Schuppen 10: Hamburg-Krimi
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Über dieses E-Book
Die Eltern bei einem Autounfall verloren, die Tochter ertrunken, die Ehefrau erhängt: In der dunkelsten Stunde seines Lebens fasst der Hamburger Bestatter Julius Hassel einen folgenschweren Entschluss: Er will seine Familie zurück. EGAL OB TOT ODER LEBENDIG!
Im sechsten Fall der erfolgreichen Regionalkrimi-Reihe von Klaus E. Spieldenner wird es geheimnisvoll. Ein Serienmörder, eine explodierende Weltkriegsbombe an der Elbphilharmonie und konservierte Leichen strapazieren die Nerven der Leser auf ganz besondere Art.
Können die Hamburger Kommissare Lutteroth und Schweiss den schwierigsten Fall ihrer Laufbahn lösen oder werden sie am Ende sogar selbst zur Zielscheibe des Bösen? Müssen sie wirklich den letzten Joker ziehen, um das Rätsel endgültig zu lösen …?
Klaus E. Spieldenner
Krimi-Autor Klaus E. Spieldenner, Jahrgang 1954, gelang 2017 mit ELBTOD, dem 1. Kriminalroman über die Hamburger Elbphilharmonie, sein bisher auflagenstärkstes Buch. Inzwischen steht er mehr denn je für spannende Storyboards, umfangreiche Recherchen und außergewöhnliche Schauplätze „Made in Hamburg“. Ihm immer zur Seite: Seine Kommissarin Sandra Holz, die gemeinsam mit Spieldenner seit Jahren die Leser*innen in Atem hält. Sehr beliebt sind seine Buchlesungen: Kurzweilig, musikalisch aufgepeppt und immer mit dem gewissen Etwas.
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Buchvorschau
Schuppen 10 - Klaus E. Spieldenner
Prolog
3. März 2018
Die Wut in meinem Bauch war wieder da. Und sie war noch stärker geworden. Wie ein Stich mit dem Messer in meine Eingeweide, wie ein eingeklemmter Ischiasnerv schaffte diese komplexe Sinnesempfindung es, die von Nozizeptoren des peripheren Nervensystems ausgelöst wird, bei mir ein Gefühl der Ohnmacht entstehen zu lassen. Ohnmacht, die ich nicht zulassen durfte. Doch die Schmerzen waren so übermächtig, dass ich glaubte, mein Bauch blähe sich gleich auf und zerplatze dann wie ein angeschossener Kürbis. Ich griff mit beiden Händen daran, drückte und presste wie auf der Suche nach einem Ausschaltknopf, der alles beenden würde.
DOCH DIE HÖLLENQUALEN NAHMEN KEIN ENDE.
Um nicht aufzufallen, schob ich mich noch etwas weiter zurück in mein Versteck seitlich der Hecke, nur wenige Meter von der kleinen Trauergesellschaft entfernt. Fest umgriff ich den Schaft des Einhandmessers in der Hoffnung, die Schmerzen legten sich – doch es half alles nichts.
ESTHER G. RÖDER
* 11.04.1947
† 03.03.2018
stand auf dem billigen Holzkreuz, das der Mann in Schwarz zwischen die drei Trauerkränze in den Boden wuchtete. Die Bestattung hier auf dem Friedhof in Ottensen hatte nur wenige Minuten gedauert und bestand eigentlich nur aus einem Gebet des Pastors vor der Grabstätte. Und natürlich dem Herablassen des Sarges in die Grube. Röder hatte es wahr gemacht und einen der billigen Wohnzimmerbestatter gewählt. Seine Unverfrorenheit machte mich rasend.
ICH HÄTTE NIE ZUGESTIMMT, DASS MEINE LIEBEN SO UNPERSÖNLICH BEIGESETZT WORDEN WÄREN.
Allein der Gedanke daran brachte mich fast um. Die Trauergesellschaft selbst bestand aus nicht einmal zehn Personen – inklusive Bestatter und dem Pfarrer. Die schlecht gekleideten Sargträger hatten gerade den Platz Richtung Leichenhalle verlassen und auch die erwachsenen Kinder der verstorbenen Frau Röder machten sich nun schnellen Schrittes auf den Weg zum Parkplatz.
ER MUSS STERBEN!
Endlich hatten meine Schmerzen etwas nachgelassen, ebenso wie der anhaltende Nebel, der heute Morgen meine Anfahrt hier nach Altona erschwerte. Willibald Röder – Ehemann der Toten, das konnte ich beobachten – stand während der gesamten Zeremonie teilnahmslos hinter der kleinen Gruppe an Trauergästen. Während vorne die Kinder des Ehepaares Röder Abschied von ihrer Mutter genommen hatten, fasste der alte Mann seiner um etliche Jahre jüngeren Freundin an den Hintern. Nur mit Mühe hielt die Frau ein dämliches Lachen zurück und boxte Röder fest in die Seite.
ER MUSS STERBEN!
„Wissen diese Menschen nicht, was sich gehört?", wollte ich schreien. Doch ich unterdrückte es.
Eine der beiden Töchter der Verstorbenen hatte sich schon während der Beerdigung mehrfach umgewandt und ihren Vater mit bösen Blicken gestraft. Doch Röder schien das völlig egal.
ER IGNORIERT JEGLICHES PIETÄTSVERHALTEN! ICH VERLANGE EHRFÜRCHTIGEN RESPEKT UND TAKTVOLLE RÜCKSICHTNAHME.
Gelangweilt hatte der Witwer an der gesamten Beisetzung teilgenommen. Hin und wieder hatte er sogar auf die Uhr geschaut. Aus der Nähe konnte ich das alles verfolgen und es hatte mich unendlich verletzt.
Plötzlich und unerwartet trat Röder an die Grube. Ich hielt den Atem an. Ob ich ihn doch falsch eingeschätzt hatte? Trauerte er tatsächlich um seine langjährige Ehefrau und die Mutter seiner Kinder? Wollte er es nur nicht öffentlich machen? Ein seltsames Geräusch kam aus seiner Richtung. Ein Geräusch, als zöge Röder Schleim tief aus seinem Hals. Erst glaubte ich mich verhört zu haben. Doch plötzlich spuckte der Mann in das offene Grab. Dabei lachte er laut und warf den Kopf in den Nacken. So ein Ignorant! Ich fühlte Eiseskälte und es wurde mir schwindelig vor Augen.
ER MUSS STERBEN!
Röders Freundin war schon losstolziert. Ich registrierte es, als der Schwindelanfall nachließ. Auch Röder verließ seinen Platz.
Der alte Mann selbst warf plötzlich einen Blick in meine Richtung. Aufrecht und stolz trat ich aus meiner Deckung auf ihn zu. Ganz nah stand ich vor ihm. Röder stutzte! Er blieb stehen – wollte etwas sagen. Doch noch bevor ein Wort seine Lippen verließ, zog ich ihm mit einem schnellen Schnitt das Resolza-Messer quer über seinen faltigen Hals.
ES WAR SO EINFACH!
Es gab ein dünnes Geräusch, so als wenn man Pappe mit einem Teppichmesser schneidet. Freude kam in mir auf. Und ein Gefühl von Genugtuung. Dieser Augenblick würde mich mein Leben lang begleiten – da war ich mir sicher.
EIN KLEINER SCHNITT FÜR DEN MENSCHEN RÖDER – DOCH EIN GROSSER SCHNITT FÜR DIE MENSCHHEIT UND ALLE, DIE IHRE FAMILIEN NICHT ZU SCHÄTZEN WUSSTEN. FÜR ALLE KONSUMBLINDEN MENSCHEN UND FÜR DIE UNDANKBAREN. ENDLICH GING ES DENEN AN DEN KRAGEN, DIE ABGESTUMPFT WAREN.
Ich musste lachen über meinen Vergleich mit den Worten Neil Armstrongs nach der ersten Mondlandung.
ER MUSS STERBEN!
Fassungslos schaute mich Röder an. Er griff wie in Zeitlupe an seinen verletzten Hals, so als wolle er das schon Geschehene noch verhindern. Ich musste erneut lachen. Blut trat aus der Schnittwunde unter Röders Kinn. Erst nur wenig, doch dann strömte es rot, wie ein kleiner Wasserfall, zwischen Röders Fingern hindurch. Der Mann begann zu würgen.
„Na komm, spuck noch einmal", warf ich ihm laut in sein angsterfülltes Gesicht. Er streckte die Hand aus. Griff an das Revers meiner Jacke. Er bettelte um Erbarmen, doch es war zu spät. Ich schob seine Hand weit von mir weg, wollte nicht besudelt werden von seiner Körperflüssigkeit.
Röders Freundin war indessen stehen geblieben und drehte ihren Kopf in unsere Richtung. Ich konnte es seitlich aus den Augenwinkeln sehen. Sie schaute, als verstehe sie die Welt nicht mehr. Aber was sollte ich mit ihr machen?
Mein Blick glitt zurück auf Röder, er kniete nun, blutete aus wie eine angestochene Sau. Ich durfte als Schüler mal einer Schlachtung auf einem Bauernhof beiwohnen. Sie hatte mich damals nicht bewegt. Der riesige Blutverlust Röders ließ mich auch jetzt kalt. Noch immer galt mein Gedanke dieser dämlichen Frau. Seiner Komplizin!
HATTE SIE IHR RECHT AUF LEBEN UND UNVERSEHRTHEIT – WIE IM GRUNDGESETZ VERANKERT – AUCH VERWIRKT?
„Ja!" Ein kompromissloses Ja! Denn in keinem Moment hatte sie mir dieses Feingefühl gezeigt, das ich bei der Trauer um einen Menschen erwartet hatte. Sicher war sie keine direkte Angehörige. Aber egal.
SIE HATTE KEIN RECHT MEHR ZU LEBEN.
Während Röder selbst inzwischen zuckend und röchelnd rücklings vor dem offenen Grab lag, war ich mit zwei, drei großen Schritten bei der knapp 40-jährigen Blonden angelangt. Erstaunt darüber schaute sie erst in mein Gesicht, dann auf meine Hand. Sie wollte die Arme hochreißen – wollte schreien! Vergebens! Das teure Messer drang in sie ein wie in Butter. Ich hatte ja auch oft genug den Schnitt an Leichen geübt. Stöhnend fiel die Blonde vor meine Füße. Erst auf die Knie, sie versuchte, den Kopf zu heben.
„Nein, jetzt nutzt auch deine Entschuldigung nichts mehr!"
Ohne ein Wort kippte sie vornüber, zuckte noch eine Zeit lang. Dann war Stille. Die Arbeit war getan.
... UND SIE MUSSTEN STERBEN!
Teil 1
Der Friedhofskiller
Das einzig Wichtige im Leben sind Spuren von Liebe,
die wir hinterlassen, wenn wir gehen.
Albert Schweitzer
Kapitel 1
Fünf Monate zuvor
Der Tod schmeckt süß. Eigentlich ist es die Atemluft während einer Feuerbestattung, in der diese gewisse Süße wahrnehmbar ist. Die Kombination – verbrannter Mensch plus verbrannter Sarg – macht es meiner Meinung nach aus. Sicher spielt auch die Holzart des Sarges eine kleine Rolle. Vielleicht auch die letzte Kleidung des oder der Toten. Aber das ist allein meine These und ich teile sie mit niemandem. Diese aufdringliche Ausdünstung, die den teilnehmenden Familienangehörigen während der Zeremonie so viel Probleme bereitet, beeinflusst seit eh und je sowohl meine Geschmacks- als auch meine Geruchsorgane. Inzwischen ist es eine der wenigen Freuden, die mich bei meinen mehr als zweihundert Feuerbestattungen jährlich begleitet.
Der Parkfriedhof Ohlsdorf als solcher ist – seit ich die Geschäftsführung des Familienunternehmens Hassel im Jahr 2011 übernommen hatte – unter den zahlreichen Hamburger Friedhöfen mein absoluter Favorit. Sicher ist das – wie bei Handwerkern der bestsortierte Baumarkt und bei Hausfrauen der günstigste Drogeriemarkt – rein subjektiv. Das Ergebnis zählt, doch der tagtägliche Umgang mit Leid und Tod macht einen schon etwas sonderbar. Mich vor allem.
„Es tut mir so wahnsinnig leid, werter Herr Hassel!"
Ich erschrak über diese Worte und machte automatisch einen Schritt rückwärts. Fast wäre ich gegen den vor dem Verbrennungsofen abgestellten Gabelstapler gerannt. Was hatte Dr. Wicht gesagt? Ach ja, er hatte kondoliert. Schon das zweite Mal für heute und ich versuchte, mein aufgesetztes Trauergesicht noch einmal zu intensivieren.
„Vorsicht! Ich denke mir, dass es Ihnen nicht gut geht. Wollen Sie sich nicht besser setzen? Es ist unsagbar stark von Ihnen, der ... also der Feuerbestattung Ihrer lieben Ehefrau von Anfang an beizuwohnen. Ich wüsste nicht, ob ich je ...?"
Dr. Carsten Wicht, für den Bereich zuständiger Amtsarzt, fuhr sich – ähnlich wie der US-Präsident Donald Trump – über sein imaginäres Deckhaar. Dieses war ihm schon vor Jahren ausgegangen und seit ich mit ihm arbeitete, schob er sich die restlichen Seitenhaare in eine aussichtslose Position. REDEN, REDEN, GEREDE! Wie satt hatte ich das alles! Es war nie mein Wunsch gewesen, Bestatter zu werden. Bestatter, wie Vater, mein totes Vorbild. Oder wie Onkel Wolfgang, der selbstlos sofort nach unserem Autounfall 1984 die Leitung des Unternehmens übernommen und mich wie seinen eigenen Sohn aufgezogen hatte. All dieses Gerede über den Gut-Menschen, der dann nach seinem Tod vor der Familie, den Freunden und mir abschließend in einer bedeutungslosen Holzkiste lag. Die verstorbene Frau und Mutter, die sich für ihre Familie aufgeopfert hatte. Oder der Mann und Vereinskollege, der bis zum Ableben für seine Kameraden alles gegeben hatte. Diese Lügen, diese überzogenen Lobhuldigungen. Inzwischen schmerzten sie mich. Ich hatte schon lange an Ohrenpfropfen gedacht, die ich während den verlogenen Bestattungen einsetzen wollte. Aber dazu musste ich erst mein Haupthaar länger wachsen lassen, sonst fiel meine Teilnahmslosigkeit auf. Und ein langhaariger Bestatter, nein ..., aber eigentlich war mir alles egal. Ich sollte das Unternehmen verkaufen. Jetzt wo mich Silvana, meine Ehefrau, auch noch alleine gelassen hatte. Das und mehr ging mir durch den Kopf, während dieser Idiot von Amtsarzt Sinnloses auf mich einredete. Doch ich musste auch dankbar sein. Dankbar darüber, dass Dr. Wicht meinem Wunsch, die Totenschau bei mir im Hause durchzuführen, nachgekommen war. Das konnte für ihn großen Ärger bedeuten – wenn es aufflog. Ich hatte es meinen guten Beziehungen zugeschrieben. Aber sicher war es das gute Verhältnis, das Papa bis zu seinem Tode 1984 mit dem damals noch jungen Hamburger Amtsarzt aufgebaut hatte. Und das mein Onkel bis zu seinem Ableben weitergepflegt hatte. Amtsarzt Dr. Wicht ging im nächsten Jahr in den Ruhestand. Wahrscheinlich war dies auch der Grund, bei mir von den strengen Vorschriften einmal abzuweichen.
Der teure Holzsarg mit meiner vermeintlichen Gattin als Inhalt loderte schon eine Weile in den Flammen. Es erinnerte mich an einen Pizzaofen, aus dem in jedem Moment eine knusprige „Vierjahreszeiten zu erwarten war. Das plötzliche Hungergrummeln meines Magens schien zum Glück niemand gehört zu haben. Die Wärme – hier im Krematorium an diesem Novembertag 2017 – empfand ich als äußerst angenehm. Draußen herrschten Minustemperaturen. Aber war jemand, der die Wärme genoss, die durch die verbrennende Ehefrau entstand, nicht komplett verrückt? Gut, sie lag ja nicht wirklich im Ofen, entschuldigte ich mich bei mir selbst und wollte nicht weiter darüber nachdenken. Auf jeden Fall gab es kein Zurück mehr. Meine innere Unruhe legte sich langsam. Noch nie hatte man eine Feuerbestattung unterbrochen, den Ofen abgeschaltet und den angekokelten Sarg zurückgeholt. Zumindest in all den Jahren nicht, in denen ich mit dem Tod umging. Das war sicher auch technisch nicht ganz so einfach. Also würde es niemandem auffallen, dass in diesem rotgelb lodernden Sarg – knapp einen Meter neben uns – nicht meine geliebte Silvana lag und zu Asche verbrannte. Und den toten Obdachlosen, den ich als Gewichtsausgleich vor der Abfahrt gegen meine Ehefrau ausgetauscht hatte, würde ebenfalls niemand vermissen. Zumal seine Habseligkeiten gerade mit ihm verbrannten. „Wolfram Gerber
, hatte auf seinem Personalausweis gestanden. Er war zwanzig Jahre älter als ich und an Unterkühlung verstorben.
Ich hatte den glücklichen Moment, für diesen alten Obdachlosen eine Sozialbestattung durchführen zu dürfen, genutzt und seine Papiere verschwinden lassen. Das war eine Lücke in den Gesetzen. Kaum einer überprüfte bei solchen Außenseitern, ob sie auch tatsächlich unter die Erde gebracht oder verbrannt wurden. Jeder Verantwortliche war froh, wenn ein anderer die Verpflichtung dafür übernahm.
SO HATTE ICH PLÖTZLICH EINE LEICHE ÜBRIG.
Ich wollte Silvana nach ihrem Tod auf keinen Fall hergeben und es war mir gelungen. Plötzlich fielen mir die makellosen Zähne und die Unversehrtheit von Silvanas Leiche ein. Würden sich die Männer hier im Krematorium nicht wundern, wenn aus der Asche ein Gebiss oder gar künstliche Körperteile auftauchten? Eiskalt lief es mir den Rücken herunter. Ich hatte in der Eile vergessen, den Obdachlosen genauer zu untersuchen. Aber wenn schon – VERBRANNT WAR VERBRANNT.
*
Als mich die Retter – am 11. November 1984 – aus dem Renault Espace schnitten, war ich der einzige Überlebende der Familie Hassel. Mit acht komplizierten Brüchen – sechs davon an den Beinen, zwei an den Armen – flog man mich nach Bremen in die Uniklinik. Schon den Flug mit dem Rettungshubschrauber bekam ich nicht mehr mit, auch nicht die zahlreichen Operationen. Erst am 3. Mai 1985 durfte ich wieder am Leben teilnehmen. Man holte mich aus dem künstlichen Koma zurück. Es war wie eine Neugeburt. Nur dass das Gehirn des 12-jährigen Jungen schon ausreichend mit Details und Informationen vom Leben gefüllt war. Nicht aber mit aktuellen Erinnerungen. Ich wusste – auch Tage nach dem Aufwachen – nichts von unserem Unfall. Onkel Wolfgang, der im Krankenhaus ein Nachbarzimmer belegte, um in meiner Nähe zu sein, informierte mich nach und nach über das damalige Geschehen. Und über den Verlust meiner gesamten Familie.
„Du bist ein tapferer Junge ..., so fingen viele von Onkels Krankenhauserzählungen an. Sie endeten mit: „... es wird schon alles gut werden!
Sätze, Phrasen – aber für einen kleinen 12-jährigen Jungen ein Manifest.
„Du hattest mehrere Brüche, Julius. Die Ärzte haben alles gegeben und vor allem, Gott hat mitgespielt." Onkel Wolfgang weinte mir in diesen Maitagen 1985 die Bettdecke voll und ich verstand damals nicht viel. Mich wunderte anfangs nur, dass Papa und Mama nicht da waren und mir beistanden. Aber auch als mir alles bewusst wurde, wollte ich es nicht verstehen. Aber zu diesem Zeitpunkt hatte ich keine Tränen mehr.
*
„GOTT HAT MITGESPIELT". Die Worte erschienen mir unglaubwürdig und dumm. Doch erst Tage, gar Monate später wurde ich mir über deren Tragweite bewusst. Der Unfall auf der A1 hatte sieben Tote zu beklagen.
ICH HATTE ÜBERLEBT!
Meine Familie plus einen Lkw-Fahrer, auf dessen stehendes Fahrzeug wir ungebremst aufgefahren waren. Der Niederländer war wohl aus irgendeinem Grund ausgestiegen und um seinen Lkw gelaufen, als Papa ihn mit dem Renault Espace einklemmte. Für den 43-Jährigen kam jede Hilfe zu spät.
ICH HATTE ÜBERLEBT!
Papa war wohl auch sofort tot, auch Opa und meine beiden kleineren Geschwister. Nur Mama und Oma hatten den Unfall noch überlebt, sie starben jedoch auf dem Weg ins Krankenhaus. Das erfuhr ich im Laufe der nächsten Monate. Ich selbst hatte wochenlang geschlafen und war trotzdem beim Aufwachen noch müde.
UND ICH HATTE ÜBERLEBT!
Es wollte nicht in meinen Kopf, warum das alles geschehen war und vor allen Dingen, warum ausgerechnet meiner Familie? Kindlich naiv bat ich den Arzt, mir noch einige Wochen Koma-Ruhe zu gönnen. Dies und mehr erzählte mir später Onkel Wolfgang, als ich zu Hause bei den ersten Gehversuchen durch die zahlreichen Räume unseres Hauses humpelte. Durch Räume, die menschenleer waren und vor Eiseskälte strahlten. Sie waren so ohne jegliches Leben und vor allem ... ohne Familie. Wolfgang erklärte mir auch, nun mein Vormund zu sein. Der Onkel hatte sofort nach dem Unfall Verantwortung übernommen, sein Haus im emsländischen Haren vermietet, den Job als Einkäufer einer Maschinenbaufirma gekündigt und war nach St. Pauli in unser Wohnhaus gezogen.
ER UND ICH WAREN NUN DIE LETZTEN DER FAMILIE HASSEL.
Wolfgang hatte auch das Bestattungsunternehmen übernommen, sofort einem von Papas Angestellten vorläufig Prokura erteilt und alles getan, um das Geschäft mit den Toten weiterlaufen zu lassen.
„Es ist alles im Sinne meines Bruders, deines Papas, Julius. Und es wird später dein Erbe sein – so Gott will." Er hatte mir über den Kopf gestreichelt und gestöhnt.
ES WAR DER TAG, AN DEM ICH GOTT ABGESCHWOREN HATTE – FÜR IMMER.
Kapitel 2
Ich lief schon seit einer Weile unruhig vor der Kühlzelle im Untergeschoss des Bestattungsunternehmens hin und her. Die letzten Monate hatte das Geschäft stark gelitten und ich war nicht unschuldig daran. Ich musste schon vor Wochen einen der drei Mitarbeiter entlassen. Zu Zeiten des inzwischen verstorbenen Onkels hatten wir sogar sechs Angestellte. Doch die Reduzierung an Bestattungsaufträgen hatte auch etwas Gutes: Silvana lag ganz alleine in der Kühlzelle. Keine weitere Leiche störte ihre Totenruhe. Und endlich war es so weit.
Das Wohnhaus war leer. Irmi, das Hausmädchen, und auch die Reinigungskraft hatten sich schon vor einer knappen Stunde verabschiedet. Ich hatte durch die Verbindungstür im Hausflur den Unternehmensbereich betreten, die Treppen nach unten genommen und die Verriegelung der Edelstahltür geöffnet. Automatisch schaltete der Bewegungsmelder das warme Licht ein. Ich erinnerte mich ein weiteres Mal daran, dass der Onkel diese Lampe hatte installieren lassen. Er fand, die Leichen sahen irgendwie besser aus. Vor Jahren hatte er einmal das Wort „fröhlicher" benutzt und wir beide mussten damals lauthals lachen. Nun war der Onkel schon zwei Jahre tot und sein Abschied hatte mir wieder ein Stück aus meinem Herzen gerissen. Er starb – 64-jährig und viel zu früh – an einem Herzinfarkt. Zum Glück nicht durch einen Verkehrsunfall.
*
Silvana lag im schönsten Kleid, das ich finden konnte, auf einer der Edelstahl-Bahren. Genau in der Mitte des gekühlten Raumes. Alles, was stören würde, hatte ich nach draußen geschoben und im angrenzenden Lagerraum abgestellt. Ich hatte meiner verstorbenen Ehefrau – statt des üblichen weißen Totenhemdes – ein buntes Kleid übergezogen. Eines mit Blumenmuster, um das ich beim Einsargen so oft von den Hinterbliebenen gebeten wurde. Erst sollte es ihr Lieblings-Tangokleid sein, aber das fand ich dann doch unpassend. Obwohl, inzwischen gab es bei Bestattungen kaum noch etwas, was mich hätte überraschen können: Särge in Neonfarben, Heavy Metal-Bands, die beim Abschied spielten, und Kinder, die mit ihren Farbeimern während der Messe auf den Holzsärgen herumturnten und sie bemalten. Aber auch tote FKK-Anhänger, die man nackt beisetzte, andere gar in ihren Arbeitsanzügen. In diesem Metier war vieles anders geworden – bunter. Pietät war Kreativität gewichen – oder durch Ablenkung ersetzt worden. Doch eines war noch immer das Gleiche geblieben: DER MENSCH IN DER HOLZKISTE WAR TOT. Und dieser Zustand dauerte an.
Silvana war noch immer wunderschön. In den Monaten nach dem tödlichen Unfall der gemeinsamen Tochter, unseres kleinen Sonnenscheins, am Neujahrstag des Jahres 2015 hatte meine Frau sich äußerlich kaum verändert. Dunkle Augenringe vielleicht, auch ein graues Haar war bei der damals 34-Jährigen aufgetaucht. Und sie hatte sicher auch das eine oder andere Kilogramm abgenommen. Aber in ihrem Innersten wusste ich um die dramatischen Veränderungen. Als unsere fast dreijährige Ruby in den Swimmingpool fiel und später – nach tagelangem Bangen – nicht mehr aus dem Koma aufgewacht war, starb Silvana innerlich. Der Tod des einzigen Kindes höhlte sie aus. So wie man aus einem Brötchen das Weiche herauspult. Danach bestand sie nur noch aus einer funktionierenden Hülle. Am Leben gehalten von zig verschiedenen Psychopharmaka-Tabletten. Mir war schon damals klar, der Tag des Abschieds würde kommen. Und dass ich sie nicht aufhalten konnte. Vor allem, als ich sie danach nie wieder zum gemeinsamen Tangotanzen überreden konnte. Und so kam es auch: GENAU HEUTE VOR EINER WOCHE HATTE ICH MEINE FRAU NACH DER RÜCKKEHR VON EINER BESTATTUNG TOT AUFGEFUNDEN UND VOM DECKENHAKEN GESCHNITTEN.
Von dem Haken, den wir montieren ließen, um die kleine Ruby oben in ihrem rosafarbenen Zimmer schaukeln zu können. Warum hatte ich damals nur gebeten, einen stabilen Lastendübel zu verbauen? Ruby hatte nie an diesem Haken geschaukelt.
Annähernd drei Jahre lang war ich in angespannter Erwartungshaltung auf diesen Tag. Vielleicht verursachte Silvanas plötzlicher Suizid aus diesem Grunde bei mir auch kaum Gefühlsregungen. Ich wunderte mich selbst darüber und staunte. Doch ich verglich ihr Ableben mit einem Auto, dessen Mobilität nur noch begrenzt anhalten würde. Um dann auf dem Schrottplatz zu enden. Pietätsbekundungen von Angestellten und Kunden erwiderte ich stets mit einem Schulterzucken. Ich zog mich zurück und konzentrierte mich auf meine Arbeit.
*
Der Geruch des Todes brachte meine Gedanken zurück in die Gegenwart und ich nahm nun die tote Silvana vor mir auf der Bahre wieder wahr. Die auffälligen Würgemale am Hals, die durch die Strangulierung entstanden waren, hatte ich – wie so oft schon in meinem Berufsleben – dick mit hautfarbener Paste eingeschmiert und abgedeckt. Silvana lag vor mir, als schliefe sie, und ich nahm ihre eiskalte Hand und kniete mich daneben. Der Entschluss, sie nicht wegzugeben, war ganz plötzlich in mir aufgekeimt. Erst hatte ich nicht weiter über irgendwelche Konsequenzen nachgedacht. Doch dann packten mich der Ehrgeiz und meine Liebe zu ihr. Man hatte mir 1984 meine Eltern, die Geschwister und die Großeltern genommen. Hatte sie ohne mein Einverständnis auf dem Ohlsdorfer Parkfriedhof in ein Familiengrab gebettet. Alle sechs in eine Grube, was Onkel Wolfgang wohl nur durch finanzielles Zutun gelungen war. Nie wieder hatte ich Gelegenheit, meine restliche Familie nach dem Unfall zu sehen. Weder tot noch lebendig. Es war mir nicht vergönnt, Abschied nehmen zu dürfen. Wenn ich heute – wie fast wöchentlich – vor ihrem riesigen Grabstein stehe und auf die Erde niederschaue, wollte ich immer noch nicht glauben, dass sie tatsächlich dort unten lagen und dem Zahn der Zeit ausgeliefert waren. Meine kleine Ruby legten sie damals an diesem Januartag in einen weißen Holzsarg. Und bevor ich etwas dagegen tun konnte, hatte man mir und Silvana ein Beruhigungsmittel gespritzt, und wie in Trance nahmen wir an der Bestattung des kleinen Körpers teil. Wie ein Film lief alles vor mir ab. Einen Film, den ich abstoßend fand, trotzdem anschaute und nicht ändern konnte. Alles, was mir lieb war, hatte man mir weggenommen – MIT SILVANA WÜRDE MIR DAS NICHT ERNEUT PASSIEREN.
Ich erhob mich nun wieder und küsste Silvana auf ihre kalten Lippen. Irgendwie war es wie immer. Ihre leichten Durchblutungsstörungen verursachten schon zu Lebzeiten kalte Lippen bei ihr und am Anfang unserer Beziehung hatte sie gelacht und erklärt: „Du wirst noch an mir festfrieren." Der Gedanke daran drückte Tränen in meine Augen und ich musste mich für einen Moment abwenden. Es war an der Zeit zu überlegen, wie es weitergehen sollte.
Ich hatte den Angestellten über das kommende Wochenende freigegeben, ihnen meine Trauer als Grund erklärt. Sie hatten verstanden. Auch den geschäftlichen Anrufbeantworter hatte ich besprochen und die Rufnummern anderer Bestatter für einen eventuellen Trauerfall genannt.
ICH HATTE 48 STUNDEN.
*
Die Leiche Silvanas hatte ich inzwischen aus der Kühlzelle in den daneben liegenden Hygieneraum geschoben und dort auf den Arbeitstisch gelegt. Der Hygieneraum war zur Vorbereitung von Leichen vor der Abschiedsnahme eingerichtet worden und zur erweiterten hygienischen Versorgung, wie zum Beispiel zum Herrichten von schwer verletzten Toten nach Unfällen. Ein großzügiges Raumangebot und helles Licht sorgten hier in den Räumen im vollständig gefliesten Untergeschoss von Hassels Bestattungsunternehmen für ein angenehmes Arbeiten. Es war schon seltsam, welche Gefühle in mir geweckt wurden, als ich an die Aufgabe dachte, die vor mir lag: DIE EIGENE EHEFRAU EINBALSAMIEREN ZU WOLLEN.
Silvanas Suizid war inzwischen schon sieben Tage her. Am 27. Oktober 2017 hatte ich sie tot aufgefunden. Nun war es an der Zeit, diese Arbeit zu verrichten. Ich schaltete den CD-Player ein. Sekunden später war der Raum erfüllt von ,El Tango de Roxanne‘ aus dem Musical-Filmdrama ,Moulin Rouge‘. Der Song war zu unserem absoluten Lieblingslied geworden. Konnte ich früher mit den Liedern von ,The Police‘ nichts anfangen, hatte es dieser Tango mir, aber auch Silvana angetan. Hunderte Male tanzten wir danach. Er war zu unserer Hymne geworden. So
