Treibscheibenantrieb. Bei Treibscheibenantrieben mit einem mehrere
Treibscheiben hintereinander umschlingenden Zugmittel (Seil oder Kette), z. B. für
Drahtseilbahnen, Kettenbahnen, Bergwerksschachtförderungen u. dgl., können bei starrer
Kupplung der einzelnen Treibscheiben durch Z4hnräder oder Kuppelstangen sogenannte
Differentialspannungen, Zerr- oder Zusatzspannungen auftreten, wenn die Treibscheiben
aus irgendeinem Grunde verschiedenen Durchmesser besitzen. Man hat diesem Übelstand
dadurch Abhilfe zu schaffen gesucht, daß zwischen dem Antriebsmotor und den Treibscheiben
Differential- oder Ausgleichgetriebe vorgesehen sind. Es ist auch bereits vorgeschlagen,
jeder Treibscheibe einen besonderen Antriebsmotor zuzuweisen oder die eine Treibscheibe
von dem rotierenden Magnetfeld, die ande-e von dem unabhängig davon rotierenden
Anker eines einzigen Elektromotors anzutreiben. Der letztere Vorschlag, bei einem
einzigen Motor sowohl den Anker als auch das Magnetfeld rotieren zu lasse-), hat,
weil kein feststehender Teil mehr am Motor vorhanden ist, bauliche Nachteile und
wird teuer, weil keine normalen und daher billigen Motoren Verwendung finden können.
Aber auch der erstere Vors-hlag, jeder Treibscheibe je einen besonderen Motor zuzuweisen,
so daß die Elektromotoren vollkommen voneinander getrennt sind, hat sich nicht durchgesetzt
und hat praktisch keine Verwendung finden können, und zwar aus folgendem Grunde:
Um die auftretenden Verhältnisse möglichst anschaulich darzustellen, sei beispielsweise
bei einer Personenseilbahn der einfache Fall angenommen, daß der aufwärts fah-ende
Wagen und der abwärts fahrende Wagen gleich schwer beladen sind, und daß sie sich
in der Mitte der Strecke treffen, so daß auch der Seilzug infolge des Eigengewichtes
des Seiles denselben Betrag hat. Am Antrieb faßt dann am einlaufenden und am ablaufenden
Seiltruro die gleiche Kraft t an (Abb. i), eine Arbeit ist, abgesehen von der hier
vernachlä.ss_gten geringen Lagerreibung, vom Antrieb nicht zu leisten. Haben die
beiden zunächst als durch eine Kuppelstange k starr gekuppelt angenommenen beiden
Treibscheiben genau gleichen Durchmesser, so wird auch die Zwischenspannung des
Seiles zwischen den beiden Treibscheiben i und 2 gleich der Spannung am Ein- und
Auslauf, also = t sein. Ist dagegen die Scheibe :2 größer als die Scheibe i, so
sucht sie das Seil über die Scheibe i herüberzuzerren, die Zwischenspannung wird
Z - t # e-, (Abb. 2). Die Scheibe 2 wirkt also treibend, die Scheibe i bremsend
auf das Seil. Sowohl das Seil zwischen den Scheiben als auch die Kuppelstange evtl.
die an ihrer Stelle zu denkenden, die Scheiben starr kuppelnden Z4hnräder erhalten
also erhebliche Zusatz= oder Zerrbelastungen, obgleich nach außen hin vom Antrieb
immer noch keine Arbeit zu leisten und der Antriebsmotor im Leerlauf befindlich
ist. Zierden nun gemäß dem erwähnten Vorsch:age die be"den Sche"ben unabhängig voneinander
durch getrennte Motoren angetrieben (Abb.3), so würden bei Gleichhe;t der beiden
Scheiben beide Motoren gleich schncl:, und zwar bei Nebenschlußg:eichstrommotoren
mit ihrer Leerlauf- oder kritischen Umlaufzahl laufen, wobei die »Gegenelektromotorische
Ankerspannung« E2 gleich der Netzspannung El ist und daher die von der Differenz
El - E2 abhängige Ankerstromstärke
I = Null ist. Beide - Motoren
leisten keine Arbeit. Das Analoge würde bei zwei asynchronen Drehstrommotoren der
Fall sein, beide würden mit der Umlaufzahl des Drehfeldes leer laufen. Sobald aber
(Abb. 4.) die Scheibe 2 größer ist als die Scheibe i, müssen, wenn die Zusatz- oder
Zerrspannungen, d. h. eine über den Betrag t erhöhte Zwischenspannung Z, vermieden
werden sollen, die beiden Scheiben mit gleicher Um- -fangsgeschwindigkeit, also
die größere Scheibe 2 mit entsprechend kleiner, die kleinere Scheibe i mit entsprechend
großer Umlaufzahl, laufen, und dasselbe gilt von den mit ihnen gekuppelten Motoren.
Der eine mit der größeren Scheibe 2 verbundene Motor muß mit einer kleineren als
der Leerlaufdrehzahl bzw. untersynchron laufen, er wirkt -elektrische Energie aus
dem Netz holend und sie in mechanische Energie verwandelnd -als Motor treibend auf
das Seil, der andere mit der kleineren Scheibe i verbundene Motor inuß sch:ieller
als seinem Leerlauf entspricht oder übersynchron laufen, er wirkt als Dynamo bremsend
auf das Seil und verwandelt die ihm vom Seil zufl_eßende mechanische Energie in
elektrische Energie, diese wieder in das Netz zurücksendend: Bei ungleichen Scheibendurchmessern
tritt also das, was durch den unabhängigen Antrieb mittels zweier Motoren vermieden
werden soll, nämlich die Beeinflussung und Erhöhung der Seilzwischenspannung über
den Betrag t hinaus, doch auf. Die an Stelle der starren mechanischen Verkupplung
durch Kuppelstangen bzw. Zahnräder getrete=ie elektrische Verkupplung wirkt durch
das Netz hindurch und bewirkt, daß bei entsprechend großen Unterschieden in den
Scheibendurchmessern erhebliche Zusatzspannungen im Zwischenseil auftreten. Auch
die Motoren erhalten starke positive bzw. negative Zusatzbelastungen, da ja, wie
aus dem oben angenommenen Fall mit gleichem t am Ein-und Auslauf hervorgeht, der
eine Motor stark als Motor, beispielsweise mit ioo P. S., der andere mit dem gleichen
Betrage, also ioo P. S., als Dynamo beansprucht «-erden kann, trotzdem in dem angenommenen
Falle der Gesamtantrieb nach außen auf die Bahnstrecke überhaupt keine Leistung
abzugeben hat. In dem allgemeineren Falle, daß der Antrieb nach außen auf die Strecke
eine gewisse Leistung, es sei z. B. angenommen So P. S., abzugeben hat, genügt es
d-fher keineswegs, jeden der Motoren etwa für die Hälfte dieser Leistung, also z.
13. für d.o P. S., zu bemessen. sondern der eine kann infolge der ungleichen
Scheibendurchmesser mit vielleicht d.o P. S. zusätzlich jenen ioo P. S., also zusammen
mit 140 P. S., als Motor beansprucht «-erden, %vährend der andere mit .4o - 100
_ - 6o P. S., also mit 6o P. S. als Dynamo laufen muß. -Nach außen an die Strecke
werden dann i .4o - 6o, also 8o P. S., abgegeben. Die Motoren müßten also außerordentlich
reichlich bemessen werden, was die Anlage sehr verteuern würde und zusammen mit
dein Umstand, daß die beabsichtigte schonende Wirkung auf das Seil doch nicht oder
nur ini geringen Grade eintritt, es erklärlich macht, da13 praktisch von jenem Vorschlage
nicht Gebrauch gemacht worden ist.
Zur Beseitigung der gekennzeichneten t`'belstände wird nun vorgeschlagen,
bei durch besondere Motoren angetriebenen, von ein und demselben Seil hintereinander
umschlungenen Treibscheiben die Motoranker bzw. bei Drehstrommotoren die Rotoren
in Serie hintereinanderzuschalten. Die nun eintretende Wirkung ergibt sich wiederum
am klarsten bei dem oben angenommenen Beispielsfalle der leer laufenden und keine
Arbeit verlangenden Seilbahn mit gleichem Seilspannungsbetrage t am Ein- und Auslauf,
wobei wieder von unwesentlichen Einflüssen, wie Lagerreibungen, abgesehen werden
möge. Bei gleich großen Seiltreibscheiben i und 2 laufen beide Motoren gleich schnell,
die elektromotorische Gegenkraft jedes der beiden hintereinandergeschalteten Anker
ist die Hälfte der Netzspannung El, der durch die Differenz El - a # El
= o bedingte Ankerstrom J ist demnach -Null, und beide Motoren laufen
leer. Sind nun die Scheiben ungleich groß, z. B. wieder (Abb. 5) die Scheibe 2 größer
als die Scheibe i, so muß, damit die Umfanggeschwindigkeiten beider Scheiben gleich
werden, der mit der größeren Scheibe :2 gekuppelte Motor entsprechend langsamer
und der mit der kleineren Scheibe gekuppelte Motor entsprechend schneller laufen
als vorher. Das ist aber jetzt möglich, ohne daß in das Seil Zusatzspannungen hineinkommen,
denn die Motoren verändern sich in ihrem Verhalten nicht mehr in der Weise, daß
der eine Motorleistung, der andere Dynamoleistung aufweist. Die elektromotorische
Gegenspannung des einen Ankers wird infolge der höheren Umlaufzahl größer als
11 # El, diejenige des anderen Ankers entsprechend niedriger als El, und
da beide Anker hintereinandergeschaltet sind, so stellt sich der Zustand ein, daß
die Summe der gegenelektroinotorischen Kräfte wieder = El ist, somit die gesamte
im Schließungskreis tätige und den Ankerstrom bedingende Differenz der Netzspannung
und der Summe der elektromotorischen Gegenspannungen Null wird. Die Ankerströme
sind Null, und keiner der Motoren kann auf die Scheiben ein positives oder negatives
Drehrrioment ausüben, also
auch die Seilspannung nicht beeinflussen.
Ganz -analog wird das Verhalten bei zwei hintereinandergeschalteten Rotoren von
Drehstrommotoren, von denen der eine übersynchron, der andere untersynchron läuft,
dabei beide aber wegen ihrer Hintereinanderschaltung sich im Leerlauf mit dem Rotorstrom
Null befinden, daher auch keine Zugkraft lind kein Drehmoment auf die Scheiben ausüben
können.
In dem allgemeineren Falle, daß von dem Antrieb als Ganzem Arbeit
nach außen hin abgegeben werden muß, ist es daher auch nicht erforderlich, die Motoren
reichlicher zu dimensionieren als z. B. bei einer verlangten Maximalleistung des
Antriebs von wieder So P. S. jeden Motor mit der Hälfte, also mit 40 P. S., da ebensowenig
wie in das Seilstück zwischen den beiden Scheiben in die Motoren positive und negative
Zusatzbelastungen hineinkommen können. Jeder Änker bzw. Rotor erhält wegen der IH.intereinanderschaltung
denselben Strom, mögen die Seiltreibscheibendurchmesser voneinander so verschieden
sein, w%e sie wollen, und bei gleicher Erregung im Magnetgestell bzw. bei gleicher
Stärke des vom Netz gespeisten Drehfeldes sind die Zugkräfte und die Drehmomente
beider Motoren gleich. Es wird also höchstens der etwas schneller laufende Motor,
da die Leistung vom Drehmoment und der Umlaufzahl abhängig ist, etwas mehr als die
Hälfte, z. B. q2 P. S., der andere etwas weniger als Sie Hälfte, z. B.
38 P. S., von der verlangten Gesamtleistung von So P. S. übernehmen, niemals
aber der eine als Motor durch das Zwischenseil hindurch den anderen als Dynamo antreiben,
dabei die erhöhte Zwischenspannung erzeugend.