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1 t Separatdruck aus: Christoph Merian Stiftung (Hg.) Basler Stadtbuch 2009 130. Jahr / Ausgabe 2010, S. Basel. 2010: 129-137 Sven Straumann Versunkene Kulturen unter dem Museum der Kulturen Christoph Merian Verlag Die Ausgrabung 2008/3 der Archäologischen Bodenjorschung Basel-Stadt im Schürhoj Versunkene Kulturen unter dem Museum der Kulturen Die Ausgrabung 2008/3 der Archäologischen Bodenforschung Basel-Stadt im Schürhof Sven Straumann Der Basler Münsterhügel hat eine abwechslungsreiche. über dreitausend Jahre dauernde Siedlungsgeschichte hinter sich. 1 Bis heute wird auf diesem topografisch günstig gelegenen Sporn kontinuierlich gesiedelt - für die Archäologie ein wahrer Glücksfall. So können Entwicklungen und Veränderungen über einen langen Zeitraum beobachtet werden. Ein besonderes Augenmerk der Forschung gilt dabei den Übergängen zwischen den einzelnen Epochen. Zu einer ununterbrochenen Siedlungstätigkeit gehören selbstverständlich auch fortwährende Baumassnahmen. Jüngstes Beispiel ist der grosszügige Umbau des Museums der Kulturen. Nach den Plänen der Basler Stararchitekten Herzog & de Meuron wird unter anderem auch der Eingangsbereich des Museums neu gestaltet. Die dafür notwendigen Bodeneingriffe veranlassten die Archäologische Bodenforschung zur vorgängigen Durchführung einer grossflächigen Rettungsgrabung. Bei diesen Untersuchungen im sogenannten Schürhof stiess man auf äusserst gut erhaltene Kulturschichten aus unterschiedlichsten Epochen. Dabei konnten bereits wichtige neue Erkenntnisse zur Basler Geschichte gewonnen werden. Ein Graben aus der Bronzezeit? Auf dem Martinskirchsporn bestand schon in der späten Bronzezeit (zwischen 1300 und 800 v. ehr.) ein Dorf. Das Schutzbedürfnis der dortigen Bevölkerung scheint gross gewesen zu sein. Es konnten bereits bei früheren Grabungen zwei spätbronzezeitliche Abschnittsgräben festgestellt werden. Diese riegelten die Siedlung auf der nicht von natürlichen Steilhängen geschützten Südseite ab. Bei den archäologischen Untersuchungen im Schürhof-Areal liess sich nun ein weiterer. ebenfalls in Ost-West-Richtung verlaufender. wahrscheinlich bronzezeitlicher Graben nachweisen. Auch dieser dritte Graben diente wahrscheinlich als Annäherungshindernis. Beim Bau des breiten Grabens mit steil abfallenden Böschungen mussten riesige Materialmengen bewegt werden - und auch Archäologie und Geschichte 133 ------_._---_._---_. __._- __._- . . - ------- wieder bei dessen Beseitigung, denn er wurde spätestens in keltischer Zeit vollständig verfüllt und ausgeebnet. Bronzezeitliche Siedlungsspuren liessen sich im Schürhof-Areal zwar (noch) nicht feststellen, trotzdem stellt sich die Frage nach der effektiven Ausdehnung des spätbronzezeitlichen Dorfs. Eine keltische Pferdebestattung Aus der spätkeltischen Zeit (1 . Jahrhundert v. ehr.) konnten Spuren von Holzbauten sowie diverse Gruben nachgewiesen werden. Diese stammen von einer befestigten Siedlung, die sich wohl ab 80 v. ehr. nahezu über das gesamte Plateau des Münsterhügels erstreckte. Im oberen Bereich einer solchen Grube kam ein vollständiges Pferdeskelett zum Vorschein. Das tote pferd scheint sorgfältig niedergelegt worden zu sein. Der offenbar abgetrennte Schädel lag separat in einer kreisrunden Grube. Von den Halswirbeln fehlt jede Spur. Fand hier ein kultisches Ritual statt? Wurde dieses Pferd feierlich zu Grabe getragen? Können wir hier möglicherweise gar einen keltischen Kultplatz, ein Heiligtum postulieren? Diesen und anderen Fragen wird in einer kommenden Auswertung nachzugehen sein. Es bleibt vorerst festzuhalten, dass es sich um einen aussergewöhnlichen und extrem seltenen Fund handelt. Frührömische Holzbauten Aus der frühen römischen Kaiserzeit sind im Schürhof-Areal zahlreiche Spuren erhalten, zum Beispiel sogenannte Balkengräbchen und Pfostenlöcher, die als Reste von Holzbauten zu deuten sind. Besonders auffällig ist die regelmässige Ausrichtung der rechtwinklig aneinanderstossenden Gebäudeteile. Vermutlich orientierten sich diese frührömischen Bauten an einem üb erbauungs plan. Bestimmt spielte dabei auch die Strassenführung eine Rolle. Eindeutige Reste von Verkehrswegen liessen sich im Bereich des Schürhofs allerdings noch nicht fassen . Ein spätrömischer Steinbau und gestempelte Ziegel Wohl in spätrömischer Zeit entstand auf dem Areal ein mächtiges Gebäude aus Stein. Dessen Mauerfluchten entsprechen den Fluchten des spätrömischen Getreidespeichers (horreum), der im nahegelegenen Hof des Schulhauses zur Mücke ausgegraben wurde und nun dort in der Pflästerung des Platzes markiert ist. Offenbar waren die Häuser auch in dieser Zeit nach einem einheitlichen Plan ausgerichtet. Zwischen dem sorgfältig errichteten Schalenmauerwerk bildete ein Belag aus Kieselsteinen den Fussboden. Im Verlauf der Benutzung kam es auch zu Umbauten. Ein tonnenschwerer bearbeiteter Buntsandsteinblock wurde hier allem Anschein nach in Zweitverwendung, das heisst als sogenannte Spolie, verbaut. Gut möglich, dass dieser Baustein aus den Ruinen von Augusta Raurica stammt und per Schiff den Rhein hinunter nach Basel transportiert wurde, um seinen Platz im Fundament des spätrömischen Bauwerks 134 Archäologie und Geschichte auf dem Schürhof-Areal zu finden . Einen Teilbereich des Hauses versah man bei einem späteren Umbau mit einer Y-förmigen Kanalheizung. In den Zerfalls- und Abbruchschichten des Gebäudes kam eine beträchtliche Zahl gestempelter Ziegel zum Vorschein. Über fünfzig Fragmente weisen den Fabrikationsstempel der Legio Prima Martia auf, einer Militäreinheit, die in der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts in Kaiseraugst stationiert war. Möglicherweise wirkte die Truppe auch bei der Errichtung dieses herausragenden Gebäudes auf dem Basler Münsterhügel mit. Gerade wenn wir dem Bau eine gewisse öffentliche Funktion zusprechen, ist eine derartige Beteiligung durchaus möglich. Die Entdeckung dieses Gebäudes unterstreicht die in spätrömischer Zeit zunehmende Bedeutung Basels als Zentralort. Ein mittelalterlicher Befestigungsgraben Vermutlich als Folge grossflächiger Terrainveränderungen in der Neuzeit blieben im Schürhof relativ wenige Baureste aus dem Mittelalter erhalten. Zu diesen gehört eine Scheidernauer, die den Schürhof von der benachbarten Schlüsselberg-Parzelle trennte. Dort konnten im Hinterhofbereich zwei mittelalterliche Latrinen freigelegt werden. Markantestes Zeugnis aus dem Mittelalter ist jedoch ein 6 Meter breiter und recht tiefer Graben. Er verläuft in ost-westlicher Richtung durch die Grabungsfläche und scheint einen grösseren Bereich des Münsterhügels abgeriegelt zu haben. Aufgrund seiner Dimensionen hatte der Graben wohl nicht nur eine symbolische Bedeutung als Grenze, sondern auch eine militärische Funktion als Annäherungshindernis. Eine genauere Auswertung verspricht spannende Einblicke in die mittelalterliche Geschichte. Ein neuzeitliches Fabrikgebäude mitten in der Stadt Im Zusammenspiel mit Schrift- und Bildquellen ermöglicht die Archäologie auch Aussagen zu den jüngeren Kapiteln der Geschichte des Schürhof-Areals. So konnten die Reste eines sehr tief fundamentierten Gebäudes freigelegt werden. Es handelt sich um das sogenannte Fabrikgebäude des Basler Bandfabrikanten Martin Bachofen-Heitz (1727-1814), das zwischen 1767 und 1769 nach den Plänen von Samuel Werenfels und Johann Jacob Fechter errichtet wurde. 2 Bei der Ausgrabung wurden der nicht unterkellerte Südflügel sowie Teile des gepflästerten Hofbereichs erfasst. Als Zeugnisse der Wasserversorgung kamen Reste einer Teuchelleitung (Holzrohrleitung), Backsteinkanäle sowie ein in die Tiefe führender runder Schacht zum Vorschein. Er hatte aus Steinen gemauerte Wände und war mit einem ausgedienten grossen Mühlstein aus Granit abgedeckt. Das multifunktional genutzte Gebäude musste zusammen mit seinem französischen Garten der Erweiterung des Museums weichen und wurde 1913 abgebrochen. Archäologie und Geschichte 135 Altes weicht Neuem In jüngster Zeit ist es nun der Umbau des Museums der Kulturen, der Zeugnisse aus der Vergangenheit ans Tageslicht fördert. Im Rahmen der Rettungsgrabung konnte die Archäologische Bodenforschung mithilfe modernster Technik die Hinterlassenschaften unserer Vorfahren untersuchen und dokumentieren. Ausgraben bedeutet immer auch Zerstören. Darum war man bestrebt, nur so viel freizulegen, wie für das Bauprojekt unbedingt nötig. So bleibt auch für künftige Generationen originale archäologische Substanz im Boden erhalten. Von den baulichen Resten der Kulturgeschichte an diesem Ort werden die Besucher beim Betreten des neuen Museums der Kulturen nichts mehr sehen (dafür sehen sie zahlreiche Zeugnisse der Kulturen ferner Länder). Unter ihren Füssen schlummern aber weiterhin noch viele Geheimnisse vergangener Zeiten. Somit ist der Vergangenheit die Zukunft gesichert. Anmerkungen Hagendom, Andreal Deschler-Erb, Eckhard: Auf dem Münsterhügel. Die ersten Jahrtausende. Mit einem Beitrag von Guido Lassau, Archäologische Denkmäler in Basel 5, Basel 2007. 2 Nagel. Anne I Mähle, Martini Meles, Brigitte: Die Altstadt von Grossbasel l. Profanbauten. Die Kunstdenkmäler des Kantons Basel-Stadt Bd. VII, Bem 2006, S. 83-91. Archäologie und Geschichte 137