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Modeffwerkstoff für das Präzisionsgießverfahren Zur Herstellung komplizierter
und genauer Gußstücke erweist sich das Präzisionsgießverfahren besonders geeignet.
Dieses zeichnet sich dadurch aus, daß ein Modell des herzustellenden Gußstückes
gebildet, dann mit Hilfe des Modells die Gußform hergestellt und hierauf das Modell
durch Ausschmelzen, Verbrennen oder Herauslösen aus der Gießform entfernt wird,
worauf nach einer allfälligen Trocknungs- oder Brennbehandlung die Gießform zum
Gießen bereit ist. In der Regel werden die Modelle aus Wachs gebildet und durch
Wärmeeinwirkung aus der gebildeten Gießform ausgeschmolzen. Allfällige Rückstände
werden bei einer nachfolgenden Brennbehandlung verbrannt. Es ist auch bekannt, Wachsmodelle
mit Hilfe eines Lösungsmittels aus der Gießform herauszulösen.
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Neben dem Vorteil leichter Bildsamkeit besitzt Wachs als Modellwerkstoff
doch ganz bestimmte Nachteile. So weisen Wachse ein amorphes Gefüge auf und sind
selbst bei Raumtemperatur wenig standfest. Insbesondere in den warmen Jahreszeiten
erfolgt eine Deformation durch Kriechen des Modellwerkstoffes, ferner auch während
der Abkühlung des Wachses in der zur Modellbildung dienenden Form sowie während
des Erkaltens nach dem Herausnehmen aus dieser Form. Hinzu kommt, daß innere Spannungen
im Wachs bei Erwärmen der Gießform zum Herausschmelzen des Wachses ebenfalls Modelldeformationen
verursachen, welche zu Rissen in der das Modell umschließenden Formschicht führen.
Eine solche Rißbildung wird vielfach auch verursacht durch die verhältnismäßig große
Ausdehnung der Modellmasse beim Erhitzen der Gießform. Ein wesentlicher Nachteil
ist ferner der hohe Preis der in Frage kommenden Wachse, die im Hinblick auf eine
möglichst kleine Wärmeausdehnungszahl in der Regel aus einer Mischung einer größeren
Zahl verschiedener geeigneter Wachssorten bestehen.
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Gegenüber Wachs zeichnet sich Harnstoff als Modellwerkstoff durch
eine Reihe von Vorteilen aus. Einerseits beträgt sein Preis nur etwa den sechsten
Teil desjenigen von Modellwachs. Andererseits besitzt Harnstoff in festem Zustand
eine kristalline Struktur und zeichnet sich deshalb durch sehr gute Standfestigkeit
auch bei höheren Temperaturen aus. Harnstoff schmilzt ferner bei 132'C, was die
Bildung der Modelle in üblichen Spritzmaschinen unter Verwendung niedriger Arbeitsdrücke
ermöglicht. Zu diesen Eigenschaften kommt hinzu, daß Harnstoff wasserlöslich ist.
Mithin erscheint es möglich, die Modelle anstatt durch Wärmeeinwirkung mit Hilfe
eines Lösungsmittels aus der Gießform zu entfernen, wobei Wasser im Vergleich zu
dem bei Wachsen üblichen Trichloräthylen ein denkbar billiges Lösungsmittel darstellt.
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Es ist bereits bekannt, zur Bildung von Hohlräumen in Wachsmodellen
für das Präzisionsgießverfahren Harnstoffkerne zu verwenden. Zu diesem Zweck wird
ein Harnstoffkern in die zur Bildung des Wachsmodells dienende Form eingelegt und
der Hohlraum zwischen Kern und Forminnenwänden auf bekannte Weise mit Wachs ausgefüllt.
Der Harnstoff wird hierauf mit Wasser aus dem Wachsmodell herausgelöst und hierauf
auf übliche Weise die Gießform gebildet und das Wachsmodell ausgeschmolzen.
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Es zeigt sich aber, daß trotz der Löslichkeit von Harnstoff in Wasser
Gießereimodelle aus diesem Werkstoff, insbesondere bei komplizierter Gestalt, sich
schwer aus dem Formhohlraum herauslösen lassen. An der Oberfläche wird wohl das
Modell durch das Wasser aufgelöst. Hingegen bildet sich eine schmierige Deckschicht,
die den Durchtritt von Wasser zu tiefer gelegenen Modellpartien verhindert, so daß
der Lösungsprozeß äußerst langsam abläuft. Auch kann es vorkommen, daß kleine Modellteile
sich überhaupt nicht herauslösen lassen.
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Die Erfindung ermöglicht, die geschilderten Nachteile weitgehend auszuschalten.
Sie ist dadurch gekennzeichnet, daß der Modellwerkstoff aus Harnstoff und einer
Beimischung von Calciumcarbonat besteht. Ein solcher Modellwerkstoff ist in einer
wäßrigen Säure lösbar. Die Erfindung beruht auf der Wirkung, daß die im Lösungsmittel
enthaltene Säure mit dem Calciumcarbonat unter Entwicklung von CO, beispielsweise
bei
der Verwendung von mit Wasser verdünnter Salzsäure nach folgender Formel reagiert:
CaCO, + 2 HCI --> CaC1, + CO2 + H20 Die geschilderte
Gasentwicklung bewirkt nun ein Aufsprengen der mit dem Lösungsmittel in Berührung
kommenden Modelloberfläche, so daß stetig in Lösung begriffene Harnstoffteilchen
weggeschleudert werden und so den Zutritt von Lösungsmittel zu tiefer gelegenen
Modellteilchen ermöglichen. Auf diese Weise können selbst größere Modelle in kurzer
Zeit aus dem um das Modell gebildeten Formkörper herausgelöst werden. Wesentlich
ist, daß im Gegensatz zum Herausschmelzen von Wachs keine Wärmeeinwirkung nötig
ist, so daß ein Beschädigen der das Modell umschließenden Formkörperschicht durch
die stärkere Wärmedehnung des Modells ausgeschlossen ist.
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In gewissen Fällen macht sich die Sprödigkeit von Harnstoffmodellen
nachteilig bemerkbar. Diese Erscheinung kann durch Beimischung von Polyvinylalkohol
- zweckmäßig in einer Menge bis zu 10 0/0 -
zum Harnstoff vor
dessen Formung zum Modell ausgeschaltet werden. Auch kann zweckmäßig dem Harnstoff
vor seiner Formung zum Modell brennbares Fasermaterial zugegeben werden, das nach
Herauslösen des Harnstoffes aus dem Formkörper bei einer anschließenden Brennbehandlung
des Formkörpers verbrennt.
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Zur Erläuterung der Erfindung werden nachstehende Beispiele angegeben:
Beispiel 1
Auf einer Spritzgießmaschine üblicher Ausführung wird über seinen
Schmelzpunkt erhitzter Harnstoff, dem etwa 3 Gewichtsprozent Calciumkarbonat
beigemischt wurden, mit Hilfe einer Metallkokille zu einem Modell des herzustellenden
Gußstückes - z. B. eine Turbinenschaufel - geformt. Nach der Verfestigung
des Harnstoffes wird das so erhaltene Modell aus der Kokille herausgenommen. Zur
Bildung des Formkörpers wird eine durch Mischen einer Lösung aus 2 1
Äthylsilikat,
21 Alkohol, 0,25 1 Wasser und 5 cm3 Salzsäure mit 18 kg Zirkonsand
hergestellte Formmasse benutzt. Das Harnstoffmodell wird mehrere Male in diese Formmasse
eingetaucht, wobei sich um das Modell ein schalenkörperartiger Überzug von beispielsweise
3 bis 4 mm Dicke bildet. Der so erhaltene Formkörper wird mehrere Stunden
an der Luft trocknen gelassen und hierauf zusammen mit dem den Formhohlraum ausfüllenden
Harnstoffmodell in ein Lösungsmittelbad verbracht. Das Lösungsmittel ist Wasser,
dem 5 Gewichtsprozent Salzsäure zugegeben wurden.
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Nach abgeschlossenem Herauslösen können die Formkörper aus dem Lösungsmittelbad
herausgenommen und einige Stunden an der Luft getrocknet werden, um hierauf in einem
Ofen, z. B. während 6 Stunden bei einer Temperatur von 500'C, gebrannt
zu werden. Unmittelbar nach dem Herausnehmen aus dem Brennofen wird flüssiges Metall
in die erhaltene Gießform eingegossen. Die Gußstücke zeichnen sich durch sehr gute
Maßhaltigkeit und Oberflächengüte aus. Beispiel 2 Dem zur Herstellung des Modells
dienenden Harnstoff werden Zellulosefasern mit einer Faserlänge von etwa 2 bis
3 mm in einer Menge von 0,5 Gewichtsprozent beigegeben und aus diesem
Gemisch das Modell geformt. Im übrigen entspricht die Bildung des Formkörpers und
das Herauslösen des Modells dem für Beispiel 1 angegebenen Vorgehen, außer
daß an Stelle von Salzsäure mit Wasser verdünnte Schwefelsäure benutzt wurde. Beim
Brennen des Formkörpers verbrennen die im Formhohlraum nach dem Herauslösen des
Modells zurückgebliebenen Fasern. Die Faserzugabe erfolgt zu dem Zweck, ein Abbrechen
scharfer Kanten mit Hilfe des als Armierung wirkenden Fasergehaltes zu verhindern.
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Bei spiel 3
Dem zur Bildung des Modells dienenden Harnstoff
wird vor der Modellherstellung Polyvinylalkohol in einer Menge bis zu
10 Gewichtsprozent beigemischt -
vorzugsweise in einer Menge zwischen
2 und 5 Gewichtsprozent. Das weitere Vorgehen zur Bildung des Formkörpers
entspricht dem im Beispiel 1 angegebenen Verfahren. Der in der Modellmasse
enthaltene Polyvinylalkohol setzt die Modellsprödigkeit herunter und verhindert
ebenfalls das Abbröckeln scharfer Kanten.
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Die Erfindung ist nicht auf die geschilderten Ausführungsbeispiele
beschränkt. Vielmehr könnte das Lösungsmittel auch in Dampfform zur Einwirkung auf
das im wesentlichen aus Harnstoff bestehende Modell gebracht werden. Ferner wäre
es auch möglich, zur Bildung des Formkörpers andere als die angegebenen Formmassen
zu benutzen. Zum Herauslösen des Modells kann als Lösungsmittel praktisch jede wäßrige
Säure benutzt werden, so z. B. auch mit Wasser verdünnte Schwefelsäure oder Phosphorsäure.