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Einst haben Grafiken den Text illustriert, heute erarbeitet zuerst der Grafiker ein Layout und sucht dann einen Texter, der die vorgesehenen Zeilen mit "Content" befüllt. Die Jahrzehnte der Entwicklung dieser Verschiebung beleuchtete dieser Vortrag auf der Typo Berlin 2011 zum Tagungsthema "Shift" unter dem Titel "Hitparade der Makro-Shifts".
Die Forderung, dass Auschwitz nicht noch einmal sei, ist die allererste an Erzie-hung. Sie geht so sehr jeglicher anderen voran, dass ich weder glaube, sie begrün-den zu müssen noch zu sollen. Ich kann nicht verstehen, dass man mit ihr bis heu-te so wenig sich abgegeben hat. Sie zu begründen hätte etwas Ungeheuerliches angesichts des Ungeheuerlichen, das sich zutrug. Dass man aber die Forderung, und was sie an Fragen aufwirft, so wenig sich bewusst macht, zeigt, dass das Ungeheuerliche nicht in die Menschen eingedrungen ist, Symptom dessen, dass die Möglichkeit der Wiederholung, was den Bewusstseins-und Unbewusstseinsstand der Menschen anlangt, fortbesteht. Jede Debatte über Erziehungsideale ist nichtig und gleichgül-tig diesem einen gegenüber, dass Auschwitz nicht sich wiederhole. Es war die Barbarei, gegen die alle Erziehung geht. Man spricht vom drohenden Rückfall in die Barbarei. Aber er droht nicht, Auschwitz war er; Barbarei besteht fort, solange die Bedin-gungen, die jenen Rückfall zeitigten, wesentlich fortdauern. Das ist das ganze Grauen. Der gesellschaftliche Druck lastet weiter, trotz aller Unsichtbarkeit der Not heute. Er treibt die Menschen zu dem Unsäglichen, das in Auschwitz nach weltgeschichtlichem Maß kulminierte. Unter den Einsichten von Freud, die wahrhaft auch in Kultur und Soziologie hineinreichen, scheint mir eine der tiefsten die, dass die Zivilisation ihrerseits das Antizivilisatorische her-vorbringt und es zunehmend verstärkt. Seine Schriften "Das Unbehagen in der Kultur" und "Massenpsychologie und Ich-Analyse" verdienten die allerweiteste Verbreitung gerade im Zusammenhang mit Auschwitz. Wenn im Zivilisationsprinzip selbst die Barbarei angelegt ist, dann hat es etwas Desperates, dagegen aufzubegehren. Die Besinnung darauf, wie die Wiederkehr von Auschwitz zu verhindern sei, wird verdüstert davon, dass man dieses Desperaten sich bewusst sein muss, wenn man nicht der idealisti-schen Phrase verfallen will. Trotzdem ist es zu versuchen, auch angesichts dessen, dass die Grundstruktur der Gesellschaft und damit ihre Angehörigen, die es dahin gebracht haben, heute die gleichen sind wie vor 25 Jahren. Millionen schuldloser Menschen-die Zahlen zu nennen oder gar darüber zu feilschen, ist bereits menschenunwürdig-wurden planvoll er-mordet. Das ist von keinem Lebendigen als Oberflächenphänomen, als Abirrung vom Lauf der Geschichte abzutun, die gegenüber der großen Tendenz des Fortschritts, der Aufklärung, der vermeintlich zunehmenden Humanität nicht in Betracht käme. Dass es sich ereignete, ist selbst Ausdruck einer überaus mächtigen gesellschaftlichen Tendenz. Ich möchte dabei auf eine Tatsache hinweisen, die sehr charakteristisch in Deutschland kaum bekannt zu sein scheint, obwohl ein Bestseller wie "Die 40 Tage des Musa Dagh" von Werfel seinen Stoff daraus zog. Schon im ersten Weltkrieg haben die Türken-die so genannte Jungtürkische Bewegung unter der Führung von Enver Pascha und Talaat Pascha-weit über eine Million Armenier ermorden lassen. Höchste deutsche militärische und auch Regierungsstellen haben offensichtlich davon gewusst, aber es strikt geheim gehalten. Der Völkermord hat seine Wurzel in jener Resurrektion des angriffslustigen Nationalismus, die seit dem Ende des 19.Jahrhunderts in vielen Ländern sich zutrug. Man wird weiter die Erwägung nicht von sich abweisen können, dass die Erfindung der A-tombombe, die buchstäblich mit einem Schlag Hunderttausende auslöschen kann, in densel-ben geschichtlichen Zusammenhang hineingehört wie der Völkermord. Die sprunghafte Be-völkerungszunahme heute nennt man gern Bevölkerungsexplosion: es sieht so aus, als ob die historische Fatalität für die Bevölkerungsexplosion auch Gegenexplosionen, die Tötung ganzer Bevölkerungen, bereit hätte. Das nur, um anzudeuten, wie sehr die Kräfte, gegen die man angehen muss, solche des Zuges der Weltgeschichte sind. Da die Möglichkeit, die objektiven, nämlich gesellschaftlichen und politischen Voraussetzun-gen, die solche Ereignisse ausbrüten, zu verändern, heute aufs äußerste beschränkt ist, sind Versuche, der Wiederholung entgegenzuarbeiten, notwendig auf die subjektive Seite abge-drängt. Damit meine ich wesentlich auch die Psychologie des Menschen, die so etwas tut. Ich glaube nicht, dass es viel hülfe, an ewige Werte zu appellieren, über die gerade jene, die für solche Untaten anfällig sind, nur die Achseln zucken würden; glaube auch nicht, Aufklärung darüber, welche positiven Qualitäten die verfolgten Minderheiten besitzen, könnte viel nut-zen. Die Wurzeln sind in den Verfolgern zu suchen, nicht in den Opfern, die man unter den armseligsten Vorwänden hat ermorden lassen. Nötig ist, was ich unter diesem Aspekt einmal die Wendung aufs Subjekt genannt habe. Man muss die Mechanismen erkennen, die die Menschen so machen, dass sie solcher Taten fähig werden, muss ihnen selbst diese Mecha-nismen aufzeigen und zu verhindern trachten, dass sie abermals so werden, indem man ein allgemeines Bewusstsein solcher Mechanismen erweckt. Nicht die Ermordeten sind schuldig, nicht einmal in dem sophistischen und karikierten Sinn, in dem manche es heute noch kon-struieren möchten. Schuldig sind allein die, welche besinnungslos ihren Hass und ihre Angriffswut an ihnen ausgelassen haben. Solcher Besinnungslosigkeit ist entgegenzuarbeiten, die Menschen sind davon abzubringen, ohne Reflexion auf sich selbst nach außen zu schlagen. Erziehung wäre sinnvoll überhaupt nur als eine zu kritischer Selbstreflexion. Da aber die Charaktere insge-samt, auch die, welche im späteren Leben die Untaten verübten, nach den Kenntnissen der Tiefenpsychologie schon in der frühen Kindheit sich bilden, so hat Erziehung, welche die Wiederholung verhindern will, auf die frühe Kindheit sich zu konzentrieren. Ich nannte Ihnen Freuds These vom Unbehagen in der Kultur. Sie ist aber umfassender noch, als er sie verstand; vor allem, weil unterdessen der zivilisatorische Druck, den er beobachtet hat, sich bis zum Unerträglichen vervielfachte. Damit haben auch die Tendenzen zur Explosion, auf die er aufmerksam machte, eine Gewalt angenommen, die er kaum absehen konnte. Das Unbehagen in der Kultur hat jedoch-was Freud nicht verkannte, wenn er dem auch nicht konkret nachging-seine soziale Seite. Man kann von der Klaustrophobie der Menschheit in der verwalteten Welt reden, einem Gefühl des Eingesperrtseins in einem durch und durch vergesellschafteten, netzhaft dicht gesponnenen Zusammenhang. Je dichter das Netz, desto mehr will man heraus, während gerade seine Dichte verwehrt, dass man heraus kann. Das verstärkt die Wut gegen die Zivilisation. Gewalttätig und irrational wird gegen sie aufbe-gehrt. Ein Schema, das in der Geschichte aller Verfolgungen sich bestätigt hat, ist, dass die Wut gegen die Schwachen sich richtet, vor allem gegen die, welche man als gesellschaftlich schwach und zugleich-mit Recht oder Unrecht-als glücklich empfindet. Soziologisch möch-te ich wagen, dem hinzuzufügen, dass unsere Gesellschaft, während sie immer mehr sich integriert, zugleich Zerfallstendenzen ausbrütet. Diese Zerfallstendenzen sind, dicht unter der Oberfläche des geordneten, zivilisatorischen Lebens, äußerst weit fortgeschritten. Der Druck des herrschenden Allgemeinen auf alles Besondere, die einzelnen Menschen und die einzelnen Institutionen, hat eine Tendenz, das Besondere und Einzelne samt seiner Wider-standskraft zu zertrümmern. Mit ihrer Identität und ihrer Widerstandskraft büssen die Men-schen auch die Qualitäten ein, kraft deren sie es vermöchten, dem sich entgegenzustem-men, was zu irgendeiner Zeit wieder zur Untat lockt. Vielleicht sind sie kaum noch fähig zu
Sehen gleich verstehen? Erlebnisberichte anlässlich 50. Jahre diplomatische Beziehungen zwischen Deutschland und Israel, pp. 8-10
Die deutsch-israelische Sicherheitspartnerschaft: Aspekte und Anmerkungen2015 •
Die Texte fassen die Debatten der Vortagung (6. März - 9. Juni 2017) mit etwa 200 angemeldeten Teilnehmern zusammen. Sie geben nicht die persönliche Meinung der Autorinnen und Autoren wider, sondern umreißen das von den Tagungsteilnehmern kollektiv erarbeitete Meinungsbild. Dennoch versuchen sie, einen persönlichen Duktus und die Perspektive aus Sicht der Betroffenen zu behalten. Für eine Vertiefung empfehlen wir die Lektüre der Debatten im Original: http://www.tagungsforum.dguf.de/. Ziel dieses Readers ist es, Kolleginnen und Kollegen, die z. B. angesichts beruflicher Lastspitzen nicht an der Vortagung teilgenommen haben, im Hinblick auf die Präsenztagung am 4. Juli in den Stand der Debatte einzuführen.
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