Leserbrief in der FAZ vom Dienstag 26.9.2006 S. 8
Die Meldung über den beabsichtigten Verkauf von Handschriften der Badischen Landesbibliothek durch das Haus Baden in Einvernehmen mit der Baden-Württembergischen Landesregierung (F.A.Z. vom 21. September) hat bei allen, die diese Handschriftensammlung kennen, zunächst nur ungläubiges Erstaunen über so viel Ignoranz hinsichtlich des kulturellen Ranges dieser Dokumente, dann aber Entsetzen ausgelöst. Bislang sind derartige Bestandsverluste aus Bibliotheken in öffentlicher Hand nur durch Krieg oder Brände zu beklagen gewesen.
Ein Verkauf in der angedeuteten Größenordnung wäre eine Zerstörung dieser Sammlung. Unabhängig von der Rechtsfrage, ob das Haus Baden säkularisiertes Klostergut als Privateigentum betrachten darf - es ist nicht einzusehen, warum das Land einem Rechtsstreit aus dem Wege geht -, wird hier doch Kulturgut zur Disposition gestellt, das anerkanntermaßen zu den ganz zentralen Überlieferungsstücken des süddeutschen Mittelalters gehört. Aber auch die Stücke anderer Provenienz sind inzwischen seit Jahrhunderten eng mit unserem kulturellen Umfeld, mit Geistes- und Wissenschaftsgeschichte verwoben - etwa das von Rose-Maria Gropp (F.A.Z. vom 22. September) herausgestellte, ursprünglich für den französischen Hof entstandene und jetzt aus dem Säkularisationsgut des Schwarzwaldklosters Sankt Peter stammende "Breviculum" aus Werken des Raimundus Lullus. Abt Martin Gerbert erwähnte es schon 1773 rühmend in seinem "Iter alemannicum", die kritische Edition besorgte schließlich das Freiburger Raimundus-Lullus-Institut (1990). Eine Zerstörung dieser historischen Sammlungs- und Forschungszusammenhänge - durch die von der DFG finanzierte Katalogisierung sind die Handschriften im übrigen bestens erschlossen - kann man nur als Barbarei ansehen. Ein Verkauf in der angedeuteten Art und eine Zerstreuung dieser Bestände wäre ein Jahrtausendschaden für die kulturelle Überlieferung Badens.
Professor Dr. Albert Raffelt,
Freiburg im Breisgau
[Raffelt ist stellvertretender Leiter der UB Freiburg]
Die Meldung über den beabsichtigten Verkauf von Handschriften der Badischen Landesbibliothek durch das Haus Baden in Einvernehmen mit der Baden-Württembergischen Landesregierung (F.A.Z. vom 21. September) hat bei allen, die diese Handschriftensammlung kennen, zunächst nur ungläubiges Erstaunen über so viel Ignoranz hinsichtlich des kulturellen Ranges dieser Dokumente, dann aber Entsetzen ausgelöst. Bislang sind derartige Bestandsverluste aus Bibliotheken in öffentlicher Hand nur durch Krieg oder Brände zu beklagen gewesen.
Ein Verkauf in der angedeuteten Größenordnung wäre eine Zerstörung dieser Sammlung. Unabhängig von der Rechtsfrage, ob das Haus Baden säkularisiertes Klostergut als Privateigentum betrachten darf - es ist nicht einzusehen, warum das Land einem Rechtsstreit aus dem Wege geht -, wird hier doch Kulturgut zur Disposition gestellt, das anerkanntermaßen zu den ganz zentralen Überlieferungsstücken des süddeutschen Mittelalters gehört. Aber auch die Stücke anderer Provenienz sind inzwischen seit Jahrhunderten eng mit unserem kulturellen Umfeld, mit Geistes- und Wissenschaftsgeschichte verwoben - etwa das von Rose-Maria Gropp (F.A.Z. vom 22. September) herausgestellte, ursprünglich für den französischen Hof entstandene und jetzt aus dem Säkularisationsgut des Schwarzwaldklosters Sankt Peter stammende "Breviculum" aus Werken des Raimundus Lullus. Abt Martin Gerbert erwähnte es schon 1773 rühmend in seinem "Iter alemannicum", die kritische Edition besorgte schließlich das Freiburger Raimundus-Lullus-Institut (1990). Eine Zerstörung dieser historischen Sammlungs- und Forschungszusammenhänge - durch die von der DFG finanzierte Katalogisierung sind die Handschriften im übrigen bestens erschlossen - kann man nur als Barbarei ansehen. Ein Verkauf in der angedeuteten Art und eine Zerstreuung dieser Bestände wäre ein Jahrtausendschaden für die kulturelle Überlieferung Badens.
Professor Dr. Albert Raffelt,
Freiburg im Breisgau
[Raffelt ist stellvertretender Leiter der UB Freiburg]
BCK meinte am 2006/11/21 00:06:
Beitrag von Raffelt für "Expressum" (UB Freiburg)
Auf den Seiten 8-13 der Ausgabe 2006/05 von Expressum, der Hauszeitschrift der UB Freiburg ( http://www.ub.uni-freiburg.de/expressum/2006-05.pdf ) erläutert Raffelt ausführlicher, warum es sich nicht um eine "nordbadische Angelegenheit" handele. Raffelt konzentriert sich auf die Sammlung des Klosters Sankt Peter, die in wesentlichen Teilen auf den Abt Philip Jakob Steyrer zurückgehe, aus dessen Erwerbungen Teile auch in den Bestand der Universitätsbibliothek Freiburg geraten sind. Wie die Karlsruher Handschriften mit Freiburg verbunden sind, zeigt Raffelt an einem besonders schönen Beispiel, dem "Breviculum" des Raimundus Lullus in der Kompilation seines Schülers Thomas le Myésier.Vgl. auch http://archiv.twoday.net/stories/2772922/