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Verfahren zur Uberführung von Verbindungen mit reaktionsfähigen Wasserstoffatomen
in ihre Umsetzungsprodukte mit Isocyansäureestern Die Erfindung betrifft ein neues
Verfahren zur Überführung von Verbindungen mit reaktionsfähigen Wasserstoffatomen
in ihre Umsetzungsprodukte mit Isocyansäureestern. Der Begriff Isocyansäureester
soll hierbei sowohl die monofunktionellen als auch die polyfunktionellen Verbindungen
umfassen. Die genannten Stoffe zeichnen sich durch eine hohe Reaktionsfähigkeit
aus, die sie zu interessanten Ausgangs- bzw. Zwischenprodukten für organische Synthesen
und für Veredlungsoperationen, z. B. in der Textilindustrie, macht. Von dem Aufbau
einfacher organischer Verbindungen abgesehen, kann man beispielsweise aus polyfunktionellen
Isocyansäureestern und polyfunktionellen Verbindungen mit reaktionsfähigen Wasserstoffatomen,
z. B. Polyoxyverbindungen, Polyaminoverbindungen oder Polycarbonsäuren, hochmolekulare
Kunststoffe herstellen. Derartige Umsetzungen können nach Art der Einbrennlacke
auf einer Unterlage durchgeführt werden. Man kann sie auch für die Herstellung von
PreBmassen, von Klebungen u. dgl. ausnutzen. Ferner können mono- und polyfunktionelle
Isocyansäureester allein oder in Kombination mit mono- oder polyfunktionellen Verbindungen
mit reaktionsfähigen Wasserstoffatomen, z. B. Oxyverbindungen, Aminoverbindungen
oder Carbonsäuren zur Veredlung saugfähiger Materialien, wie Textilien, Papier,
Pappe,
Holz, Leder u. dgl., angewendet werden. Je nach den angewandten Verbindungen und
nach dem betreffenden saugfähigen Material kann die Wirkung dieser Behandlung beispielsweise
in einer Hydrophobierung, in einer Änderung des Anfärbevermögens, in einer Verbesserung
der Naßreißfestigkeit oder sonstiger mechanischer Eigenschaften bestehen. Soweit
die Isocyansäureester in diesen Fällen allein ohne zusätzliche Verbindungen mit
reaktionsfähigen Wasserstoffatomen zur Anwendung kommen, möge es dahingestellt bleiben,
ob die erzielte Wirkung auf eine Umsetzung mit reaktionsfähigen Gruppen des zu veredelnden
Materials oder auf eine Umsetzung mit darin befindlichem Wasser zurückzuführen ist.
Die erwähnten Umsetzungen sind, soweit ein Verdünnungsmittel überhaupt angewendet
wurde, in der Regel in indifferenten organischen Lösungsmitteln durchgeführt worden.
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Gemäß der Erfindung werden nun für die Überführung von Verbindungen
mit reaktionsfähigen Wasserstoffatomen in ihre Umsetzungsprodukte mit Isocyansäureestern
an Stelle der freien Isocyansäureester ihre wasserlöslichen Anlagerungsprodukte
mit sauren schwefligsauren Salzen benutzt, wie sie gemäß Patent $59I56 erhältlich
sind. Erfindungsgemäß werden diese Umsetzungen vorzugsweise in wäßrigem Medium durchgeführt.
Anlagerungsverbindungen aus Isocyanaten und sauren sehwefligsauren Salzen sind in
der Regel gut löslich in Wasser und auch in wäßrigem Medium hinreichend beständig,
um die Herstellung von einigermaßen haltbaren Lösungen zu gestatten. Die Haltbarkeit
der Lösungen hängt weitgehend von dem zugrunde liegenden Isocyanat ab, wobei die
Addukte der aliphatischen Isocyanate beständigere Lösungen ergeben als die der aromatischen.
Andererseits können die Anlagerungsverbindungen doch in wäßrigem Medium unter geeigneten
Bedingungen in die ihnen zugrunde liegenden Isocyansäureester gespalten werden.
Insbesondere hat man es in der Hand, ihren Zerfall in dem wäßrigen Medium in gewünschter
Weise zu regulieren. Es gilt hierbei die Regel, daß die Beständigkeit der Anlagerungsverbindungen.
mit zunehmendem saurem Charakter des wäßrigen Mediums steigt und umgekehrt in alkalischem
Medium abfällt. Infolgedessen wirkt die Zugabe von Säuren stabilisierend, während
die Zugabe von Aminen den Zerfall begünstigt. Man verwendet für den letztgenannten
Zweck natürlich vorzugsweise tertiäre Amine, da diese mit den Isocyansäureestern
nicht reagieren. Ferner kann der Zerfall durch Zusatz von Salzen der salpetrigen
Säure bzw. durch Anwendung höherer Temperaturen beschleunigt werden. Es empfiehlt
sich manchmal besonders bei Textilveredlungen nach Verdampfen des als Lösungsmittel
verwendeten Wassers auf I2o bis I5o° zu erhitzen. Schließlich wird der Zerfall vermutlich
auch durch die Natur der anzuwendenden reaktionsfähigen Verbindung beeinflußt.
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Als Anlagerungsverbindungen von Isocyansäureestern kommen beispielsweise
solche von Monoisocyanaten,, Diisocyanaten und Polyisocyanaten der aliphatischen,
aromatischen und aliphatischäromatischen Reihe in Frage. Beispielsweise seien genannt
Methylisocyanat, Äthylisocyanat, I-Chlorhexyl-6-isocyanat, Hexylisocyanat, Dodecylisocyanat,
Stearylisocyanat, Cyclohexylisocyanat, Phenylisöcyanat, Toluylisocyanate, Chlorphenylisocyanate,
Äthylendiisocyanat, Butan- und Hexandiisocyanate, Thiodipropyl-3, '3'-diisocyanat,
Cyclohexyl-4, 4'-diisocyanat, Phenylen-I, 4-diisocyanat und Phenyl- r, 3, 5 -triisocyanat.
Im Gegensatz zu den freien Isocyansäureestern sind die hier verwendeten Addukte
geruchlos und besitzen keinerlei physiologische Reizwirkung.
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Als Verbindung mit reaktionsfähigen Wasserstoffatomen sei zunächst
Wasser genannt, welches mit Isocyansäureestern unter Bildung von Harnstoffen reagiert.
Ferner seien in erster Linie Mono-und Polyaminoverbindungen erwähnt, wie sie in
einheitlichen Aminen oder in höhermolekularen Eiweißprodukten von Gelatine oder
Casein bzw. deren Spaltprodukten vorliegen.
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Die neue Erfindung ist je nach den Ausgangsmaterialien und den Arbeitsbedingungen
der vielseitigsten Anwendungen fähig. Beispielsweise kann man saugfähige Materialien,
wie Papier, mit Anlagerungsverbindungen aus Isocyansäureestern allein, d. h. ohne
Mitverwendung reaktionsfähiger anderer Verbindungen, behandeln, wobei man eine Erhöhung
der Naßreißfestigkeit erhält. Nach derselben Arbeitsweise kann man Zellwolle mit
Hilfe von Anlagerungsverbindungen aus höheren Fettmonoisocyanaten hydrophobieren.
Dieselbe Arbeitsweise gestattet es, Wolle mit Hilfe der Anlagerungsverbindurigen
aus aromatischen Mono- oder Diisocyanaten in ihrer Anfärbbarkeit zu verbessern.
Bei allen diesen Anwendungsgebieten mag es dahingestellt bleiben, ob in chemischer
Beziehung lediglich ein Umsatz mit Wasser, unter Einlegung der gebildeten Harnstoffe
in die Fasern, stattfindet, oder ob auch eine Umsetzung mit dem Fasermaterial eintritt.
FCrrier kann man die neue Reaktion zu einfachen organischen Synthesen ausnutzen,
indem man die Anlagerungsverbindungen von Isocyanaten mit Mono- oder Polyaminoverbindungen
umsetzt. Eine weitere Anwendungsmöglichkeit besteht darin, daß man die wäßrigen
Lösungen der vorstehend beschriebenen Isocyansäureesteranlagerungsverbindungen,
unter anderem insbesondere der polyfunktionellen Verbindungen, Gelatinelösüngen
einverleibt, wie sie beispielsweise für die Herstellung von photographischen Halogensilberemulsionen
öder von sonstigen beim Aufbau photographischer Schichten verwendeten Gelatineschichten,
z. B. Schutzschichten, Filterschichten, Lichthofschutzschichten, Rückgußschichten,
Barytschichten u. dgl., verwendet werden. In diesem Fall dient der Zusatz der beanspruchten
Körper zur . Erhöhung des Schmelzpunktes, der mechanischen Festigkeit und zur Verringerung
der Quellbarkeit der betreffenden Schicht.
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Gegenüber der bisher für diesen Zweck bevorzugten Formalinhärtung
hat die neue Arbeitsweise
folgende Vorteile: Nichtflüchtigkeit und
daher genaue Dosierbarkeit der angewendeten Körper, keine ungünstige Beeinflussung
der photographischen Eigenschaften der Halogensilber-Gelatine-Emulsion hinsichtlich
Empfindlichkeit, Gradition, Schwärzen und Bildton und keine Nachhärtung beim Lagern.
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In diesem letzteren Punkt verhält sich bekanntlich die Formalinhärtung
besonders ungünstig, da die mit Formalin gehärtete Gelatineschicht erst nach wochenlanger
Lagerung ihren höchsten Schmelzpunkt erreicht. Demgegenüber erreichen die mit den
beanspruchten Körpern gehärteten Gelatineschichten bereits einen Tag nach der Trocknung
das Maximum ihrer Härtung.
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Schließlich sei noch die Nachbehandlung von geformten Materialien
aus Gelatine und Casein, z. B. Caseinkunstfaser, erwähnt, wobei eine Erhöhung
deren Verwendung zum Aufhellen von organischen Materialien in der Patentschrift
7.46 569 beschrieben ist. Beispiel 2 26,5 Teile des.Anlagerungsproduktes
von i-Chlorhexyl-6-isocyanat an Natriumbisulfit werden in 15o Teilen Wasser gelöst.
Man fügt die Lösung von 8,6 Teilen Polyäthylenimin in 5o Teilen Wasser hinzu. Das
zunächst klare Reaktionsgemisch fängt bei gelindem Erwärmen an, sich zu trüben und
scheidet beim Erhitzen auf Siedetemperatur ein zunächst schleimiges, dann langsam
härter werdendes Umsetzungsprodukt aus. Dieses wird isoliert und getrocknet. Man
erhält 22 Teile eines pulverisierbaren, chlorhaltigen, wasserunlöslichen Harzes,
das man beispielweise fein gemahlen als Animalisiermittel zu Viskose- oder Kupferseiden-Spinnansätzen
zufügen kann. Beispiel 3 Man tränkt Baumwoll- oder Zellwollgewebe bei 8o° mit einer
wäßrigen Lösung, die 20 g des Adduktes von Stearylisocyanat an Natriumbisulfit pro
Liter gelöst enthält. Das Gewebe wird, wie üblich, abgequetscht und bei 130' getrocknet.
Man spült anschließend mit warmem Wasser und trocknet abermals. Nach dieser Behandlung
ist das Gewebe etwa in dem Umfang wasserabweisend geworden, wie man es bei Anwendung
von Stearylisocyanat in organischem Lösungsmittel erreicht. Beispielsweise sank
die Wasseraufnahme eines Baumwollgewebes von 116 auf 42'/o (gemessen nach einem
Beregnungsverfahren). der Reißfestigkeit -und eine Verbesserung der Wasserfestigkeit
zu beobachten ist.
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Beispiel i 20,7 Teile diaminostilben-2, 2'-disulfonsaures Natrium
werden unter Zugabe von 5 Teilen Natriumcarbonat in Zoo Teilen Wasser gelöst. Man
trägt bei 3o bis q.0° portionsweise 2q. Teile des Adduktes aus Phenylisocyanat und
Kaliumbisulfit ein. Zunächst löst sich diese Verbindung in dem Reaktionsgemisch
auf; nach einiger Zeit scheidet sich das neue Kondensationsprodukt aus. Nach 12
Stunden wird abgesaugt, der Filterrückstand in heißem Wasser gelöst, von geringen
unlöslichen Bestandteilen befreit und ausgesalzen. Man erhält in guter Ausbeute
die Verbindung der nachstehenden Formel: An Stelle der obengenannten Verbindung
kann auch das Anlagerungsprodukt von Stearylamin an Ammoniumbisulfit verwendet werden.
Beispiel q. Papier wird mit einer Lösung von io Teilen der Anlagerungsverbindung
von -i-Met'hyl-benzol-2, q.-diisocyanat an Kaliumbisulfit in go Teilen Wasser imprägniert
und 3/4 Stunden bei 13o° getrocknet. Während die Trockenreißfestigkeit von q.7o
kg/qcm praktisch unverändert bleibt, steigt die Naßreißfestigkeit durch diese Behandlung
von 17 auf 128 kg/qcm.
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Mit gleichem Erfolg kann auch das Anlagerungsprodukt von i-Isopropylbenzol-2,
q.-diisocyanat an Kaliumbisulfit verwendet werden. Beispiel 5 Wollgarn wird bei
q.0° mit einer ioo/oigen wäßrigen Lösung des Adduktes von Phenylen-1, 3-diisocyanat
an Kaliumbisulfit eingelegt, abgequetscht, an der Luft vorgetrocknet und dann kurze
Zeit im Trockenschrank auf i io' erhitzt und gespült. Das so behandelte Garn wird
dann zusammen mit unbehandelter Wolle mit einem sauren Wollfarbstoff, beispielsweise
Wollechtblau FFG angefärbt. Die behandelte Ware färbt sich schneller und dunkler
an als die unbehandelte. Beispiel 6 Caseinkunstwolle, die mit Formaldehyd vorgehärtet
wurde, wird in die Lösung von 2o Teilen
des Adduktes von r-Methylbenzol-2,
4-diisocyanat an Kaliumbisulfit in 25oTeilen Wasser bei Zimmertemperatur eingelegt,
abgepreßt und bei 8o° im Trockenschrank getrocknet. Nach dem Spülen weist die Faser
verbesserte Trocken- und vor allem verbesserte Naßreißfestigkeiten auf. Beispiel
7 r kg einer photographischen Brom-Jodsilber-Gelatine-Emulsion mit einem Gehalt
von 8% Gelatine und einem pH; Wert von 6,7 wird, kurz bevor sie auf einen der üblichen
Schichtträger, wie Glas, Papier oder Film, gegossen wird, mit 5o ccm einer 3%igen
wäßrigen Lösung der Anlagerungsverbindung von' Benzol-2, 5-dimethyl-r, 4-diisocyanat
an Kaliumbisulfit versetzt. Bereits einen Tag nach ihrer Herstellung zeigt die so
gehärtete photographische Schicht nach der Verarbeitung in den üblichen photographischen
Bädern einen Schmelzpunkt von 6o° in Wasser, während die ungehärtete Schicht unter
den gleichen Bedingungen bereits in Wasser von 30° schmilzt. Beispiel 8 z kg einer
photographischen Chlor-Bromsilber-Emulsion mit einem Gehalt von 8% Gelatine und
einem pH-Wert von 4,8 wird, kurz bevor sie auf barytiertes Rohpapier gegossen wird,
mit 4o ccm einer 7,5%igen wäßrigen Lösung des Anlagerungsproduktes von Benzol-z-methyl-2,
4-diisocyanat an Kaliumbisulfit versetzt. Auf diese Schicht wird eine übliche Schutzschichtlösung
mit einem Gehalt von 2% Gelatine aufgetragen, welche pro Liter 12 ccm einer 7,5%igen
wäßrigen Lösung des gleichen, vorstehend genannten Härtungsmittels enthält. Die
Härtung ist in diesem Fall bereits einen Tag nach der Herstellung so hoch, daß die
Schicht gegen kochendes Wasser beständig ist und sich in den zur Schnelltrocknung
photographischer Papiere angewendeten modernen Trockenapparaturen sowie in den der
Hochglanzerzeugung dienenden Apparaturen bei höherer Temperatur völlig störungsfrei
verarbeiten läßt. Ein vergleichsweise mit Formalin in der Emulsion und Schutzschicht
gehärtetes photographisches Papier erreicht einen derartig hohen Härtungsgrad erst
nach mehrwöchiger Lagerung. Außerdem verlieren die mit dem beanspruchten Körper
gehärteten Chlor-Bromsilber-Papiere nach sehr langer Lagerung den angestrebten warmen
braunschwarzen Bildton nicht, während der Bildton der mit Formalin gehärteten gleichartigen
photographischen Papiere bereits nach wenigen Monaten in sehr unerwünschter Weise
nach kalten, reinschwarzen Tönen hin umschlägt.