[go: up one dir, main page]

Academia.eduAcademia.edu

Infopanel Guildhall Bad Cannstatt 2012

Panel informing about the construction history of the late gothic guildhall in Bad Cannstatt near Stuttgart (text and drawings by Timm Radt, layout Caroline Pöll).

Altes Rathaus Cannstatt erhaltene Hölzer Rekonstruktion links: Rekonstruktion der Ostfassade im Zustand um 1500 rechts: Rekonstruktion der Nordfassade im Zustand um 1500 Die Außenwände des Gebäudes waren einheitlich gestaltet und in einem regionaltypischen Fachwerkverband errichtet. Trotz umfänglicher nachträglicher Veränderungen an den Fassaden ist dieser in bestimmten Bereichen noch nahezu vollständig erhalten, so dass davon ausgehend eine Rekonstruktion der ursprünglichen Außenerscheinung des Gebäudes möglich ist. Fortschrittlich für die Zeit war, dass die Holzverbindungen nicht wie im Fall des 1463 errichteten, unweit des Alten Rathauses gelegenen Klösterles (Marktstraße 71) noch verblattet sondern konsequent verzapft wurden. Ein Fenster in die Vergangenheit Das Alte Rathaus Cannstatt präsentiert sich seit mehr als hundertfünfzig Jahren als verputztes Gebäude. Daher fiel nur dem geschulten Auge auf, dass es sich im Kern um einen spätmittelalterlichen Fachwerkbau handelt. Vor diesem Hintergrund wurde – um eine besonders gut und vollständig erhaltene Partie der Holzkonstruktion des späten 15. Jahrhunderts zur Anschauung sichtbar zu halten – bei der umfassenden Sanierung, die zwischen 2010 und 2013 durchgeführt wurde, das oben gelegene Fenster im Putz offen gelassen. Hintergrund Während des Zweiten Weltkriegs blieb die Cannstatter Altstadt weitgehend von Zerstörungen durch Bombenabwürfe verschont. Demzufolge sind zahlreiche historische Gebäude sehr gut erhalten. Unter den mittelalterlichen Bauten nimmt das Alte Rathaus schon aufgrund seiner beeindruckenden Abmessungen von 23,3 m x 14,3 m und einer Firsthöhe von 22 m eine Sonderstellung ein. Bei bauhistorischen Untersuchungen, die zwischen 2011 und 2012 im Rahmen der umfassenden Renovierung des Gebäudes durchgeführt wurden, zeigte sich zudem, dass seine Kubatur und Grundstruktur noch weitgehend der des Ursprungsbaus entsprechen, dessen überliefertes Entstehungsdatum 1490/91 auch durch dendrochronologische Untersuchungen bestätigt werden konnte. Im Innern wurden das Erdgeschoss sowie die beiden Obergeschosse durch eine doppelte Stellung kräftiger Stützen aus Eiche in drei Längs- und fünf Querbundachsen unterteilt. Untereinander waren die Geschosse durch einfache einläufige Treppen miteinander verbunden. Neben den Durchlässen zu diesen Treppenläufen wiesen die Dielenböden der einzelnen Geschosse auf keine weiteren Öffnungen auf, so dass jeweils eine große geschlossene Fläche zu Verfügung stand. Das Erdgeschoss wurde sehr wahrscheinlich als Markthalle genutzt. Die dort gehandelten Waren und Güter, vornehmlich Getreide, konnten über einen Lastenaufzug an der nördlichen Längsseite in die einzelnen Geschosse darüber gehievt und dort eingelagert werden. Demzufolge kann der Bau als Marktund Kornhaus charakterisiert werden. Jedoch konnte im Rahmen der Untersuchungen nachgewiesen werden, dass der Ursprungsbau im Nordwesten des zweiten Obergeschosses einen saalartig großen Raum und unmittelbar südlich daran angrenzend zwei vergleichsweise kleine Räume aufwies, von der Restfläche des Geschosses abgetrennt waren. Der westliche dieser beiden Räume kann aufgrund eines Wechsels in der Fassadengestaltung eindeutig als Bohlenstube interpretiert werden. Alle drei Räume bildeten eine aufeinander bezogene Einheit. Sie verdeutlicht, dass das Gebäude von Beginn an auch repräsentative Funktionen übernahm, denn im Hinblick auf Vergleichsobjekte ist zu schließen, dass der saalartige Raum für Ratsversammlungen, festliche Veranstaltungen und Fechtübungen genutzt wurde, während die beiden anderen Räume, insbesondere die beheizbare Bohlenstube, an kühlen und kalten Tagen dem Rat der Stadt als Versammlungsort zu Verfügung stand. Die Situation des Alten Rathauses um 1850 Das historische Gebäude Das Gebäude wurde zeitgleich zum spätgotischen Ausbau der Stadtkirche als Fachwerkbau in unmittelbarer Nähe des sogenannten Sulzsees errichtet, der sich in der nördlichen Hälfte des heutigen Marktplatzes ausdehnte. Das Hauptgerüst des Baus wurde aus schwerem Eichenholz errichtet, das in der näheren Umgebung Cannstatts geschlagen worden sein dürfte und über Land zum Bauplatz transportiert wurde; für die Deckenbalken, Bodendielen, sowie die Dachkonstruktion wurde dagegen Nadelholz verwendet. Sogenannte Wiedlöcher, die sich insbesondere an den Balken der Dachkonstruktion nachweisen lassen, zeigen, dass diese Hölzer über den Neckar angeflößt wurden. Vermutlich wurden sie im Schwarzwald geschlagen. Bretterbalkendecke Bohlenwand Mit Wieden eingebundene Stämme (nach Jägerschmidt, 1828) Zeichnung Mitte rechts: Rekonstruktion des Zustands der Halle im Erdgeschosses um 1500 (T. Radt) Saal Bohlenstube Rekonstruktion des Grundriss des zweiten Obergeschosses im Zustand um 1500 Fenstererker Isometrische Rekonstruktion der Bohlenstube an der Südwestecke des zweiten Obergeschosses (T. Radt)