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Nachruf Nervenarzt 2013 · 84:637–638 DOI 10.1007/s00115-013-3746-3 Online publiziert: 27. Februar 2013 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013 P. Hoff · B. Küchenhoff Psychiatrische Universitätsklinik Zürich Nachruf source: https://doi.org/10.7892/boris.117799 | downloaded: 19.6.2020 Christian Scharfetter (1936–2012) Am 25. November 2012 verstarb Prof. Dr. med. Christian Scharfetter nach schwerer Krankheit. Er war seit Jahrzehnten eng mit der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich verbunden. 1936 in Innsbruck geboren, hat Christian Scharfetter auch dort studiert und erste, umfassende klinische Erfahrungen gesammelt. 1963 kam er nach Zürich, zunächst an die Neurochirurgische Klinik der Universität, von wo aus er regelmäßig die Kolloquien der Psychiatrischen Universitätsklinik besuchte. 1967 trat er in die psychiatrische Universitätsklinik (Burghölzli) als Assistenzarzt bei Prof. Manfred Bleuler ein, der ihn förderte und prägte. 1969 wechselte er in die Forschungsabteilung zu Prof. Jules Angst, der ihn 1970 zum Oberarzt ernannte und 1972 zum Privatdozenten habilitierte. Als Assistenzprofessor übernahm Christian Scharfetter ab 1973 die Lehrverpflichtung im Fach Psychopathologie für Psychologen. Diese über viele Jahre fortgesetzte (und von den Studierenden ausgesprochen geschätzte) Vorlesungsreihe bildete die Grundlage für Scharfetters bekanntestes Werk Allgemeine Psychopathologie (1976, 6. Aufl. 2010), das auch international viel Aufmerksamkeit und Anerkennung erhielt. 1978 erfolgte die Ernennung zum Extraordinarius für Psychiatrie an der Universität Zürich. 32 Jahre nach seinem Eintritt in die Psychiatrische Universitätsklinik Zürich wurde er 1999 emeritiert. Kennzeichnend für Christian Scharfetters Denken war die Verbindung eines nachhaltigen Interesses für die subjektive Seite des menschlichen Erlebens und Handelns mit der die Individualität transzendierenden Ebene der „Wesensmerk- male“, die den Menschen als solchen ausmachen. Inwieweit dieses Erleben und Handeln auch im Kontext einer psychischen Störung stand, untersuchte er akribisch und empathisch. Ihn interessierte auch, was nicht unterschied zwischen psychischer Gesundheit und Krankheit, also die Charakteristika jedes Individuums in seiner Eigenschaft als einzigartige Person im jeweiligen Kontext, in dem er oder sie sich befindet. Zahlreiche Aufsätze Christian Scharfetters erschienen im Schweizer Archiv für Neurologie und Psychiatrie. Zwei Schwerpunkte seines umfangreichen Werkes, neben der klinischen Psychopathologie, betreffen die philosophischen Grundlagen und die Geschichte der Psychiatrie. Dabei lagen ihm die Person und das Schaffen Eugen Bleulers besonders am Herzen. Sein umfangreiches Buch „Eugen Bleuler (1857–1939): Polyphrenie und Schizophrenie“ (2006) stellt eine ebenso gründliche wie kritische Auseinandersetzung mit dieser prägenden Figur der Schweizer Psychiatrie dar. Mit Bleuler verband ihn das besondere Interesse an psychotischen Zustandsbildern und deren Verläufen. Psychopathologische Symptome waren für ihn nicht nur zählbare Einzelelemente, sondern begriffliche Hervorhebungen aus einem nie vollständig erfassbaren Gesamtkontext, dem der Person und ihrer Biografie. Vor diesem Hintergrund entstanden Publikationen wie „Schizophrene Menschen“ (1983, 4. Auflage 1995) oder, besonders charakteristisch und für manchen Fachkollegen recht provokant, „Was weiss der Psychiater vom Menschen?“ (2000). Sein letztes Buch trägt den Titel „Scheitern – in der Sicht auf Psychopathologie und Therapie“ (2012). Die Psychiatrische Universitätsklinik Zürich wird im kommenden Jahr das umfangreiche und vielschichtige Werk Christian Scharfetters in seiner Bedeutung für die heutige klinische Praxis und Forschung umfassend würdigen: Dazu werden eine sein Werk darstellende Publikation sowie ein wissenschaftliches Symposium mit schweizerischen und internationalen Referenten vorbereitet. Mit Christian Scharfetter haben wir einen bedeutenden psychiatrischen Kliniker und Forscher verloren. Wir fühlen uns seinem Anspruch verpflichtet. Zürich, im Dezember 2012 Im Namen der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich Paul Hoff Bernhard Küchenhoff Korrespondenzadressen Prof. Dr. Dr. P. Hoff Psychiatrische Universitätsklinik Zürich Lenggstr. 31, 8032 Zürich Schweiz paul.hoff@puk.zh.ch Dr. B. Küchenhoff Psychiatrische Universitätsklinik Zürich Lenggstr. 31, 8032 Zürich Schweiz bernhard.kuechenhoff@puk.zh.ch Der Nervenarzt 5 · 2013 | 637