorgt wurden. Außerdem sollen Bücher vernichtet worden sein, die vor dem Jahr 1802 erschienen sind und laut Vertrag, den die Universitätsbibliothek Eichstätt und die bayerischen Kapuziner geschlossen haben, Eigentum des Freistaats Bayern sind. Insgesamt, so wird geschätzt, wurden über 100 000 Bände und damit zumindest ein Viertel der insgesamt etwa 350 000 Bände umfassenden Bibliothek der bayerischen Kapuziner vernichtet. Ein Teil davon wohl, ohne überhaupt eingehend und fachmännisch auf seine bibliothekarische Bedeutung, seinen materiellen wie ideellen Wert als Kulturgut hin überprüft worden zu sein.
Von der Heydte, der sich nach der Veröffentlichung der Vorwürfe gegen die Bibliothek noch vehement vor seine Leiterin Angelika Reich gestellt hatte, will das nun ausgesprochene sofortige Arbeitsverbot gegen sie im Falle der Kapuzinerbestände nicht als Vorverurteilung sehen. Die Maßnahme, hervorgegangen aus einem "sehr ernst zu nehmenden Verdacht", sei allerdings ein "Signal für eine sehr ernsthafte Überprüfung, ob hier in nicht hinnehmbarer Weise Sorgfaltspflichten verletzt wurden", so der Kanzler. [...]
http://www.donaukurier.de/news/eichstaett/art575,1608318.html?fCMS=10cbfd5908fb2a947535b32cacaaffab
Eine Debatte findet derzeit in http://www.inetbib.de statt (demnächst auch im Archiv nachlesbar)
Stellungnahme Johann Anselm Steiger
http://archiv.twoday.net/stories/3346321/
Bibliographie zu Kapuzinerbibliotheken
http://archiv.twoday.net/stories/3337985/
Tagespost-Artikel
http://archiv.twoday.net/stories/3342838/