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Verfahren zur Reduktion organischer oder anorganischer Stoffe durch
Natriumamalgam. Bekanntlich kommt unter den verschiedenen Verfahren zur gewerblichen
Herstellung von Ätzalkalien den elektrochemischen Prozessen eine außerordentliche
Bedeutung zu. Diese Verfahren können in zwei Klassen geschieden werden, je nachdem,
ob sie eine einzige elektrolytische Kammer mit yQuecksilberkathode oder zwei gesonderte
Kammern benutzen, eine anodische und eine kathodische, die durch eine poröse Scheidewand
getrennt sind.
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Zur ersten Klasse gehört das Kellner-Solvaysche Verfahren, welches
das am meisten angewendete ist. Dies Verfahren kennzeichnet sich dadurch, daß man
die zu elektrolysierende w'äßrige Alkalichloridlösung zwischen einer beweglichen
Quecksilberkathode und einer aus einer Reihe von Graphit7ylindern bestehenden Anode
hindurchfl$ießenläßt. Das als Kathode dienende Quecksilber fließt über den schwach
geneigten Boden der Zelle, und nachdem es mit,dem Alkalimetall beladen ist, das
durch Elektrolyse frei geworden ist, geht es in eine, zweite Zelle, wo das Amalgam
mit Wasser in Berührung kommt und unter Bildung von ätzendem Alkali und freiem Wasserstoff
zersetzt wird. Die Bewegung des Quecksilbers und damit die ununterbrochene Durchführung
des Verfahrens werden durch ein besonders kreisendes Schöpfwerk gesichert. Unter
diesen Umständen zeigt das Quecksilberamalgam einen Gehalt an Alkalimetall, der
0,2 Prozent im allgemeinen nicht übersteigt, während die erzeugte wäßrige Lösung
von Ätzkali eine Konzentration zeigt, die zwischen 35 und 40 Prozent liegt.
Der
Zweck der vorliegenden Erfindung ist, das A1kaliamalgam, wie es bei der gewerblichen
Herstellung von Ätzkaaien erhalten wird, fabrikmäßig als Mittel zum Reduzieren organischer
oder anorganischer Verbindungen zu benutzen.
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Die beiliegende Zeichnung stellt beispielsweise zwei Vorrichtungen
dar, mit denen das Verfahren ausgeführt werden kann. Abb. i ist eine schematische
Ansicht der ersten Ausführungsform, die für diesen Zweck entworfen worden ist und
die aus einer um eine wag--rechte Achse drehbaren Rühreinrichtung besteht. Abb.2
ist ein senkrechter Achsenschnitt durch eine zweite Art der Vorrichtung, bei der
die Welle senkrecht statt wagerecht ist und am unteren Ende mit einer Riemenscheibe
und Aufhängungs- oder Antriebsmitteln versehen ist, durch welche die Welle in schnelle
Umdrehung versetzt werden kann. Abb. 3 ist ein wagerechter Schnitt nach der Linie
x-x der Abb. i.
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In Abb. i ist i die eigentliche elektrolytische Zelle, in der die
Elektrolyse unterworfene Salzlösung umläuft; 2 ist die Zelle, in der in ;der Regel
das Amalgam durch Wasser zersetzt wird; indem eine Lösung von Ätzkali entsteht.
Die beiden Zellen i und machen zusammen die Kellner-Solvaysche Vorrichtung aus.
; bedeutet die zylindrische Reaktionsvorrichtung, in die man nach der Erfindung
das aus der Zelle i kommende Quecksilberamalgam eintreten läßt, wobei man also die
Zelle 2 wenigstens teilweise ausschaltet. Mittels des Schöpfwerks 4. wird das Quecksilber,
das die Vorrichtung 3 verläBt, wieder in dem Kellner-Solvayschen Apparat in Umlauf
gebracht.
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Der Reaktionszylinder 3 ist in bekannter Weise mit einer höchst wirksamen
Rührvorrichtung versehen, ferner mit einem doppelten Mantel, dessen Zwischenraum
5 sowohl die Kühlung wie die Erhitzung des Gefäßes gestattet, je nachdem, wie es
gerade verlangt wird, ferner mit verschiedenen öffnungen zur Einführung eines Thermometers
und der verschiedenen zusammenwirkenden Stoffe und zum Entnehmen von Proben und
endlich mit verschiedenen Quecksilber-, Wasseru. dgl. Verschlüssen.
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Abb. 2 und 3 zeigen, wie schon bemerkt, eine zweite Form der Vorrichtung.
Auf die Welle 6 sind Scheiben oder Teller 7 aufgekeilt, die aus irgendeinem passenden
Stoff hergestellt und mit konzentrischen Vorsprüngen oder Zähnen 8 versehen sind.
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Gegenüber den. Scheiben 7 sind ebenso viele Scheiben -9 an den Teilkörpern
io angordnet, die das Gehäuse der Vorrichtung zusammensetzen. Die Scheiben 9 sind
ebenfalls mit konzentrischen Vorsprüngen oder Zähnen 9' versehen, die zwischen die
Zähne 8 der Scheiben 7 zu liegen kommen. 6' ist die Riemenscheibe zum Antrieb der
Welle 6.
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Zwischen einem Paar Scheiben 7, 9 und dem nächsten Paar sind Kammern
i i von dreieckigem Querschnitt angeordnet, in denen Dampf oderheißes oder kaltes
Wasser strömt.
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Die Wirkungsweise der Vorrichtung ist folgende: Das Alkaliamalgam
und der zu reduzierende Stoff, der in Wasser oder einem anderen Lösungsmittel aufgeschwemmt
ist, werden in dem aus den Einzelkörpern io aufgebauten Behälter durch die Löcher
12 des Deckels 13 eingeführt und tropfen über die trichterförmige schiefe Fläche
1 4. und durch die ringförmige Mittelöffnung 15 auf die Scheibe 8, die sie vermöge
ihrer schnellen Umdrehung zwingt, unter der Wirkung der Fliehkraft nach dem Umfange
zu fließen, wo sie durch. die Ringschlitze 16 von der ersten Scheibe auf die zweite
fallen usf.
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Der geschilderte Vorgang wird so oft wiederholt, als Teilkörper i
o in dem System vorhanden sind. Deren Anzahl hängt von -der chemischen Natur des
Verfahrens ab.
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In der Kammer 17, wo die ankommende Flüssigkeit frei von Alkalimetall
ist, entleert sich das Quecksilber mitsamt der wäßrigen, alkoholischen, acetonischen
usw. Flüssigkeit durch die Löcher 18. Das Quecksilber scheidet sich von dein Rest
vermöge seines grö-B.eren spezifischen Gewichts und wird durch ein gewöhnliches
Schöpfwerk in den Elektrolyseur zurückgeführt.
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Es versteht sich, daß die dargestellte Vorrichtung in der Praxis beträchtliche
Abänderungen erfahren kann, dementsprechend, daß sie z. B. dazu dienen kann, das
Quecksilberamalgam in der zu reduzierenden wäßrigen Lösung zu zerstäuben, und es
ist nicht ausgeschlossen, daß man, um eine innige. Berührung zwischen dem Amalgam
und den wäßrigen, alkoholischen usw. Aufschwemmungen zu erhalten, Vorrichtungen
benutzt, die als mehrfache Schleuderpumpen o. dgl. wirken.
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Einige Beispiele von Reduktionen, die mittels des vorliegenden Verfahrens
erreicht worden sind, werden die Art. der Ausführung des Verfahrens erläutern und
seine praktische Bedeutung ins rechte Licht setzen. Beispiel i. Darstellung von
Hydrazobenzol aus Nitrobenzol. In die Vorrichtung werden Zoo 1 einer i oprozentigen
Natronlauge und 2o kg Nitrobenzol eingefüllt, worauf das Amalgam zugeleitet und
das Rührwerk in Gang gesetzt wird. Man bemerkt alsbald,. wie das Quecksilber,
obgleich
es im Innern der Vorrichtung unter der kräftigen Wirkung des Rührwerks in winzige
Tröpfchen aufgelöst wird, sich wieder zu einer zusammenhängenden Masse vereinigt,
sobald es aus dem Bereich des Rührwerks kommt. Die Masse fließt sodann in höchst
regelmäßiger Weise durch die elektrolytische Zelle, die Rohre, Ventile und Flüssigkeitsverschlüsse.
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Während der ersten Stunden vom Beginn der Reaktion steigt die Temperatur
schnell und kann auf ungetähr 6o- C nur durch Kühlen erhalten werden. Wasserstoffentwicklung
ist nicht zu bemerken. Weiterhin läßt die Lebhaftigkeit der Reaktion nach, so daß
Heizen mit Dampf erforderlich ist, um die Temperatur zwischen 6o und 70`C zu halten.
Wenn die Flüssigkeit ganz farblos geworden ist, so ist die Reaktion vollendet. Das
gebildete Hydrazobenzol wird darauf schnell filtriert und gewaschen. Will man das
Hydrazobenzol in Benzidin verwandeln, so genügt es, es in einer stark sauren Lösung
von Salzsäure aufzuschwemmen, diese einige Zeit bis zur vollständigen Lösung im
Sieden zu erhalten und dann Natriumsulfat zuzusetzen. Man erhält so einen Niederschlag
von Benzidinsulfat. Die Ausbeute ist ganz befriedigend. Aus ioo Teilen Nitrobenzol
werden 99 bis 98 Teile Benzidinsulfat erhalten.
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Es sei erwähnt, daß das Filtrat vom Hydrazobenzol eine fast reine
Natronlaugeist, deren Menge natürlich: der Menge des angewendeten metallischen Natriums
entspricht. Dies Ätznatron kann gewöhnlich zu vielerlei Zwecken benutzt werden,
z. B. zur Herstellung von Seife, Natriumhypochlorit usw. Die nach Vollendung' der
Reduktion durch eine sorgfältige Filtnerung erhaltene Natronlauge von 36 bis 38'
Be enthält nicht Hydrazobenzol, da diese Verbindung unlöslich: ist.
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Aus dem Vorstehenden ergibt sich, daß im Gegensatz zu dem bisher gebräuchlichen
Verfahren die Herstellung von Hydrazobenzol nach dem vorliegenden Verfahren außer
Nitrobenzol nur den Wasserstoff eines elektrolytischen Bades erfordert, der bei
den meisten der bestehenden Anlagen überhaupt nicht ausgenutzt wird. Auf diese Weise
kann daher ein für die Farbenindustrie so äußerst wichtiger Stoff, wie das Benzidin,
so billig wie nur möglich hergestellt werden.
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Im Gegenteil zu den für die Herstellung des Hydrazobenzols bisher
angewandten Verfahren. wird die Reduktion des Nitrobenzols gemäß der Erfindung auf
einfache und fast quantitative We:se durch den Wasserstoff erreicht, der durch die
Zersetzung des bei der elektrolytischen Erzeugung von Ätzkalien mittels Quecksilberkathode
erhaltenen Sodiumamalgams frei geworden ist. Durch eine ganz ähnliche Reduktion
von Orthonitrotoluol, Orthonitroanisol usw. können Orthotoluidin bzw. Dianisin usw.
erhalten werden.
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Beispiel z. Darstellung von Anilin.
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Es werden die gleichen Versuchsbedingungen wie bei dem vorigen Beispiel
angewendet, nur daß mit dem Nitrobenzol reines Wasser ' in die Vorrichtung gefüllt
wird. Mittels einer geeigneten Einrichtung wird Salz- oder Schwefelsäure oder eine
andere Säure in den Apparat eingeführt, deren Menge der Menge des in dem Amalgam
enthaltenen Natrium-' metalls äquivalent ist. Die Lösung soll schwach saure oder
sogar neutrale Reaktion zeigen. Die Temperatursteigerung ist so heftig, daß sie
durch Kühlen gemäßigt werden muß. Das Nitrobenzol wird so quantitativ zu Anilin
reduziert.
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Die Zufuhr der erwähnten Säure wird derart geregelt, daß, wenn das
Quecksilber bei seinem Austritt aus dem Reduktionsayparat durch ein Lackmuspapier
geprüft wird, die-; ses eine neutrale oder ein wenig saure Reaktion anzeigt.
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Auf ähnliche Weise können Toluidine, Xylidine, Phenylen- und Toluil:endiamine,
Naphthylamine, aminosulfosaure Verbindungen, Aminoxy - Aminoxysulfo - Verbindungen
aromatischer Kohlenwasserstoffe usw. hergestellt werden. Aldehyd- und Keto-Verbindungen,
Nitrokarbonsäuren usw. können reduziert werden.
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Die angegebenen Verbindungen werden durch ein Verfahren erzeugt, das
ähnlich dem zur Herstellung des Anilins dienenden Verfahren ist.
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Die Wirtschaftlichkeit des Arbeitens nach dem vorliegenden Verfahren
in den erwähnten Fällen ist von Fall zu Fall zu prüfen.
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Manchmal empfiehlt es sich, statt reines ,Wasser und dann Salzsäure
oder Schwefel-; säure in den Apparat zu füllen, ihn mit einer Lösung von Natriumbikarbonat
oder Bisulfit ' zu beschicken und dann während der Reak-. tion einen Strom von Kohlensäure
oder schwefliger Säure einzuleiten, um das sich bildende Ätznatron zu neutralisieren.
Auf diese Weise kann die Alkalität oder Azidität der Lösung sehr gering gehalten
werden, entsprechend dem Grad der Hydrolyse der Alkalibikarbonateoder -bisulfite,
und am Ende der Reaktion können neben der reduzierten Substanz beträchtliche Mengen
von Karbonat, Bikarbonat, Sulfit oder Bisulfit erhalten werden.
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Die Gegenwart von Bisulfit befördert die Reduktion in erheblichem
Maße.
Beispiel 3. Darstellung von Paraminophenol.
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In einem Gefäß, ähnlich dem schon beschriebenen, das aber aus emaillierten
Eisen oder einer säurefesten Legierung besteht oder mit Emaille überzogen ist, wird
eine wäßrige Lösung von Schwefelsäure mit Nitrobenzol zusammengebracht. Die Temperatur
wird auf 75 bis 8o' C gebracht und auf dieser Höhe erhalten. Die Gewichtsverhältnisse
sind so zu bemessen, daß am Ende der Reduktion wieder eine stark saure Lösung erhalten
wird. Man benutzt z. B. Zoo kg einer Lösung von Schwefelsäure von 25° B6 und 2o
kg Nitrobenzol und erhält Paraminophenol in einer Ausbeute von 9o Prozent.
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Die Reduktion verläuft vollständig unter Bildung p-Aninophenolsulfat
und kleinen Mengen Benzidin- und Anilinsulfat.
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Auf ähnliche Weise kann eine Anzahl photographischer Entwickler erhalten.
werden sowie andere Erzeugnisse von gewerblicher Bedeutung, z. B. Diamidophenol,
Amidophenolkarbonsäuren und ihre Ester, die Amidophenolkarbonsäuren und ihre Ester,
die Amidop'henole der Chinolinreihe, die Ester des Amidophenols, die sich von den
alkylierten Nitroaminen ableiten usw.
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In einem wäßrig-alkoholischen Medium kann p-Phenitidin dargestellt
werden.
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Die Reaktion ist die. gleiche wie im Falle des Paraminophenols. Die
Temperatur sowie der Kreislauf des Amalgams werden von Fall zu Fall geregelt.
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Beispiel 4..
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Darstellung von Natriumhydrosullit und Sulfoxylaten. Das eben beschriebene
Verfahren kann auch zur Herstellung anorganischer Erzeugnisse dienen. Wenn z. B.
in eine Vorrichtung wie die beschriebene ein Strom schwefliger Säure in solcher
Menge eingeleitet wird, daß für jedes Molekül Sc'hwefligsäure-Anhydrid, 2 Atome
Natrium vorhanden sind, so bildet sich eine Lösung von Hydrosulfit, die, wenn sie
gehörig gekühlt wird, sich nicht zersetzt und bis zur Sättigung gebracht werden
kann.
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Wenn als Lösungsmittel für die schweflige Säure Wasser verwendet wird,
so erhält man Alkalihydrosulfite ,entweder in wäßriger Lösung oder mit Kristallwasser;
benutzt man statt dessen geeignete organische Lösungsmittel, wie Benzol oder Alkohol
usw., so erhält man wasserfreie Hydrosulfite. Wenn mit den andereny Zutaten Formaldehyd
oder Acetaldehyd oder Aceton in das Gefäß gebracht werden, so erhält man Sulfoxylate,
die wie die Hydrosulfite von der größten Bedeutung für die Färberei sind.
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Die chemischen Reduktionsverfahren, die liier beansprucht werden,
müssen als ein Ganzes aufgefaßt werden, da sie in ihrer Gesamtheit außer anderen
Zwecken das elektrochemische Reduktionsverfahren ersetzen sollen, dem sie in technischer,
wirtschaftlicher und praktischer Hinsicht offenbar überlegen sind. Das neue Verfahren
ist durchaus erfolgreich. selbst in Fällen, wo das elektrochemische Verfahren, wie
bei den Hydrosulfiten, gänzlich: versagt, während anderseits das neue Verfahren
im Vergleich zu den ge-
wöhnlichen chemischen Reduktionsverfahren alle die
Vorteile aufweist, die als ausschließliche und' kennzeichnende Merkmale der elektrochemischen
Verfahren angesehen werden.
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Die Reduktion von Salzen der Salpetersäure (Natriumnitrat) zu Ammoniak
in einer im wesentlichen gleichen Weise ist bereits bekannt; daher erstreckt sich
die vorliegende Erfindung nicht auf die Reduktion von Nitraten zu Ammoniak.