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Gewinnung von Ammonrhodanid Zur Gewinnung von Ammonrhodanid auf Kokereien
und Gasanstalten wird nach einem bekannten Verfahren, das rohe, Cyanwasserstoff
und Ammoniak enthaltende Gas, mit einer wässerigen Suspension fein verteilten Schwefels
gewaschen. Dieses technisch an sich brauchbare Verfahren weist jedoch den Nachteil
auf, daß man entweder elementaren aus anderen Ouellen als dem Rohgas stammenden
Schwefel in das Verfahren einführen oder den in Form von Schwefelwasserstoff in
den Rohgasen enthaltenen Schwefel zunächst auf freien Schwefel verarbeiten muß,
was mehr oder weniger verwickelte zusätzliche Nebenarbeit bedingt.
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Man hat daher vorgeschlagen, den Schwefelwasserstoffgehalt des Rohgases
zur Überführung des Cyanradikals in das Rhodanridikal dadurch unmittelbar auszunutzen,
daß man (mittels katalytisch wirkender Metallverbindungen) den Schwefelwasserstoff
unter Verwertung des Sauerstoffgehaltes des Gases zu freiem Schwefel oxydiert der
darauf mit dem in der Waschflüssigkeit vorhandenen Schwefelammon Ammonpolysulfid
bildet. Letzteres bewirkt alsdann die Umwandlung des Cyans in Rhodan. Dieses Verfahren
zeigt den Übelstand, daß man die der Flüssigkeit als Katalysator zugesetzte Metallverbindung,
wie z. B. INTickelsulfid, von der an Rhodanammon gesättigten Waschlauge wieder abtrennen
muß, wobei als wirtschaftlicher Nachteil ein unvermeidlicher Verlust an der Metallverbindung
auftritt, der zudem die Überwachung der jeweils noch verfügbaren Nickelmenge bedingt.
Außerdem muß der Nickelgehalt der Waschlauge dem Sauerstoffgehalt des Gases ziemlich
genau angepaßt werden, da man sonst eine durch anderweitige Schwefelverbindungen
verunreinigte Rohlauge erhalten würde; auch dieser Umstand erfordert erhöhte Aufmerksamkeit.
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Wie aus Vorstehendem erhellt, bedingt die Entfernung des Cyanwasserstoffs
als Ammonrhodanid aus dem Gase die Beschaffung hinreichender Mengen von Ammonpolysulfid.
Nun bildet sich ja beim Waschen schwefelwasserstoff- und ammoniakhaltiger Gase Schwefelammon
in ausreichender Menge, und man weiß ferner, daß Schwefelammon beim Behandeln mit
Luft bzw. Sauerstoff in Ammonpolysulfid übergeht. Allein dieser Oxydationsvorgang
verläuft im allgemeinen außerordentlich träge und würde zu seiner Durchführung beträchtlichen
Raum- und Zeitaufwand erfordern. Es ist also auf diese Weise praktisch nicht möglich,
immer diejenige Menge an Polysulfid zu erzeugen, die der mit den Gasen ankommenden
Cyanwasserstoffmenge entspricht, selbst wenn man berücksichtigt, daß es zur Überführung
des Cyanwasserstoffs in Ammonrhodanid nicht nötig ist, das gesamte in der Lauge
enthaltene Schwefelammon in Polysulfid überzuführen, da der Schwefelwasserstoffgehalt
des Gases ein Vielfaches der Schwefelmenge ergeben
würde, die zur
Überführung des Cyans in Rhodan theoretisch erforderlich wäre.
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Es wurde nun gefunden, daß die Bildung von Ammonpolysulfid erheblich
schneller und mit hinreichender Geschwindigkeit verläuft, wenn man die Luftbehandlung
der Schwefelammonlösung in Anwesenheit von im Vergleich zum Ammonsulfidgehalt der
Lösung beträchtlicher Mengen Ammonrhodanid vor-, nimmt. Man benutzt demgemäß eineAusgangslauge,
welche hieran bereits einen gewissen Anteil vorgebildet enthält. Mit einer solchen
Lauge wäscht man die ankommenden Rohgase z. B. in einem Rieselturm o. dgl., während
die Flüssigkeit gleichzeitig zwischen diesem Turm und einem zweiten Turm einen Kreislauf
vollführt, in welch letzterem die Behandlung der Flüssigkeit mit Luft zwecks Bildung
von Ammonpolysulfid erfolgt. Man kann selbstverständlich auch die Luftbehandlung
diskontinuierlich durchführen, indem man den Inhalt des Waschturmes lediglich in
gewissen Zeitabständen in die Oxydationsvorrichtung überführt, mit Luft behandelt
und sie hiernach in die Waschvorrichtung zurückkehren läßt.
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Es ist zu bemerken, daß bei der Luftbehandlung die Flüssigkeit ammoniakalisch
zu halten ist. Demnach führt die Abluft Ammoniak mit sich, das in einer Säurevorlage
wiedergewonnen werden muß und dessen Menge mit der der Abluft wächst. Man wird daher
bemüht sein, die Menge dieser Abluft möglichst niedrig zu halten, um mit einer möglichst
kleinen Säurevorlage auskommen zu können. Andererseits muß die Berührung der Waschflüssigkeit
mit der Oxydationsluft möglichst innig sein. Beide Forderungen lassen sich z. B.
dadurch erfüllen, daß man,die Oxydationsluft der Flüssigkeit im geschlossenen, lebhaften
Kreisstrom entgegenführt, dem man nur so viel Frischluft hinzufügt bzw. Abluft entzieht,
als der in tragbaren Zeiträumen praktisch verbrauchten Sauerstoffmenge entspricht.
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Ausführungsbeispiele i. Es wurden 3 Schwefelammonlösungen, Nr. 1,
2 und 3 bereitet. Nr: i enthielt neben Schwefelammon nur Wasser, Nr.2 daneben 1o
und Nr. 3 2o g Ammonrhodanid in je Zoo ccm, während der Schwefelammongehalt der
3 Lösungen der gleiche war.
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Von jeder Lösung wurden je ioo ccm in je eine Literflasche gebracht
und die 3 Flaschen zusammen bei Zimmertemperatur 1i/2 Stunden geschüttelt. Der Lösung
stand dabei also das neunfache ihres Volumens an Luft zur Oxydation zur Verfügung.
Vor und nach dem Schütteln wurde der Schwefelwasserstoffgehalt der Lösungen bestimmt.
Die Differenz ergibt den zu Schwefel oxydierten Anteil an Schwefelwasserstoff, der
als Polysulfid gebunden wird. Es enthielten
Nr. i Nr. a Nr. 3 |
vorher o,276 0,r70 0,=73 g H2 S in Zoo ccm |
nachher o,162 o,ioi o,oq.3g - - Zoo - |
oxydiert 0,014 0,o69 0,i309 - - ioo ccm |
also 8 41 715 °/o des ursprüngl. H,S. |
Der Vergleich zeigt also deutlich den günstigen Einfluß des Ammonrhodanid auf die
Polysulfidbildung.
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2. Zur Gewinnung von Cyanwasserstoff in Form von Ammonrhodanid aus
rohem Kokereigas unter Ausnutzung des Gasschwefels wurde eine 12- bis 1-5 °%ige
Ammonrhodanidlösung durch Verrieseln in zwei Türmen abwechselnd mit Rohgas und Luft
behandelt. Sobald die Lösung einen Gehalt von 25 g Ammonrhodanid je Zoo ccm erreicht
hatte, wurde ein Teil abgezogen; der Rest mit Wasser verdünnt und in denAuswaschvorgang
zurückgeführt, Der Versuch wurde ununterbrochen wochenlang ohne Störung durchgeführt.
Die Türme (lichter -0' 6o mm) waren mit Ringen gefüllt, deren Höhe gleich dem Durchmesser
ist und der in vorliegendem Falle 1o mm betrug; Schichthöhe im Waschturm 22o cm,
im Oxydationsturm 64 cm, verrieselte Flüssigkeitsmenge in beiden 15I/Std., Gasmenge
2 cbm/Std., Luftmenge q. l/Std. ( o,2 °/o der verarbeiteten Gasmenge)-.
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Bei einem Cyanwasserstoffgehalt von o,6 bis o,8 g/cbm Rohgas wurde
so eine 75 bis 8o °/oige Auswaschung des Cyanwasserstoffs erzielt, die bei verringerter
Gasgeschwindigkeit noch gesteigert werden konnte.