Der Landesstreik in der Region Bern
Vorgeschichte, Verlauf und Auswirkungen
Adrian Zimmermann
1. Einleitung
Der Landesstreik gilt als schwerste innenpolitische Krise in der Geschichte der
modernen Schweiz seit dem Sonderbundskrieg von 1847. Ziel des vorliegenden
Artikels ist es, die Vorgeschichte, den Verlauf und die Folgen der Novemberstreiks in der Stadt Bern und ihrer Umgebung nachzuzeichnen. Das Spannungsverhältnis zwischen der mehrheitlich sozialdemokratischen Stadt und den rein
bürgerlichen Regierungen auf Kantons- und Bundesebene, die hier ihren Sitz
hatten, wird dabei eine wichtige Rolle spielen. Als Sitz der Bundesbehörden
bildete Bern neben der Wirtschaftsmetropole Zürich eines der geografischen
Zentren dieser Kraftprobe.
Zudem stand der Landesstreik in einem transnationalen Kontext: Er bildete
für die Schweiz den Höhepunkt der Protest- und Streikwelle, die durch die sozialen und wirtschaftlichen Folgen des Ersten Weltkriegs ausgelöst wurde, auch die
neutralen Länder erfasste und in einigen Ländern zum revolutionären Umsturz
der politischen Herrschaftsordnung führte. Wie der amerikanische Sozialhistoriker James E. Cronin betont, ist diese seit der russischen Februarrevolution
von 1917 beschleunigte internationale Bewegung mit der Kriegsmüdigkeit sowie
dem Unmut über die Teuerung und die Versorgungslage allein nicht ausreichend zu erklären. Sie konnte nur deshalb einen derartigen Umfang annehmen,
weil die Arbeiterinnen und Arbeiter in schlagkräftigen Organisationen zusammengeschlossen waren und deshalb ihrem Protest auch wirksam Ausdruck
verleihen konnten. Günstig auf die Bildung eines ausgeprägten Klassenbewusstseins und starker Organisationen der Lohnabhängigen hatten die bereits in den
Jahrzehnten vor dem Ersten Weltkrieg einsetzenden Umbrüche in der Produktions- und Lebensweise gewirkt. Die Innovationen der sogenannten zweiten
industriellen Revolution ermöglichten den Durchbruch von stärker mechanisierten und in grösseren Fabriken konzentrierten Formen der Produktion.
Im Unterschied zu den Betrieben der Frühindustrialisierung, die sich vor allem
in ländlichen Gebieten entwickelte, siedelten sich die neuen Produktionsstätten auch hierzulande oft in den städtischen Zentren oder in deren Nähe an.
Rund um die Fabriken entstanden Arbeiterquartiere, die von einer selbstbewussten und vielfältigen proletarischen Subkultur durchdrungen waren.1
Gerade in der Stadt Bern, die bis ins letzte Viertel des 19. Jahrhunderts nur
schwach industrialisiert war, lassen sich diese in ganz Europa gleichzeitig auftretenden Prozesse einer beschleunigten Industrialisierung und Urbanisierung
in fast idealtypischer Form beobachten.2
Zimmermann: Der Landesstreik in der Region Bern
3
Die Intensität und das hohe Tempo dieser Prozesse erklären weitgehend, warum
in der oft irreführenderweise als Beamtenstadt bezeichneten Bundesstadt eine
starke und schlagkräftige sozialistische Arbeiterbewegung entstehen konnte.
In der Berner Arbeiterunion, die 1932 in das Gewerkschaftskartell der Stadt Bern
und die sozialdemokratische Stadtpartei aufgeteilt werden sollte,3 schlossen sich
– nach ersten Versuchen Ende der 1860er- und Mitte der 1870er-Jahre – 1890
dauerhaft verschiedene Gewerkschaften und politische Arbeitervereine zusammen. 4 Das seit 1890 bestehende Arbeitersekretariat förderte die Gründung
weiterer Gewerkschaften und von sozialdemokratischen Quartiersektionen.
Als Presseorgan erschien ab Dezember 1892 die Berner Tagwacht; schon nach
wenigen Jahren konnte die Zeitung in der 1898 gegründeten Unionsdruckerei
in Eigenregie der Arbeiterorganisationen gedruckt werden. Zum politischen
Treffpunkt und kulturellen Zentrum der Arbeiterbewegung wurde bald das mit
dem Kauf einer eigenen Liegenschaft an der Zeughausgasse 9 ins Leben
gerufene Volkshaus Bern. Der kurz nach Kriegsbeginn im Oktober 1914 an
demselben Standort eröffnete Neubau setzte mit der ersten unverkleideten
Betonfassade der Stadt Bern auch städtebauliche Akzente. 5 Zur prägenden
Figur der Berner Arbeiterbewegung war in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg der junge gelernte Typograf Robert Grimm (1881 – 1958) geworden. 1909
übernahm er die Redaktion der Berner Tagwacht und 1911 auch das Präsidium
der sozialdemokratischen Kantonalpartei. Ab 1909 sass er im Berner Stadtrat
und ab 1910 im Grossen Rat. Auch einen Sitz im Nationalrat konnte Grimm
1911 erstmals erobern, allerdings nicht in Bern, sondern im 2. eidgenössischen
Wahlkreis (Zürich Aussersihl), wo jeweils alle fünf Mandate an Sozialdemokraten gingen. Während des Ersten Weltkriegs war die politische Macht der
Arbeiterbewegung derart gewachsen, dass die Stadt Bern von Ende 1918 bis
Mitte 1920 als erste der grösseren Schweizer Städte von einer «roten» Mehrheit
regiert wurde. Bern war zudem ein wichtiges nationales Zentrum der Arbeiterbewegung, so hatten hier der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) als
Dachverband seit 1902 und der Schweizerische Metall- und Uhrenarbeiterverband (SMUV) als mit Abstand stärkste Einzelgewerkschaft seit 1898 ihren Sitz.6
2. Soziale und wirtschaftliche Folgen des Ersten Weltkriegs als tiefer
liegende Ursachen des Landesstreiks
Der Erste Weltkrieg führte überall zu einer wachsenden sozialen Polarisierung
und Ungleichheit: Banken, Rüstungsindustrie und Grosskonzerne erzielten
4
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bedeutende Kriegsgewinne, während Arbeiterinnen, Arbeiter und Angestellte
zunehmend in eine soziale Notlage gerieten. Diesen sozialen und wirtschaftlichen Folgen des Kriegs konnten sich auch neutrale Länder wie die Schweiz
nicht entziehen.
Für die lohnabhängige Bevölkerungsmehrheit bedeutete der Krieg einmal
einen Verdienstausfall durch den langen Militärdienst. Bekanntlich wurde die
Erwerbsersatzordnung erst 1940 und nicht zuletzt aufgrund der im Ersten
Weltkrieg gemachten Erfahrungen eingeführt. Zwar schrieb der Artikel 22 der
Militärorganisation von 1907 vor, dass «Angehörige von Wehrmännern, die
durch deren Militärdienst in Not geraten, […] ausreichend zu unterstützen»
seien. Er schrieb sogar ausdrücklich vor, dass diese Leistungen «nicht als
Armenunterstützung behandelt werden» dürften. Diesem theoretisch grosszügig wirkenden Grundsatz standen in der Praxis aber die Bestimmungen des
nächsten Artikels des Gesetzes entgegen. Demnach war die konkrete Ausrichtung der Unterstützungen Sache der Wohngemeinde des betroffenen Wehrmanns, wobei deren Behörden auch «das Mass und die Art der Unterstützung»
festzulegen hatten.7
Das Berner Arbeitersekretariat machte die Mitglieder der angeschlossenen
Vereine bereits am 6. August 1914 auf das Recht auf Wehrmannsunterstützung
aufmerksam und half ihnen bei der Gesuchseingabe. Gemäss dem Jahresbericht
der Arbeiterunion Bern von 1914 wurde die Unterstützung in der Stadt Bern
weitgehend korrekt ausbezahlt, wogegen auf den Land «und hauptsächlich in
den der Stadt Bern benachbarten Gemeinden […] ein wahres Willkürregiment»
herrsche. «Frauen von weit abgelegenen Landgemeinden» kamen in die Stadt,
«um im Arbeitersekretariat Rat und Beistand zu holen».8 Ähnliche Zustände
prangerte die Arbeiterunion auch bei der sogenannten Hilfsaktion der Gemeinde Bern an. Diese sollte, teils mit finanziellen Unterstützungen, teils über
die Abgabe von Lebensmitteln und Brennstoffen, kriegsbedingte Notlagen
lindern, ohne dass dieser Hilfe das «Abstossende der Armengenössigkeit anhaftet». Doch die Arbeiterschaft war in den auf Quartierebene für die Ausführung zuständigen Hilfskommissionen deutlich untervertreten, es dominierten
vielmehr bürgerlich und kirchlich orientierte «Damen und Herren, die die
Wohltätigkeit zum Teil aus Sport betreiben und den Armen mit den bekannten
guten Ratschlägen helfen möchten». Als erniedrigend wurde zudem empfunden,
dass in einigen Bezirken «die Hilfebedürftigen die Herren Pfarrer in ihren Wohnungen aufsuchen» mussten und dabei über ihre religiöse Gesinnungen ausgefragt wurden.9
Zimmermann: Der Landesstreik in der Region Bern
5
Überdies bestand auch kein Kündigungsschutz für die Wehrmänner, oft mussten sie nach der Rückkehr aus dem Militärdienst eine neue Stelle suchen. Vor
allem am Anfang und am Ende des Kriegs – dazwischen führte die Kriegskonjunktur zu einer hohen Beschäftigung – war die Arbeitslosigkeit beträchtlich.
Frauen übernahmen teilweise die Stelle der Männer in der Produktion. Da die
Frauenlöhne deutlich tiefer lagen, konnten allerdings auch sie die Einkommensverluste der Arbeiterfamilien nicht wettmachen.
Diesen kriegsbedingten Einkommenseinbussen standen auf der anderen Seite
während der ganzen Kriegsdauer massiv steigende Preise für Nahrungsmittel
und weitere Güter des täglichen Bedarfs gegenüber. Die Grafik Preiserhöhungen
in der Stadt Bern zeigt die Preisentwicklung für Lebensmittel und Heizmaterial.
Wegen der Teuerung sank der Lebensstandard eines grossen Teils der Bevölkerung. Sie führte zudem zu einem Stadt-Land-Konflikt: Die Bauern konnten
militärdienstbedingte Einkommenseinbussen über die gestiegenen Nahrungsmittelpreise kompensieren und dank der Inflation ihre teilweise drückende
Schuldenlast abbauen.10
Die Berner Arbeiterbewegung nach Kriegsausbruch
Die nach Kriegsausbruch zunächst hohe Arbeitslosigkeit hemmte vorübergehend die gewerkschaftliche Kampfkraft. Dazu kamen grosse Mitgliederverluste
auch durch die Abreise von Mitgliedern, die zum Militär- oder sogar Kriegsdienst im Ausland aufgeboten wurden. Mit dem Einsetzen der Kriegskonjunktur ab Frühling 1915 erstarkten die Gewerkschaften wieder. Auch der Anteil
weiblicher Mitglieder in den Gewerkschaften stieg deutlich an.
Die Berner Tagwacht wurde nicht nur zum Sprachrohr der Proteste gegen
die Kriegsfolgen im eigenen Land, sondern auch zu einem europaweit gelesenen
Organ der sozialistischen Kriegsgegner. Bekanntlich organisierte TagwachtRedaktor Grimm zudem die internationalen Konferenzen von Zimmerwald im
September 1915 und von Kiental 1916. Bis zu seinem missglückten diplomatischen Experiment in Petrograd im Juni 1917 präsidierte Grimm die in Zimmerwald gegründete Internationale Sozialistische Kommission.11
Bereits am 15. Mai 1915 veranstalteten die Arbeiterorganisationen eine
erste Teuerungsdemonstration, die Teil einer nationalen Protestaktion war.12
Im Lauf des Jahres 1916 verschärfte sich die Lage weiter. Im Sommer führten
stark steigende Kartoffel- und Gemüsepreise zu vorwiegend von Frauen getragenen Protesten. Die sozialdemokratischen Arbeiterinnenvereine organisierten
Marktdemonstrationen erstmals in Bern am 1. Juli, später auch in Biel, Zürich,
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Preiserhöhungen in der Stadt Bern (in Prozent)
120
100
80
60
40
20
0
-20
April 1914 bis
Dez. 1915
Dez. 1915 bis
Dez. 1916
Dez. 1916 bis
Dez. 1917
Dez. 1917 bis
Dez. 1918
Dez. 1918 bis
Aug. 1919
½ kg Speck (geräucherter, magerer)
1 kg Vollbrot
1 Liter Vollmilch
1 kg Teigwaren
100 kg Kartoffeln (inländische)
100 kg Gaskoks
Daten aus: SMUV Bern: Jahresbericht 1918 / 1919, 18.
Zimmermann: Der Landesstreik in der Region Bern
7
Eine erste Teuerungsdemonstration fand am 15. Mai 1915 statt. Nach der
Besammlung auf der Schützenmatte biegt der Demonstrationszug in die
Speichergasse ein. – Staatsarchiv des Kantons Bern T 137, Teuerungsdemonstration, 15.5.1915 – Phototechnik AG, Bern.
8
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Grenchen und Thun. Unter dem Eindruck der Frauenproteste verabschiedete
am 6. August eine gemeinsame Konferenz der Leitungen des SGB und der Sozialdemokratischen Partei der Schweiz (SPS) in Zürich einstimmig eine Resolution, die Bundes-, Kantons- und Gemeindebehörden zu energischen Massnahmen
gegen die Teuerung aufforderte. Teilweise hatte die Protestwelle Erfolg: So übernahmen die Gemeinden selbst die Aufgabe, Lebensmittel verbilligt zu verkaufen,
und der Bundesrat setzte erstmals Höchstpreise für Kartoffeln fest.13
Doch in einem Muster, das sich auch später fortsetzen sollte, kombinierten
die Behörden materielle Konzessionen mit repressiven Massnahmen. Zusammenstösse in Zürich, nach einer unbewilligten, aber friedlichen Demonstration der
Sozialdemokratischen Jugendorganisation und nach einer Teuerungsdemonstration, nahm der Bundesrat zum Vorwand, ein allgemeines Demonstrationsverbot zu erlassen und Truppen aufzubieten. Davon betroffen waren vor allem
die für den 3. September 1916 angekündigten, landesweit dezentral geplanten Friedensdemonstrationen der Sozialdemokratischen Jugendorganisation.
Die Massnahmen der Behörden verfehlten ihre Wirkung: Im ganzen Land versammelten sich an diesem «Roten Sonntag» nicht nur die Mitglieder der Jugendorganisation, sondern auch die sich mit ihr solidarisierenden Partei- und Gewerkschaftssektionen zu Protestversammlungen. Diese fanden, um das Demonstrationsverbot zu umgehen, ausserhalb der Stadtzentren statt. In Bern zogen
Tausende von Arbeiterinnen und Arbeitern zur Brauereiwirtschaft «Gurten» in
Wabern, wo Carl Vital Moor (1852 –1932), Fritz Platten (1883 –1942) und Robert
Grimm zu der Menge sprachen.14
Einen vorläufigen Höhepunkt der Proteste gegen die wirtschaftlichen und
sozialen Folgen des Ersten Weltkriegs bildeten die landesweiten Teuerungsdemonstrationen vom 30. August 1917, die während der Arbeitszeit stattfanden. Sie können daher durchaus als eine erste, wenn auch nur einige Stunden
dauernde generalstreikähnliche Aktion gesehen werden. Der Anstoss dazu kam
aus Bern: An der Delegiertenversammlung der Arbeiterunion Bern vom
31. Juli 1917 wurde einstimmig ein Antrag von Grimm angenommen, dass nach
schwedischem Vorbild Teuerungsdemonstrationen während der Arbeitszeit zu
organisieren seien. Eine gemeinsame Konferenz der Leitungen der SPS und
des SGB beschloss, derartige Demonstrationen in allen grösseren Schweizer
Städten gleichzeitig am 30. August 1917 durchzuführen. Die grössten Demonstrationen mit je rund 15 000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern fanden in Bern
und Basel statt.15
Zimmermann: Der Landesstreik in der Region Bern
9
Streiks in der Region Bern von 1915 bis 1919
Streiks für Teuerungszulagen und Lohnerhöhungen waren eigentlich die naheliegendste Antwort der Gewerkschaften auf die kriegsbedingte Teuerung.
Doch beim Kriegsausbruch waren die Gewerkschaften geschwächt, und so kam
es erst gegen Ende 1915 zu Streikbewegungen. In Bern streikten damals die
Elektriker erfolgreich für einen neuen Gesamtarbeitsvertrag, und zusammen
mit Biel stand Bern im Zentrum eines landesweiten Arbeitskampfs der Buchbinder. Bereits 1916 war dann eine starke Zunahme von Streiks zu verzeichnen,
und zwischen 1917 und 1919 kam es zur wahrscheinlich grössten Streikwelle
in der Geschichte der Schweiz.16 Besonders häufig wurde damals die Metallund Maschinenindustrie von Arbeitskämpfen erfasst. In Bern legten unter
anderem die Belegschaften der Werkzeugfabrik Küenzi 1916, der Baumaschinenfabrik Marti 1916 und 1918, der Gerber & Cie. 1918, der Hasler 1916 und 1919,
der von Roll 1917 und der Wifag 1917 und 1918 die Arbeit nieder. Betroffen waren auch zwei der damals als Spekulationsobjekte vielerorts gegründeten und
grösstenteils nach dem Krieg wieder verschwundenen Munitionswerkstätten,
nämlich die Rapidwerke Münchenbuchsee 1917 und die Zentrale für Schrauben
und Fassonteile 1918.17
Das Baugewerbe und die Holzindustrie, die vor dem Krieg zu den streikintensivsten Branchen zählten, waren dagegen weniger präsent, was sich auch
aus der durch den Krieg länger gehemmten Baukonjunktur erklärt. Neben dem
bereits erwähnten Streik der Berner Elektriker vom Oktober 1915 sind hier
drei Streiks auf der Baustelle des Wasserkraftwerks Mühleberg von 1918 und
1919, der landesweite Schreinerstreik für den Achtstundentag vom Mai 1919
sowie Arbeitskämpfe in der Sägerei Meier-Bähler in Köniz von 1918, der Berner
Dachdecker von 1918 und im Installationsgeschäft Rüegsegger ebenfalls von
1918 zu nennen.18
Zu Streiks kam es auch in der Textil-, Bekleidungs-, Schuh- und Lederindustrie, in der vor allem Frauen arbeiteten (u.a. Schneidergewerbe in Bern 1917,
Strickerei Ryff in Bern 1917 und 1919, Tricotage Fischer in Wabern 1918, Tuchfabrik Schild 1918). In weiteren Industrien, so der Lebens- und Genussmittelindustrie sowie der Papier- und Chemieindustrie, sind namentlich der 1917 mit
einer Niederlage endende Streik in der Kartonfabrik Deisswil sowie die Arbeitskämpfe im Serum- und Impfinstitut 1918, in der Schokoladefabrik Tobler im
August 1919, in der Konservenfabrik Véron 1919 und ein Boykott der Berner
Konditoreien 1919 zu erwähnen. Obschon die meisten Streiks im gewerblichindustriellen Sektor stattfanden, streikte 1919 in Bern immerhin auch dreimal
10
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das Personal von Betrieben im Tertiärsektor, nämlich die Kellner im Casino,
die Optiker-Bijoutiers bei Büchi und die Arbeiter der Flaschenhandlung
Umbert.19
Gründung in Olten, Sitz in Bern: das Aktionskomitee
Im Dezember 1917 wurden Pläne des Bundesrats bekannt, eine Zivildienstpflicht für den Mehranbau von Nahrungsmitteln einzuführen. An entsprechenden Vorarbeiten war auch der Berner Regierungs- und spätere Bundesrat Karl
Scheurer (1872 – 1929) beteiligt,20 während die Arbeiterorganisationen nicht
konsultiert worden waren. Sogleich meldete Grimm in der Berner Tagwacht
seinen Widerspruch gegen diese «Militarisierung der Privatarbeiterschaft» an.21
Sozialdemokratie und Gewerkschaften protestierten vorerst mit einer landesweiten Welle von Protestversammlungen gegen die Zivildienstpflicht. Weiter ging
der Holzarbeiterverband, der bereits eine Umfrage bei seinen Mitgliedern durchgeführt hatte, die zeigte, dass diese grösstenteils bereit waren, diesen «Gewaltakt
gegen die Arbeiterschaft» nötigenfalls auch mit dem Mittel eines Generalstreiks
zu bekämpfen. Einen entsprechenden Beschluss fällten etwa auch die Mitglieder der Holzarbeitersektion Bern-Land mit grossem Mehr.22 Der Widerstand
brachte den Bundesrat dazu, das Projekt wieder zurückzuziehen. Gleichzeitig
bereitete die Landesregierung aber ein repressives Vorgehen gegen weitere Proteste vor: Ein Beschluss der Zürcher Arbeiterunion vom 29. Januar 1918, den diese
im Anschluss an die Diskussion im Holzarbeiterverband fällte, diente dem
Bundesrat als Vorwand für ein Truppenaufgebot.23 Auf Initiative Grimms beschloss darauf eine gemeinsame Sitzung der Leitungen der SPS und des SGB
am 4. Februar 1918 in Olten die Einsetzung eines gemeinsamen Ausschusses,
der bald als «Oltener Aktionskomitee» (OAK) bekannt wurde. Dieser Name leitet
sich allein vom Gründungsort ab, der Sitz des Komitees befand sich in Bern,
wo auch ein Grossteil seiner Sitzungen stattfand. Das Komitee erarbeitete ein
strategisches Konzept für die Vorbereitung eines Generalstreiks. In der Milchpreiskampagne vom April 1918 und bei der Mobilisierung rund um den Ende
Juli 1918 in Basel tagenden 1. Allgemeinen Arbeiterkongress gelang es dem
Komitee, dem Bundesrat bedeutende Zugeständnisse abzuringen, indem es ihm
mit dem Generalstreik drohte.
Eine rote Mehrheit in der Stadt Bern
Wenig bekannt ist, dass die Stadt Bern, wenn auch nur kurz, aber gerade in der
Phase kurz vor, während und nach dem Landesstreik von einer «roten Mehrheit»
Zimmermann: Der Landesstreik in der Region Bern
11
regiert wurde. Erstmals 1909 und dann wieder seit 1915 bildeten die Sozialdemokraten im Berner Stadtparlament die stärkste Fraktion. Bei den Stadtratswahlen vom 8./9. Dezember 1917 errangen sie mit 42 von 80 Sitzen die absolute
Mehrheit. Auch in der städtischen Exekutive, dem Gemeinderat, der bis 1920
aus fünf ständigen (hauptberuflichen) und vier nichtständigen (nebenamtlichen)
Mitgliedern bestand, verschoben sich die Mehrheitsverhältnisse ab 1917 nach
links: Bereits seit 1895 gehörte der Notar Gustav Müller (1860 – 1921) als erster
Sozialdemokrat der Stadtregierung an. Müller leitete als ständiger Gemeinderat die Finanzdirektion. Weiter stellte die SP ab 1908 mit dem Juristen Karl
Zgraggen (1861 – 1929) und ab 1912 mit dem Versicherungsmathematiker
Arnold Bohren (1875 – 1957) zwei nichtständige Gemeinderäte.24 In der Ersatzwahl vom 24. / 25. März 1917 wurde anstelle des verstorbenen freisinnigen Polizeidirektors Arnold Lang (1875 – 1917) der Sozialdemokrat Oskar Schneeberger
(1868 –1945) zum ständigen Gemeinderatsmitglied gewählt. Der gelernte Mechaniker und langjährige Zentralpräsident des SMUV hatte eine deutlich andere
Karriere hinter sich als die bisherigen, akademisch geschulten sozialdemokratischen Gemeinderäte.25
Eine weitere Ersatzwahl brachte am 16. / 17. März 1918, als es um die Nachfolge des zum Subdirektor der Suva ernannten Bohren ging, zwar keine Verschiebung der parteipolitischen Kräfteverhältnisse. Doch die Tatsache, dass nun
mit Grimm der profilierteste Parteiführer der Sozialdemokraten in die Stadtregierung einzog, war doch ein klares Zeichen der Stärke der Partei. In drei
weiteren Ersatzwahlen errang die Sozialdemokratie bis Ende 1918 auch in der
Exekutive die absolute Mehrheit, wobei die bürgerlichen Parteien jeweils keine
Gegenkandidaten aufstellten. Am 6. / 7. Juli 1918 wählten die Stadtberner
Stimmberechtigten Gemeinderat Müller als Nachfolger des zum eidgenössischen Vizekanzler gewählten Freisinnigen Adolf von Steiger (1859 – 1925) zum
Stadtpräsidenten. Den damit frei werdenden Sitz eines ständigen Gemeinderats
übernahm in einer weiteren Ersatzwahl vom 28. / 29. September 1918 Grimm.26
Er leitete fortan die neu geschaffene Direktion der Industriellen Betriebe und
Kriegswirtschaft und legte am 15. Oktober 1918 schweren Herzens seine Stelle
als Redaktor der Berner Tagwacht nieder.27 Vorerst vakant blieb der bisher von
Grimm belegte Sitz eines nichtständigen Gemeinderats, in der Stadtregierung
standen sich nun vier bürgerliche und vier sozialdemokratische Mitglieder gegenüber. Da in dieser Pattsituation der Stichentscheid dem Stadtpräsidenten
Müller zukam, bestand faktisch nun auch in der Stadtregierung eine sozialdemokratische Mehrheit. Bestätigt wurde dieses Kräfteverhältnis erst nach dem
12
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Aufnahme von Stadtpräsident Gustav Müller aus dem Fotoalbum von
Robert Grimm. – Schweizerisches Sozialarchiv F 5048-Fx-001-013,
Fotoalbum Robert Grimm.
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13
Landesstreik, als in der Ersatzwahl für den noch vakanten (nichtständigen)
Gemeinderatssitz am 14. / 15. Dezember 1918 Ernst Reinhard (1889 – 1947) gewählt wurde; danach hielt die Sozialdemokratie fünf von neun Sitzen.28
Auch bei den Nationalratswahlen 1917, den letzten, die nach dem Majorzverfahren durchgeführt wurden, zeigte das Resultat im Wahlkreis Bern-Mittelland, dass sich das politische Gewicht zugunsten der Sozialdemokraten verlagert hatte. Zwar blieben von den insgesamt sieben in diesem Wahlkreis zu
vergebenden Mandaten schliesslich vier in bürgerlicher Hand. Den Sozialdemokraten, die zuvor nur ein Mandat innegehabt hatten, gelang es aber bereits
im ersten Wahlgang vom 28. Oktober 1917, mit drei Vertretern in die grosse
Kammer einzuziehen: mit dem einzigen bisherigen Vertreter der Partei, dem
Gemeinderat Gustav Müller, und neu den beiden Gewerkschaftern Emil Düby
(1874 – 1920), Generalsekretär des Verbandes des Personals schweizerischer
Transportanstalten, und Oskar Schneeberger. Der einzige bürgerliche Kandidat,
der bereits im ersten Wahlgang das absolute Mehr erreichte, hatte ebenfalls
ein gewerkschaftliches Profil: Felix Koch (1882 – 1918) war zu diesem Zeitpunkt
zwar als erster vollamtlicher Sekretär der Freisinnig-Demokratischen Partei
der Schweiz (FDP) tätig, hatte zuvor aber lange Zeit als Sekretär des Verbands
schweizerischer Postbeamter gewirkt. Als führender Exponent des jungfreisinnigen Parteiflügels verstand er sich nach wie vor als Interessenvertreter der
Angestellten und Beamten. Erst im zweiten Wahlgang vom 11. November setzten
sich auch drei bisherige bürgerliche Nationalräte durch: Es handelte sich um
den konservativen Regierungsrat Fritz Burren (1860 – 1927), den freisinnigen
Grossbauern Johann Jenny (1857 – 1937), die sich beide später der Ende 1917
gegründeten Bauern- und Bürgerpartei anschliessen sollten, sowie um den freisinnigen Kohlengrosshändler Johann Hirter (1855 – 1926), der als Präsident
des Bankrats der Schweizerischen Nationalbank und der Société suisse de
surveillance économique einer der einflussreichsten Wirtschaftsführer im Parlament war.29
Bei Nachwahlen für den an der Grippe verstorbenen Koch gelang es den
Sozialdemokraten im Oktober 1918, auch dieses Mandat zu erobern. Gewählt
wurde Konrad Ilg (1877 – 1954), Präsident des SMUV und Vizepräsident des
OAK.30
Ebenfalls mit einem sozialdemokratischen Wahlsieg gingen die Grossratswahlen vom April / Mai 1918 in der Stadt Bern aus. Neben dem bereits seit
Jahren sozialdemokratisch dominierten Wahlkreis untere Gemeinde (Matte,
Lorraine, Breitenrain, Schosshalde) eroberte die SP auch im bisher freisinnig
14
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dominierten Wahlkreis obere Gemeinde (Obere Altstadt, Länggasse, Mattenhof)
sämtliche Mandate. Nur der Wahlkreis mittlere Gemeinde (untere Altstadt, Kirchenfeld, Elfenau) blieb klar in bürgerlicher, überwiegend konservativer Hand.
Die Vororte ordneten dagegen noch ausschliesslich Freisinnige ins Rathaus ab,
immerhin bedeutete es einen Achtungserfolg, dass die sozialdemokratischen
Kandidaten im Wahlkreis Köniz-Bümpliz erst im zweiten Wahlgang unterlagen.31
3. Die Novemberstreiks von 1918 in Bern
In der ersten Novemberhälfte 1918 – gleichzeitig mit dem Ende des Ersten
Weltkriegs und den Revolutionen in Deutschland und Österreich – kam es zur
grossen Kraftprobe. Der Proteststreik vom 9. November 1918 und der Landesstreik vom 12. bis 14. November 1918 waren eine Antwort auf die von der Arbeiterschaft als Provokation empfundene militärische Besetzung von Zürich und
Bern, die der Bundesrat am 5. und 6. November angeordnet hatte.
Das Truppenaufgebot
Am 4. November 1918 schrieb General Ulrich Wille (1848 – 1925) an Bundesrat
Camille Decoppet (1862 – 1925), er glaube «an die Möglichkeit eines plötzlichen,
unerwarteten Ausbruchs einer Revolution» und halte ein präventives Truppenaufgebot für notwendig.32 Tags darauf traf am späten Abend eine Delegation
der Zürcher Kantonsregierung zu einer rund zweistündigen Sitzung mit Bundesrat und Armeeleitung in Bern ein. Schliesslich fiel der Beschluss, auf den
6. November zwei Infanterieregimenter und zwei Kavalleriebrigaden aufzubieten, um Zürich militärisch zu besetzen. Am 6. November beschloss der Bundesrat, auf den 8. November, 9.00 Uhr auch ein gleich starkes Truppenkontingent nach Bern zu schicken. «Bestimmt für die Bolschewiki in Bern», wie der
Kommentar im Tagebuch des Generalstabs lautet, waren demnach die Infanterieregimenter 7 und 16 und die Kavalleriebrigaden 1 und 2.33 Die Tatsache,
dass das Infanterieregiment 7 vor allem aus Truppen aus dem katholischen,
landwirtschaftlich geprägten und überwiegend französischsprachigen Kanton
Freiburg bestand, bot ganz im Sinn einer Empfehlung Willes in seinem Schreiben vom 4. November Gewähr dafür, dass bei seinen Angehörigen kaum Sympathien für die Arbeiterschaft vorhanden waren. Der Regimentskommandant,
Roger de Diesbach (1876 – 1938), war zudem ein überzeugter Anhänger der ultrakonservativen Ideen von Gonzague de Reynold (1880 – 1970).34 Während die
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15
Das Verhältnis zwischen dem auf Deeskalation setzenden Berner Platzkom
mandanten, Oberstkorpskommandant Eduard Wildbolz (im Vordergrund rechts),
und seinem draufgängerischen Untergebenen, Oberstleutnant Roger de
Diesbach (hoch zu Ross) – hier bei einer militärischen Zeremonie auf dem Buben
bergplatz –, war gespannt. – Burgerbibliothek Bern, Postkarte AK.1625.
16
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überwiegend aus Bauern bestehenden Kavallerieeinheiten aus der Sicht der Armeeleitung ebenfalls als «zuverlässig» galten, sah dies beim Infanterieregiment 16,
das vor allem im Oberaargau rekrutiert wurde und dem auch viele Industriearbeiter angehörten, etwas anders aus. Einer oder mehrere Angehörige dieser
– ausgerechnet von Willes Schwiegersohn Fritz von Erlach (1877 – 1959) kommandierten – Einheit gaben ihrem Unmut über das Truppenaufgebot und ihre
Vorgesetzten in Einsendungen an die Berner Tagwacht Ausdruck.35
Der Bundesrat setzte nicht den von Wille vorgeschlagenen, wegen seiner
kompromisslos militaristischen Führungsprinzipien umstrittenen Oberstdivisionär Fritz Gertsch (1862 – 1938) als Platzkommandanten ein, sondern den
Oberstkorpskommandanten Eduard Wildbolz (1858 – 1932). Wille war darüber
derart ungehalten, dass er zunächst gegenüber Bundesrat Robert Haab
(1865 – 1939) mit seinem Rücktritt drohte. Als Haab diesen Erpressungsversuch zurückwies und erklärte, der Bundesrat werde den Rücktritt annehmen,
krebste Wille zurück.36
Gegen das Truppenaufgebot rief das OAK am 7. November dazu auf, am
Samstag, dem 9. November, einen 24-stündigen Proteststreik an neunzehn
Orten – in den grösseren Städten der Schweiz und einigen weiteren Industriezentren – durchzuführen. Dispensiert waren vorerst die Eisenbahner, der Tramverkehr war aber einzustellen. Unter den neunzehn Orten befand sich auch Bern.37
Das Komitee der Arbeiterunion Bern legte das Vorgehen während des Proteststreiks in einer Sitzung am 8. November um 10.30 Uhr fest. Im Protokollbuch
ist zu dieser Sitzung nur mit Bleistift angemerkt, dass sie überhaupt stattgefunden hat; Einträge zu den Beschlüssen oder zur Diskussion fehlen. Fest steht
aber, dass diese Sitzung den lokalen Streikaufruf «An die Bevölkerung der sozialistischen Gemeinde» erliess, der danach auch von der sozialdemokratischen
Parteileitung und der Stadtfraktion unterzeichnet wurde.38
Im Gegensatz zum Zürcher Platzkommandanten Emil Sonderegger
(1868 – 1934) stellte Wildbolz aktiv den Kontakt zu den zivilen Behörden her.39
Bereits am Vormittag des 8. November suchte er den städtischen Polizeidirektor Schneeberger auf, der weiterhin zugleich auch SGB-Präsident war. Während der Aussprache, an der Vizepolizeidirektor Zgraggen ebenfalls teilnahm,
erfuhren die Gemeinderäte erstmals, dass nicht nur Zürich, sondern auch Bern
militärisch besetzt werden sollte.40 Wildbolz gab weiter bekannt, dass er abgesehen von einer im städtischen Gymnasium einquartierten Kompanie vorläufig
alle Truppeneinheiten ausserhalb der Stadt positioniert habe. Die beiden sozialdemokratischen Gemeinderäte «begrüssten diese discrete Art der Aufstellung
Zimmermann: Der Landesstreik in der Region Bern
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der Truppen». Damit sei bei der bekannten «Disziplin der organisierten bernischen Arbeiterschaft» auch sichergestellt, «dass keine ernstlichen Ruhestörungen
vorkommen würden».41
An einem am Nachmittag stattfindenden Treffen zwischen dem Gemeinderat
der Stadt Bern und dem Regierungsrat beteiligten sich vonseiten des Kantons
Regierungspräsident Henri Simonin (1855 – 1927), Militärdirektor Emil Lohner
(1865 – 1959) und Polizeidirektor Alfred Stauffer (1867 – 1959). Der Gemeinderat
liess sich durch seinen Vizepräsidenten, den freisinnigen Schul- und Armendirektor Rudolf Schenk (1858 – 1923), durch Polizeidirektor Schneeberger und
Zgraggen vertreten. Schneeberger orientierte die Regierungsräte über den
am folgenden Tag geplanten Proteststreik. Dieser sei «ein Blitzableiter oder ein
Sicherheitsventil und eine Mahnung an die Behörden, der schweren Lage der
Arbeiterschaft Rechnung zu tragen». Geplant sei auch eine Demonstrationsversammlung im Freien. Simonin erklärte, dass er in seiner «Eigenschaft als Sanitätsdirektor […] angesichts der Grippeepidemie» gegen eine Bewilligung dieser
Demonstration sei. Schenk entgegnete darauf, dass «das Truppenaufgebot für
die Grippeverbreitung gerade so gefährlich» sei, man solle die Demonstration
also nicht behindern. Schneeberger warnte eindringlich vor einer gewaltsamen
Auflösung der Demonstration, welche «die Erregung» nur steigern werde.
«Die Herren sollten ein Auge zudrücken; ein förmlicher Beschluss auf Erlaubnis
ist ja nicht nötig.» Zudem habe die Polizei in Bern noch nie bei einer Arbeiterdemonstration einschreiten müssen.42 Darauf fand noch ein Gespräch zwischen
Delegationen des Regierungsrats und des Bundesrats statt. Die Landesregierung sprach sich dafür aus, die Demonstration zu tolerieren. Das Militär dürfe
nur auf «besondere Weisung des Bundesrates» einschreiten.43 Unter dem Eindruck dieser Gespräche beschloss der Regierungsrat, die Demonstration zwar nicht
ausdrücklich zu bewilligen, aber auch keine Vorbereitungen zu ihrer gewaltsamen Auflösung zu treffen. Einzig Regierungsrat Hans Tschumi (1858 – 1944)
– im Nebenamt Präsident des Schweizerischen Gewerbeverbands – gab zu Protokoll, dass er an einem Demonstrationsverbot festhalte.44
Der Proteststreik vom 9. November 1918 in Bern
Der Proteststreik vom Samstag, dem 9. November, wurde von der Arbeiterschaft
in der Stadt Bern so gut wie geschlossen befolgt. «Rechtzeitig werden alle Posten
bezogen, alle Fabriktore besetzt. Die Arbeitsruhe, das zeigt sich in der ersten
entscheidenden Viertelstunde, würde eine vollkommene sein; von ganz geringen Ausnahmen abgesehen», schrieb die Berner Tagwacht.45 Das Intelligenzblatt,
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das dem linken Flügel des Freisinns nahestand, bestätigte weitgehend diese Einschätzung und betonte, dass abgesehen vom Kavallerie-Remontendepot auch
die militärnahen Betriebe vom Streik erfasst worden seien.46
In der strikt paternalistisch geführten Schokoladefabrik Tobler stand der
Erfolg des Streiks keineswegs von vornherein fest. In einem aus emotionsgeschichtlicher Sicht interessanten Bericht beschrieb die Tagwacht, dass die Blicke
der Streikenden auf die wenigen Streikbrecher nicht «eigentlichen Hass und
Verachtung», sondern «ein schmerzliches Gefühl des Mitleids mit diesen Armseligen, Feigen, Kleinmütigen» ausgedrückt hätten. Die beschämende Wirkung
«dieses stummen Mitgefühls» habe schliesslich dazu geführt, dass noch Unentschiedene sich dem Streik anschlossen. Nach einer kurzen Rede von Stadtrat
und Metallarbeitersekretär Rudolf Meer (1882 – 1934) «halfen alle Gegenargumente der ebenfalls auf dem Platze erschienenen Chefs der Firma Tobler nichts;
nach einem raschen Pro und Kontra beschlossen die Arbeiter einmütig den Streik,
erklärten sie sich begeistert mit der übrigen Arbeiterschaft solidarisch!»47
Um 9.30 Uhr begann die Demonstration auf dem Waisenhausplatz, die ohne
Zwischenfälle verlief, rund eine Stunde dauerte und als reine Platzkundgebung
ohne Umzug durchgeführt wurde. Sie wurde von Nationalrat Düby, Sekretär
des Vereins der Eisenbahn- und Dampfschiffangestellten, geleitet; Robert
Grimm, Konrad Ilg und der kantonale Parteisekretär, Grossrat Eugen Münch
(1880 – 1919), hielten die Reden.48
Anlass zu grösseren Kontroversen bot eigentlich nur eine Massnahme der
Streikenden: Verkaufsgeschäfte und Gastwirtschaftsbetriebe wurden von
Streikposten zum Schliessen aufgefordert. Besonders kritisiert wurde von bürgerlicher Seite, dass sich an diesen Aktionen neben Angehörigen der Sozialdemokratischen Jugendorganisation auch uniformierte Tramangestellte beteiligten.
Die Inhaber der grossen Warenhäuser Loeb, Kaiser und Brann hatte Arbeitersekretär Alois Zehnder (1876 – 1939) bereits am Vorabend telefonisch aufgefordert, ihre Geschäfte während des Proteststreiks zu schliessen.49 Zu Wirtshausschliessungen – in erster Linie eine präventive Massnahme der Streikleitungen,
um Ausschreitungen unter Alkoholeinfluss zu verhindern – kam es vor allem
nachmittags; Öffnungen zur Einnahme von Mittagsmahlzeiten hatte die Streikleitung ausdrücklich zugelassen. Grössere Aufläufe gab es beim «Waadtländerhof» (Ecke Schauplatzgasse/Storchengässchen), dessen Besitzer Charles
Tannaz (1872 – 1928) den Streikposten mit dem Einsatz einer Schusswaffe
drohte, sowie beim «Café Central» (Spitalgasse) und dem Restaurant «Beaulieu»
in der Länggasse.50
Zimmermann: Der Landesstreik in der Region Bern
19
Während des Proteststreiks vom 9. November 1918 forderten Streikposten auch
die Gastwirtschaften zum Schliessen auf. Unscharfer Versuch einer Beweisaufnahme
von Gottfried Rohrbach, Sohn des Wirts des Restaurants «Beaulieu» (Länggasse).
– Staatsarchiv des Kantons Bern BB XIIIb 93016 Bern Stadt: Einwohnergemeinde,
amtliche Untersuchung betreffend den Generalstreik, 1919, Subdossier «Ausserordentlicher Untersuchungsrichter Bern. Untersuchungsakten gegen unbekannte Täterschaft».
20
BEZG N° 02 / 19
Der Grossteil dieser Schliessungen erfolgte ohne Zwischenfälle. Nur in wenigen
Fällen beschuldigten Geschäftsbesitzer die Streikenden des Hausfriedensbruchs,
leichter Tätlichkeiten und geringfügiger Sachbeschädigungen. Häufiger sagten
die Besitzer aus, die Streikposten hätten ihnen mit einem zukünftigen Boykott
oder dem Einschlagen der Fensterscheiben gedroht, worauf sie es vorgezogen
hätten, zu schliessen. Bürgerliche Kritik einstecken musste auch die betont zurückhaltend agierende Stadtpolizei. Man warf ihr vor, jeweils gar nicht oder zu
spät eingegriffen zu haben oder Besitzern sogar selbst zur Schliessung geraten
zu haben. Die Polizeidirektion liess den Vorwurf aber in dieser Pauschalität
nicht auf sich sitzen und betonte, dass die Stadtpolizei in mehreren Fällen
durchaus ausgerückt sei und – häufig auch in Zusammenarbeit mit der Streikleitung – Streikende erfolgreich zum Abzug aufgefordert habe.51 Die Tatsache,
dass mit Schneeberger ein Sozialdemokrat städtischer Polizeidirektor war und
Karl Dürr (1875 – 1928), Sekretär des SGB und des Aktionskomitees, auch den
Verband der städtischen Polizeiangestellten präsidierte, weckte ein gewisses
Misstrauen auf bürgerlicher Seite gegenüber der Stadtpolizei.52
Während des Proteststreiks war die Präsenz der Armee in Bern – anders als
in Zürich – noch wenig spürbar. Am Morgen des 9. November befand sich neben den Landsturmtruppen, die schon zuvor das Bundeshaus und das Hotel
«Bellevue» bewacht hatten, erst eine Kompanie der auf den 8. November aufgebotenen Truppen in der Stadt. Sie bewachte das Hauptquartier von Wildbolz
im städtischen Gymnasium am Waisenhausplatz. Das Freiburger Infanterieregiment 7 wurde vorerst im Raum Köniz – Bümpliz – Thörishaus stationiert,
das Infanterieregiment 16 im Raum Worb – Stettlen – Muri. Noch weiter entfernt
lagen die schneller verschiebbaren Kavallerieeinheiten. Die Kavalleriebrigade 1
befand sich noch im Raum Freiburg – Murten, die Kavalleriebrigade 2 im Raum
Münchenbuchsee – Jegenstorf – Schüpfen. Gegen Ende des Proteststreiks verstärkte Wildbolz aber die Truppenpräsenz in der Stadt. Bereits am Abend des
9. November liess er zwei Füsilierbataillone in der Stadt Bern einquartieren.53
Aus dem Freiburger Regiment wurde das Füsilierbataillon 14 im Spitalackerschulhaus, aus dem Oberaargauer Regiment das Füsilierbataillon 37 im Kirchenfeldschulhaus untergebracht.54
Vom Protest- zum Landesstreik
Am Sonntagmorgen nach dem Proteststreik trafen sich Grimm und Ilg mit den
Bundesräten Edmund Schulthess (1868 – 1944), Camille Decoppet und Eduard
Müller (1848 –1919). Die Arbeiterführer forderten den Bundesrat auf, die Truppen
Zimmermann: Der Landesstreik in der Region Bern
21
auch in Zürich von den Strassen und Plätzen zurückzuziehen. In seiner anschliessenden Sitzung beschloss der Bundesrat aber, darauf nicht einzugehen.
Nach der Bundesratssitzung traf sich die nun mit den Eisenbahngewerkschaftern Düby und Harald Woker (1883 – 1944) ergänzte Delegation nochmals
mit Bundespräsident Felix Calonder (1863 – 1952). Dieser erklärte zunächst,
nach Erinnerung von Woker «sehr schroff, […] er breche jede Beziehung zum
Aktionskomitee ab». Als sich die Delegation des OAK erklärte, änderte sich,
so Grimm, die Haltung Calonders: «Es war nicht erhebend, als dieser scheinbar kraftvolle Staatsmann weinerlich den Kopf in die Hände nahm und flehte,
wir sollten nicht weitermachen.»55
Ebenfalls am Sonntag, dem 10. November, fand um 15.15 Uhr ein erneutes
Treffen zwischen Platzkommandant Wildbolz und dem städtischen Polizeidirektor Schneeberger statt. Wildbolz kündigte an, dass er nun die Stadt besetzen
lassen werde. Er begründete dies mit den Laden- und Wirtshausschliessungen,
wobei er aber mit Schneeberger laut dessen Aussage einigging, dass diese in
erster Linie nicht durch «Gewaltanwendung der Streikenden, sondern wegen
der Schlotterhaftigkeit der Ladeninhaber selber» erfolgt seien.56
Danach nahm Schneeberger um 5 Uhr abends an einer Sitzung des Komitees
der Arbeiterunion Bern teil. Man rechnete dort zwar bereits damit, dass, falls
Konzessionen des Bundesrats ausblieben, möglicherweise «der Generalstreik
ausbreche». Eine dreiköpfige Streikleitung aus Arbeitersekretär Zehnder, Parteisekretär Münch und Metallarbeitersekretär Ferdinand Steiner (1888 – 1957)
stand für diesen Fall bereit. Alle anwesenden Mitglieder schlossen sich allerdings der Meinung von Schneeberger an, «dass der Proteststreik im Bundeshaus gewirkt habe» und deshalb der Generalstreik vorerst nicht nötig sei.57
Doch die gewaltsame Auflösung der geplanten Demonstration zum ersten Jahrestag der Oktoberrevolution in Zürich, bei der mehrere Demonstranten verletzt
und ein Soldat unter nie ganz geklärten Umständen getötet wurde, liess die
Lage endgültig eskalieren. Die Zürcher Eisenbahner traten ebenfalls in den
Ausstand. In dieser Situation beschloss eine am späten Abend im Zentralsekretariat des Schweizerischen Metall- und Uhrenarbeiterverbands an der Kapellenstrasse 6 abgehaltene gemeinsame Sitzung des OAK, der Gewerkschafts- und
der Parteileitungen die Auslösung des allgemeinen Landesstreiks um Mitternacht vom 11. auf den 12. November.58
Am Montag, dem 11. November 1918, dem Tag des Waffenstillstands, ging
der Streik also in Zürich weiter, während in Bern wie im ganzen übrigen Land
sich beide Seiten für die grosse Konfrontation rüsteten.
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BEZG N° 02 / 19
Der Landesstreik in Bern
Wie der Proteststreik setzte auch der eigentliche Landesstreik in Bern am 12. November mit voller Wucht ein: «Im Volkshaus tagte das lokale Streikkomitee in
Permanenz, Boten kamen und gingen nach allen Seiten; mustergültig war die
Disziplin und Solidarität der Arbeiterschaft.»59 Der Hauptunterschied zum
Proteststreik war, dass diesmal auch die Eisenbahner die Arbeit niederlegten.
Auch in Bern war die Wirkung sofort wahrnehmbar, wie die Tagwacht schrieb:
«Seit Mitternacht herrscht im Bahnhof absolute Ruhe, die Depots und Werkstätten sind zwar mit Militärposten, aber nicht mit Arbeitern besetzt. Kein Wagen,
keine Maschine fährt. Die Berner Eisenbahner aller Kategorien stehen ruhig,
in vorbildlicher entschlossener Gelassenheit Streikposten. Im Grau des frühen
Morgens scheint der grosse Bahnhof zu schlafen. Ruhe, kein Geräusch, hie und
da höchstens das monotone Geplauder der Soldaten oder der Streikposten unterbricht die seltsame Stille, die befremdend, fast beängstigend anmutet.»60
Wie schon beim Proteststreik hatte die Arbeiterunion einige wichtige Gruppen
ausdrücklich vom Streik dispensiert: Beim städtischen Personal betraf das wiederum die Arbeiter des Gas- und Elektrizitätswerks, die einen beschränkten Sonntagsdienst aufrechterhielten, und zudem die Friedhofsgärtner, während die
Tramangestellten und die Arbeiter des städtischen Bauamts streikten. Vom Streik
ausgenommen waren auch Teile des Personals des Lebensmittelsektors und des
Gesundheitswesens, nicht immer zur Freude der Betroffenen. So war etwa das
Personal des Serum- und Impfinstituts nur widerwillig bereit, während des Streiks
weiterzuarbeiten.61
In einem von Stadtpräsident Müller unterzeichneten Aufruf an das städtische Personal bezeichnete der Gemeinderat die Streikteilnahme als Pflichtverletzung. In einer Gegenerklärung bekräftigten die Leitungen der Arbeiterunion,
der städtischen SP und ihrer Stadtratsfraktion, dass das städtische Personal – abgesehen von den dispensierten Kategorien – ebenfalls zum Streik aufgerufen
werde.62
Die beim Proteststreik für viel Aufsehen sorgenden Laden- und Wirtshausschliessungen wiederholten sich nicht. Der Regierungsrat forderte in einem Aufruf die Inhaber ausdrücklich auf, ihre Geschäfte offen zu halten. Zusammen mit
der Armeepräsenz führte das dazu, dass die beim Proteststreik so ängstlichen
Besitzer plötzlich wieder Mut fassten. Eine Wiederholung der Aktion hätte zweifellos zu Zusammenstössen zwischen den Streikposten und den nun in den
Strassen Berns omnipräsenten Truppen geführt. Die Streikenden hatten aber
strikte Anweisung, jede Konfrontation mit der Armee zu vermeiden. Die Tagwacht
Zimmermann: Der Landesstreik in der Region Bern
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Armeepatrouille auf der Grossen Schanze oberhalb des bestreikten Bahnhofs. –
Schweizerisches Bundesarchiv E27#1000 / 721#14095#5473*.
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BEZG N° 02 / 19
Zimmermann: Der Landesstreik in der Region Bern
25
forderte die Streikenden auf, die freie Zeit «zu Spaziergängen zu benützen»
– was möglicherweise als Chiffre für Kontrollen der Arbeitsplätze zu verstehen
sein könnte –, betonte dabei aber, diese Ausflüge sollten nicht ins Stadtzentrum,
«sondern in die Umgebung» führen.63
Generell war der Armee-Einsatz weit weniger zurückhaltend als während
des Proteststreiks. Bereits am 11. November rückten weitere Truppen in die Stadt
ein, Bern war nun militärisch besetzt. Wiederholt kam es zu provokativen
Auftritten der Truppe. Teilweise scheint dies gegen den Willen von Platzkommandant Wildbolz geschehen zu sein, dessen relativ dialogorientierter Kurs
zwar von den politischen Behörden mitgetragen, aber von der Armeeleitung,
die sich direkt mit den Wildbolz unterstellten Truppenkommandanten in Verbindung setzte, torpediert wurde.64 Schon vor dem Ausbruch des Landesstreiks
wurden Personen einzig dafür verhaftet, dass sie Flugblätter mit den Streikinstruktionen verteilten.65 Am ersten Streiktag räumten Kavallerieeinheiten unter
dem Vorwand, den Verkehr aufrechtzuerhalten, mit gezogenem Säbel den
Kornhausplatz, wobei sie auch in die Lauben ritten. Polizeidirektor Schneeberger, dem dieser Vorfall von der Stadtpolizei gemeldet wurde, versuchte danach bei Wildbolz zu intervenieren, konnte diesen allerdings nicht erreichen.66
Am letzten Streiktag ritten erneute Kavalleristen in eine Menge auf dem Kornhausplatz, wobei ein Knabe durch einen Huftritt verletzt wurde.67
Besonders der Kommandant des Freiburger Infanterieregiments 7, de Diesbach, betrachtete ganz offensichtlich die Durchführung von – vom bürgerlichen
Publikum begeistert begrüssten, aber auf die Streikenden provokativ wirkenden – politischen Demonstrationen als wichtigen Teil seines Auftrags. So gab zur
Eröffnung der Parlamentssession das Spiel seines Regiments ein Konzert auf
dem Bundesplatz, bei dem unter anderem das bekannte Greyerzer Jodellied
Ranz des vaches vorgetragen wurde.68 Weitere bürgerliche Gegendemonstrationen fanden in der Stadt Bern namentlich am 13. November auf dem Bubenbergplatz und am 14. November vor dem «Bellevue» statt. Dabei kam es auch zu
Übergriffen der bürgerlichen Demonstranten und der Truppen auf vereinzelte
Streikende, die am Rand der Versammlungen ihren Widerspruch ausdrückten.
Grössere Tumulte ereigneten sich am Nachmittag des 12. November vor dem
Hauptbahnhof, wo sich die Angehörigen der vom Bundesrat ausgewiesenen
Sowjetmission versammelten und von Zaungästen, die teilweise aus dem Umfeld
der diplomatischen Vertretungen der Entente stammten, beschimpft und bedrängt wurden. Wie überall im Land formierte sich auch in Bern eine Bürgerwehr, die Gründungsversammlung fand am 13. November im Bürgerhaus statt.69
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BEZG N° 02 / 19
Während beinahe der ganzen Dauer des Landesstreiks tagte im Bundeshaus eine
ausserordentliche Session der Bundesversammlung, die der Bundesrat in seiner
Morgensitzung vom 11. November wahrscheinlich auf Anregung von General
Wille einberufen hatte.70 Die Sitzung begann am ersten Streiktag, dem 12. November, um 11 Uhr. Das Bundeshaus war dabei vom Militär bewacht, die Parlamentarier waren teilweise mit Militärautos angereist. In seiner Rede, die Bundespräsident Calonder zur Eröffnung der Session hielt, rechtfertigte er das
Truppenaufgebot und verurteilte den Streik, signalisierte aber gleichzeitig auch
eine gewisse Reformbereitschaft. Ein Ordnungsantrag von Grimm, eine interparteiliche Kommission solle einen Antrag für die sofortige Umbildung der Regierung und die Neuwahl des Nationalrats nach dem Proporzverfahren ausarbeiten,
wurde deutlich mit 120 zu 14 Stimmen abgelehnt. Die anschliessende, am 13. November fortgesetzte Debatte zeigte verhärtete Fronten: Bürgerliche Parlamentarier
und die beiden Vertreter einer rechtssozialdemokratischen Splittergruppe gaben
ihrer Ablehnung des Streiks Ausdruck, wobei ihre Fraktionskollegen die Voten
jeweils – entgegen der schweizerischen parlamentarischen Gepflogenheiten – mit
Applaus bedachten. Die den Streik verteidigenden Sozialdemokraten erhielten
jeweils Beifall der Tribüne, was zu Interventionen des Präsidenten führte.71
Die militärische Besetzung der Unionsdruckerei
Der Generalstreik lähmte auch die Druckereien der bürgerlichen Zeitungen,
während die Drucker und Schriftsetzer der Arbeiterzeitungen auf ausdrückliche
Anweisung des Aktionskomitees weiterarbeiteten. Am 12. November konnten
daher Der Bund und das Berner Tagblatt nur dünne, von Kaderangestellten gedruckte Informationsbulletins herausgeben, das Intelligenzblatt erschien überhaupt nicht. Es kam zu einer Art Umkehr der von den beiden politischen Lagern verwendeten Kommunikationsstrategien: Vereinigte sonst das bürgerliche
Lager die Mehrzahl der Zeitungen auf sich und setzte gerade deswegen die
Arbeiterbewegung weit mehr als der politische Gegner auf andere Formen der
Gegenöffentlichkeit wie Versammlungen und Demonstrationen, dominierte nun
die Arbeiterpresse die Medien, während die bürgerliche Seite demonstrativ die
Strasse zu erobern suchte. Dies gelang umso eher, als die Sympathien der Kommandanten, deren Armee-Einheiten die Strassen und Plätze kontrollierten,
eindeutig waren und die Streikleitung bewusst auf die Organisation von Demonstrationen verzichtete, um das Risiko von Zusammenstössen mit den Truppen
zu vermindern. Allerdings genügte dies den bürgerlichen Zeitungsverlegern
nicht, und sie machten erfolgreich Druck auf die Behörden, über repressive
Zimmermann: Der Landesstreik in der Region Bern
27
Konzert des Spiels des Freiburger Infanterieregiments 7 zur Sessionseröffnung
auf dem Bundesplatz, 12. November 1918. Eine von mehreren bürgerlichen
Gegendemonstrationen, die während des Streiks in der Stadt Bern stattfanden.
– Schweizerisches Bundesarchiv E27#1000 / 721#14095#5455*.
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Zimmermann: Der Landesstreik in der Region Bern
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Massnahmen gegen die Arbeiterpresse das alte Gleichgewicht wiederherzustellen.72 Der Bundesrat beauftragte am 12. November um 21 Uhr die Armeeleitung,
die «zum Streik oder Aufruhr aufreizenden Blätter, Imprimate und dergleichen»
beschlagnahmen und die «Druckereien, in denen solche Dinge hergestellt werden», schliessen zu lassen.73
Frühmorgens um 5.30 Uhr besetzten Angehörige des Regiments Diesbach
und der Heerespolizei das Gebäude an der Kapellenstrasse 6, in dem sich nicht
nur die Unionsdruckerei und die Redaktion der Berner Tagwacht, sondern auch
das Zentralsekretariat des SMUV und das kantonale sozialdemokratische
Parteisekretariat befanden. Zudem wohnten in den obersten Stockwerken der
Leiter der Unionsdruckerei, Albert Berner (1870 – 1944), und Polizeidirektor
Schneeberger mit ihren Familien.74 Im angrenzenden Gebäude an der Kappellenstrasse 8 befand sich das Sekretariat des SGB.
Die Besetzung des Gebäudes schilderte Berner in einer kurz nach den Ereignissen publizierten Glosse mit spitzer Feder: «Plötzlich gibt’s Leben im Hause,
die Treppenbeleuchtung wird angezündet und die Treppen hinauf springen
und stürzen, den geladenen Revolver in der vorgestreckten Hand, Militär und
Heerespolizisten. Die Unionsdruckerei wird militärisch besetzt.» Gleich zu Beginn der Aktion kam es zu unfreiwillig komischen Szenen: Zuerst verdächtigten
Militärpolizisten Schneebergers Sohn, der vom Lärm geweckt worden war und
von der Dachterrasse aus sehen wollte, was los war, er habe dort «Feuersignale»
abgegeben, und sperrten ihn kurzerhand in ein Zimmer. Bei den «Signalen»
handelte es sich um aus dem Kamin aufsteigende Flammen und Papieraschenstücke, die entstanden, weil ein Arbeiter die Zentralheizung mit Bündeln von
Zeitungsmakulatur anfeuerte, wofür er prompt beschuldigt wurde, er verbrenne Akten. Das Druckereipersonal wurde vom Militär nach Hause geschickt.
Wurden sonst, so Berner, bei Streiks «die Arbeitswilligen von Polizei und Militär beschützt», so wurden sie «nun […] auf Befehl des Bundesrates […] an der
Arbeit verhindert».75
Wie von Bundesrat und Armeeleitung beabsichtigt, erschwerte die militärische Besetzung der Sitzungs- und Büroräumlichkeiten des Aktionskomitees
und die Unterbindung seiner Presse die Kommunikation zwischen dem OAK
und den lokalen Streikkomitees. Das OAK gab darauf das anderswo gedruckte,
improvisierte Informationsbulletin Die rote Fahne heraus.76
Die bürgerliche Gegenbewegung zum Landesstreik begann bereits am
11. November mit einer vom Regierungsrat einberufenen «Vertrauensmännerversammlung» von Grossräten aus dem ganzen Kanton. Sie erliess einen
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Hinweistafel des Schweizerischen Metall & UhrenarbeiterVerbandes,
Sektion M.A.G. Bern. – Schweizerisches Sozialarchiv F Oa-5092.
Zimmermann: Der Landesstreik in der Region Bern
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«Aufruf an das Bernervolk». Auch danach beteiligten sich die Mitglieder der
Kantonsregierung persönlich an der bürgerlichen Gegenmobilisierung: Am
13. November reisten die Regierungsräte durch den Kanton Bern und sprachen
an Versammlungen.77
An der bürgerlichen Gegenbewegung nahmen auch Aktivistinnen aus bürgerlichen Frauenvereinen teil, die sich demonstrativ um das leibliche Wohl der Soldaten kümmerten. Die militärisch besetzten Räume der Unionsdruckerei erhielten,
wie Berner spöttisch berichtete, sehr häufig Besuch von «Wohltätigkeitsdamen
mit ihrem Kaffee- und Teelürliwasser […]. Als meine Frau den Soldaten zur Abwechslung ein Gläschen Alkohol gab, meinten sie, das sei doch etwas anderes,
als die ewige Teesauferei.» Berner merkte zudem an, dass die Soldaten «ihre
Wurst-, Speck- (!) und Brotresten sowie ganze Schokoladetafeln in die Papierkörbe der Buchbinderei schmissen, weil sie nicht alles essen mochten. Allerdings muss man hier gleich bemerken, dass sie die Würste und den Speck nicht
von den geehrten Damen, sondern von zu Hause erhielten. Es waren eben Bauern,
die auch während der ganzen Kriegsdauer nicht an Speckmangel litten.»78
Der Streikabbruch
Am 13. November stellte der Bundesrat dem OAK um 14 Uhr das Ultimatum,
den Streik um 17 Uhr abzubrechen. Namens des Komitees sprach sein Vizepräsident Ilg bei Bundespräsident Calonder vor und verlangte, dass diese Frist
bis Donnerstag 8 Uhr morgens verlängert werde. Der Bundesrat schob die Frist
bis Mitternacht hinaus und gab das immer noch militärisch besetzte Streiklokal
und dessen Telefonverbindung für die entsprechende Sitzung frei. In einer Nachtsitzung, die um 21 Uhr begann und bis ungefähr 2 Uhr morgens dauerte, besprachen das OAK und die in Bern anwesenden Mitglieder der Nationalratsfraktion
der SPS und des Bundeskomitees des SGB das weitere Vorgehen. Nach Gesprächen zwischen Delegationen des Komitees und des Bundesrats beschlossen sie
schliesslich, den Streik am 14. November um Mitternacht abzubrechen.79
Am Donnerstagmorgen versammelte sich um 8.30 Uhr der Nationalrat zur
letzten Sitzung der ausserordentlichen Session. Als einziges Traktandum hörten die Ratsmitglieder sich eine kurze Rede von Bundespräsident Calonder an.
Er verkündete, dass das «Streikkomitee […] den bedingungslosen Widerruf des
Streiks» beschlossen habe.80 Laut Ilg, der betonte, dass die bundesrätliche Delegation in den Gesprächen in der vorangegangenen Nacht durchaus eine gewisse
Konzessionsbereitschaft signalisiert habe, hatte dies «bei den Arbeitern den
Effekt […], dass sie erst recht nicht gewillt waren, den Streik abzubrechen».81
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BEZG N° 02 / 19
Da entgegen einer weiteren Zusicherung des Bundesrats die Telefone an der
Kapellenstrasse 6 immer noch unterbrochen und das Gebäude weiterhin von
Truppen besetzt war, tagte das Aktionskomitee am Vormittag im Volkshaus.
Dort fand gleichzeitig eine grosse Versammlung von Streikenden statt, an der
die Stimmung sehr erbittert war. Grimm, der selbst gegen den Streikabbruch
gestimmt hatte, versuchte um ungefähr 11 Uhr die Anwesenden von der Notwendigkeit des Streikabbruchs zu überzeugen.82 Doch die Versammlung beschloss zunächst, einen Arbeiterrat zu gründen, der den Streik auf eigene Faust
weiterführen sollte.83
Erheblich zur Zuspitzung der Lage am letzten Streiktag trug zudem bei,
dass die Armeespitze versuchte, den Aufruf zum Streikabbruch zu zensurieren.
Bereits während der Sitzung im Volkshaus erschien ein Stabsmajor, der die
Herausgabe der Proklamation zum Streikabbruch verlangte. Als die Kommissionsmitglieder ab 13 Uhr das Gebäude an der Kapellenstrasse endlich wieder
betreten durften, funktionierte zwar das Telefon wieder, das Haus war aber
immer noch von Truppen besetzt. Telefonate mit den lokalen Streikkomitees
wurden von Offizieren mitgehört, die sofort das Gespräch unterbrachen, wenn
Mitglieder der Streikleitung den Abbruch nicht nur kommentarlos mitteilten,
sondern ihn genauer begründen wollten. Dies führte dazu, dass die Gesprächspartner jeweils davon ausgingen, dass es sich beim Streikabbruch um eine
Falschmeldung des Militärs handelte, und nicht mehr glaubten, dass tatsächlich ein Mitglied der Streikleitung am Apparat war.84 Auch schriftlich sollte nur
gerade eine kommentarlose Bekanntgabe des Streikabbruchs gedruckt werden
dürfen. Das Aktionskomitee wies dies zurück.
Danach erschien Generalstabschef Theophil Sprecher von Bernegg
(1850 – 1927) persönlich an der Kapellenstrasse und forderte die Herausgabe
des Manuskripts. Zufälligerweise rief gleichzeitig Bundesrat Schulthess an und
erkundigte sich nach dem Aufruf. Ilg, der den Entwurf in seiner Tasche hatte,
las die Proklamation vollständig am Telefon vor, dies auch «als Protest gegenüber der Behandlung durch das Militär».85
Sprecher, der das Gespräch mithörte, war vom Inhalt wenig erbaut, wie er
in seinem Tagebuch notierte: «Es war ein hetzerischer Aufruf, der noch zu Lokalstreiks aufforderte und schloss: Hoch der Klassenkampf!»86 Er gab den Befehl,
sämtliche Anwesenden im Streiklokal festzuhalten. Dasselbe Schicksal traf wenig später Stadtpräsident Müller, der sich an die Kapellenstrasse begeben hatte,
weil er das Aktionskomitee auffordern wollte, die immer erregtere Stimmung
an der Versammlung im Volkshaus zu beruhigen, und dabei, wie er sich später
Zimmermann: Der Landesstreik in der Region Bern
33
erinnerte, «in die Mäusefalle des Herrn von Sprecher» geriet.87 Selbst ein Beamter der Bundesanwaltschaft, der die Komiteemitglieder ebenfalls auffordern
wollte, beruhigend auf die Streikenden einzuwirken, wurde im Gebäude festgehalten, weil er sich nicht ausweisen konnte.88
Stadtpräsident Müller gelang es schliesslich, Calonder telefonisch zu erreichen
und die Mehrheit des Bundesrats – zur grossen Enttäuschung Sprechers – von
der Sinnlosigkeit dieser Massnahmen zu überzeugen. Um 18 Uhr gab der Bundesrat die Anweisung, die Besetzung des Tagwacht-Gebäudes aufzuheben.
Nun endlich konnte der Aufruf zum Streikabbruch gedruckt werden.89
Ilg und weitere Redner schafften es, die Teilnehmer der Massenversammlung im Volkshaus umzustimmen: Gegen 0.30 Uhr beschlossen die Berner Streikenden nach langer und heftiger Diskussion mit grosser Mehrheit, aber «mit
Zorn im Herzen, noch immer kampfbereit, einzig dem eisernen Gebot strengster
Disziplin folgend», die Wiederaufnahme der Arbeit am Freitagmorgen, dem
15. November.90
4. Nachspiel
Die Interpellation Müller
Teilweise bereits während und vor allem unmittelbar nach dem Landesstreik
setzten in Bern wie anderswo heftige politische Kontroversen über die Schuldfrage ein. Noch jahrelang lieferte vor allem das zeitliche Zusammenfallen der
Ereignisse mit einer zweiten Welle der verheerenden Grippepandemie von 1918
den Stoff für besonders erbittert geführte Diskussionen, wobei von rechtsbürgerlicher Seite die Schuld am Tod der Hunderten im Dienst an der Grippe erkrankten Soldaten den Streikführern zugeschoben wurde. Umgekehrt hatte die
Linke von Anfang an das Truppenaufgebot gerade mit Hinweis auf die Grippegefahr kritisiert. Es war die Empörung über diese gegen das OAK gerichtete
Hetzkampagne, die Georg Wildbolz (1893 – 1967), den Sohn des Platzkommandanten, dazu trieb, mit Stadtpräsident Müller Kontakt aufzunehmen. Der junge
Offizier hatte am 8. November 1918 auf dem Schreibtisch seines Vaters das
Schreiben von General Wille an Bundesrat Decoppet vom 4. November («Memorial Wille») gesehen. Darin erklärte der General auch, dass er die Verantwortung für ein Aufgebot während der Grippeepidemie zu tragen bereit sei. Aus dem
Gedächtnis gab Wildbolz den Inhalt des Memorials an Müller durchaus korrekt
weiter. Wille hatte allerdings, anders als sich Wildbolz zu erinnern glaubte,
nicht geschrieben, dass es ihm darum gehe, «dieses Gesindel durch ein starkes
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Truppenaufgebot in seine Schlupfwinkel zurückzuschlagen».91 Es dürfte sich
um eine Verwechslung mit einer Stelle handeln, bei der Wille sich überzeugt
gab, «dass das blosse Aufgebot der Kavallerie schon genügt, um den verbrecherischen Willen unserer Bolschewiki-Führer niederzuhalten».92 Unter anderem gestützt auf die Mitteilungen Wildbolz’ reichte Müller am 3. Dezember eine
Interpellation im Nationalrat ein, die den Bundesrat aufforderte, «über die Ursachen und Motive der vor dem Streik beschlossenen und vollzogenen starken
Truppenaufgebote akten- und wahrheitsgemäss Auskunft zu geben». Bundespräsident Calonder beantwortete den Vorstoss bereits am 10. Dezember abweisend.93 Im Landesstreikprozess kamen die Angeklagten auf die Angelegenheit
zurück und erreichten die Publikation von Auszügen aus dem «Memorial».
Schliesslich erhielt Wille auf seinen eigenen Wunsch vom Bundesrat die Erlaubnis, das Memorial zu publizieren.94
Die «Abschiedsfeier» für Grimm
Im März und April 1919 fand in Bern der militärgerichtliche Prozess gegen das
OAK statt. Die Anklage lautete auf Meuterei, da die Truppen im Streikaufruf
aufgefordert worden waren, einen Schiessbefehl auf die Streikenden zu verweigern. Nur vier der Angeklagten wurden schuldig gesprochen, darunter
Grimm, der zu sechs Monaten Gefängnis verurteilt wurde. Am 7. Juli 1919,
dem Tag, da er seine Strafe auf Schloss Blankenburg (Obersimmental) antreten
musste, lähmte ein mehrstündiger Proteststreik die Stadt. Mit einer Demonstration am Bahnhof verabschiedeten sich die Berner Arbeiterinnen und Arbeiter
von ihrem «Röbu». Einige blockierten sogar die Schienen und räumten diese
erst, nachdem Grimm sie dazu aufgefordert hatte.
Auf diese «Abschiedsfeier» für Grimm während der Arbeitszeit antworteten einige Unternehmen mit Massregelungen, so die Schokoladefabrik Tobler,
wo es danach zu einem Streik kam. In der Landwirtschaftlichen Maschinenzentrale Bümpliz reagierte die Unternehmensleitung auf die Teilnahme an der
«Abschiedsfeier» sogar mit einer mehrmonatigen Aussperrung, mittels welcher
es der Unternehmensleitung gelang, die wichtigsten gewerkschaftlichen Vertrauensleute aus dem Betrieb zu verdrängen.95
Bemerkenswert ist, dass der kurze lokale Generalstreik vom 7. Juli auch
den unmittelbaren Anlass zur Gründung des Verbands stadtbernischer Industrieller bildete. 96 Lokale Dachorganisationen innerhalb des Zentralverbands
schweizerischer Arbeitgeber-Organisationen, der zuvor ausschliesslich aus landesweiten Branchenverbänden bestanden hatte, bildeten sich in den Monaten
Zimmermann: Der Landesstreik in der Region Bern
35
Robert Grimm (im Türfenster) verabschiedet sich am 7. Juli 1919 am
Bahnhof Bern von seinen Anhängern, um seine Haftstrafe auf Schloss
Blankenburg anzutreten. – Schweizer Illustrierte Zeitung Nr. 29 (19.7.1919),
S. 401 – Photo Keller, Bern.
36
BEZG N° 02 / 19
nach dem Landesstreik übrigens auch in anderen Kantonen. Sie umfassten sowohl die bereits den Branchenverbänden angeschlossenen als auch bisher nicht
in einem Arbeitgeberverband organisierte Unternehmen.97
Kantonale Untersuchung gegen die Gemeinde Bern
Für Gesprächsstoff sorgte in der Stadt Bern, dass die Namen der drei ständigen sozialdemokratischen Gemeinderäte auf dem Streikaufruf vom 11. November 1918 standen. Die Gemeinderäte wurden deshalb von bürgerlicher Seite
eines Doppelspiels bezichtigt. Während bei Grimm klar war, dass er der führende Kopf der Streikbewegung war, hatte Schneeberger zwar an den entscheidenden Sitzungen als Präsident des SGB teilgenommen, war dort aber kaum in
Erscheinung getreten. Müller war gar nicht anwesend, sondern war in seiner
Eigenschaft als Mitglied der kollektiv unterzeichnenden sozialdemokratischen Fraktion der Bundesversammlung aufgeführt. Allerdings spielte er dann,
wie bereits erwähnt, eine wichtige Rolle bei den Verhandlungen rund um den
Streikabbruch und bei der Aufarbeitung der Ereignisse. Vorwürfe gemacht
wurden besonders an die Adresse Schneebergers wegen des zurückhaltenden
Polizeieinsatzes und Grimms wegen des Streiks der Tramangestellten und des
Teilstreiks der übrigen Gemeindebehörden, die ebenfalls seiner Direktion unterstellt waren. Die während des Streiks konstituierte Bürgerwehr lancierte bereits am 18. November 1918 eine Petition an den Regierungsrat, worin dieser
aufgefordert wurde, die drei sozialdemokratischen Gemeinderäte wegen ihres
Verhaltens während der Novemberstreiks ihres Amts zu entheben. Ein bürgerlicher Vorstoss im Stadtparlament zielte in eine ähnliche Richtung.98
Unabhängig davon hatte der Regierungsrat bereits am 12. November das Regierungsstatthalteramt Bern beauftragt, die Ereignisse während des Proteststreiks
in der Stadt Bern zu untersuchen. Am 20. November dehnte die Regierung
diesen Auftrag weiter aus: Das Regierungsstatthalteramt sollte demnach auch
abklären, welche Einstellung die Berner Gemeindebehörden zur Teilnahme
der Tramangestellten und des Personals weiterer Gemeindebetriebe am Landesstreik vom 12. bis 14. November gehabt hatten. Regierungsstatthalter Fritz
Roth (1860 – 1939) erteilte zwei Kantonspolizisten den Auftrag, zu den Vorfällen bei den Geschäfts- und Wirtshausschliessungen während des Proteststreiks
Ermittlungen durchzuführen. Diese Berichte dienten auch als Grundlage für
eine vom ausserordentlichen Untersuchungsrichter und konservativen Altgemeinderat Karl David Friedrich von Fischer (1865 – 1953) geleitete strafrechtliche Untersuchung.99 Gestützt auf den Bericht von Regierungsstatthalter Roth
Zimmermann: Der Landesstreik in der Region Bern
37
entschied der Regierungsrat am 24. Dezember, den Regierungsstatthalter mit einer Untersuchung «über die am 9. und in der Zeit vom 12. bis 15. November 1918
in der Gemeindeverwaltung von Bern zu Tage getretenen Unregelmässigkeiten» zu beauftragen.100 Weiter mussten Stadtpräsident Müller, Polizeidirektor
Schneeberger und Gemeinderat Grimm Berichte über ihre Geschäftsführung
während der Novemberstreiks abliefern.101
Ein Jahr nach dem Ende des Landesstreiks beschloss der Regierungsrat am
15. November 1919, die Untersuchung nicht weiterzuführen. Zwar verwarnte
der Regierungsrat die drei Gemeinderäte scharf. Bei Müller sei aber die Verfehlung nicht so schwerwiegend, dass die gesetzlich vorgesehenen Sanktionen –
Amtseinstellung oder sogar Abberufung – infrage kämen. Grimm und Schneeberger hatten dagegen nach der Einschätzung des Regierungsrats klar ihre
Pflichten verletzt. Dennoch verzichtete der Regierungsrat auf weitere Schritte.
Er machte als mildernde Umstände die allgemein bewegten Zeiten und die Tatsache geltend, dass die beiden Gemeinderäte ihre Ämter erst seit relativ kurzer
Dauer bekleideten. Grimm sei zudem durch das militärgerichtliche Urteil bereits bestraft worden. Der Regierungsrat stellte aber klar, dass er bei «ähnlichem
Verhalten im Wiederholungsfall» gegen Grimm ein Abberufungsverfahren
einleiten und gegen Schneeberger «strenge Massnahmen» ergreifen werde.102
Im Sinn dieses Beschlusses wies der Regierungsrat am 10. Dezember 1919 auch
die Forderung der Bürgerwehrpetition ab.103
5. Schluss
Als Sitz der Bundesbehörden und des Aktionskomitees spielte Bern eine zentrale Rolle in den Novemberstreiks. Zwar ist es richtig, dass die als besonders
angespannt wahrgenommene Lage in Zürich den Vorwand für das Truppenaufgebot vom 5./6. November 1918 lieferte und die eigenmächtige Weiterführung des Proteststreiks vom 9. November durch die Zürcher Arbeiterunion
einen entscheidenden Anstoss für den eigentlichen Landesstreik vom 12. bis
14. November 1918 gab. Trotzdem behielt das von Bern aus agierende OAK aufseiten der Arbeiterbewegung die Führung in der Hand. Auch auf der bürgerlichen Gegenseite gaben die Entscheide des Bundesrats und des eilends zusammengerufenen Parlaments letztlich den Ausschlag. Erst durch die Aktionen
dieser von Bern aus agierenden Entscheidungsgremien erhielten die Novemberstreiks den Charakter einer landesweiten Kraftprobe, die in dieser Form in der
Geschichte der modernen Schweiz einmalig ist.
38
BEZG N° 02 / 19
Von dieser Bedeutung Berns für die landesweite Bewegung abgesehen, verdienen aber auch die lokalen Ereignisse mehr Beachtung als bisher. So war die
Streikbeteiligung in der Stadt Bern und ihrer Umgebung sehr hoch. Besonders
ausgeprägt machte sich im Kanton Bern vor, während und nach den Novemberstreiks ein Graben zwischen den städtischen und industriellen Zentren und
ihrem im gesamtschweizerischen Vergleich noch überdurchschnittlich stark
landwirtschaftlich geprägten Umland bemerkbar. Dass in Bern die sich ab Ende
1917 formierende Bauern- und Bürgerpartei zur klar dominierenden Kraft innerhalb des Bürgerblocks wurde, verdankte sie auch dem Umstand, dass sie
weit unversöhnlicher als der Freisinn als Gegengewicht zu den Forderungen
der Arbeiterschaft auftrat. Am 27. Februar 1920 misshandelten in Moosseedorf
ein Landwirt, ein Baumeister und zwei weitere Anhänger der Bauernpartei den
Maurer, Gewerkschafter und Sozialdemokraten Johann Schmid nach einem
politischen Wortgefecht derart brutal, dass er an den Folgen verstarb. An einer
Protest- und Trauerkundgebung zogen am 7. März Tausende von Arbeiterinnen und Arbeitern durch Zollikofen und Moosseedorf. Gewiss kam es danach
nicht mehr zu derart fatalen Übergriffen. Dennoch wirft der Vorfall ein grelles
Licht auf die feindselige Stimmung gegenüber der Arbeiterbewegung auf dem
Land – und dies selbst in einer relativ zentrumsnahen Gemeinde.104
Allerdings war die rechtsbürgerliche Bewegung, die sich zunehmend um
die neu gegründete Partei und die im November 1918 entstandenen Bürgerwehren gruppierte, während des Landesstreiks noch nicht die entscheidende
Kraft im bürgerlichen Lager. In der Landes- und der Kantonsregierung dominierten vielmehr noch die durchaus zu gewissen Konzessionen bereiten Teile
des Freisinns. Trotz aller verbalen Kraftmeierei gegen die angeblich verfassungswidrige Stossrichtung des Landesstreiks waren deren Exponenten zu
einer pragmatischen Zusammenarbeit mit der mehrheitlich «roten» Berner
Stadtregierung bereit, deren drei ständige sozialdemokratische Mitglieder zudem zu den wichtigsten Führungspersönlichkeiten der gesamtschweizerischen
Arbeiterbewegung gehörten. Der vom Bundesrat gegen den Willen der Armeeleitung eingesetzte Platzkommandant Wildbolz unterstützte diesen Kurs.
Diese Bereitschaft auf beiden Seiten, eine pragmatische Zusammenarbeit zur Vermeidung einer blutigen Eskalation anzustreben, ohne andererseits die grossen
realen politischen Gegensätze zu verwischen, trug entscheidend dazu bei,
dass in Bern schwere Zwischenfälle während der Streiktage ausblieben.
Dabei darf allerdings nicht übersehen werden, dass – teilweise gegen den Willen dieser bürgerlichen Exponenten, teilweise auch mit ihrem Einverständnis –
Zimmermann: Der Landesstreik in der Region Bern
39
die blosse Tatsache der militärischen Besetzung der Stadt, die bürgerlichen Gegendemonstrationen und die Besetzung der Tagwacht einen sehr provokativen
Charakter trugen. Die grosse Disziplin der streikenden Arbeiterinnen und Arbeiter ist damit – wie übrigens auch in Zürich, das solchen militärischen Provokationen stärker ausgesetzt war – der letztlich wohl gewichtigste Faktor für den
weitestgehend friedlichen Verlauf der grossen Kraftprobe.
Danach vertraten die eidgenössischen und kantonalen Behörden mit der
militärgerichtlichen Verfolgung der Führer des Landesstreiks und vieler Streikender und der Untersuchung gegen die Gemeinde Bern zunächst stärker die
repressive Linie, wie sie von weiten Teilen der bürgerlichen Basis gefordert
wurde. In der Folge kam es aber in den meisten strafgerichtlichen Verfahren
zu Freisprüchen, die wenigen Urteile lauteten meist auf relativ milde Strafen,
das aufwendige Verfahren gegen die Gemeinde Bern wurde nach einem Jahr
eingestellt. Dies zeigt einerseits, dass die Streikenden selbst in einem ihnen wenig günstigen juristischen Rahmen kaum rechtswidrige Akte begangen hatten,
andererseits auch, dass unter den bürgerlichen Entscheidungsträgern die
Furcht vor einer neuen Eskalation und der Wille, nicht noch mehr Öl ins Feuer
zu giessen, letztlich den Ausschlag gaben.
Dieser Artikel ist die verschriftlichte und thematisch leicht erweiterte Fassung
eines Referats, das der Autor am 13. November 2018 im Rahmen der Vortragsreihe des Historischen Vereins des Kantons Bern gehalten hat.
Anmerkungen
1
Cronin, James E.: Labor Insurgency and Class Formation. Comparative Perspectives on
the Crisis of 1917 – 1920 in Europe. In: Social Science History 4,1 (1980), 125 – 152,
hier 130 und 137 – 144.
2
Fritzsche, Bruno: Bern nach 1800. In: Berner Zeitschrift für Geschichte und Heimatkunde
53,1– 2 (1991), 79 – 98; Lüthi, Christian: Die Spinnerei Felsenau 1864 –1975. Ein wichtiges Kapitel
der industriellen Vergangenheit Berns. In: Berner Zeitschrift für Geschichte und Heimatkunde
64,2 (2002), 49 – 99.
3
Keller, Willy: 175 Jahre Geschichte der schweizerischen und bernischen Arbeiterbewegung,
1800 – 1975. Wegleitung. Bern 1975, 54f.
4
Gruner, Erich: Die Arbeiter in der Schweiz im 19. Jahrhundert. Soziale Lage, Organisation,
Verhältnis zu Arbeitgeber und Staat. Bern 1968, 791 – 793.
5
Degen, Bernard: Berner Tagwacht. In: Richers, Julia; Degen, Bernard (Hrsg.): Zimmerwald und
Kiental. Weltgeschichte auf dem Dorfe. Zürich 2015, 29f.; Zimmermann, Adrian: Volkshaus
Bern. In: ebd., 66 – 68.
40
BEZG N° 02 / 19
6
Degen, Bernard et al. (Hrsg.): Vom Wert der Arbeit. Schweizer Gewerkschaften – Geschichte
und Geschichten. Zürich 2006, 348; SMUV (Hrsg.): Unsere Zukunft hat Geschichte. Ein Jahr
hundert im Gewerkschaftskampf gegen materielle Not, für Gerechtigkeit und Menschenwürde.
Eine Festschrift zum hundertjährigen Bestehen des Schweizerischen Metall und Uhrenarbeit
nehmerVerbandes (SMUV). Bern 1988, 190.
7
Militärorganisation der schweizerischen Eidgenossenschaft (vom 12. April 1907). In: Bundes
blatt 2,17 (19.4.1907), 1019.
8
Arbeiterunion Bern: Bericht für das Jahr 1914. Bern 1915, 12 – 18.
9
Arbeiterunion Bern: Bericht für das Jahr 1915. Bern 1916, 13 – 15.
10
Guex, Sébastien: L’inflation en Suisse pendant la Première Guerre mondiale. Causes, réactions,
discussion historiographique. In: Traverse 24,3 (2017), 81 – 96.
11
Zimmermann, Adrian: Robert Grimm, le mouvement ouvrier bernois et la mémoire contestée
de Zimmerwald. In: Cahiers d’histoire du mouvement ouvrier 32 (2016), 14 – 36.
12
Arbeiterunion Bern (wie Anm. 9), 4f.
13
Pfeifer, Regula: Frauen und Protest. Marktdemonstrationen in der deutschen Schweiz im
Kriegsjahr 1916. In: Tanner, Albert; HeadKönig, AnneLise (Hrsg.): Frauen in der Stadt.
Zürich 1993, 93 – 109.
14
Der rote Sonntag. In: Berner Tagwacht 24, 207 (4.6.1916).
15
Archiv des Schweizerischen Gewerkschaftsbunds (Ar SGB), Arbeiterunion Bern, PE 1748,
Protokollbuch 7.6.1915 – 23.5.1918, Delegiertenversammlung 31.7.1917, 177f.; Die Teuerungs
demonstrationen am 30. August. In: Berner Tagwacht 25, 203 (31.8.1917), 1f.
16
Zimmermann, Adrian: Der Landesstreik und die wirtschaftlichen Streiks der Jahre 1916 – 1920.
Streiflichter aus den Kantonen Bern und Aargau. In: Traverse 25,2 (2018), 255 – 273, hier 259f.
17
SMUV (Sektion Bern): Jahresbericht pro 1916 und 1917. Bern 1918, 34, 49 – 55, 84f.; Jahres
bericht pro 1918 und 1919, 129. SMUV (Zentralsekretariat): Bericht für das Jahr 1917, 72; Bericht
1918, 73; Bericht 1919, 131.
18
Vuattolo, August: Allgemeine Arbeiterbewegung. Die Bedeutung des Baugewerbes,
Geschichte der Verbände der Holzarbeiter, der Zimmerleute, der Maler und Gipser (bis 1920 / 21).
Zürich 1953 (Geschichte des Schweizerischen Bau und Holzarbeiterverbandes, Bd. 1),
200 – 203, 223, 325, 328f.; Vuattolo, August: Die Geschichte der Maurer und Handlanger,
der Stein und Ziegelarbeiter, der Bauarbeiter (bis 1920 / 21). Zürich 1955 (Geschichte des
Schweizerischen Bau und Holzarbeiterverbandes, Bd. 2), 243f., 255; SMUV: Bericht 1918, 72, 76.
19
Aus schweizerischen Verbänden. In: Gewerkschaftliche Rundschau 9,11 (1917), 103;
Schweizerischer Textilarbeiterverband (Fabrikarbeiterverband): Bericht vom 1. November 1915
bis 31. Dezember 1917. Bern 1918, 44f.; Schweizerischer Textilarbeiterverband (Fabrikarbeiter
verband): Jahrbuch 1918 / 1919. Bern 1920, 112f., 126, 130; Verband der Papier und graphi
schen Hilfsarbeiter der Schweiz: XIII. Jahresbericht für die Jahre 1916 und 1917.
Zürich 1918, 29f.; Verband der Handels, Transport und Lebensmittelarbeiter: Bericht über die
Tätigkeit in den Jahren 1917, 1918 und 1919. Bern 1920, 61f., 94, 101, 119 – 121, 143.
20
Scheurer, Karl: Schweizerischer Zivildienst «hinter der Front». Referat von Regierungsrat
Scheurer in der freisinnigdemokratischen Partei der Stadt Bern. In: Intelligenzblatt für die
Stadt Bern, 2.10.1917, 3; 4.10.1917, 1f. und 6.10.1917, 3.
21
Zivildienstpflicht. Die Militarisierung der Privatarbeiter. In: Berner Tagwacht, 20.12.1917;
Auf dem Wege zur Zivildienstpflicht. In: Berner Tagwacht, 26.12.1917.
22
Staatsarchiv des Kantons Bern (StAB), GBI Sektion Bern, V Unia 712, Protokoll der Holz
arbeiterversammlung Sektion BernLand, 27.1.1918 im Restaurant Bahnhof in Schüpfen.
Zimmermann: Der Landesstreik in der Region Bern
41
23
Vgl. SchmidAmmann, Paul: Die Wahrheit über den Generalstreik von 1918. Seine Ursachen,
sein Verlauf, seine Folgen. Zürich 1968, 83.
24
Bähler, Anna et al. (Hrsg.): Bern – die Geschichte der Stadt im 19. und 20. Jahrhundert.
Stadtentwicklung, Gesellschaft, Wirtschaft, Politik, Kultur. Bern 2003, 341f.
25
Ebd., 338.
26
Stadt Bern: Bericht des Gemeinderates der Stadt Bern an den Stadtrat betreffend den allge
meinen Gang der Gemeindeverwaltung im Jahre 1918. Bern 1919, 24f.
27
Grimm, Robert: Zum Abschied. In: Berner Tagwacht 26, 240 (15.10.1918), 1.
28
Bericht des Gemeinderates 1918 (wie Anm. 26), 25.
29
Gruner, Erich: Die Schweizerische Bundesversammlung 1848 – 1919, Bd. 3: Tabellen – Grafiken –
Karten. Bern 1978, 327f.
30
P[eter] B[ratschi]: Einen Glanztag. In: Schweizerische MetallarbeiterZeitung, 19.10.1918, 3.
31
Aemmer, Robert Walter: Die Sozialdemokratie im Kanton Bern 1890 – 1914. Zürich 1973,
204; Ein Ergebnis. In: Intelligenzblatt, 29.4.1918, 1; GrossratsStichwahlen. In: ebd.,
13.5.1918, 2.
32
Memorial des Generals vom 4. November 1918. In: Gautschi, Willi (Hrsg.): Dokumente zum
Landesstreik 1918. Zürich 1971, 170 – 174.
33
Gautschi, Willi: Der Landesstreik 1918. Zürich 1988, 240f. Der Eintrag aus dem Journal der
GeneralstabsAbteilung, zitiert nach ebd., Anm. 14, 240.
34
Andrey, Laurent: Contreépreuve. La grève générale «en ricochet» à Fribourg. In: Rennwald,
JeanClaude; Zimmermann, Adrian (Hrsg.): La grève générale de 1918 en Suisse. Histoire et
répercussions. Neuchâtel 2018, 113 – 123.
35
Infanterieregiment 16. In: Berner Tagwacht, 8.11.1918. Das Regiment 16 und der Generalstreik.
In: Berner Tagwacht, 27.11.1918.
36
Gautschi (wie Anm. 33), 240 – 242.
37
Ar SGB, Oltener Aktionskomitee / Generalstreik 1918, Korrespondenz und Aufrufe, G 190 / 3,
Oltener Aktionskomitee, Aufforderung zum Streik in 19 Orten, 7.11.1918.
38
Ar SGB, Arbeiterunion Bern PE 1748, Protokollbuch 1915 – 1923, U[nions] C[omité]:
Sitzung, Sonntag, 10. November 1918, abends 5 Uhr im Arbeitersekretariat, 14.
39
Gautschi (wie Anm. 33), 240– 242.
40
Der LandesstreikProzess gegen die Mitglieder des Oltener Aktionskomitees vor dem Militär
gericht 3 vom 12. März bis 9. April 1919. Bern 1919, 366.
41
StAB, BB XIIIb 93016, Bern Stadt: Einwohnergemeinde, amtliche Untersuchung betreffend den
Generalstreik, 1919, Oskar Schneeberger: Bericht über das Verhalten und die Tätigkeit der
städtischen Polizei anlässlich des Proteststreikes in Bern vom 9. November 1918, 18.11.1918.
42
StAB, A II 3389 Generalstreik (Landesstreik) 1918, Innere Lage, Truppenaufgebot; Akten etc.,
Protokoll über die Konferenz zwischen dem Regierungsrat und dem Gemeinderat der Stadt
Bern, 8.11.1918.
43
Schweizerisches Bundesarchiv (BAR), E1004.1 Protokolle des Bundesrates, 1000 / 9, Bd.
267135, Sitzung, 8.11.1918.
44
StAB, A II 3389 (wie Anm. 42), Sitzung des Regierungsrats vom 8.11.1918 (handschriftlicher
Protokollauszug).
45
Berner Tagwacht, 11.11.1918.
42
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46
Intelligenzblatt, 11.11.1918.
47
Berner Tagwacht, 11.11.1918.
48
Gautschi (wie Anm. 33), 255f.
49
StAB, BB XIIIb 93016 (wie Anm. 41), Bericht von Landjägerkorporal Jaggi und Landjäger Rikli an
das RegierungsstatthalterAmt I in Bern, 14.11.1918, 1. Nachtrag vom 18.11.1918 (u.a. zu Loeb),
3. Nachtrag vom 20.11.1918 (u.a. zu Brann) und 4. Nachtrag vom 23.11.1918 (u.a. zu Kaiser)
im Subdossier «Ausserordentlicher Untersuchungsrichter Bern. Untersuchungsakten gegen
Unbekannte Täterschaft».
50
Ebd., Verhörprotokolle der Stadtpolizisten Wm. Michel, Kpl. Grünig, Hptm. Zwicky und Kpl. Mägli
(1 – 6) und des Wirts Tannaz (73 – 79) im Band «Untersuchung der Vorfälle anlässlich des
Proteststreikes vom 9. November 1918».
51
Ebd., Verhörprotokolle Polizeihauptmann Zwicky und Polizeidirektor Schneeberger, 4 – 6 und 10 –14.
52
Ebd., Verhörprotokoll Zwicky, 5; 25 Jahre Verband der städtischen PolizeiAngestellten
1903 – 1928. Bern 1929.
53
Gautschi (wie Anm. 33), 242.
54
Barras, Pierre: II y a cinquante ans. Sur les pas du régiment 7. Du ‹Ranz des vaches› à
l’expulsion de la mission bolchevique. In: La Liberté, 22.11.1918, 3; Feldmann, Markus: Tage
buch 1923 – 1958, bearbeitet von Peter Moser. Basel 2001 – 2002 (CD), Eintrag 9.11.1918.
55
Gautschi (wie Anm. 33), 272 – 276; LandesstreikProzess (wie Anm. 40), 199, 506.
56
LandesstreikProzess (wie Anm. 40), 369.
57
Ar SGB, Arbeiterunion Bern PE 1748 (wie Anm. 38), 14.
58
Gautschi (wie Anm. 33), 257 – 276.
59
Arbeiterunion Bern: Jahresbericht 1918 – 1921. Bern 1923, 11.
60
Berner Tagwacht, 12.11.1918.
61
StAB, V Unia 245, Verband der Handels, Transport und Lebensmittelarbeiter: Protokollbuch
Allgemeine Sektion Bern 1916 – 1919, Generalversammlung vom 27. Januar 1919 im grossen
Volkshaussaale.
62
Beide Aufrufe sind im Wortlaut abgedruckt in: Stadt Bern (wie Anm. 26) 1919, 30 – 32.
63
Berner Tagwacht, 12.11.1918.
64
Gautschi (wie Anm. 33), 244, 256, 327.
65
Berner Tagwacht, 12.11.1918.
66
LandesstreikProzess (wie Anm. 40), 385f.
67
Ebd., 375, Aussage Schneeberger.
68
Barras (wie Anm. 54), 3.
69
Feldmann (wie Anm. 54), Eintrag 13.11.1918.
70
Gautschi (wie Anm. 33), 297f.
71
Landesstreik. In: Amtliches stenographisches Bulletin der Bundesversammlung, 12.–14.11.1918,
429 – 465.
72
Scheurer, Karl: Fragmente aus dem Tagebuch. In: Gautschi (wie Anm. 32), 337.
73
BAR, E1004.1 Protokolle des Bundesrates, 1000 / 9, Bd. 269, Sitzung, 12.11.1918.
74
LandesstreikProzess (wie Anm. 40), 191f., 307.
Zimmermann: Der Landesstreik in der Region Bern
43
75
B[erne]r, A[lbert]: Die Eroberung der Tagwacht. In: Berner Tagwacht 269 (20.11.1918),
1 (Beilage).
76
Ar SGB G 23 (GS) / 2, Die rote Fahne. Bulletin Nr. 1 des Oltener Aktionskomitees.
77
Scheurer (wie Anm. 72), 337 – 340.
78
Berner (wie Anm. 75).
79
Gautschi (wie Anm. 33), 318 – 321.
80
Landesstreik (wie Anm. 71), 14.11.1918, 480f.
81
LandesstreikProzess (wie Anm. 40), 438.
82
Ebd., 516.
83
StAB, BB XIIIb 93016 (wie Anm. 41), Sitzung vom 15. November 1918, Mitteilung Grimm,
Auszüge aus den Gemeinderatsprotokollen.
84
LandesstreikProzess (wie Anm. 40).
85
Ebd., 308, 346, 353.
86
Sprecher, Theophil: Tagebuch Nr. 12, 1.– 28. November 1918 (gekürzt). In: Gautschi (wie Anm. 32),
331.
87
LandesstreikProzess (wie Anm. 40), 782.
88
Ebd., 515f.
89
Ebd., 440; Sprecher (wie Anm. 86), 331.
90
Arbeiterunion Bern (wie Anm. 59), 11.
91
SchmidAmmann (wie Anm. 23), 336 – 338; Gautschi (wie Anm. 33), 368f.
92
Memorial (wie Anm. 32), 174.
93
Schweizerisches Sozialarchiv, Sachdokumentation, KS 331 / 260 Generalstreik, Landesstreik
1918, Übersicht über die Verhandlungen der Bundesversammlung, Wintersession 1918 / 1919,
19; Flugblatt Vorgeschichte des Generalstreiks. Offene Anfrage an den Bundesrat (Rede von
Herrn Gustav Müller im Nationalrat vom 10. Dezember).
94
BAR, E1004.1 Protokolle des Bundesrates, 1000 / 9 Bd. 272, 65. Sitzung, 28.6.1919.
95
SMUV: Jahresbericht. Bern 1918 – 19, 33f. und 103 – 123.
96
Pezolt, Alfred: 50 Jahre Verband industrieller Arbeitgeber von Bern und Umgebung.
[Bern] 1969, 13.
97
Eichenberger, Pierre: Les organisations patronales et la Grève générale de 1918. In: Traverse
25,2 (2018), 129 – 150, hier 147.
98
StAB, BB XIIIb 93016 (wie Anm. 41), Volksbegehren an den Regierungsrat d[es] Kantons
Bern um Abberufung der sozialdemokratischen Gemeinderäte der Stadt Bern: Grimm,
Müller & Schneeberger, 4.12.1918, Interpellation vom 20.11.1918; Gemeinde Bern: Anträge an
den Stadtrat. Zweites Halbjahr 1918, Bern 1918, 205f.
99
StAB, A II 3389 (wie Anm. 42), Generalprokurator Friedrich Langhans an Regierungsrat,
13.11.1918.
100
StAB, BB XIIIb 93016 (wie Anm. 41), Protokollauszug Sitzung des Regierungsrats vom
24. Dezember 1918.
101
Ebd., Fritz Roth (Regierungsstatthalter I) an Gemeinderat Bern, 26.2.1919.
102
Ebd., Protokollauszug Sitzung des Regierungsrats vom 15. November 1919.
44
BEZG N° 02 / 19
103
Ebd., Protokollauszug Sitzung des Regierungsrats vom 10. Dezember 1919.
104
Ein politischer Mord. In: Berner Tagwacht, 1.3.1920; † Johann Schmid, Moosseedorf.
In: Der Bauhandwerker, 3.4.1920, 2f.; Eine machtvolle Kundgebung. In: Berner Tagwacht,
8.3.1920.
Zimmermann: Der Landesstreik in der Region Bern
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