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Die
vorliegende Erfindung betrifft die Verwendung von Baclofen zur Behandlung
von Alkoholentzugserscheinungen und zur Unterstützung der Abstinenz von Alkohol.
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TECHNOLOGISCHER
HINTERGRUND
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Alkoholismus
stellt ein ernstzunehmendes medizinisches, soziales und wirtschaftliches
Problem in fast allen menschlichen Gesellschaften der Welt dar.
Alkoholismus wurde bei ungefähr
5% der erwachsenen Bevölkerung
in den westlichen Ländern
diagnostiziert, während
eine größere Anzahl
an Personen als Alkoholiker (d. h. Personen, die Alkohol in einer
Menge trinken, welche gesundheitsschädlich ist) gelten. Medizinische
Eingriffe im Bereich des Alkoholismus sind vorrangig darauf gerichtet,
a) die Alkoholentzugserscheinungen herabzusetzen und b) den Alkoholkonsum
zu hemmen, um so lange wie möglich
eine Nüchternheit
aufrecht zu erhalten. Es ist gewünscht,
dass die Arzneimitteltherapie einen wesentlichen Beitrag zum Erreichen
dieser Ziele bereitstellt, um die psychologische Unterstützung und
soziale Rehabilitation von alkoholabhängigen Patienten zu erleichtern.
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Mehrere
pharmakologisch wirksame Mittel, welche auf Neurotransmittersysteme
einwirken, die durch die Wirkung von Alkohol betroffen sind, wurden
untersucht, wobei unter anderem Naltrexon (Volpicelli et al., 1992,
O'Malley et al.,
1992), Acamprosat (Withworth et al., 1996) und Fluoxetin (Naranjo
et al., 1994) zu nennen sind. Darüber hinaus hat sich herausgestellt,
dass gamma-Hydroxybuttersäure
(GHB), eine Verbindung mit GABA-ähnlichen
Verhaltenseffekten (Colombo et al., 1998), in der Lage ist, die
Alkoholaufnahme in Ratten (Agabio et al., 1998) und Menschen (Gallimberti
et al., 1992) herabzusetzen und eine Alkoholabstinenz bei Alkoholikern
einzuleiten (Addolorato et al., 1996; 1998a; 1998b). Ferner hat
sich herausgestellt, dass sich GHB zur Behandlung von Alkoholentzugserscheinungen
sowohl bei Versuchstieren (Gessa et al., 2000) als auch bei Menschen
(Gallimberti et al., 1989) mit einer ähnlichen Effizienz wie Diazepam
(Addolorato et al., 1999b) eignet. Es wird vermutet, dass die Wirkungen
von GHB auf die Alkoholaufnahme, dem Alkoholverlangen und die Entzugserscheinungen
durch den alkoholnachahmenden Effekt auf die CNS bewirkt werden
(Colombo et al., 1995).
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Baclofen
(β-(4-Chlorphenyl)-γ-aminobuttersäure), ein
lipophiles Derivat von GABA, ist ein wirkungsvoller und stereoselektiver
GABAB-Rezeptoragonist. Derzeit wird es klinisch
zur Behandlung von Spastizität verwendet
(Davidoff, 1985).
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Baclofen
wurde bereits an Versuchstieren getestet, um seine Eignung zur Einleitung
einer selektiven Reduktion der täglichen
Alkoholaufnahme in Long-Evans-Ratten (Daoust et al., 1987) zu bewerten;
andererseits berichteten nachfolgende Studien, dass eine höhere Dosis
an Baclofen die tägliche
Alkoholaufnahme während
der Aufnahmephase (Smith et al., 1992) und der Ruhephase (Smith
et al., 1999) beim Alkoholtrinkverhalten von Long-Evans-Ratten stimuliert;
schließlich
führte
die zentrale Verabreichung von Baclofen nicht zu einer Veränderung
der Alkoholaufnahme in Wistar-Ratten
(Tomkins und Fletcher, 1996). Hinsichtlich von Alkoholentzugserscheinungen
berichten File und Kollegen (1991), dass geringe Dosen von Baclofen
das unruheartige Verhalten und Zittern, welche zusammen mit den
Alkoholentzugserscheinungen bei alkoholabhängigen Raten auftreten, reduzieren;
allerdings wurden in Mäusen
(Humeniuk et al., 1994) und Rhesusaffen (Tarika und Winger, 1980)
keine Wirkungen hinsichtlich des durch Alkoholentzugserscheinungen
bedingten Zitterns nach Verabreichung von Baclofen beobachtet.
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Daher
war die therapeutische Wirkung von Baclofen zur Behandlung von Alkoholismus
auf der Basis der vorgenannten Studien nicht vorhersehbar.
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Beschreibung
der Erfindung
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Aufgrund
verfügbarer
klinischer Hinweise und Ergebnissen, die durch verlässliche
Modellstudien erhalten wurden, wurde festgestellt, dass Baclofen
Erfolg versprechend zur Behandlung von Alkoholismus verwendet werden
kann.
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Die
durch die vorliegende Erfindung erhaltenen Ergebnisse erlauben es,
Unklarheiten und Widersprüche
in den oben dargelegten Ergebnissen zu beseitigen, welche, als ganzes
betrachtet, Baclofen als ungeeignet für die spezifischen Ziele erscheinen
lassen.
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Eine
Baclofen-Aktivität
wurde sowohl in klinischen Studien als auch in Wistar-Ratten, die
vorher physikalisch durch wiederholende Verabreichung von nichttoxischen
Mengen an Alkohol alkoholabhängig
gemacht wurden, nachgewiesen. Ähnliche
Ergebnisse wurden bei Verwendung von der als „Sardinian alcohol-preferring
rats (3P)" bezeichneten
Rattenrasse, die ein prädiktives,
verlässliches
experimentelles Modell darstellt, erhalten.
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Dementsprechend
wird Baclofen an alkoholabhängige
Patienten mit einer täglichen
Dosis von 10 bis 50 mg, vorzugsweise 15 bis 30 mg, unter Verwendung
von konventionellen pharmazeutischen Zusammensetzungen, vorzugsweise
von pharmazeutischen Zusammensetzungen, die zur oralen Verabreichung
geeignet sind, verabreicht.
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Die
Verabreichung des Arzneimittels erfolgt einmal oder mehrfach am
Tag und kann auf mehrere Wochen ausgedehnt werden (z. B. für 3 bis
6 Wochen oder länger),
da Baclofen gut verträglich
ist, nicht toxisch ist und keine Abhängigkeit erzeugt.
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Der
Erfindung wird nun detaillierter in den folgenden Beispielen beschrieben.
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Beispiel 1: Wirkung von
Baclofen auf Alkoholentzugserscheinungen
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Tiere
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Männliche
Wistar-Ratten (Charles River, Calco, Co, Italien) mit einem Gewicht
von 275 bis 300 g wurden verwendet. Nach Erhalt wurden die Ratten
für 7 Tage
ungestört
gehalten, um sich an die neuen Umgebungsbedingungen zu gewöhnen. Die
Tiere wurden zu fünft
in einem Käfig
mit Holzspänen
als Streumaterial unter einem künstlichen
Licht-Dunkel-Zyklus von 12/12 Stunden (Licht an um 7.00 Uhr) bei
einer konstanten Temperatur von 22 ± 2°C und einer relativen Luftfeuchtigkeit
von 60% gehalten. Die Ratten hatten freien Zugang zu Wasser und
Standardlabornahrung (MIL Morini, San Palo d'Enze, RE, Italien) während der gesamten Versuchsdauer.
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Vorgehensweise
zur Rauscherzeugung
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Die
Ratten wurden mittels der Methode von Majchrowitz (1975) körperlich
alkoholabhängig
gemacht. Diese Methode besteht aus vier täglichen Verabreichungen einer
Alkohollösung
(20% w/v in Leitungswasser) durch eine Magensonde für 6 aufeinander
folgende Tage, um eine konstante Blutalkoholkonzentration zu erreichen.
Alkohol wurde um 6.00, 12.00, 18.00 und 24.00 Uhr verabreicht. Bei
der ersten Behandlungsverabreichung wurden allen Ratten 4 g/kg Alkohol
zugeführt.
Die Bemessung der weiteren Dosen erfolgte für jede Ratte individuell bei
den obigen Verabreichungszeiten auf der Basis des beobachten Grades
an Berauschung durch das von Majchrowitz bestimmten Verhältnis von
Berauschung und Dosis. Sechs nacheinander folgende Berauschungsstufen
wurden definiert: neutral, Beruhigung, Koordinationsstörung (Ataxie)
1, 2 und 3, Verlust an Gleichgewichtsreflex. Alkoholdosen von 0
bis 5 g/kg wurden umgekehrt mit dem Grad der Berauschung in Relation
gesetzt. Die Bemessung des Gra des der Berauschung und der Alkoholdosis
wurde durch zur Beurteilung dieser Bewertungskriterien geübte Personen
durchgeführt.
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Die
Ratten wurden einmal am Tag (9.00 Uhr) gewogen. Während der
chronischen Alkoholbehandlung verblieben die Ratten die meiste Zeit
in einem starken Zustand der Berauschung und waren nicht in der
Lage, selbst zu essen. Daher wurde der Verlust an Körpergewicht
teilweise durch die tägliche
orale Verabreichung (um 9.00 Uhr) von 20 g/kg flüssiger Krankenkost (Isomil,
M & R, Zwolle,
Niederlande) ausgeglichen.
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Beurteilung
des Alkoholentzugs
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Die
Intensität
der Alkoholentzugserscheinungen wurde bei jeder Ratte durch Bewertung
von a) spontanem Verhalten in ihrem eigenen Käfig für 10 Sekunden und dann b) ihrem
Verhalten gegenüber
der Handhabung bewertet. Elf separate Punkte wurden unter Verwendung
einer 4-Punkte-Skala (0 bis 3, parallel zur Erhöhung der Häufigkeit und dem Grad der Gewichtung
der Punkte), die ausgehend von der von Lal et al. (1988) beschriebenen
Skala modifiziert wurde. Die folgenden Punkten wurden bewertet:
allgemeine Betätigung,
Schütteln,
Reflexe, allgemeines Zittern, Kopfzittern, Schwanzzittern, Festigkeit
des Muskeltonus, Festigkeit des Schwanzes, versteifte Haltung, Stimmgebung
und spontane Verkrampfung. Die Summe der 11 Werte war die Gesamtpunktzahl
für jede
Ratte bei jeder Beobachtung. 8 bis 9 Punkte entsprachen einem neutralen Zustand
von gesunden und arzneimittelfreien Ratten. Die Beobachtung und
Bewertung wurde auf der Basis von Blindversuchen durchgeführt. Zwischen
den Beobachtungen wurden die Ratten ungestört in ihren Käfigen belassen.
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Versuchsplan
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Die
Beobachtungen und Bewertungen wurden 11 Stunden lang für jede Stunde,
beginnend um 15.00 Uhr nach der letzten Alkoholgabe, durchgeführt. Vor
der Beobachtung und Bewertung wurden die Ratten wahllos 4 Gruppen
zugewiesen mit jeweils n = 8 Mitgliedern. Tiere, die vor der Arzneimittelverabreichung
krampften, wurden von der Studie ausgeschlossen. Baclofen [(+)-Baclofen;
Sigma Chemical Co., St. Louis, MO, USA] wurde in einer Salzlösung (unter
Zugabe einiger Tropfen einer 0.1 N HCl-Lösung)
gelöst
und mit einer Dosis von 0, 10, 20 und 40 mg/kg (Injektionsvolumen:
10 ml/kg) unmittelbar nach dem Beobachtungszeitraum von 15 Stunden
injiziert (ip).
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Zwei
unterschiedliche Gruppen von Ratten erhielten 16 Stunden nach der
letzten wie oben beschrieben gelösten
und injizierten Alkoholgabe 0 (n = 8) und 20 (n = 9) mg/kg Baclofen.
Eine Stunde später
wurden diese Ratten auf Anfälligkeit
gegenüber
audio gener Epilepsie dadurch untersucht, dass die Ratten in eine
zylindrische Box mit einem Durchmesser von 60 cm gegeben und dem
Schütteln
eines Schlüssels
für dreißig Sekunden
ausgesetzt wurden.
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Statistische
Auswertung
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Die
statische Bewertung der täglichen
Menge an verabreichtem Alkohol und dem Verlust an Körpergewicht
der Ratten wurde in jeder Rattengruppe durch Einweg-(one-way)-ANOVA in der
Studie zur Überprüfung der
Wirkung von Baclofen auf die Intensität von Alkoholentzugserscheinungsmerkmalen
und durch Anwendung des Mann-Whitney-Tests
in der Studie zur Überprüfung der
Wirkung von Baclofen auf die Anfälligkeit gegenüber audiogener
Epilepsie durchgeführt.
Daten betreffend die Wirkungen von Baclofen auf die Intensität von Alkoholentzugserscheinungsmerkmalen
wurden durch eine Zweiweg-(two-way)-ANOVA (Baclofen × Zeitintervall)
mit wiederholten Messungen in Zeitintervallen, gefolgt von dem Newman-Keuls-Test
zur Bestimmung von Gruppenunterschieden ausgewertet. Das Auftreten
von audiogener Epilepsie wurde durch den Fisher-Exakttest (Fisher's exact test) mit
einer 2 × 2-Tabelle
[Behandlung (Transportmittel, Baclofen) × Epilepsie (vorhanden, nicht
vorhanden)] bewertet.
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Ergebnisse
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Die
zu unterschiedlichen experimentellen Gruppen zugeordneten Ratten
unterschieden sich nicht in der täglichen Alkoholaufnahme und
dem Gewichtsverlust während
der Alkoholbehandlung. Die mittlere tägliche Dosis an verabreichten
Alkohol betrug 9.7 ± 0.3,
9.9 ± 0.3,
9.9 ± 0.4
und 10.1 ± 0.4
g/kg [Mittel + S.E.M.; F (3; 188) = 0.2858, P > 0.05] in der Rattengruppe, die 0, 10,
20 und 40 mg/kg Baclofen erhielt, bezüglich der Studie zur Untersuchung
der Wirkung von Baclofen auf die Intensität von Alkoholentzugserscheinungen
und 10.0 ± 0.3
und 9.9 ± 0.3
g/kg [Mittel + S.E.M., P > 0.05
(Mann-Whitney-Test)] in der Rattengruppe, welche 0 und 20 mg/kg
Baclofen erhielt, bezüglich
der Studie zur Untersuchung der Wirkung von Baclofen auf die Anfälligkeit
gegenüber
audiogener Epilepsie. Der Durchschnittsprozentsatz an Gewichtsverlust
betrug 20 ± 1.6, 19.0 ± 0.7,
20.4 ± 1.7
und 18.8 ± 1.1
[Mittel ± S.E.M.;
F (3; 28) = 0.4376, P > 0.05]
in der 0, 10, 20 und 40 mg/kg Baclofen erhaltenden Rattengruppe
bezüglich
der Studie zur Untersuchung der Wirkung von Baclofen auf die Intensität von Alkoholentzugserscheinungen
und 20.0 ± 1.2
und 19.5 ± 1.3
[Mittel ± S.E.M.;
P > 0.05 (Mann-Whitney-Test)]
in der 0 und 20 mg/kg Baclofen erhaltenden Rattengruppe bezüglich der
Studie zur Untersuchung der Wirkung von Baclofen auf die Anfälligkeit
gegenüber
audiogener Epilepsie.
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Die
Verabreichung von Baclofen führte
zu einer Dosis abhängigen,
signifikanten Reduktion der Intensität von Alkoholentzugserscheinungen
in alkoholabhängigen
Ratten [FDosis (4; 350) = 8.04, P < 0.0005] (1).
Der post-hoc-Test verdeutlichte, dass die Reduktion der Alkoholentzugserscheinungen
für 2,
6 und 7 Stunden nach Arzneimittelverabreichung in der mit 10, 20
bzw. 40 mg/kg Baclofen behandelten Rattengruppe andauerte. Die höchste getestete
Dosis (40 mg/kg) führte
zu einem erheblichen Grad an Muskelrelaxation und Beruhigung, wie
anhand dem unter den für
gesunde und unbehandelte Ratten fallenden Punktewert verdeutlicht
wurde. Im Gegensatz dazu wurden bei einer Dosis von 20 mg/kg Baclofen
keine schwere Muskelschwäche
und kein Verlust an Wachsamkeit beobachtet und die Bewertung des
Entzugs entsprach für
vier bis fünf
Stunden dem neutralen Zustand.
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Eine
Dosis von 20 mg/kg Baclofen (P < 0.05;
Fisher-Exakttest) schützte
Ratten signifikant gegenüber audiogener
Epilepsie. Tatsächlich
erlitten 8 von 8 Ratten in der mit dem Trägermittel behandelten Gruppe
und 5 von 9 Ratten in der mit Baclofen behandelten Gruppe Epilepsie
nachdem diese dem Schütteln
eines Schlüssels
ausgesetzt wurden.
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Beispiel 2: Wirkung von
Baclofen auf freiwillige Alkoholaufnahme
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Tiere
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Männliche
sP-Ratten aus der 42. Generation und ungefähr 6 Monate alt wurden verwendet.
Das Körpergewicht
der Ratten schwankte zwischen 450 und 600 g. Die Ratten wurden einzeln
in Standardkäfigen
aus Plastik mit Holzspänen
als Streumaterial gehalten. Die Tiereinrichtung wurde unter einem
umgekehrten künstlichen
12/12 Stunden Licht-Dunkel-Zyklus (Licht an um 21.00 Uhr) bei einer
konstanten Temperatur von 22 ± 2°C und einer
relativen Feuchtigkeit von 60% gehalten. Nahrungsmittelgranulat
(MIL, Morini, San Palo d'Enza, RE,
Italien) war immer verfügbar.
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Ablauf der
Alkoholaufnahme
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Alkohol
(10% v/v in Leitungswasser) und Leitungswasser wurden unter freier
Auswahl in zwei Flaschen mit unbegrenztem Zugang für 24 Stunden/Tag
angeboten. Die Flaschen wurden jeden Tag mit frischer Lösung aufgefüllt und
deren Position auf Zufallsbasis ausgetauscht, um die Entwicklung
einer bevorzugten Position zu vermeiden. Alkohol- und Wasseraufnahme
wurden täglich
kurz vor dem Ausschalten des Lichts aufgezeichnet. Alle in der vorliegenden
Studie verwendeten Ratten erfüllten
die Auswahlkriterien, die in diesem Labor angewendet wurden, um
die Ratten als sP-Ratten zu qualifizieren (Colombo, 1997). Die Ratten
wurden an den Umgang, an die Injektion (ip) und das wiederholte
Entfernen der Flaschen gewöhnt.
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Die
Ratten wurden in vier Gruppen (n = 7) aufgeteilt, welche für die Aufnahme
von Alkohol und Wasser über
die drei Tage vor der Arzneimittelbehandlung abgestimmt wurden.
Baclofen [(±)-Baclofen;
Sigma Chemical Co., St. Louis, MO, USA] wurde in 4 ml/kg Salzlösung gelöst und mit
einer Dosis von 0, 2.5, 5 und 10 mg/kg einmal am Tag (20 bis 30
Minuten vor dem Ausschalten des Lichts) für 14 nacheinander folgende
Tage injiziert (ip). Die Alkohol-, Wasser- und Nahrungsaufnahme
wurde zwischen 8.00 und 9.00 Uhr täglich aufgezeichnet.
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Datenauswertung
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Daten
hinsichtlich der Baclofen-Wirkung auf die Alkoholaufnahme (ausgedrückt in g/kg),
Wasseraufnahme (ml/kg), Gesamtflüssigkeitsaufnahme
(ml/kg), Nahrungsmittelaufnahme (g/kg) und dem Vorzugsverhältnis (Prozentsatz
der konsumierten Alkohollösung über die
Gesamtflüssigkeitsaufnahme)
wurden durch Zweiweg-(two-way-)-ANOVA
(Baclofen-Dosis × Behandlungstage)
mit wiederholten Messungen an „Behandlungstagen" ausgewertet. Falls
geeignet, schloss sich an die ANOVA der Newman-Keuls-Test für post-hoc-Vergleiche
an.
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Ergebnisse:
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Die
wiederholte tägliche
Verabreichung von Baclofen führte
zu einer dosisabhängigen
Reduktion der freiwilligen Alkoholaufnahme in sP-Ratten [FDosis (3; 312) = 6.20, P < 0.005] (2, Bild
A). Das Ausmaß der Reduktion
erreichte ungefähr
10, 20 und 30% im Vergleich zu mit Salzlösung behandelten Ratten und
berechnet über
den gesamten Behandlungszeitraum in den mit 2.5, 5 und 10 mg/kg
Baclofen behandelten Ratten. Der dosisabhängige signifikante Anstieg
an Wasseraufnahme bei der mit Baclofen behandelten Rattengruppen
[FDosis (3; 312) = 5.12, P < 0.01] (2,
Bild B) glich die Reduktion des Alkoholkonsums aus und führte zu
einer fast unveränderten
Gesamtflüssigkeitsaufnahme
[FDosis (3; 312) = 1.30, P > 0.05] (2,
Bild C). Das bevorzugte Verhältnis
zwischen konsumierter Alkohollösung
und konsumiertem Wasser in der mit Baclofen behandelten Gruppen
verdeutlichte die beobachteten Veränderungen im Alkohol- und Wasserkonsum
[FDosis (3; 312) = 6.13, P < 0.005] (Daten nicht
dargestellt). Schließlich
verdeutlichte die ANOVA einen signifikanten Effekt von Baclofen
auch auf die Nahrungsaufnahme [FDosis (3;
312) = 4.91, P < 0.01];
allerdings war die reduzierende Wirkung von Baclofen auf die höchste getestete
Dosis und die Hälfte
der Behandlungsperiode beschränkt,
wie in 2, Bild D gezeigt. Wenn die Verabrei chung von
Baclofen unterbrochen wurde, erreichten die Alkohol- und die Wasseraufnahme
sofort wieder die Kontrollwerte (2).
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Beispiel 3: Klinische
Versuche
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Eine
Gesamtzahl von 10 männlichen
Patienten mit mittlerem Alter von 44.0 ± 10.1 Jahren mit bestehender
Alkoholsucht gemäß dem Kriterium
DSM IV der Amerikanischen Psychiatrischen Gesellschaft (American
Psychiatric Association (1944)) wurden untersucht. Baclofen wurde
4 Wochen oral mit einer Dosis von 15 mg/Tag, aufgeteilt auf dreimal
pro Tag für
die ersten drei Tage, mit einem Erhöhen der Dosis auf 30 mg/Tag, aufgeteilt
auf dreimal pro Tag für
die verbleibenden 27 Tage, verabreicht.
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Die
Wirkungen der Behandlung wurden mittels der Alcohol Carving Scale
(ACS) zu Beginn der Untersuchung (T0) und anschließend wöchentlich
bis zum Ende der Behandlung bewertet (T1–T4). ACS ist ein Fragenkatalog
mit 11 Punkten, wobei jede Frage mit ja oder nein zu beantworten
ist, was 0 oder 1 Punkt entspricht, und 3 Multiple-Choice-Fragen,
bei denen 1 Punkt für
eine bejahende Antwort vergeben wird; die maximale Carving-Punktzahl
war demgemäß 14 (Gallimberti
et al., 1992; Addoloranto et al., 1998b). Ferner wurde die Abstinenz
von Alkohol auf der Basis der Eigeneinschätzung des Patienten und auf
der Basis von Fragen an Familienmitglieder und durch Bestimmung
der Blutalkoholkonzentration und von Alkohol im Speichel durch QED (Enzymatics
Inc., Horsham, UK) bei jeder ambulanten Kontrolle und auf der Basis
der wesentlichen biologischen Markern des Alkoholmissbrauchs (Aspartataminotransferase
AST, Alanintransferase ALT, gamma-Glutamyltranspeptidase GGT, mittleres
Zeltvolumen MCV), welche zu Beginn und am Ende der Studie bestimmt wurden,
bewertet. Schließlich
wurde die Alkoholaufnahme eigenständig als Mittelwert für über den
Tag konsumierte Standardgetränke
(ein Standardgetränk
= 12 g absoluten Alkohol) aufgezeichnet (Secretary of Health and
Human Services, 1997).
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Ergebnisse:
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Von
den zehn rekrutierten Individuen fiel eines aus und wurde daher
von der statistischen Auswertung ausgeschlossen. Von den neun, welche
die Studie abschlossen, tranken zwei weiter, obwohl sie ihre täglichen Alkoholgetränke von
der ersten Woche der Behandlung erheblich reduzierten (so reduzierte
sich ihr Mittelwert an täglichen
alkoholischen Getränken
von 8, wie beim Start der Behandlung aufgezeichnet, auf 2 und blieb dann
während
der gesamten Studienzeit konstant). Bemerkenswert ist, dass die
anderen sieben Probanden eine vollständige Abstinenz während der
Studienzeit erreichten und auch aufrecht hielten.
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Es
wurde herausgefunden, dass Baclofen zur Reduktion des Alkoholverlangens
von der ersten Woche der Verabreichung des Arzneimittels [ACS Mittelwert
und -bereich: T0: 9 [3–14]
gegenüber
T1: 3 [0–8];
p < 0.01] wirksam
ist; im Anschluss war der ACS Mittelwert stabil zu den unterschiedlichen
Beobachtungszeitpunkten (Tabelle).
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Einen
bemerkenswerten Unterschied im ACS-Mittelpunktewert wurde zwischen
abstinenten Patienten und Probanden, die weiter tranken, zu keinem
Zeitpunkt gefunden (Tabelle).
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Die
wichtigste Feststellung, welche von Patienten berichtet wurde, war
das Verschwinden von zwanghaftem Nachdenken über Alkohol nach einigen Tagen
der Verabreichung von Baclofen. Zwanghaftes Nachdenken entspricht
einem Seelenzustand, in dem alkoholabhängige Patienten, insbesondere
in dem ersten Stadium der Behandlung, einen konstanten inneren Dialog
führen,
ob Alkohol getrunken werden soll oder nicht. Einer der Patienten
hatte Erfahrungen mit GHB induziertem Antiverlangen vor einigen
Jahren, berichtete aber über
keinen Unterschied in seinem inneren Verlangen nach Alkohol in der
GHB-Therapie.
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In
einem Vergleich von Labordaten, welche vor und nach der Verabreichung
von Baclofen erhalten wurden, wurde eine signifikante Abnahme von
GGT-Werten (T0: 71.7 ± 44.2
U/l gegenüber
T4: 31.2 ± 18.0
U/l, p < 0.01),
AST-Werten (T0: 54.7 ± 13.4
U/l gegenüber
23.5 ± 10.0
U/l, p < 0.01),
ALT-Werten (T0: 55.1 ± 17.4 U/l
gegenüber
T4: 21.7 ± 10.2
U/l, p < 0.01)
und MCV-Werten (T0: 96.3 ± 3.4 μμ2 gegenüber T4:
93.6 ± 2.4 μμ2,
p < 0.01) gefunden.
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Hinsichtlich
von Nebenwirkungen wurden keine erheblichen systemischen oder einzelnorganischen Vorkommnisse
berichtet, die zu einem Ende der Arzneimittelnahme führten und
kein Patient unterbrach die Verabreichung des Arzneimittels. Bei
einem Patienten wurde die tägliche
Dosis an Arzneimittel auf 15 mg pro Tag ausgehend von der zweiten
Woche aufgrund von Kopfschmerzen, Konzentrationsstörungen,
Appetitlosigkeit und Beruhigung reduziert. Die Verträglichkeit
war bei allen Patienten gegeben. Kein Patient berichtete über euphorische
oder andere angenehme Wirkungen, die durch das Arzneimittel hervorgerufen
worden wären. Kein
Proband zeigte ein Verlangen nach dem Arzneimittel; bei unterbrochener
Verabreichung des Arzneimittels wurden keine Entzugserscheinungen
hinsichtlich des Arzneimittels oder Nebenwirkungen aufgrund des Absetzens
des Arzneimittels festgestellt. Tabelle
- GruppeA:
- abstinente Probanden
während
der Studienphase; Probanden 1 und 2: keine abstinenten Probanden
während
der Studienphase; * p < 0.01
gegenüber
T0.
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