Über dieses E-Book
Es ist ein Junggesellenabschied der anderen Art: Fünf Mann stechen in See, doch nur vier kehren zurück. Was ist in der Nacht an Bord der Hoppetosse III geschehen? Von Bräutigam Bjarne Hensen fehlt am nächsten Morgen jede Spur. Seine Verlobte wartet mit der gesamten Hochzeitsgesellschaft vor dem Seemannshus Langeoog vergebens auf ihn.
Ist der Unternehmersohn etwa bei stürmischer See über Bord gegangen? Keiner der Freunde kann sich nach der berauschten Feier an die Ereignisse der letzten Nacht erinnern. Die Inselpolizisten Lotta Dönges und Onno Feddersen glauben allerdings keineswegs an einen Unfall.
Micha Krämer
„Mit Micha Krämer hat ein neues Talent die Szene betreten. Ich mag seine Schreibe. Er kann etwas, das langsam aus der Mode kommt: eine Geschichte erzählen und uns fesseln“, schrieb Bestsellerautor Klaus-Peter Wolf einst über Micha Krämer. Dieses Talent demonstriert der Kultautor und Musiker aus dem Westerwald nicht nur in seinen zahlreichen Romanen und Jugendbüchern, sondern auch bei seinen Lesungen, die mittlerweile ganze Hallen füllen. Wer einmal mit dem Mythos Nina Moretti angefixt ist, den lassen die Geschichten rund um die junge Kommissarin nicht mehr los.
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Buchvorschau
Mordsbrise - Micha Krämer
Prolog
Freitag, 21. März 2025, 23:07 Uhr
Die Nordsee irgendwo nordöstlich von Langeoog
Die Nacht ist über die Nordsee hereingebrochen. Das Meer ist stürmisch und rau. Von Osten her weht eine steife Brise. Es riecht nach Salz und schmeckt nach Meer. Alles ist genau so, wie ich es am liebsten mag. Ich stehe am Steuer der HOPPETOSSE und schaue in Gedanken auf den Horizont. Ich könnte ewig so weitersegeln bis an das Ende der Welt.
Der Himmel hebt sich trotz der Dunkelheit klar von den tosenden Wellen ab. Doch meine Augen haben sich bereits an das fehlende Licht gewöhnt. Ich sehe alles, was ich sehen muss.
Während das Schiff wie ein Korken durch die aufgewühlte See tanzt, sind meine Gedanken heute ganz woanders. Ich bin nervös wie lange nicht. Für das, was ich geplant habe, gibt es nur einen Versuch. Wenn es schiefgeht – nein, daran will ich gar nicht denken.
Doch mein Entschluss steht fest. Bjarne Hensen muss weg! Endgültig! Er wird … er darf diese Nacht nicht überleben. Seit Tagen habe ich mir jeden meiner Schritte mehrfach und genau überlegt. Ich bin davon überzeugt, dass es das perfekte Verbrechen gibt!
Laut einer Statistik werden zweiundneunzig Prozent aller Morde in Deutschland aufgeklärt. Doch dies stimmt nicht ganz, da laut einer anderen Studie mindestens jedes zweite Tötungsdelikt in Deutschland unentdeckt bleibt. Zumindest habe ich das so im Internet gelesen.
Woher diese Leute das wissen wollen, ist mir schleierhaft, da ja niemand wissen kann, wie viele Taten nicht entdeckt werden.
Doch im Grundsatz haben sie recht. Ein Verbrechen ist erst dann perfekt, wenn niemand etwas davon mitbekommt. Wenn zum Beispiel ein Arzt eine natürliche Todesursache attestiert oder der Tod infolge eines Unfalles eintritt.
Unfälle auf See gibt es bereits so lange, wie es die Seefahrt gibt. Immer schon gingen Personen über Bord und wurden auf Nimmerwiedersehen von der See verschluckt. Einige tauchen irgendwann wieder auf. Andere nicht.
Da kommt es auf einen Unglückseligen mehr oder weniger auch nicht an.
Von unter Deck höre ich Gelächter. Irgendwie tut es mir ja schon leid, dass ich den Jungs die Party versauen muss. Auch um Hilla tut es mir leid. Sie wird morgen vergeblich vor dem Traualtar auf ihren Bräutigam warten. Doch Bjarne wäre eh nicht der Richtige für die gute Seele gewesen. Er hat sie einfach nicht verdient. Hilla wird über ihn hinwegkommen und etwas Besseres als ihn finden.
Ich fasse an die Tasche meiner Jacke und ertaste das Fläschlein mit den K.-o.-Tropfen. Ein letzter Blick noch auf das Navi, den Kompass und die anderen Instrumente. Der Kurs passt. Es wird Zeit, nach unten zu gehen und einen letzten Drink anzurühren. Hoffentlich wirken die Tropfen so, wie ich es hoffe. Zeugen kann ich keine gebrauchen.
Kapitel 1
Samstag, 22. März 2025, 11:10 Uhr
Seemannshus Insel Langeoog
„Ich bringe ihn um. Ich bring den verdammten Mistkerl um … Wenn ich ihn in die Finger bekomme, bring ich ihn um", schluchzte Hilla Erichson und stampfte dabei wütend mit dem Fuß auf den Boden.
„Mensch, Hilla, Bjarne wird schon noch auftauchen. Der verpasst doch nicht seine eigene Hochzeit", versuchte Lotta Dönges ihre Freundin zu beruhigen, obgleich sie gerade nicht mehr wirklich sicher war, dass Hillas Bräutigam sich noch blicken ließ.
Die Trauung der beiden hätte bereits vor zehn Minuten beginnen sollen, und von ihm war weit und breit nichts zu sehen.
Im ganz kleinen Kreis wollten Hilla Erichson und Bjarne Hensen sich das Ja-Wort geben. Gerade einmal acht Personen waren zu der feierlichen Zeremonie zum Langeooger Seemannshus gekommen.
Das hübsche weiß getünchte Häuschen mit dem roten Dach, den grünen Fenstern und Verzierungen diente auf der Insel nämlich nicht nur als Heimatmuseum, sondern auch als Standesamt.
Hier konnte man, wenn man wollte, den Bund fürs Leben schließen. Das hieß allerdings, nur dann, wenn der angehende Herr Gemahl sich auch zu der Veranstaltung blicken ließ.
„Ja, nicht, dat dem Bjarne noch wat passiert ist. War ja schon recht stürmisch letzte Nacht. Ich hab dat gleich gesagt, dass das eine Schnapsidee ist, mit dem Segler bei dem Schietwetter nach Norderney zu fahren. Das würde mich nicht wundern, wenn die mit dem ollen Kahn auf Grund gelaufen oder mit Mann und Maus ertrunken sind", grummelte Fiete Erichson, seines Zeichens der Brautvater, sich besorgt in seinen Bart.
Hilla, die es unweigerlich mitbekommen hatte, begann nun noch lauter zu schluchzen.
„Quatsch, Hilla, da wird schon nix passiert sein. Bjarne und die anderen sind doch erfahrene Segler. Das gibt bestimmt eine ganz simple Erklärung, weshalb die sich verspätet haben", versuchte Lotta die Freundin ein wenig zu beruhigen, obgleich sie sich nicht sicher war, ob Fiete Erichson nicht doch vielleicht recht haben könnte.
Auch Krischan, Lottas Mann, hatte gemeint, dass die Idee der fünf Burschen, bei Schietwetter zum Junggesellenabschied raus aufs Meer zu fahren, ziemlich doof gewesen sei. Wobei zumindest Bjarne, Jasper und Bente sehr erfahrene Segler waren und die Nordsee mit all ihren Tücken kannten. Ob die anderen beiden Kerle ebenfalls etwas von der Segelei verstanden, wusste Lotta nicht, da sie weder den einen noch den anderen kannte.
Okay, gesehen hatte sie die schon mal. Sie wusste, wie die aussahen, und würde sie auf der Straße eventuell sogar wiedererkennen. Aber richtig kennen wäre dann doch zu viel gesagt.
Lotta ließ ihren Blick über die anderen Gäste der kleinen Feier schweifen. Acht Leute waren für eine Hochzeitsgesellschaft nicht eben eine Menge. Nein, sie würde das als durchaus überschaubar bezeichnen. Lotta kannte sie alle, da es sich ausschließlich um Insulaner handelte.
Nun gut, eigentlich hätten es ja noch vier Kerls mehr sein müssen. Doch die Burschen waren ja, genau wie der Bräutigam, derzeit unauffindbar.
Einer der acht Anwesenden war der Witwer Fiete Erichson, der Brautvater. Fiete stand nun etwas abseits auf der Straße und telefonierte mit ernster Miene. Wen der wohl in der Leitung hatte?
Bjarnes gesamte Familie glänzte ebenfalls durch Abwesenheit. Was nun irgendwie schon schade, aber auch leider zu erwarten gewesen war. So wie es nämlich aussah, hatten sich die Hensens eine andere Schwiegertochter als Lottas Freundin Hilla gewünscht.
Ein Umstand, der Lotta, wenn sie darüber nachdachte, jedes Mal aufs Neue zur Weißglut brachte.
In Lottas Augen waren alle Menschen gleich. Gut, es gab nette, weniger nette und auch ziemlich fiese Zeitgenossen. Die Reederfamilie aus Hamburg gehörte zur letzteren Kategorie. Geld machte nämlich nicht nur, wie es der Volksmund behauptete, sexy, sondern, so wie es den Anschein hatte, auch ziemlich blöde. Dabei hätten die Hensens sich eine bessere Partie als die Hilla gar nicht für ihren Bjarne wünschen können.
Hilla war nicht nur hübsch, sondern auch ziemlich gescheit und fleißig. Darüber hinaus auch eine Seele von Mensch. Eine, der das Wohl ihrer Mitmenschen am Herzen lag. Damit war sie allerdings ganz anders als die Hensens aus Hamburg. Vermutlich hatte Bjarnes Sippe aus genau diesem Grund eine Teilnahme an der Hochzeit boykottiert. Aber nun gut. Wer nicht wollte, der hatte bekanntlich schon. Es gab Leute, auf die man gut und gerne verzichten konnte. Leid tat es Lotta nur für Bjarne. Das musste schon hart sein, wenn die eigene Familie einem den Rücken kehrte.
Der Einzige aus der Hensen-Sippe, der zur Trauung auf die Insel gekommen war, war Niklas Hensen, Bjarnes jüngerer Bruder. Der war vorgestern mit der HOPPETOSSE III, dem nun verschwundenen Segelschiff, aus Hamburg gekommen. Bei ihm war ein weiterer Freund von Bjarne gewesen, den alle nur Schröder oder den „Nobel-Schröder nannten. Wobei es sich bei „Nobel
nicht um den Vornamen, sondern um einen Spitznamen handelte. Der stammte angeblich von einer Comicfigur aus den Werner-Heften. Mit diesen Comics kannte Lotta sich allerdings so gar nicht aus. So etwas hatte sie noch nie interessiert. Manche Dinge musste man einfach nicht wissen.
Hilla war eigentlich Krankenschwester. Dummerweise gab es aber auf der Insel überhaupt kein Krankenhaus. Bis vor zwei Jahren hatte sie deshalb in der Ubbo-Emmius-Klinik in Aurich gearbeitet. Aber ein Inselkind blieb nun mal ein Inselkind. Und so kam es, dass Hilla irgendwann das Heimweh packte. Sie hatte einfach keine Lust mehr gehabt, in Aurich zu arbeiten und schon gar nicht, dort auch noch zu wohnen. Daher hatte Hilla ihren Job in der Klinik gekündigt und war zurück nach Langeoog zu ihrem Papa Fiete Erichson gezogen. Pech für das Krankenhaus und gut für die Praxis von Inselarzt Dr. Jan Martin Bechersheim, den Hilla bereits aus der Klinik kannte und der für seine Praxis auf Langeoog noch eine medizinische Fachangestellte suchte. Der hatte Hilla sofort und mit Kusshand eingestellt.
Der Herr Doktor und seine Gattin Gina Marie Bechersheim waren natürlich ebenfalls unter den Hochzeitsgästen. Was ja Ehrensache war.
Fiete Erichson hatte sein Telefonat mittlerweile beendet und unterhielt sich nun mit Doktor Bechersheim. Dabei schauten die beiden gerade sehr ernst zu ihnen herüber.
Lotta spürte, wie ihr Herzschlag sich beschleunigte und sich ein Unwohlsein in ihrer Magengegend ausbreitete. Nein, so wie die beiden gerade guckten – das war gar nicht gut. Irgendetwas war im Argen.
Kurzerhand schob sie Hilla, die nun nicht mehr fluchte, sondern einfach nur noch weinte, zu der kleinen grün-weißen Holzbank, auf die sie sich kraftlos niedersinken ließ.
„Lotta, da muss was Schlimmes passiert sein … der Bjarne würde mich doch nicht …", schluchzte sie und schlug die Hände vors Gesicht.
„Quatsch, Hilla. Der Bjarne und die Jungs tauchen schon noch auf. Bestimmt hatten die irgendeine Panne … mit dem Motor oder so", versuchte Lotta die Freundin zu beruhigen.
Dabei wusste sie ja noch nicht einmal, ob der alte hübsche Segler der Familie Hensen tatsächlich über einen Motor verfügte. Wirklich Ahnung hatte Lotta, obwohl sie auf einer Insel lebte, nämlich nicht von Schiffen. Zumindest nicht von welchen mit Segeln. Den ehemaligen Krabbenkutter ihres Mannes Krischan, den kannte sie hingegen in- und auswendig. Gelegentlich ließ Krischan sie mittlerweile auch mal ans Ruder. Was aber gerade nichts zur Sache tat.
Noch immer diskutierten der Doktor und Hillas Vater miteinander. Bei ihnen standen nun auch noch Gina Marie und Lottas Mann Krischan. Auch der guckte äußerst besorgt drein. Lotta musste jetzt endlich wissen, was da los war.
„Hilla, du bleibst jetzt einfach mal hier sitzen und versuchst dich zu beruhigen. Ich bin gleich wieder bei dir", wies sie die Freundin an und eilte dann zu der kleinen Gruppe.
„Jo, dat is nich gut. Bei dem Wetter und den Temperaturen Mann über Bord … nee, nee, dat is überhaupt gar nicht gut", hörte sie Krischan sagen, als sie näher kam.
„Was … Wie … Wer ist über Bord gegangen?", hakte Lotta sofort nach.
„Der Fiete hat eben mit dem Jasper telefoniert", antwortete Krischan.
Den Jasper Erichson kannte Lotta auch schon, solange sie auf der Insel war. Mit dem war sie ganz am Anfang, noch bevor sie sich in Krischan verknallt hatte, abends sogar einmal ausgegangen. Nur essen … mehr nicht. Zwischen ihnen beiden hatte das einfach nicht gefunkt. Jasper war Fietes Sohn und somit Hillas Bruder. Die beiden waren sogar Zwillinge. Zweieiige, versteht sich.
„Und was sagt Jasper?", wandte sich Lotta nun direkt an den Brautvater.
Fiete seufzte und blickte kurz hinüber zu Hilla, die wie ein Häufchen Elend noch immer auf der alten Holzbank hockte.
„Jo … der sagt, dass der Bjarne nicht mehr an Bord war, als die Mannschaft heute Morgen wach wurde. Außerdem war die HOPPETOSSE heftig vom Kurs abgekommen. Die hat wohl die Strömung ziemlich weit rausgetrieben – so ohne Steuermann", flüsterte Fiete.
Lotta glaubte sich verhört zu haben.
„Wie, der war nicht mehr an Bord? Wo soll der denn hin sein?", wollte sie das, was ihr gerade in den Sinn kam, nicht verstehen.
Da musste es doch noch eine andere Möglichkeit geben als die, die ihr gerade durch den Kopf ging.
„Ja, wo soll der wohl sein, Lotta? Dat is wie damals bei dem Onkel Heiner. Der is auch bei Sturm über Bord gegangen. Wenn da so ein Brecher über das Schiff rollt und du nicht aufpasst, dann bist du ruckzuck wech", erklärte Krischan, was Lotta schon längst begriffen hatte, aber nicht wahrhaben wollte.
„Das gibt es doch nicht. Wo waren denn die anderen, als das passiert ist? Das muss doch jemand mitbekommen haben", ereiferte sie sich.
„Jasper hat gesagt, dass alle unter Deck waren. Bis auf den Bjarne, der muss wohl in der Nacht draußen alleine am Steuer gewesen sein. Die sind in der Dunkelheit wohl ohne Segel und nur mit Hilfsmotor gefahren. Hat ja auch heftig von Osten gepustet", wusste der Brautvater.
„Wir müssen sofort die Seenotretter und die Küstenwache verständigen", schaltete Lotta nun erst einmal in ihren Dienstmodus. Zwar ging es sie als Inselpolizistin grundsätzlich nichts an, was draußen auf dem Meer außerhalb der Insel geschah, doch man arbeitete hier Hand in Hand. Ja, Lotta würde von sich sogar behaupten, dass sie mittlerweile zu einer richtigen Insulanerin geworden war. Und obendrein war sie ja auch noch die Frau eines Kapitäns.
„Nee, Lotta. Musst du nicht. Das ist alles längst passiert. Die SECRETARIUS ist schon draußen. Die DGzRS suchen mit mehreren Rettungsbooten. Vom Festland aus ist ein Heli gestartet und sucht das Gebiet ab. Das läuft alles längst", wusste Krischan.
„Und warum haben die uns nicht Bescheid gegeben? Wir stehen uns hier wie die Doofen die Beine in den Bauch, während Bjarne vielleicht ertrinkt. Los, Krischan, wir müssen mit der ANNE II auch rausfahren und suchen helfen", beschloss Lotta.
„Nee, Lotta, dat bringt doch nix. Der Bjarne muss schon vor Stunden über Bord gegangen sein. Es ist schon nach elf Uhr. Bis wir mit dem ollen lahmen Kutter an der vermuteten Unglücksstelle sind, da gehen da noch ein paar Stunden ins Land. Wir haben März. Das Wasser hat gerade mal vier oder fünf Grad. Jasper hat gemeint, dass der Bjarne wohl nur Ölzeug anhatte. Die Trockenanzüge und die Schwimmwesten sind alle noch vollständig an Bord. Wenn der noch da draußen in der See ist, dann …", entgegnete Krischan und schüttelte den Kopf.
Auch ohne dass er den Satz beendete, wusste Lotta, was er meinte und dass er recht hatte. Wenn Bjarne Hensen tatsächlich in der letzten Nacht ohne einen Überlebensanzug in die raue See gespült worden war, dann kam jede Hilfe zu spät. Bei dem kalten Wasser ohne die richtige Ausrüstung dauerte es nur Minuten, bis man erfror oder in die Tiefe gezogen wurde.
„Vielleicht ist er irgendwo an Land geschwommen. Die kamen doch von Norderney und sind an Baltrum vorbeigekommen", wagte sie einen weiteren Versuch.
Der Blick in die Gesichter der Umstehenden verriet ihr allerdings nur das, was sie selbst längst wusste. Der Gedanke, dass jemand nachts bei Sturm und vier Grad Wassertemperatur über Bord ging und zu einer der Inseln schwamm, war totaler Schwachsinn. Die Nordsee mit ihren urgewaltigen Strömungen und Gezeiten war kein Badesee. Da schwamm man nicht eben mal zu einer Insel rüber.
Sie sah zu Hilla, die noch immer schluchzend auf der Bank saß. Vielleicht war es besser, Lotta würde sich jetzt um die Freundin kümmern.
„Ich denke, ich bringe Hilla mal nach Hause. Das bringt ja nun auch nichts mehr, hier zu warten", entschied sie daher.
„Jo, und ich fahr dann mal zum Hafen. Jasper hat gemeint, dass die mit der HOPPETOSSE III auf dem Weg zurück zur Insel sind", meinte Fiete Erichson.
„Wie, die haben die Suche bereits abgebrochen?", konnte Lotta dies nun überhaupt nicht verstehen.
Auch diesmal war es Krischan, der ihr erklärte, weshalb das Segelschiff mit Hilfsdiesel nicht für eine größere Suchaktion infrage kam. Das Schiff sei, wenn es nicht unter vollen Segeln fahre, noch langsamer als der alte Krabbenkutter. Außerdem sei die Mannschaft ziemlich fertig. Was man nach einem solchen Vorfall ohne Weiteres verstehen konnte.
Es gab gelegentlich Tage, an denen sogar ein Martin von Schlechtinger darüber nachdachte, ob es nicht doch Sinn machen könnte, sich eines dieser modernen Elektrofahrräder anzuschaffen. Diese Dinger, die sich fuhren wie von allein, aber bei denen der Akku meistens dann leer war, wenn man ihn am dringendsten benötigte.
Fast alle seine Freunde besaßen mittlerweile so ein flottes Teil, während er noch immer seinen klapprigen alten Drahtesel fuhr. Diesen hatte er sich vor Jahren aus den Fragmenten mehrerer alter Schrotträder selbst zusammengeschraubt und ihn in den Vereinsfarben des 1. FC Köln angemalt. Wahrhaftig ein wunderschönes Unikat.
„Nä, Lumpi, wat is dat heute wieder ein Driss mit dem Wind", rief Martin der Border-Colli-Hündin zu, die zusammengerollt auf einer Wolldecke zwischen Kisten mit Werkzeug in dem kleinen Fahrradanhänger döste.
Ja, Hund bei Martin von Schlechtinger müsste man sein. Dann bräuchte man wenigstens nicht selbst gegen diese kühle Brise anzustrampeln, die auf so einer Insel zumindest gefühlt immer von vorne kam. Fuhr man nach Osten, blies der Wind von Osten. Radelte man nach Westen, kam er von Westen. Ein, wie Martin fand, unerklärliches Phänomen.
Martin kam, obwohl er feste in die Pedale trat, gerade nur langsam voran. Doch zum Glück hatte er heute Zeit. Nicht, weil es Samstag war. Nein, Wochentage, das hatte Martin hier auf der Insel schnell lernen müssen, gab es in diesem Sinne gar nicht. Hier auf Langeoog war jeder Tag ein Werktag und das dreihundertfünfundsechzig Tage im Jahr. Unterscheiden konnte man lediglich in Saisontage und keine Saisontage. Im Sommer, wenn das kleine Eiland in der Nordsee täglich von Hunderten oder gar Tausenden nordseehungriger Gästen überrannt wurde, kam gelegentlich sogar schon einmal so etwas wie Hektik auf. Im Winter hingegen wurde es dann wesentlich angenehmer. Wobei die Zahl der Urlauber in den letzten Jahren auch im Winter zunahm. Doof war allerdings, dass, wenn dann mal nicht so viel los war, das Wetter nicht immer so daherkam, wie Martin es gerne hätte.
Aber egal. Seinen Job auf Langeoog, den würde er gegen keinen anderen auf dieser Welt eintauschen wollen. Da arbeiten, wo andere Urlaub machten, das hatte schon was. Zumal so ein Arbeitstag ja keine vierundzwanzig Stunden dauerte. Nein. Bei Martin gab es geregelte Arbeitszeiten. Von morgens um acht bis abends um sechs schuftete er für die Ferienhausvermietung Hansen. Danach war Feierabend und frei. Wobei er zwischendrin aber auch immer mal Zeit für sich und einen Blick auf die wunderbare Landschaft fand.
Mit quietschenden Bremsen kam Martin vor dem Büro der Ferienhausvermietung Hansen zum Stehen.
„Ach, da bist du ja", begrüßte seine Chefin Annemarie Hansen ihn, als er gemeinsam mit Lumpi das Kontor betrat.
„Ja, da sind mir wieder. Alle Aufträge zur vollsten Zufriedenheit der Kundschaft erledigt", bestätigte er und ging dann schnurgerade durch in die Küche, um sich einen Kaffee mit dem neuen Kaffeevollautomaten aufzubrühen.
Ein wunderbares Gerät. Nervig war nur, dass das Ding immer so lange vorheizen musste, wenn man es einschaltete. Außer ihm und gelegentlich seiner Tochter Gina Marie nutzte die Maschine hier nämlich sonst niemand, weshalb die sich ständig nach einer gewissen Zeit von alleine abschaltete und man sie dann erst wieder starten musste.
Seine Chefin Annemarie Hansen trank eher selten Kaffee. Die gönnte sich lieber ihren Friesentee. Das taten hier in Ostfriesland viele. Martin mochte keinen Tee. Den trank er nur, wenn er sich mal erkältet hatte. Und dann auch nur Kamille, wie früher bei seiner Mama.
Martin wollte bereits nach einer der Tassen im Schrank greifen, als er stutzte. Da war doch gerade irgendetwas nicht in Ordnung gewesen. Er schlurfte zurück ins Büro und sah zu Annemarie, die sich mit einem Taschentuch eine Träne von der Wange wischte.
„Anneschatz, wat ist denn los? Hast du geweint?", fragte er nach, trat zu ihr und strich ihr sanft über die Schultern.
Ja, Annemarie Hansen war nicht nur Martins Chefin, sondern auch gleich noch seine Ehefrau. Was es aber zwischen acht und achtzehn Uhr strikt zu trennen galt. Wobei das jetzt aber auch nicht immer funktionierte.
„Es ist schon wieder passiert", schluchzte sie.
„Wie? Wat ist passiert?", verstand er kein Wort.
„Bjarne Hensen, der Bräutigam von Hilla Erichson, ist in der letzten Nacht über Bord seines Segelschiffes gegangen und wird seitdem vermisst!"
„Wat wird der? Vermisst? Dat gibt dat doch nit", verstand Martin die Bestürzung seiner Annemarie nun ganz genau.
Das war schon eine schlimme Sache, wenn solche Unglücke auf See passierten. Doch für Annemarie Hansen war es noch viel übler als für irgendwelche anderen unbeteiligten Leute.
Annemarie war, lange bevor Martin sie kennenlernte, nämlich schon einmal verheiratet gewesen. Ihr erster Mann Heiner Hansen war damals noch als Fischer täglich raus aufs Meer gefahren, und Annemarie hatte ihn dabei gelegentlich begleitet. Sie hatte mit ansehen müssen, wie ihr Heiner bei Sturm von einer Welle gepackt und von Deck gespült worden war. Seinen Leichnam hatte das Meer dann Tage später an einer der Nachbarinseln angespült. Was noch ein Glück im Unglück war. Die meisten, denen dieses Schicksal widerfuhr, tauchten nämlich nie mehr auf. Weder tot und schon gar nicht mehr lebendig.
Nach dem Unfall hatte Annemarie jahrelang keinen Fuß mehr auf ein Schiff gesetzt. Noch nicht einmal mehr auf die Fähre zum Festland. Dies hatte sich in den letzten Jahren zum Glück wieder ein wenig gegeben.
„Na, vielleicht finden die den Burschen ja noch. Man soll die Hoffnung nit aufgeben tun", versuchte er ein paar tröstende Worte zu finden.
„Ach Unsinn, Martin. Es ist gleich Mittag. Wenn Bjarne tatsächlich bereits in der Nacht über Bord gegangen ist, dann treibt der jetzt schon seit zwölf oder noch mehr Stunden im eiskalten Wasser. Das überlebt doch niemand bei diesen Temperaturen", hatte Annemarie natürlich recht.
Martin tat es ebenfalls leid, wenn ein Mensch auf so traurige Art und Weise aus dem Leben gerissen wurde. Dennoch kam bei ihm gerade nicht wirklich Mitgefühl auf. Er kannte Bjarne Hensen. Dessen Eltern besaßen auf der Insel ein stattliches Haus und auch noch einige Ferienimmobilien. Verwaltet und betreut wurden diese von der Ferienhausvermietung Hansen. Also im Grunde von Martin. Er mähte dort den Rasen, schnitt die Hecken und Büsche und reparierte Dinge, die kaputt gingen. Das Kaufmännische erledigte seine Frau Annemarie. Schreibarbeit und Finanzen waren noch nie Martins Ding gewesen. Er war der Mann der Tat, sie die Herrin der Finanzen.
„Wollte der Bjarne heute nit heiraten?", fiel ihm wieder ein.
Dabei blickte er zu dem derzeit verwaisten Schreibtisch seiner Tochter Gina Marie, die gleichzeitig auch Annemaries rechte Hand im Büro war.
„Ja, die arme Hilla. Am Tag der Hochzeit … das ist wirklich ein Schicksalsschlag sondergleichen", fand Annemarie und schluchzte.
„Wieso dat denn? Die hät doch Glück gehabt, dat dat Schicksal sie vor dem ekeligen Kerl verschont hät", hätte Martin beinahe laut gesagt. Doch zum Glück war ihm das gerade nur durch den Kopf und nicht über seine Lippen gegangen.
Aber im Grunde war die Hilla doch für diesen arroganten Schnösel Bjarne viel zu gut gewesen. Die war ein nettes und fleißiges junges Ding. So eine wie die Hilla würde schon noch etwas Besseres finden als dieses verzogene Söhnlein aus gutem Hause.
Annemarie weinte wieder. Vermutlich, weil das Unglück der jungen Frau sie an ihr eigenes von damals erinnerte. Weil den Bjarne Hensen, da war Martin sich sicher, hatte Annemarie ebenso wenig leiden können wie den Rest der reichen Reederfamilie.
Martin kam sich in Momenten wie diesen immer ziemlich hilflos vor. Gerne würde er Annemarie aufheitern. Doch wie? Wenn Bjarne tatsächlich ertrunken war, dann konnte dies auch ein Martin von Schlechtinger nicht ändern. Futsch war futsch. Einen Moment überlegte er, ihr einen Witz zu erzählen, verwarf aber auch diesen Gedanken schnell wieder.
Es war so, wie es war. Das Leben würde für ihn und Annemarie weitergehen wie bisher. Seine bessere Hälfte würde sich früher oder später wieder beruhigen. Im Grunde betraf sie das doch alles auch gar nicht, da sie mit dem verzogenen Bengel nichts zu tun gehabt hatten.
Annemarie beugte sich vor, griff einen Zettel und reichte ihn Martin.
„Wenn du deinen Kaffee getrunken hast, dann fahr bitte in den Kavalierspad. Das ist wohl ein Wasserhahn undicht", wies sie ihn an.
„Ja, aber … Anneschatz. Ich kann dich doch so in dem Zustand nit alleine lassen tun", versuchte er einen Einwand, obgleich er im Grunde froh war, gleich wieder verschwinden zu können. Diese Traurigkeit seiner Gattin nahm ihn doch ziemlich mit.
„Nein, nein. Es geht schon wieder. Fahr du und erledige deine Arbeit", meinte sie.
„Ja, wenn du dat sagen tust", antwortete er und ging zurück in die Küche. Während er darauf wartete, dass sein Kaffee fertig wurde, dachte er weiter über das eben Gehörte nach.
„Woher tust du dat mit dem Bjarne eigentlich schon wieder wissen?", stellte er eine, wie er glaubte, berechtigte Frage. Obwohl seine Gattin fast den gesamten Tag in ihrem Büro verbrachte, war die nämlich immer auf dem Laufenden.
„Von Gina Marie, die war doch mit Jan Martin zu der Hochzeit eingeladen. Gina Marie ist jetzt bei Hilla zu Hause und kümmert sich um sie. Eigentlich hatte das wohl Lotta machen wollen, aber die musste als Inselpolizistin mit Jan Martin zum Hafen radeln. Jan Martin soll im Auftrag der Polizei die anderen Burschen untersuchen", war Annemarie sogar bestens im Bilde.
„Warum soll der Schwiegerdoktor die Jungens denn untersuchen tun? Sind die auch verletzt worden?", leuchtete es ihm nicht ein.
„Nein, die Polizei möchte wohl wissen, ob Alkohol oder Drogen im Spiel waren. Die Damen von der Kripo sind wohl ebenfalls schon unterwegs zur Insel. Das muss ja alles genau untersucht werden."
Martin nahm die Tasse mit seinem Kaffee, goss noch einen ordentlichen Schluck Milch hinein, versenkte vier Würfel Zucker darin und ging zurück ins Büro.
„Nä, nä, nä. Wie tun die Kriponalen denn da draufkommen, dat die Jungens bei einem Junggesellenabschied Alkohol getrunken haben könnten? Da gab dat doch bestimmt nur Tee und Kekse an Bord", versuchte er jetzt doch einmal einen Witz. Annemarie lachte nicht. Nein, die verdrehte nur irgendwie genervt die Augen. Vielleicht sollte Martin besser zusehen, dass er sich aus dem Staub machte.
Doch bevor er in den Kavalierspad radelte, um den Wasserhahn zu reparieren, würde er noch einen kleinen Abstecher zum Hafen machen, um zu schauen, was dort so vor sich ging. Wie gesagt, er hatte heute ja Zeit. So ein Wasserhahn hatte keine Beine und würde ihm daher nicht weglaufen. Der tropfte von ganz alleine weiter, bis Martin sich dann irgendwann um ihn kümmerte.
Kapitel 2
Samstag, 22. März 2025, 12:22 Uhr
Hafen/Insel Langeoog
Dass Lottas Vorschlag, Hilla nach Hause zu bringen und ihr beizustehen, nicht durchdacht war, hatte Lotta dann doch selbst gemerkt. Es hatte einen Unfall mit vermutlich tödlichem Ausgang gegeben. Da konnte sie als Inselpolizistin nicht ihre Arbeit vernachlässigen und sich um eine Freundin kümmern. Ursachenforschung und Unfallaufnahme gingen da vor. Dienst war Dienst, und Privat hatte da gefälligst hintenanzustehen.
Zum Glück hatte sich Gina Marie bereit erklärt, Hilla zu begleiten und auf sie aufzupassen, damit die keine Dummheiten machte. Jan Martin würde mitgehen, Hilla gegebenenfalls ein Beruhigungsmittel verabreichen und dann zum Hafen nachkommen.
Lotta war, nachdem dies geklärt war, schnell nach Hause geradelt, um in ihre Uniform zu schlüpfen. So viel Ordnung musste sein, und so eine Uniform verlieh nun mal auch Autorität.
Noch auf dem Weg verständigte sie ihren Kollegen Onno. Dieser war aber bereits, von wem auch immer, über alles informiert worden und ebenfalls unterwegs zum Hafen. Neuigkeiten verbreiteten sich auf der Insel zumeist äußerst rasant.
Als Lotta am Hafen ankam, lief die HOPPETOSSE III gerade ein. Am Anlegeplatz warteten Onno und der Brautvater Fiete Erichson. Von Jan Martin, dem Doktor, war noch nichts zu sehen.
„Moin Lotta, das ist ja ein schöner Schlamassel", begrüßte Onno sie und schaute dabei wie drei Tage Schietwetter.
„Na, das kannst du aber mal laut sagen", erwiderte sie und blickte in Richtung Festland, wo sich, noch ein gutes Stück hinter der HOPPETOSSE, gerade die Fähre der Insel näherte. Wenn sie sich nicht täuschte, war das die Langeoog III.
„Weißt du, wann die beiden Kolleginnen von der Kripo ankommen?", erkundigte sie sich bei Onno.
„Die Kollegin muss es heißen. Die Wibke kommt nämlich alleine. Die Frau Hauptkommissarin Antje Fischer befindet sich wohl auf einem Lehrgang beim BKA. Die Kripo ist derzeit etwas dünn besetzt in Wittmund. Wenn ich das richtig verstanden habe, müsste die Wibke auf der nächsten Fähre sein", wusste Onno auch darüber Bescheid.
Lotta war es ganz recht, dass Kriminaloberkommissarin Wibke Friebe die Ermittlungen ohne ihre Chefin Antje Fischer aufnehmen würde. Mit dieser Frau Fischer konnte Lotta nämlich so gar nicht. Weshalb dies so war, könnte Lotta noch nicht einmal sagen. Es war halt so, dass die Chemie zwischen ihnen beiden nicht passte. Mehr gab es da nicht zu sagen.
„Nun ja, viel gibt es ja auch nicht zu ermitteln. Das bekämen wir im Grunde auch noch ohne die Kripo selbst hin", fand Lotta allerdings.
„Wibke hat gemeint, sie benötigt von jedem der vier Herren an Bord des Unglücksschiffes eine Blutprobe", sagte Onno.
„Ist das nicht total übertrieben? Wenn von den Kerlen keiner etwas mitbekommen hat, waren die doch vermutlich alle unter Deck, als Bjarne über Bord gegangen ist. Weshalb ich mal davon ausgehe, dass er am Ruder stand und somit auch hätte nüchtern bleiben müssen. Solange die anderen das Schiff nicht gesteuert haben, konnten die doch trinken, so viel sie wollten", überlegte sie laut.
„Wenn er am Ruder stand. Das wissen wir doch noch gar nicht wirklich. Diese vier Burschen können viel erzählen. Die Kripo möchte, dass wir alles dokumentieren, damit sie die Unglücksnacht im Anschluss Stück für Stück rekonstruieren können. Dazu gehört bei Verdacht auf Fahren unter Alkoholeinfluss auch eine Blutprobe. Da kann doch wer weiß was auf See passiert sein. Wir waren ja nicht dabei, und diese Kerle könnten uns doch die Taschen volllügen, bis sich die Balken biegen", wandte Onno ein, der wie immer hinter allem ein Verbrechen sah.
Lotta war es schon klar, dass sie die vier Männer einzeln befragen mussten. Doch man musste es auch nicht gleich übertreiben und alles zu genau nehmen. Im Grunde waren die vier Überlebenden ja auch ebenfalls Opfer. Was musste es für ein Schock gewesen sein, als die merkten, dass Bjarne nicht mehr da war. Immerhin waren die vier ja Freunde, und Niklas Hensen war sogar der Bruder des Vermissten.
Wenn sie sich vorstellte, dass einer ihrer Freundinnen oder gar ihrer Schwester so etwas zustoßen würde … nein, daran wollte Lotta gar nicht denken. Wobei das mit der Schwester jetzt eher hypothetisch zu sehen war, da Lotta als Einzelkind keine Geschwister hatte. Aber mal egal. Wenn, dann wäre das schon schlimm.
„Vielleicht ist der Bjarne Hensen gar nicht von alleine über Bord gegangen. Vielleicht hat da ja auch einer nachgeholfen", sprach Onno es nun auch noch laut aus.
„Quatsch. Was sollten die anderen denn für ein Motiv haben? Die waren doch best friends", erwiderte Lotta.
„Na ja. Waren sie das wirklich? Das ist nämlich ein schöner Freund, der einem anderen die Frau ausspannt", schnaufte Onno.
Lotta wusste natürlich, was er meinte. Die Hilla war nämlich, bevor sie sich mit Bjarne verlobte, jahrelang mit dessen Kumpel Bente Eilers zusammen gewesen, der ebenfalls bei dem Junggesellenabschied dabei gewesen war.
„Quatsch, Onno. So etwas würde der Bente doch niemals tun", nahm Lotta den jungen Mann sogleich in Schutz. Sie kannte Bente ebenfalls, seit sie hier auf der Insel war. Ein ruhiger, sehr netter junger Mann, der in den letzten Jahren als Kellner in verschiedenen Gastronomiebetrieben auf der
