Tannenblut: Krimi-Kurzgeschichten zum Fest
Von Klaus-Peter Wolf, Gaby Kaden, Micha Krämer und
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Über dieses E-Book
Und auf keinen Fall etwas schlucken, von dem man nicht genau weiß, was es ist!
Niemand kann sich sicher sein, der in der besinnlichen Weihnachtszeit auf das Fest der Liebe wartet. Denn das Böse lauert überall – mal im roten Kostüm, im Dunkel beschneiter Tannen, aber vor allem im Eis gebrochener Herzen.
Lassen Sie sich fesseln: Unsere Autoren halten heiter-skurrile, berührende und bittersüße Präsente für Sie bereit – Krimi-Kurzgeschichten, ohne die Ihnen in der Weihnachtszeit etwas fehlen würde!
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Buchvorschau
Tannenblut - Klaus-Peter Wolf
Hoch oben in den
Tannenspitzen
Gaby Kaden
Tödliche Schwestern
Langsam zog das schmale Ruderboot aus Richtung Küste kommend seine Bahn durch die schwarze Nacht. Nebelschwaden hingen tief über dem Wasser des kleinen Flüsschens Harle. Aus dem Nebel rieselte ganz feiner Schneegriesel, legte sich wie Puderzucker über die Landschaft. Niemand war zu sehen. Die Uferpromenaden rechts und links schienen menschleer, wie ausgestorben. Kein Wunder, um diese Uhrzeit. Die Menschen schliefen nachts um vier in dem kleinen Küstenort. Nur zwei Personen nicht. Die eine schlug die Ruder sanft in das eiskalte Wasser, leise, um so wenig wie möglich Geräusche zu verursachen. Die andere peilte am Bug des Bootes den Weg durch den Nebel, gab Kommando: „Mehr rechts, mehr links, so ist es gut …, weiter so …"
Ihr Ziel war klar. Der „Schwimmende Weihnachtsbaum", ein weitbekanntes und beliebtes Wahrzeichen im Hafen von Carolinensiel. Sie wollten ein Exempel statuieren. Alle sollten es sehen, alle sollten ihn sehen, irgendwann. Nicht heute, nicht morgen, aber spätestens, wenn der Baum im Januar wieder abgebaut werden würde. Sie waren zu zweit im Boot und … nein, zu dritt! Zwischen den beiden Frauen lag ein Mann! Tot! Erstochen mit sechs Messerstichen. Drei für jede, so hatten sie es sich ausgemalt, so hatten sie es auch ausgeführt! Neben dem toten Mann waren fein säuberlich ein Seil und eine Zange drapiert. Mehr brauchten sie nicht.
Lange hatten sie sich überlegt, wie er zu bestrafen wäre. Erbarmungslos sollte es sein, so erbarmungslos, wie er mit ihnen umgegangen war. Grausam, so grausam, wie er zu ihnen gewesen war. Mitleid hatten sie keines, so wie er auch mit ihnen nicht!
Das Letzte, was sie jetzt noch tun mussten, war, ihm den rechten Zeigefinger abzutrennen. Den Finger, mit dem er ihnen im Taschenrechner seines Handys immer wieder vorgerechnet hatte, welch enorme Rendite die Geldanlage bringen würde. So hatten sie es beschlossen, so musste es ausgeführt werden.
Sie waren auf diesen Anlageberater, der vor einiger Zeit bei ihnen auf dem Hof aufgetaucht war, hereingefallen und nun arm wie die Kirchenmäuse. Alles Ersparte war verloren, ihr Hof mit hohen Hypotheken belastet. Lange würden sie dort nicht mehr wohnen können. Aber das alleine war nicht ihr Problem. Sie wollten heiraten, hatten im Internet zwei Männer kennengelernt. Eine andere Möglichkeit gab es für die beiden Frauen nicht. Zu viel war auf dem Kartoffelhof in Ostfriesland zu tun. Das Internet darum eine ideale Plattform, auch ohne an Tanz- oder anderen Veranstaltungen teilzunehmen, einen Mann kennenzulernen. Cludius und Jakob hießen die beiden Brüder, stammten von einem Apfelhof aus dem „Alten Land" und wurden von ihren Eltern nach Apfelsorten benannt.
Welch ein Zufall!
Aber nun war alles vorbei. Würden die Männer wirklich zwei bettelarme, nicht mehr ganz junge Frauen heiraten?
Das Seil hatten sie zu einem Galgenstrick geknotet und dem Mann um den Hals gelegt. Daran sollte er hängen. Am „Schwimmenden Weihnachtsbaum", der am Vortag im Museumshafen aufgestellt worden war, wollten sie ihn hochziehen und dort hängen lassen, bis man ihn im Januar finden würde. Eiskalt hatten sie es geplant. Eiskalt wie das Wasser der Harle, durch das sie nun glitten und das kurz davor war, sich in Eis zu verwandeln.
Jede der beiden Frauen wusste, was zu tun war. Sie kannten sich aus, waren Hiesige. Bintje und Linda, von den Eltern nach Kartoffelsorten benannt.
Welch ein Zufall!
„Bintje, gleich sind wir da, ich übernehme die Ruder und treffe dich am Baum."
Die angesprochene Bintje nickte stumm, formte mit den Lippen: „Okay, Linda!" Mehr kam nicht, denn Bintje war stumm. Im Hafen angekommen, sprang sie aus dem Boot, lief geduckt zielstrebig auf einen Sicherungskasten zu. Mit gekonntem Griff war nun auch der Hafen, der gerade noch weihnachtlich beleuchtet strahlte, in tiefes Schwarz getaucht. Linda legte das Boot am Ponton unter dem schwimmenden Baum an und machte es fest.
Sie verstanden sich blind, selbst in der Dunkelheit saß jeder Handgriff. Kurz darauf sprang Bintje wieder zurück ins Boot.
Sie half ihrer Schwester, den toten Körper des Mannes aufzurichten, zog den Strick enger um seinen Hals und klopfte Linda dann auf die Schulter. Die verstand, legte die tote Hand auf die Bank des Ruderbootes und versuchte sie zu spreizen. Dann nahm Linda die Zange, um ihm den Zeigefinger abzutrennen. Aber das war inzwischen gar nicht so einfach. Bedingt durch die Kälte – oder hatte schon die Leichenstarre eingesetzt? – ließen sich die einzelnen Finger nicht mehr wirklich bewegen. So kniff sie dem Toten damit kurzerhand nur das vordere Glied des rechten Zeigefingers ab und legte es in eine Plastiktüte. Das Ganze ging recht blutlos vonstatten, denn der Mann war schon seit einigen Stunden tot, sein Blutkreislauf damit auch.
„Den Finger entsorgen wir später!", bestimmte Linda mit Blick auf ihre Schwester und sprang mit einem Satz aus dem Boot auf den Ponton unter dem Baum. Bintje warf ihr ein Seilende zu, Linda fing es blind auf. Leichtfüßig kletterte sie zum Baum, nahm das Seil zwischen die Zähne und angelte sich am Stamm des Weihnachtsbaumes hoch. Flink wie eine Katze. Konnte sie im Dunkeln sehen?
Oben in luftiger Höhe angekommen, warf sie das Seil um einen dicken Ast und pfiff leise durch die Zähne.
Das war das Signal für Bintje. Die zog am Seil und gab ihrer Schwester somit das Zeichen, ebenfalls bereit zu sein. Nun ging es los.
Oben zog Linda am Ende des Seiles, unten schob Bintje den toten Körper nach und kletterte hinterher. Fast lautlos ging das vonstatten. Die beiden Frauen arbeiteten stumm. Eine oben, die andere von unten, bis sie fast auf gleicher Höhe waren. Zwischen ihnen nur noch der tote Mann.
Kein Laut war von ihnen zu hören. Nur ab und zu das Knacken eines Zweiges, der dem Körper im Wege war.
Knapp eine halbe Stunde dauerte es, dann war der Tote an dem Platz, den die Frauen für ihn vorgesehen hatten.
Hoch oben in den Tannenspitzen.
Linda befestigte das Seil noch an den Ästen, dann kletterte sie hinter ihrer Schwester her nach unten.
Im Boot angekommen, klatschten die beiden Frauen sich zufrieden ab. Bintje stumm, Linda mit einem bekräftigenden: „Ja!"
Das abgetrennte Fingerglied lag noch immer auf der Bank im Boot, Bintje nahm die Plastiktüte und steckte sie in ihre Hosentasche.
„Bintje, morgen und jeden Tag des Wintermarktes werden wir hier sein und wissen, dass das Schwein dort oben hängt. Nur wir!"
Dann deklamierte sie leise:
„Hoch über den Tannenspitzen sah ich eine Leiche blitzen!"
Linda verfiel in ein böses Lachen. Bintje tat es ihr mit unartikulierten Lauten nach. Aber ebenso grausam.
Dann ruderten sie den Weg zurück, so, wie sie gekommen waren.
Marie und der Weihnachtsbaum
Es war viel los im Museumshafen von Carolinensiel. Der kleine Wintermarkt mit dem „Schwimmenden Weihnachtsbaum" in der Mitte des Hafens lockte wie jedes Jahr Tausende von Gästen an.
Am Vortag hatte man den Baum unter
dem Applaus begeisterter Zuschauer aufgestellt und die Lichterketten befestigt, heute begann nun der kleine Winter- und Weihnachtsmarkt, der bis in den Januar dauern sollte. So
lange, bis die Weihnachtsferien zu Ende
waren.
Die Holzhütten rund um den kleinen Hafen waren gut besucht. Es gab allerlei an alkoholischen wie auch nicht alkoholischen Getränken. Ady mit seiner Fischbude war da, außerdem ein Bratwurststand, kleine Geschenkartikelstände und mehr. Auch ein Stand mit warmen Mützen und Schals war wie jedes Jahr vor Ort. Natürlich gab es heute, am Eröffnungswochenende, wieder die begehrten Prülkers, eine ostfriesische Hefeteigspezialität, die von zwei Frauen der Dorfgemeinschaft zubereitet wurden. Lecker und heiß begehrt.
Gäste wie auch Einheimische bummelten durch den Hafen. Darunter auch der Clan um die beiden Kommissare der Wittmunder Kriminalpolizei, Tomke und Hajo, die mit Oma Jettchen und Tant’ Fienchen wie auch ihrem Kollegen Carsten Schmied mit seiner Familie vertreten waren.
Carsten, Tomke und Hajo hatten auf dem Kommissariat in Wittmund zwar Rufbereitschaft, aber was sollte heute schon passieren? Heute war das erste Weihnachtsmarktwochenende. Mit vielen Einheimischen standen sie an einem der Stände, an denen es Glühwein – mit und ohne – wie auch andere Heißgetränke gab. Direkt nebenan hatte sich Ady mit seiner Fischbude platziert, bei dem sich Marie, Carstens Tochter, gerade eine riesige Portion Kibbeling geholt hatte.
Nun stand das Mädchen an einem der hohen Bistrotische und schob die kleinen, gebackenen Fischteile in den Mund. Was die Erwachsenen um sie herum erzählten, interessierte Marie nicht. Sie schaute sich kauend die Leute und natürlich den „Schwimmenden Weihnachtsbaum" mitten in der Harle an. Er war so gewaltig groß, über und über mit Lichtern bestückt, die sich im Wasser spiegelten.
Dann aber stutzte das Mädchen. Da war doch was, ganz oben im Baum. Ein paar Zweige wackelten so komisch. Fest richtete sie ihren Blick darauf.
„Mama, kauend zupfte sie am Ärmel ihrer Mutter. „Mama, da im Weihnachtsbaum ist etwas!
Marie schubste Michaela fester an und deutete nach oben. Die schaute zu dem riesigen Baum hoch, fixierte ihn einen Moment und schüttelte den Kopf. „Nein, mein Schatz, da ist nichts, das war bestimmt der Wind."
„Doch, ganz sicher! Ich habe es genau gesehen. Die Zweige da in der Mitte, die haben ganz doll gewackelt. Nur die, andere nicht! Marie ließ nicht locker und zupfte ihre Mutter nochmals am Ärmel. „Da! Jetzt schon wieder!
Das Mädchen sprang von einem Fuß auf den anderen. Michaela schüttelte den Kopf. „Was du wieder siehst, Kind!"
„Dann sage ich es eben Papa, der ist schließlich bei der Polizei und wird sicher nachsehen. Papa, Papa!"
„Warte, warte, Marie, iss doch erst mal deine Kibbelinge, die werden doch kalt!"
Aber Marie war nicht zu bremsen. Sie drängte sich durch die Menschentraube hindurch bis zu ihrem Vater und meinte energisch:
„Da musst du gleich mal nachschauen, da oben!" Sie zeigte auf den Baum.
Carsten verstand nicht. „Was ist denn los, Marie?"
„Der Baum wackelt dort oben ganz doll. Schau doch mal."
Auch Carsten fixierte den Baum und konnte nichts entdecken. „Was meinst du denn, Marie? Ich kann nichts erkennen."
Marie stöhnte laut auf.
„Dass ihr Erwachsenen nie was merkt. Guck doch mal genau hin!" Wieder zeigte sie auf den Baum. Aber nun war tatsächlich nichts zu sehen. Es war windstill, der Baum rührte sich nicht. Murrend zog sich das Mädchen wieder zu ihrem Teller mit Kibbelingen zurück, den Baum aber ließ sie nicht aus den Augen.
*
Bintje und Linda waren ebenfalls im Hafen. Auch der Blick der beiden ging ab und an zum Baum, immer von einem spöttischen Grinsen begleitet. Bintje schubste ihre Schwester an und deutete auf einen Stand, vor dem sich schon eine größere Schlange gebildet hatte.
„Willst du?", fragte Linda. Bintje nickte. Die beiden stellten sich an und warteten geduldig, bis sie an der Reihe waren.
Alle Weihnachtshütten im Hafen waren gut besucht. Überall standen größere und kleinere Menschengruppen davor, schnackten und hielten Becher mit Glühwein, Punsch oder anderen hochprozentigen Sachen in der Hand. Was nicht nur der Kälte geschuldet war.
Anke und Antje, die Frauen der Dorfgemeinschaft, hatten alle Hände voll zu tun, um die Schlange vor ihrem Prülkerstand zu bewältigen. Anke buk im Akkord das leckere Hefegebäck, das Antje dann an die Gäste verkaufte.
Linda und Bintje waren inzwischen fast an der Reihe. Bintje stieß ihre Schwester an und zeigte mit den Fingern an, dass sie zwei Stück wolle. „Ich auch zwei!, bestätigte Linda und zog ihre Geldbörse aus der Hosentasche. Das Münzfach war bis auf zwei Euromünzen leer. „Hast du noch Kleingeld?
, wollte sie von Bintje wissen. Die zuckte mit den Schultern und griff in ihre Hosentasche, zog ein benutztes Taschentuch heraus, kramte weiter, zerrte dann mit Schwung einen Plastikbeutel heraus und suchte in der Tiefe der Tasche nach ein paar Münzen. Dann zählte sie zwei Euro ab, gab sie ihrer Schwester und steckte alles andere wieder in die Tasche. Doch etwas war nun anders. Bintje stutzte, der Plastikbeutel war leer. Erschrocken schaute sie sich um. Bückte sich, suchte den Fußboden ab. Die Menschen in der Schlange hinter ihr allerdings schoben sie weiter, sodass Bintje ins Stolpern kam und gegen ihre Schwester stieß.
„Was ist denn? Hast du was verloren?", wollte diese wissen. Bintje formte etwas mit den Lippen, doch Linda verstand nicht. Sie war an der Reihe, bekam ihr warmes Hefegebäck, zahlte und zog Bintje mit sich.
Als sie etwas abseits, in ein paar Metern Entfernung, standen, jede mit einem Prülker in der Hand, deutete Bintje auf den leeren Beutel und schaute ihre Schwester fragend an. Für Zeichensprache fehlte ihr eine freie Hand. „Weg!, formulierte sie darum mit den Lippen stumm. „Der Finger ist weg!
„Wo hast du ihn?", wollte Linda entsetzt wissen. Bintje allerdings zuckte nur mit den Schultern.
Es war viel zu dunkel und auch zu voll um den Stand herum, um nach dem Inhalt des Beutels zu suchen. Außerdem standen die Menschen dicht gedrängt zwischen den Ständen. Hier und heute hatten die beiden keine Chance, den Finger zu finden.
*
Marie hatte ihre Portion Kibbelinge aufgegessen, die Glühweinbecher der Erwachsenen waren leer, die Gruppe zog weiter. Oma und Tant’ Fienchen mittendrin. Immer wieder fixierte das Mädchen den Weihnachtsbaum. Sie war sich sicher, dass ganz oben etwas war. Aber keiner glaubte ihr. Fienchen, die seit Jahren kaum Alkohol trank, hatte sich heute einen Punsch gegönnt und war fröhlich und ausgelassen wie nie. Carsten trug den kleinen Felix auf dem Arm, und so wanderten sie, Tant’ Fienchen rechts und links stützend, auf die andere Hafenseite. Alle wollten noch etwas essen. Tomke und Hajo hatten sich bei Ady jeder ein Fischbrötchen geholt, Michaela gelüstete es nach einer Bratwurst, Oma und Tant’ Fienchen nach Prülkers, die sie zu Hause, ob des Fettgeruches in der Wohnung, nur noch selten zubereiteten.
Bintje und Linda standen inzwischen auf der Brücke der Harle, genau gegenüber des Weihnachtsbaums. Das Wissen um den seltsamen Baumschmuck, tief versteckt zwischen den Ästen, gab ihnen ein zufriedenes Gefühl.
Eine Gruppe Menschen wanderte laut lachend an ihnen vorbei, ein Mädchen aus der Gruppe zeigte unentwegt auf die große Tanne. Was das wohl zu bedeuten hatte?
„Lass uns gehen, Bintje, beschloss Linda dann. „Morgen kommen wir wieder und suchen ihn, heute hat es keinen Sinn.
Bintje aber deutete nach unten zu den Buden und zeigte ihrer Schwester mit den Fingern an, dass sie noch etwas essen wollte. Auf dem Weg zum Bratwurststand hielt Bintje ihre Schwester fest und lachte. Mit Zeichensprache ließ sie Linda wissen: „Wenn wir ihn nicht finden, dann findet ihn vielleicht ein Hund und frisst ihn auf. „Na und?
, meinte Linda, „dann isser eben weg!" Beide lachten herzhaft.
Die Truppe um Tomke & Co. war inzwischen auf der anderen Hafenseite angekommen und alle nun mit Leckereien versorgt. Carsten hatte sich am Stand von Andreas und Susanne, deren Plattbodenschiff „De Zwarte Piet" auch im Museumshafen von Carolinensiel lag, eine Schale Champions mit Kartoffeln und Knobisoße geholt, Oma und Tant’ Fienchen bei der Dorfgemeinschaft eine Tüte mit Prülkers.
Fienchen, die immer aß wie ein Spatz, wollte sich ihr Hefegebäck unbedingt mit ihrer Schwester teilen. Nach langem Hin und Her gab diese nach und meinte: „In Gottes Namen, dann reiß das Ding halt auseinander."
Marie war satt! Sie hatte auch andere Dinge im Kopf. Der Weihnachtsbaum und das, was sie beobachtet hatte, ließen ihr keine Ruhe. Immer wieder schaute sie hoch zu der riesigen Tanne. „Da, jetzt! Papa!, rief sie laut. „Er hat sich wieder bewegt!
Carsten drehte sich um und tatsächlich: Im Baum war Leben! Zweige raschelten im oberen Teil, Lichter bewegten sich, obwohl es windstill war. Äste knackten. Dann setzte sich die Bewegung weiter nach unten fort und etwas schlug auf dem Wasser auf. Gleichzeitig vernahm Carsten hinter sich einen entsetzten Schrei: War das Fienchen? Danach erscholl ein zweiter von Oma. Hatten sie gesehen, was da ins Wasser gefallen war? Carsten drehte sich zu den beiden um und erkannte den Grund ihres Entsetzens nicht gleich. Bis Tomke erschrocken auf den aufgerissenen Prülker zeigte. Carsten wusste nicht, wohin er den Blick zuerst richten sollte, rief: „Habt ihr das gesehen? Da ist doch etwas ins …", er deutete auf das Wasser. Gleichzeitig rief Hajo:
„Nee, aber hast du das gesehen?" Hajo zeigte auf das Gebäck.
Marie stellte sich neugierig auf die Zehenspitzen und konsternierte: „Das ist ein Finger, frag mal am Prülkerstand, ob die einen vermissen."
„Marie! Michaela zog ihre Tochter zur Seite. Der Anblick war eklig, aber Marie störte das nicht. Die lief plötzlich vor zur Hafenkante und rief: „Da schwimmt jemand mit dem Bauch nach unten im Wasser, langsam müsste der mal Luft holen, oder Papa?
Nun reagierten die drei Kommissare schnell. Tomke kippte die restlichen Prülkers auf den Tisch, nahm die Tüte und stülpte sie über den ekligen Fund. Dann schob sie sich durch die umstehenden Menschen Richtung Prülkerstand. Das Backen musste sofort gestoppt werden, wer wusste denn, was an Körperteilen noch zum Vorschein kommen würde? Mit dem Widerstand der Menschen in der langen Reihe hatte sie allerdings nicht gerechnet. Ein großer Proteststurm brach los. Auch die Frauen im Stand waren nicht begeistert.
„Tomke, das geht nicht!, warf Anke ein. „Wir haben hier noch eine fast volle Wanne mit Teig stehen, der verarbeitet werden will und eine weitere wird gleich gebracht! Sieh dir mal die Schlange an. Alle warten auf unsere Prülkers. Die Leute steinigen uns, wenn wir hier schließen.
Doch die Kommissarin blieb hart und bestand außerdem darauf, dass die angefangene Wanne mit dem Hefeteig zur Seite gestellt und abgedeckt wurde. „Das ist Beweismaterial, da muss unsere Spurensicherung ran."
Hajo und Carsten stürmten zur gleichen Zeit zur Hafenkante, sprangen nach unten auf eines der Plattbodenschiffe. Marie wollte mit, aber Michaela hielt sie fest. Die Kommissare kletterten weiter in das nächste Schiff, bis sie erkennen konnten, dass dort tatsächlich jemand im Wasser schwamm. Ein Seil war teilweise um den Körper der Person gewickelt, sodass sie nicht versinken konnte.
„Der ist tot, würde ich sagen", erkannte Carsten.
„Ja, genau! Ich springe da aber nicht rein, war Hajos nüchterne Antwort, „da holt man sich ja den Tod, wie du siehst.
„Ich auch nicht!", Carsten schüttelte den Kopf. Er schaute sich um und griff nach einem langen Holzstiel, der seitlich im Schiff lag. An dessen Spitze war ein Haken angebracht. Damit angelten die beiden nun nach dem Mann, konnten aber nur das Seil, das um seinen Körper schwamm, erreichen. Mit einiger Mühe schafften sie es, den Körper Richtung Schiff zu ziehen. Sie zogen und zerrten, bis das Seil nachgab. Inzwischen war auch Tomke bei ihnen angekommen und so hievten sie den Körper mit vereinten Kräften auf das Schiff. Nachdem sie ihn umgedreht hatten, bestätigte sich, was eigentlich schon klar war: Sie hatten eine Leiche geangelt!
Plötzlich tauchte wie aus dem Nichts Marie zwischen den dreien auf. „Mann, ist das spannend, darüber schreibe ich einen Krimi."
Carsten zog seine Tochter, die inzwischen nicht mehr nur Polizistin, sondern auch Schriftstellerin werden wollte, kopfschüttelnd von dem grausamen Fund weg und brachte sie ans Ufer. Marie, zwar erst knapp zwölf Jahre alt, hatte aber doch schon, seit sie im Deutschunterricht einen Kriminalschriftsteller kennengelernt hatte, ihr Faible fürs Schreiben entdeckt. Aufsätze waren ihr da nicht mehr genug, sie wollte Romane schreiben, was ihre Eltern mit einem wohlwollenden Lächeln quittierten. Aber nun musste Carsten energisch werden und sie mit strengen Worten zurück zur Hafenkante bringen.
Tomke zog in der Zwischenzeit ihr Handy aus der Tasche und bestellte die Spurensicherung sowie den diensthabenden Rechtsmediziner aus Wilhelmshaven. Anschließend sah sie sich die Leiche, soweit es bei der diffusen Beleuchtung auf dem Boot möglich war, nochmals genauer an und zog erneut ihr Handy
hervor. Sie wählte Michaelas Nummer und bat sie: „Bevor uns die Leute da oben erschlagen, geh bitte hoch zum Prülkerstand. Anke und Antje können mit einer neuen Wanne Teig weiterbacken. Es wird sicher kein weiteres Körperteil mehr auftauchen. Die angefangene Wanne aber bleibt beschlagnahmt, sag es ihnen."
Nachdem sie das Gespräch beendet hatte, zeigte Tomke auf die Hand der Leiche und meinte zu Hajo: „Im ersten Moment dachte ich, wir haben zwei Fälle bekommen, aber wie es scheint, gehört der Finger in Fienchens Prülker zur Leiche hier. Bin gespannt, was unser Leichenfledderer sagt."
*
Linda und Bintje beobachteten das alles vom Glühweinstand aus. Linda murmelte: „Wenn’s nich löpt, löpt’s nich!, stieß ihre Schwester an und wollte gehen. Bintje aber formulierte mit den Fingern: „Nein, wir bleiben. Will sehen, was drüben noch passiert.
Gespannt beobachteten die beiden nun aus der Ferne, was auf der anderen Harleseite geschah. Dass der verschwundene Finger inzwischen aufgetaucht war, bekamen sie hier aber nicht mit.
Inzwischen hatten immer mehr Menschen bemerkt, dass im Hafen etwas passiert sein musste. Viele standen auf der Brücke, von wo aus sie die Leiche im Schiff liegen sehen konnten.
„Was ist denn passiert?", hörte Tomke jemanden rufen.
„Do hät sük een uphangen", rief ein anderer.
„Jaja, murmelte Tomke nun. „Uphangen. Und vorher hat er sich noch den Finger abgebissen und ihn in den Prülkerteig geworfen.
Kopfschüttelnd drehte sie sich wieder der Leiche zu, zog ein paar Einweghandschuhe aus der Manteltasche und streifte sie über.
Dann griff die Kommissarin vorsichtig in die Hosentasche des Mannes. Rechts war nichts zu finden, die linke Tasche war ebenfalls leer. Sich vorsichtig umschauend, ob Hajo Manninga, der Rechtsmediziner schon zu sehen war, drehte sie den toten Körper etwas zur Seite und griff zur Gesäßtasche des Mannes. Hier konnte sie etwas fühlen. Vorsichtig schob sie ihre Finger hinein und zog eine
