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Verfahren zur Herstellung eines Farbenbindemittels Es ist eine bekannte
Tatsache, daß manche Farben, namentlich solche, die für Leimfarbenanstriche und
Leimfarbendruck verwendet werden, sehr schwer wischfest auf den Untergrund gebracht
werden können. Sowohl für Wandanstriche wie auch für Tapetendruck usw. wird fast
ausschließlich die Bindung mit Leim, vorzugsweise mit Pflanzenleim, vorgenommen,
in der Art, daß die Farben mit dem Leim angerührt, entweder für Anstrichzwecke mit
dem Pinsel, für Druckzwecke mit der Druckmaschine oder sonst -in zweckentsprechender
Weise auf den Untergrund aufgebracht werden. Manche dieser Farben, es seien hier
besonders die gefällten Eisenoxydfarben (Marsfarben) hervorgehoben, aber auch Farbholzextrakte,
Anilin-und manche Erdfarben, lassen sich nur schwer wischfest binden, da die Struktur
dieser Farben bzw. Farbenpigmente eine derartige ist, daß sie schwer vom Bindemittel
benetzt und zur Bindung gebracht werden oder aber infolge ihrer außerordentlich
feinen Struktur nur die gröberen Farbkörner vom Bindemittel erfaßt werden, während
die feinsten Körner, die das Bindemittel überhaupt nicht absorbiert, auf der Oberfläche
liegen und durch mechanische Einflüsse stark abgestäubt, also zum Wischen gebracht
werden.
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Diesem Übelstande suchte man dadurch abzuhelfen, daß man den Leimzusatz
erhöhte. Hier sind jedoch Grenzen geboten dadurch, daß ein Übermaß an Leimsubstanz
den aufgebrachten Farbaufstrich zusammenzieht, zum sogenannten Blättern bringt,
oder daß beispielsweise bei Tapetendruck die Papierfaser infolge übermäßiger Durchtränkung
mit Leimsubstanz zum Zusammenrollen gebracht wird, so daß ein Brüchigwerden eintritt.
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Man hat ferner versucht, die Wischfestigkeit geleimter Farbe dadurch
zu erhöhen, daß man dem Farbstoff Cellulose in mehr oder weniger fein gemahlener
Form zugesetzt hat. Durch diesen Cellulosezusatz wird allerdings die Wischfestigkeit
der Farbe in gewissem Maße erhöht, jedoch hat der Cellulosezusatz eine Reihe von
Nachteilen. Vor allem ist die innere Reibung des mit Cellulose versetzten Farbstoffes
trotz der feinen Mahlung der Cellulose eine solche, daß die Verstreichung des Farbstoffes,
selbst unter Aufwendung erheblicher Kraft, mit Schwierigkeiten verknüpft ist, so
daß leicht ungleichmäßige, streifig erscheinende Anstriche entstehen, während das
Verdrucken des Zellstoff-Farbleimgemisches überhaupt nicht möglich ist. Die feine
Mahlung der Cellulose, welche zur Erreichung einer einigermaßen brauchbaren Verstreichbarkeit
unbedingt notwendig ist, macht ihrerseits wiederum zu einem erheblichen Teil die
günstige Wirkung der Cellulose, nämlich die Erhöhung der Wischfestigkeit, zunichte,
da die Adsorptionsfähigkeit der Cellulose, auf der die Erhöhung der Wischfestigkeit
beruht, mit der Feinheit der Mahlung stark herabgesetzt wird. .
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Durch die vorliegende Erfindung werden nun die mit dem bekannten Verfahren
verbundenen Nachteile vollkommen vermieden. Erfindungsgemäß wird der Farbe nicht
gemahlener Zell-
stoff zugesetzt, sondern es werden dem Leimfarbgemis#h die durch
I-ryclxierung .oder Oxydierung erhaltenen Derivate der Cellulose in fein gemahlenem
Zustand beigefügt. Der Zusatz von Hydro- oder Oxycellulose hat gegenüber dem Zusatz
gemahlener Cellulose schon von vornherein den Vorteil, daß die Adsorptionskraft
der Hydro- oder Oxycellulose an sich wesentlich größer ist als die Adsorptionskraft
der Cellulose. Ferner nimmt aber die Adsörptionskraft der Oxy- oder Hydrocellulose
im Gegensatz zur Cellulose durch die feine Mahlung nicht ab, sondern eher zu.
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Ein weiterer Vorteil, der mit der Verwendung von Oxy- und Hydrocellulose
als Zusatz zu Leimfarbgemischen verbunden ist, besteht darin, daß selbst bei hohem
prozentualem Zusatz von Oxy- bzw. Hydrocellulose das so erzeugte Gemisch vollkommen
dünnflüssig bleibt, so daß es leicht verstreichbar und auch aufdrückbar ist. Die
Erklärung für diese überraschende Tatsache, welche auf kolloid-chemischem Gebiet
liegt, ist in der Struktur der Oxy- oder Hydrocellulose zu finden, welche naturgemäß
eine ganz andere ist als die Struktur der gewöhnlichen Cellulose. Nicht nur sind
die einzelnen Faserteilchen der Oxy- bzw. Hydrocellulose erheblich kleiner als die
der Cellulose, es tritt vor allem auch in Verbindung mit einer flüssigen Phase (dem
Leim) eine außerordentlich auffallende, starke Erniedrigung des inneren Reibungskoeffizienten
ein, die sich darin äußert, daß das aus Hydro- bzw. Oxycellulose, Leim und Farbe
bestehende Gemisch ein tropfbarflüssige? Produkt bildet. Dieses Produkt kann, wie
schon gesagt, mit dem Pinsel leicht verstrichen werden und auch ohne weiteres auf
der Maschine verdruckt werden.
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Es sei ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die erfindungsgemäß dem
Farbleimgemisch zugesetzte Oxy- bzw. Hydrocellulose nicht aufgelöst werden darf,
sondern ihren faserigen Charakter, wenigstens mikroskopisch, unbedingt beibehalten
muß, wenn die vorstehend beschriebenen Vorteile erreicht werden sollen.
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Je nach Art der Behandlung lassen sich die Cellulosen in verschiedenen
Stärkegraden hydrolysieren bzw. oxydieren. Die als Farbenbindemittel geeignete Hydrocellulose
läßt sich beispielsweise aus Cellulose jeglicher Art durch Behandlung mit starker
Schwefelsäure in der Kälte oder anderen starken Säuren herstellen, während man die
Oxycellulose durch Oxydation von Faserstoff mit Salpetersäure, Ozon, Superoxyden,
Chlor u. a. Oxydationsmitteln erhalten kann. Anwendungsbeispiele i. Hydrocellulose
als Farbenbindemittel ioo kg Cellulose, wie Holzstoff, Papierfasern o. dgl., werden
mit ioo kg Schwefelsäure (55'
B6) angeteigt und 24 Stunden stehengelassen,
dann mit Wasser gut ausgewaschen und gegebenenfalls mit Natronlauge oder verdünnter
Kalkmilch neutralisiert. Nach dem Trocknen läßt sich die so hergestellte Hydrocellulose
im Gegensatz zu Faserstoff leicht pulverisieren. 3 kg des getrockneten Produktes
werden in ein Farbleimgemisch, bestehend aus g kg Pigmentfarbe (in Pastenform) und
6 kg flüssigen Pflanzenleim, eingetragen. Je nach der verlangten Verstreichbarkeit
werden noch i bis 2 kg Wasser zugegeben. An Stelle des Pflanzenleimes kann auch
eine 25°/oige Lösung von Lederleim oder irgendein anderes wasserlösliches Bindemittel
verwendet werden. 2. Oxycellulose als Farbenbindemittel. ioo kg Cellulose (wie oben)
werden mit ioo kg Salpetersäure (spez. Gewicht 1,5o) etwa 5 Stunden auf go° erhitzt.
Es bildet sich Oxycellulose unter Entweichung nitroser Gase. Die oxydierte Cellulose
wird (wie oben) mit Wasser ausgewaschen, ebenfalls neutralisiert und getrocknet.
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=o kg einer Körperfarbe werden mit 6 kg Pflanzenleim gemischt. In
das Gemisch werden 3 kg Oxycellulose (wie beschrieben hergestellt) in trockener
Form eingerührt. Das erhaltene Produkt ist mit dem Pinsel verstreichbar. Zum Verdrucken
werden noch etwa i bis 2 kg Wasser zugegeben.