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Im Dialog: Geschäftsfeld Werkstoffbewertung und Lebensdauerkonzepte

Werkstoffe im Produktlebenszyklus berechenbar machen

© Fraunhofer IWM, Foto: Margrit Müller
Dr. Eva-Regine Carl demonstriert für Dr. Christoph Schweizer, Lucas Lemos Da Silva und Kimberly Frass die robotische Steuerung des mobilen Diffraktometers (v. l. n. r.).

Wo entfaltet die Kombination von Werkstoffbewertung und der Entwicklung von Lebensdauervorhersagen ihre größte Wirkung?

Schweizer: Aufgrund regelmäßig auftretender winterlicher Dunkelflauten, in denen weder aus Photovoltaik noch Windenergie signifikant Strom erzeugt werden kann, braucht Deutschland Langzeitspeicher für erneuerbar erzeugte Energie. Große Batteriespeicher können das Problem der Energiespeicherung über einen solchen Zeitraum nicht lösen. Als Speichermedium kommen zunehmend Gase – wie etwa Wasserstoff – infrage, die in Backupkraftwerken mit weitestgehend etablierter Infrastruktur und Technologie rückverstromt werden können. Um eine sichere und zuverlässige Wasserstoffinfrastruktur zu ermöglichen, muss die Antwort der eingesetzten Werkstoffe auf den Wasserstoffeinfluss vorher genaustens untersucht und beschrieben werden.

Und genau dort greift unsere Expertise: Nicht nur verfügen wir über die Möglichkeiten, Werkstoffeigenschaften unter Wasserstoffeinfluss zu bewerten, sondern können Materialien unter Wasserstoffatmosphäre auch im Hochtemperaturbereich testen. Gerade für den Betrieb von Gaskraftwerken sind solche Erkenntnisse enorm wichtig.

Das heißt, es geht darum, den Werkstoff unter neuartigen Umgebungsbedingungen berechenbar zu machen?

Schweizer: Auf jeden Fall. Man kann den Werkstoff in einem Bauteil nicht isoliert betrachten. Das gilt nicht nur für Wasserstoffanwendungen, sondern generell für Systeme, in denen Energie erzeugt, umgewandelt oder gespeichert wird – wir werden mit immer mehr und neuen Umgebungseinflüssen konfrontiert, die Komponenten angreifen und die Werkstoffeigenschaften wie etwa das Korrosionsverhalten verändern: andere Energieträger wie Ammoniak oder Methanol, zum Beispiel, aber auch feuchte Atmosphären generell. Unsere Expertise in der Struktur- und Schadensanalytik ermöglicht es uns, diese Prozesse in der Mikrostruktur aufzuklären und vorherzusagen, wie sich diese auf die Lebensdauer auswirken.

Wie profitieren Unternehmen von Ihrer Materialintelligenz?

Schweizer: Wir integrieren hochwertige und attraktive Werkstoffdatensätze in einem Datenraum und machen Wissen zu Werkstoffen, Schädigungsmechanismen, Charakterisierungs- und Fertigungsprozessen abfragbar. Dieses Know-how stellen wir in Form von Materialmodellen und Materialkarten zur Verfügung. Damit beschleunigen wir die Datenbereitstellung und erhöhen die Datenqualität.

So bieten wir etwa Entwicklungsabteilungen ein Abo-Modell an, mit dem Zugang zu Werkstoffmodellen und den zugehörigen Materialkarten geboten werden kann. Unser Anspruch ist es, vollständige Werkstoffdatensätze verfügbar zu machen, aber auch in einem Format, das Abonnent*innen Effizienz verspricht – zum Beispiel durch schnellere Analysen und Aussagen zum Lebensdauerverhalten – unter Betrachtung von Faktoren wie Wärmebehandlungen, Oberflächenzustand oder Lastverhältnis.

Welche Werkstoffinnovationen gibt es momentan im Geschäftsfeld abseits der Wasserstoffthemen?

Schweizer: In der »Fraunhofer Attract«-Gruppe »KoMatSys« arbeiten wir auf der experimentellen Seite an neuartigen Funktionsmaterialien, die für uns bisher nur computergestützt mit atomistischen Simulationsmethoden zugänglich waren. Auch hier bewegen wir uns im Bereich der Energiewandlung von elektrisch nach mechanisch oder thermisch nach elektrisch. Unser Schwerpunkt ist aktuell die Erzeugung von Funktionsmaterialien mittels Kapillarsuspensionen, die poröse Strukturen auf unterschiedlichen Skalen aufweisen und dadurch scheinbar widersprüchliche Materialeigenschaften vereinen können, wie zum Beispiel Keramiken mit guten Wärmeleitungseigenschaften.

 

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