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Verfahren zum Aufschließen des Bastes in Stengeln von Bastfaserpflanzen
Die Erfindung betrifft ein Verfahren zum Aufschließen des Bastes in Stengeln von
Bastfaserpflanzen, wie Flachs, mit überhitztem Wasser in geschlossenen hintereinandergeschalteten
Behältern. Ursprünglich wurde das Gut bei der Behandlung mit heißem Wasser so stark
ausgelaugt, daß es ausmagerte und das gelöste Pektin mit dem Abwasser verlorenging.
Zur Verhütung der Ausmagerung des Gutes wird nach einem bekannten Verfahren eine
Umwandlung der Pektose in Pektin ;ohne Auslaugung dadurch angestrebt, daß rnan auf
Flachs zuerst heißes Wasser unter Luftleere bei i 5o' und dann trockenen gespannten
Wasserdampf einwirken läßt. Dieses Verfahren erfordert jedoch besondere Maßnahmen
und Vorrichtungen für die Erzeugung der Luftleere und große Mengen an Wärme für
die hohe Temperatur. Im übrigen eignet es sich auch nicht zur Pektingewinnung.
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Bei einem anderen bekannten Verfahren wird das Fasergut zunächst mit
Wasser von 95 bis ioo° behandelt, um das Pektin in Parapektinsäure umzuwandeln,
und hierauf der Einwirkung überhitzten Wassers von 3 at ausgesetzt, um die Parapektinsäure
in Lösung zu bringen. Der Frischwasser- und Wärmeverbrauch ist dabei aber wesentlich
größer als bei dem erfindungsgemäßen Verfahren.
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Nach einem weiteren bekannten Verfahren, das die Verarbeitung von
Binsen lehrt, wird das Gut nicht im Gegenstrom zu überhitztem Frischwasser geführt,
sondern lediglich mit gespanntem Wasserdampf, heißem Wasser oder trockenem Dampf
vorbehandelt, es bedarf daher noch der Einwirkung stark verdünnter Alkalilaugen,
um die vorgelockerten Faserbündel von dem zwischen den Fasern sitzenden Leim zu
befreien. Für Bastfasern ist das Verfahren nicht geeignet, weil sich bei diesen
die Faser nicht wie bei Binsen an der Außenfläche, sondern innerhalb der Stengelhülse
befindet.
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Zur Gewinnung von Fasern aus Stroh oder anderen Stengeln mit knotigen
Verdickungen hat man bereits heißes Wasser auf die im
luftverdünnten
Raum befindlichen Strohballen zur Einwirkung gebracht und hierauf das so vorbehandelte
Stroh in einem Autoklaven mittels Sattdampfes auf 15o bis 16o' erhitzt.f:e° Abgesehen
davon, daß bei diesem bek4pr ten Verfahren keine Bastfaserpflanzen zufl«fY` arbeitung
gelangen, wird es auch auf vW, umständlichere Weise ausgeführt als das Verfahren
gemäß der Erfindung.
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Bekannt ist auch die Verwendung von heißem Wasser bei der Fasergewinnung,
namentlich aus Fichtennadeln und Baumwollstengeln. Nach diesem Verfahren wird das
Gut in verschiedenen Behältern in heißem Wasser abwechselnd unter höherem und niedrigem
Dampfdruck nacheinander gekocht. Bei Anwendung auf Bastfaserstengel würde mit solchen
Mitteln eine Zersetzung der Bastfasern eintreten..
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Nach einem weiteren bekannten Verfahren wird überhitztes, d. h. über
Siedetemperatur erwärmtes. und mit aus Holzextraktstoffen versetztes Wasser zum
Auslaugen löslicher Stoffe aus harzhaltigem Gut, wie Holz, benutzt. Eine Bastfasergewinnung
ist dabei nicht beabsichtigt und auch gar nicht möglich, da es sich um Ausgangsstoffe
handelt, die keine Bastfasern besitzen.
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Nach der Erfindung wird zwar auch von überhitztem Wasser Gebrauch
gemacht. Dabei wird aber das gänzliche Ablösen der Flachsfasern von den Stengeln
mit einer viel geringeren Wassermenge und mit einer viel geringeren Wärmemenge erzielt
als bei den oben geschilderten bekannten Verfahren. Außerdem kann die Behandlung
des Gutes mit heißem Wasser in ein und demselben Behälter bis zum völligen Aufschließen
der Faser vor sich gehen. Die Fasern sind denen biologisch gerösteten Flachses hinsichtlich
ihrer Eigenschaften mindestens ebenbürtig; auch können die löslichen Pflanzenteile,
wie Pektin, Fett und Eiweiß, in einem angereicherten und zur Verarbeitung zu Futtermitteln
oder zu anderen technischen Zwecken geeigneten Zustande gewonnen werden.
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Diese Vorteile werden erfindungsgemäß dadurch erzielt, daß die Stengel:
unter Druck im Gegenstrom mit überhitztem Frischwasser bei etwa -12o" behandelt
werden, wobei jeweils das ursprüngliche Gut mit dem am stärksten mit löslichen Stoffen
des Gutes angereicherten überhitzten Wasser und das am weitestgehenden ausgelaugte
Gut mit überhitztem Frischwasser in Berührung gebracht wird.
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Die Stengel werden dem überhitzten Frischwasser von etwa i 2o` erst
dann ausgesetzt, wenn die Absonderung der löslichen Pflanzenstoffe aus den Stengeln
fast vollendet ist. Solches Stengelgut besteht aus dem Bast und den holzigen Hülsen,
mit denen der Bast durch die nunmehr gelösten Bindestoffschichten verbunden war.
Das überhitzte Wasser reichert sich allmählich mit löslichen Pflanzenstoffen und
nimmt die unlöslichen Stoffe der ,,Bi deschicht mit sich fort. Dem Bast -werdeit
nur die löslichen Pflanzenstoffe entzogen, die unlöslichen verbleiben ihm dagegen
im wesentlichen und tragen zu seiner Festigkeit bei.
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Um die verschiedenen Stengelbehälter auf 120' zu erwärmen und auf
den entsprechenden Dampfüberdruck zu bringen, werden nötigenfalls Zwischenerhitzer
vorgesehen, durch die das Wasser hindurch nach den Behältern geführt wird. Der die
infolge Einwirkung des überhitzten Wassers am weitestgehenden ausgelaugten Stengel
enthaltende Behälter wird schließlich von den anderen Behältern abgeschaltet, gekühlt
und entleert. Der Bast wird nun noch in an sich bekannten Vorrichtungen von dem
ihm anhaftenden Holz befreit. Die mit gelösten Stoffen der Stengel am stärksten
angereicherte Flüssigkeit wird Vorrichtungen, z. B. Filtern oder Verdampfern, zugeführt,
in denen die Stoffe von dem Wasser abgetrennt werden. Sie können entweder zu Futtermitteln
aufbereitet oder anderen technischen Zwecken zugäugig gemacht werden.
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Ein Ausführungsbeispiel des Verfahrens und der hierbei benutzten Vorrichtung
wird an Hand der Zeichnung erläutert.
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Die Zeichnung zeigt in Abb. i eine schematische Darstellung einer
für die Durchführung des Verfahrens verwendbaren Behälteranordnung und in Abb.2
eine graphische Darstellung der Durchführung des Verfahrens.
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Die Vorrichtung besteht beispielsweise aus sechs Behältern 1, 2, 3,
4, 5 und 6, die miteinander durch absperrbare Leitungen abschaltbar verbunden werden.
Die Behälter werden einzeln über Ventile I, 1I, 11I, IV, V und V I durch eine Leitung
a an einen Heißwasser- und Dampfkessel angeschlossen. In dem Kessel wird das Wasser
auf etwa i 2o' erhitzt und auf den entsprechenden Dampfüberdruck gebracht. Die Behälter
können einzeln durch mit Ventilen I', II', III', IV', V' und VI' versehene Rohrleitungen
mit einer Sammelleitung b verbunden werden, die mit einem an einen Verdampfer anschließbaren
Auslaß c versehen ist. Alle Behälter weisen dampfdicht schließende abnehmbare Deckel
und Böden auf.
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Nach Schließen der Böden und öffnen der Deckel werden die Behälter
mit Stengeln gefüllt. Darauf schließt man die Deckel und verbindet den Behälter
i mit der Leitung a, durch die überhitztes Wasser über das geöffnete Absperrventil
I dem Behälter i zugeführt wird. Das Wasser des Behälters i fließt in
die
folgenden Behälter 2, 3, 4 und 5, reichert sich in ihnen mit den löslichen Stoffen
der Stengel weiter an und gelangt dann über Absperrventil I' nach der Sammelleitung
b. Der Durchgang des Wassers durch die Behälter ist in der Zeichnung durch die Verbindungslinie
der Ventile I und I' angedeutet. In der Zwischenzeit bleibt der Behälter 6 von den
übrigen Behältern und den Leitungen a und b abgesperrt. Man schließt die Ventile
I und I' und das zwischen den Behältern i und 2 vorgesehene Durchgangsventil, verbindet
den Behälter i mit einer nicht gezeichneten Kühlwasserleitung und läßt das in ihm
enthaltene Gut sich abkühlen, worauf man die Kühlwasserleitung absperrt und das
Gut entfernt, um es zu trocknen und mechanisch zu entholzen. Man öffnet die Ventile
II und 1I' und leitet nun das überhitzte Wasser in den Behälter 2, der mit den Behältern
3, 4, 5 und 6 so verbunden ist, daß sein Wasser die Behälter nacheinander durchströmt
und danach in die Sammelleitung gelangt. Der Wasserlauf durch die Behälter ist durch
die Linie II-II' in Abb. i angedeutet. Während dieses Wasserlaufes durch die Behälter
2 bis 6 wird der ;entleerte Behälter i mit rohen Stengeln gefüllt und verschlossen.
Dann schließt man die Ventile II und II', verbindet den Behälter 6 mit dem Behälter
i und schließt das zwischen den Behältern 2 und 3 befindliche Durchgangsventil,
worauf man den Behälter 2 entleeren und neu füllen kann. Man öffnet die Ventile
III und III', läßt frisches, überhitztes Wasser in den Behälter 3 eintreten und
das angereicherte Wasser durch die Behälter 4, 5, 6 und i nach der Sammelleitung
fließen, -,vie in Abb. i durch die Verbindungslinie III-III' angedeutet ist. Entsprechend
dem Schema der Verbindungen nach den Linien IV-IV', V-V' und VI-VI' und gemäß der
lobigen Schilderung kann die Behandlung der Stengel in den verschiedenen Behältern
mit frischem und angereichertem überhitztem Wasserendlos fortgesetzt werden.
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In einem Koordinatienkreuz 0-X, 0-Y (Abb.2) ist die Durchführung des
Verfahrens graphisch dargestellt. Die Behälterräume sind durch die Abszissenabschnitte
i, 2, 3, 4 5 und 6 bezeichnet. Es bedeutet die Ordinate y die im Bast enthaltene
ursprüngliche Pektosemenge, y' die in den übrigen Teilen des Gutes enthaltene Pektosemenge,
t die Temperatur, p den Dampfdruck, z = 0A die Menge des überhitzten Wassers,
u die unlöslichen und n
die löslichen Pfektinstoffe des Bastes. 0-X
ist die Nullinie der Flüssigkeit in den Behältern und 0'-X' die Nullinie des Gutes.
Die Linie A-X zeigt ungefähr den Verlauf der Umwandlung der frischen Wassermenge
z in mit gelösten Stoffen des Gutes angereichertes Wasser, dessen Menge durch die
Linie A'-X' bezeichnet ist. Bei dem dargestellten Beispiel ist der dem Behälter
6 entsprechende Abschnitt 6 des Schaubildes getrennt von dem Koordinatenkreuz gezeichnet,
um anzudeuten, daß der Behälter bereits von löslichen Stoffen erschöpftes Gut enthält
und zwecks Entleerung und Neufüllung mit rohen Stengeln abgeschaltet ist. Die unter
der Nullinie 0-X angegebenen Ziffernzeilen bezeichnen die abwechselnd dem Durchgang
der Flüssigkeit ausgesetzten Behältergruppen, während die in der rechten Spalte
angegebenen Ziffern die jeweilig abgeschalteten, in Entleerung oder Füllung begriffenen
Behälter andeuten. Aus Abb. 2 ist ersichtlich, daß das rohe überhitzte Wasser mit
den Stengeln erst dann in Berührung kommt, wenn sich im Bast der größte Teil der
Pektose in lösliche Pektinstoffe umgewandelt hat, die von dem Wasser fortgeschwemmt
werden können, während die unlöslichen Stoffe im Bast verbleiben.