Verwendung eines Verfahrens zur elektrostatischen Lackierung
Bauteile aus Nichtleiterwerkstoffen werden häufig durch Spritzgießen eines Kunststoffes in eine entsprechende Spritzgussform hergestellt. Für mittlere Jahresstückzahlen, im Bereich von etwa 10.000 - 200.000, häufig 30.000 bis 100.000, ist durch die günstigere Kostenrelation für Spritzgussform und Werkstoff die Herstellung von Bauteilen aus Kunststoff wirtschaftlicher gegenüber Bauteilen aus Metall,. Dagegen sind metallische Bauteile insbesondere bei höheren Stückzahlen wirtschaftlicher.
Für Bauteile wie z.B. Motorhauben, die auch unter starker thermischer Beanspruchung eine dauerhafte Formstabilität gewährleisten müssen, sind jedoch nach wie vor metallische Werkstoffe bevorzugt.
Insbesondere im Bereich des Automobilbaus liegt daher häufig die Ausgangssituation vor, dass ein oder mehrere Bauteile aus einem Nichtmetallwerkstoff mit einem oder mehreren Bauteilen aus einem metallischen Werkstoff zusammen verbaut werden. Im Automobilbau sind dies z.B. die aus einem Kunststoff gebildeten Kotflügel sowie Motorhaube und Türen aus einem metallischen Werkstoff.
Als Kunststoff für Kotflügel wird häufig ein Polyamid eingesetzt.
Es ist fertigungstechnisch vorteilhaft, den Zusammenbau des Grundkörpers aus Bauteilen aus Nichtleiterwerkstoffen und metallischen Werkstoffen möglichst früh im Fertigungsverfahren, also vor der Lackierung, vorzunehmen, und diesen anschließend in einem „Online"- Prozess zu lackieren.
Die Lackierung erfolgt in der Regel nach zwei aufeinander folgenden Lackierverfahren, wobei zuerst eine Tauchlackierung und anschließend mehrere Sprühlackierungen durchgeführt werden.
Die Tauchlackierung wird bevorzugt elektrochemisch durch kathodische Abscheidung mittels elektrischen Stroms durchgeführt.
Die Sprühlackierungen werden zunehmend elektrostatisch durchgeführt. Dabei wird der Lack mittels eines elektrostatischen Hochrotationszerstäubers in kleinste Tröpfchen zerstäubt, die aufgeladen werden. Indem das geerdete Bauteil die geladenen Lacktröpfchen
elektrisch anzieht, wird ein hoher Auftragswirkungsgrad mit geringen Lackverlusten erreicht.
Um ein Bauteil aus einem Nichtleiterwerkstoff erden zu können, ist es erforderlich, dass das durch die geladenen Tröpfchen aufgebrachte Potenzial elektrisch abgeleitet werden kann. Dazu kann beispielsweise vor dem elektrostatischen Aufbringen des Lackes ein leitfähiger Primer aufgetragen werden. Es ist auch möglich, den Kunststoff selbst durch Zugabe von leitfähigen Additiven wie z.B. Leitruß leitfähig zu machen. Nachteilig sind die hiermit verbundenen Kosten sowie verschlechterte mechanische Eigenschaften wie eine ver- schüchterte Schlagzähigkeit. Darüber hinaus ist es schwierig, durch Zugabe von leitfähigen Additiven die Leitfähigkeit des Kunststoffes auf einen für die elektrische Ableitung optimalen Wert einzustellen, weil die Leitfähigkeit mit zunehmender Additivmenge nach einer Sprungfunktion zunimmt.
Sofern Bauteile aus Nichtleiterwerkstoffen und metallische Bauteile unmittelbar miteinander verbunden sind, ist es möglich, zunächst die Grenzfläche zwischen dem Nichtleiterwerkstoff und dem metallischen Werkstoff zu lackieren. Durch die Ausbildung eines kontinuierlichen Filmes, der die beiden Werkstoffe verbindet und der, solange er noch nicht vollständig getrocknet ist, leitfähig ist, wird bewirkt, dass das Bauteil aus dem Nichtleiterwerkstoff und das Bauteil aus dem metallischen Werkstoff dasselbe Potential aufweisen und somit unter nahezu gleichen Bedingungen elektrostatisch lackiert werden können. Ein derartiges Verfahren ist in JP 61 227 869 beschrieben. Das Verfahren ist jedoch durch die Voraussetzung eingeschränkt, dass sich Nichtleiterwerkstoff und metallischer Werkstoff berühren.
Das AiF-Forschungsvorhaben Nr. 010820 N/1 , Laufzeit 01.09.1996 bis 31.05.1998, des Instituts für Industrielle Fertigung und Fabrikbetrieb in Stuttgart mit dem Titel „Entwicklung von fertigungstechnischen Maßnahmen zur Anwendung elektrostatischer Lackierverfahren für Kunststoffteile" betrifft eine so genannte dynamische Erdung. Dabei handelt es sich um eine temporäre Erdung von Kunststoffteilen durch Abführen der Ladungen über den gerade erzeugten leitfähigen Nasslackfilm. Die Untersuchungen haben gezeigt, dass die elektrostatische Lackierung von Kunststoffteilen ohne zusätzliche Arbeitsschritte und ohne vorherigen Auftrag von leitfähigen Primern auch unter Produktionsbedingungen möglich ist, indem ein oder mehrere Erdkontakte genutzt oder vorgesehen werden, um die über die Lacktröpfchen aufgebrachte Ladung abzuleiten. Es wurde gezeigt, dass Wasserlacke ge- nerell ausreichend leitfähig sind und dass auch Lösemittellacke, die einen elektrischen Widerstand von weniger als 106 Ω nach vier Minuten Ablüften der Lackschicht haben, eine Entfernung von 60 cm zum Erdkontakt überbrücken können. Je nach Teilegröße und Ge-
ometrie muss die Anzahl der Erdkontakte entsprechend dem elektrischen Widerstand des Lackmaterials angepasst werden. Als Erdkontakte werden beispielsweise Bleche mit einer Länge von mindestens 10 cm vorgeschlagen, die spaltfrei, das heißt formschlüssig an den Teilen anliegen und die keine vorstehenden Spitzen, Ecken und Kanten aufweisen dürfen, was eine Feldlinienkonzentration verursachen würde. Der Erdkontakt muss an einer Position am Bauteil angebracht sein, die als Anfangspunkt für die Lackapplikation geeignet ist. Dies gilt auch, wenn der Erdkontakt auf einer Nicht-Sichtfläche oder Teilerückseite befestigt wird. Die Verbindung zwischen Erdkontakt und Erdpotential muss sichergestellt sein. Aus dem oben genannten Untersuchungsbericht war somit eine elektrostatische Lackie- rung durch dynamische Erdung, d.h. Ableiten der Spannung über den noch nassen Lackfilm bekannt, der mindestens einen Erdkontakt aufweisen muss, wobei die Lackierung an dem Erdkontakt beginnen muss.
Für den Fall, dass ein Grundkörper lackiert werden muss, der neben Bauteilen aus Nicht- leiterwerkstoffen auch Bauteile aus metallischen Werkstoffen umfasst, die mit diesen jedoch nicht unmittelbar verbunden sondern durch Spalte im Millimeterbereich getrennt sind, wurde bislang angenommen, dass das obige Verfahren nicht einsetzbar sein ist. Die unmittelbar benachbarten metallischen Bauteile, die insbesondere durch den bei Automobilen üblichen Karosseriespalt getrennt sind, sollten durch Abziehen der Feldlinien einen negati- ven Einfluss haben und zu einer Ungleichmäßigkeit der Lackierung wie z.B. matte Stellen durch nicht ausreichenden Verlauf der Lacktröpfchen ineinander führen.
Hingegen wurde gefunden, dass entgegen diesen Annahmen die Anwendung des elektrostatischen Lackierverfahrens mit dynamischer Erdung auch auf Grundkörpern möglich ist, die Bauteile aus Nichtleiterwerkstoffen sowie Bauteile aus metallischen Werkstoffen umfassen, die durch Spalte voneinander getrennt sind.
Die Erfindung besteht somit in der Verwendung eines Verfahrens zur gemeinsamen elektrostatischen Lackierung von einem oder mehreren Bauteile aus einem Nichtleiterwerkstoff und einem oder mehreren Bauteilen aus einem metallischen Werkstoff, wobei das oder die Bauteile aus dem Nichtleiterwerkstoff und das oder die Bauteile aus dem metallischen Werkstoff durch Spalte voneinander getrennt sind. Die Applikation des Lacks bzw. Primers auf jedes Bauteil aus einem Nichtleiterwerkstoff muss zwingend an dem einen oder den mehreren Erdkontakten beginnen und von dort aus ohne Unterbrechung fortgeführt wer- den.
Bevorzugt weisen die Spalte eine Spaltweite im Bereich von 1 bis 10 mm auf.
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Weiter bevorzugt weisen die Spalte eine Spaltweite im Bereich zwischen 2 und 5 mm auf.
Der eine oder die mehreren Erdkontakte können bereits auf dem Kunststoffteil vorhandene leitfähige Punkte sein wie z.B. eine oder mehrere mit der Karosserie leitend verbundene Schrauben sein.
Die Anzahl der Erdkontakte ist auf die Größe und Geometrie der Bauteile sowie die Leitfähigkeit des einzusetzenden Lackes abzustimmen.
Bevorzugt ist ein einziger Erdkontakt.
Der oder die Erdkontakte können auch speziell zum Zwecke des Ableitens der Ladung auf dem Bauteil aus Nichtleiterwerkstoff an- oder in dasselbe eingebracht werden.
Bevorzugt können der eine oder die mehreren Erdkontakte mittels Leitruß gebildet sein. Solche Erdkontakte können auch aus einem zweiten, mit Leitruß ausgerüsteten, Nichtleiterwerkstoff bestehen, der nach Formgebung eines Teils in einem zweiten Schritt im selben Werkzeug - z. b. in Zweikomponenten-Technik - auf dieses Teil form- oder stoffschlüssig aufgebracht wird.
Alternativ kann ein zweiter Nichtleiterwerkstoff aus einem für das sog. Laser-Direkt- Strukturierverfahren (LDS-Verfahren) der Firma LPKF AG tauglichen Material, das beispielsweise in DE-A 0 197 23 734, DE-C 197 31 346 oder DE-A 0 101 32 092 beschrieben ist, gebildet sein. Durch Anwendung des LDS-Verfahrens werden geeignete Muster erzeugt, die durch eine anschließende Metallphosphatierung leitfähig gemacht werden.
In einer Ausführungsform kann eine zuvor pneumatisch auf das Bauteil aus einem Nichtleiterwerkstoff aufgebrachte Lackschicht als Erdkontakt fungieren.
Die Bauteile aus Nichtleiterwerkstoffen sowie die Bauteile aus metallischen Werkstoffen sind bevorzugt Autoteile.
Besonders bevorzugt sind Kotflügel aus Nichtleiterwerkstoffen sowie Türen und Motorhauben aus metallischen Werkstoffen.
Als Nichtleiterwerkstoffe werden bevorzugt Polymerkompounds auf der Basis von Polyamiden oder Polyestern verwendet. Besonders geeignet sind Kompounds auf Basis von Polyamiden und ABS, die gegebenenfalls auch Füllstoffe enthalten können wie z. B. Triax DP®
3155 der Fa. Lanxess oder Terblend® N-Produkte der Fa. BASF Aktiengesellschaft. Weiterhin kommen in Frage Kompounds auf Basis von Polyamiden wie z.B. Technyl A® 238C MP25 oder Ultramid® TOP 3000. Auch Polymerlegierungen auf der Basis von Polyamid und Polyphenylenether wie z.B. Noryl® GTX 964 der Firma GEP sind als Substrate geeig- net.
Die Erfindung wird im Folgenden anhand einer Figur sowie eines Ausführungsbeispiels näher erläutert.
In eine Lackierstraße eines Automobilherstellers zur Produktion von Serien-PKW wurde eine PKW-Serienkarosserie eingeschleust, die anstelle eines Kotflügels aus Metall mit einen Kotflügel aus einem Nichtleiterwerkstoff mit mehreren Erdkontakten bestückt war. Die angrenzende Motorhaube sowie die Tür waren wie üblich aus Metall. Zwischen Kotflügel und Motorhaube bzw. Tür waren Spalten. Die Karosserie durchlief die komplette Lackie- rung beginnend mit der Vorbehandlung und Tauchlackierung, bei der der Kotflügel aus einem Nichtleiterwerkstoff naturgemäß nicht beschichtet wird.
Es folgte die elektrostatische Sprühlackierung mit einem wasserbasierten und somit leitfähigen Füller. Das Lackmaterial bestand im Wesentlichen aus Farbpigmenten, Füllstoffen, Bindemitteln, Additiven sowie dem Lösemittel Wasser.
Die einzige Figur 1 zeigt den Aufbau dieser Lackierung. Sie beginnt am Kotflügel aus einem Nichtleiterwerkstoff (2) am Erdkontakt (1 ) des Kotflügels (K) und wurde von dort aus über die Restfläche des Kotflügels (K) fortgesetzt. Über den leitenden Nasslackfilm (3) konnte zu jeder Zeit das elektrische Potenzial abgeführt werden. Der Kotflügel (K) war durch einen Spalt (4) von einer metallischen Autotür (5) beabstandet. Mit einer Feldmühle wurde nach der elektrostatischen Lackierung die Aufladung des Kotflügels (K) aus einem Nichtleiterwerkstoff (2) gemessen. Der Messwert lag zwischen 0-15 kV/m und damit weit unter dem Grenzwert von 150 kV/m für eine kritische Aufladung.
Das Lackierergebnis entspricht in allen Kriterien dem eines Kotflügels aus Metall. Sowohl die optischen Eigenschaften, wie homogener Farbton, Verlauf und Glanz als auch die technologischen Eigenschaften wie Gitterschnitt, Dampfstrahltest, Klimalagerung und Chemikalienbeständigkeit waren spezifikationsgerecht.