Foto: E. León
Die Abtreibungsgesetze in
Lateinamerika gehören
zu den härtesten weltweit. In
manchen Ländern ist der
Schwangerschaftsabbruch
nicht einmal im Falle der
Lebensgefährdung der Mutter
zugelassen. Wer gedacht hat,
die linken StaatschefInnen
Lateinamerikas würden daran
etwas ändern, täuscht sich.
Denn mit der katholischen
Kirche möchten sie sich lieber
nicht anlegen.
Wie im Vatikan
Lateinamerikas linke Regierungen und
ihre Abtreibungspolitik
von Ev a B a h l und J u d i t h G ö t z
Die Gesetzeslage in den meisten lateinMalta und im Vatikan durchgesetzt ist, gibt es
amerikanischen Ländern lässt Abtreibung nur
gleich in mehreren Ländern: Chile, El Salvador,
dann zu, wenn eine Gefährdung der GesundHonduras, Saint Martin (Niederländische
heit beziehungsweise des Lebens der Mutter
Antillen), Dominikanische Republik und seit
besteht oder die Schwangerschaft durch
zwei Jahren auch in Nicaragua. Dieses »TotalVergewaltigung zustande gekommen ist. Oft
verbot« sieht vor, dass Frauen nicht einmal im
Falle der Gefährdung ihres
sind derartige Paragraphen
Lebens die Schwangerschaft
an eine EinverständniserkläJährlich sterben etwa
abbrechen dürfen.
rung der Ehemänner oder
Angesichts kaum vorhander gesetzlichen VertreterIn4.000 Frauen an
nen gebunden. Die Frauen
illegalen Abtreibungen dener legaler Alternativen
wundert es kaum, dass die
sind dabei der Willkür der
WeltgesundheitsorganisaÄrztInnen sowie lokaler Getion (WHO) die Anzahl der illegalen Abtreirichte ausgesetzt, vor denen das Recht auf
bungen in Lateinamerika jährlich auf rund vier
Abtreibung erst eingeklagt werden muss. Mit
Millionen schätzt. Aufgrund der unsicheren
wenigen Ausnahmen machen sich in allen anBedingungen ist die Todesrate sehr hoch. Die
deren Fällen sowohl die abtreibende Frau als
WHO geht von etwa 4.000 Frauen aus, die
auch die Person, die die Abtreibung durchjährlich aufgrund von illegalen Abtreibungen
führt, strafbar. In Belize beispielsweise drohen
sterben.1
beiden bis zu 14 Jahren Haft.
Die Entwicklung des für Abtreibungen
Ein so genanntes »Totalverbot« von Abtreirelevanten Strafrechts steht in engem Zubung, das außerhalb Lateinamerikas nur in
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sammenhang mit der Conquista, der kolonialen Eroberung. Mit ihr kam das spanische
Strafgesetzbuch nach Lateinamerika, das aus
dem 13. Jahrhundert stammte und in vielen
Ländern noch lange nach Erlangung der Unabhängigkeit beibehalten wurde. Das Strafrecht der Kolonialmacht beinhaltete ein ausnahmsloses Abtreibungsverbot mit Strafen
wie Tod oder Verbannung. Ausnahmen wurden nach der Unabhängigkeit erst nach und
nach im Zuge von Reformen und in Gestalt
einzelner Indikationen zugelassen.
Illegal und daher lukrativ
Die staatlichen Regelungen griffen auch
massiv in die Geburtenkontrolle ein, insbesondere in den lateinamerikanischen Diktaturen. So war der Zugang zu Verhütungsmitteln staatlich geregelt oder gar verboten.
Wenngleich diese Gesetze großteils aufgehoben wurden oder schlichtweg ignoriert wer-
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den, ist der Zugang zu Verhütungsmitteln in
In den letzten Jahren gab es jedoch einige
Lateinamerika bis heute mit großen ProblePositionsverschiebungen. So sorgte der brasimen verbunden. Viele Männer lehnen Verhülianische Priester und Befreiungstheologe Frei
tung kategorisch ab. Kontrazeptiva werden
Betto 2007 für einen Skandal in katholischen
nicht in allen Gesundheitszentren kostenlos
Kreisen, als er sich öffentlich für die Straffreiverteilt, so dass viele Frauen sich Verhütung
heit von Abtreibung einsetzte. Seine Begrünnicht leisten können. Der Zugang ist vor aldung: die »Verteidigung des Lebens«, die sich
lem auf dem Land schwierig. AufklärungsAbtreibungsgegnerInnen auf die Fahnen
kampagnen erreichen oft nur jene, die Spaschrieben, müsse in der heutigen Zeit bedeunisch sprechen.
ten, Frauen nicht zu lebensgefährlichen klanRisikoarme Abtreibungen sind vor diesem
destinen Abtreibungen zu zwingen.
Hintergrund nur jenen Frauen möglich, die Privatkliniken
bezahlen oder in Länder reisen können, in denen Abtreibung legal ist. Weniger zahlungskräftige Frauen sind gezwungen, auf gefährliche
Mittel zurückzugreifen, etwa
auf Gebärmutterspülungen
mit giftigen Stoffen wie Reinigungsmittel. Oder sie versuchen, den Uterus mit spitzen
Gegenständen zu perforieren.2 Die Illegalität macht Abtreibungen zu einem lukrativen Geschäft, da sie in den
Wer hat »das Recht zu entscheiden«?
meisten Ländern bis zu mehreren Monatsgehältern kosten. Die ÄrztInnen sind oft nicht daran interEinen weiteren Hoffnungsschimmer in der
essiert, an diesem Umstand etwas zu ändern,
katholischen Kirche stellen die lateinamerikagerade wenn sie in öffentlichen Krankenhäuweit arbeitenden »Católicas por el Derecho a
sern angestellt sind und ein geringes Gehalt
Decidir« dar, eine katholische Frauenorganisabekommen. Es gibt viele ÄrztInnen, die vortion, die sich für das Frauenrecht auf Selbstbemittags im Krankenhaus Abtreibungen verstimmung einsetzt. In Argentinien ist seit Mai
weigern und sie nachmittags in privater Be2005 die »Campaña Nacionál al Aborto Legal,
handlung durchführen.
Seguro y Gratuito« aktiv. Sie wird von über
400 feministischen, sozialen und akademischen Organisationen getragen und setzt sich
Leben schützen? Wessen Leben?
landesweit in Form von Unterschriften- und
t Die Rechtslage der einzelnen Länder steht
Informationskampagnen für die Legalisierung
im Einklang mit den Vorstellungen der kathound Straffreiheit von Abtreibung ein. Ihr Marlischen Kirche. Diese vertritt weltweit eine
kenzeichen ist ein dunkelgrünes Halstuch, das
einheitliche Position gegenüber Abtreibung,
an das Kopftuch der Madres de la Plaza de
die jeglichen Eingriff gegen die Befruchtung
Mayo erinnert. Ihre Hauptforderungen laufür unzulässig erklärt. Wer abtreibt, kann exten: »Sexuelle Aufklärung, um zu entscheikommuniziert werden.
den, Antikonzeptiva, um nicht abzutreiben,
Aber selbst in der als linksorientiert geltenlegale Abtreibung, um nicht zu sterben«.
den katholischen Befreiungstheologie gibt es
Lateinamerikaweit wird den Opfern der
für Frauenrechte keinen Platz. Elina Vuola, feAbtreibungspolitik seit 1990 am 28. Septemministische Theologin an der Universität von
ber, dem »Día de Lucha por la DespenalizaHelsinki, stellt dazu fest: »Einige Theologen
ción del Aborto en Latinoamérica y el Caribe«
vertreten ein recht traditionelles sexualethi(Tag für die Straffreiheit von Schwangersches Denken, andere wiederum nehmen zu
schaftsabbruch in Lateinamerika und der
dieser Frage überhaupt nicht Stellung. Die BeKaribik) gedacht. 2008 riefen mehr als 600
freiungstheologen sprechen von der absoluOrganisationen in ganz Lateinamerika und
ten Würde des Lebens und verschließen zuder Karibik dazu auf, an diesem Tag gegen
gleich ihre Augen vor der Tatsache, dass Taudie Illegalisierung dieses Frauenrechts zu prosende von Frauen an illegalen Abtreibungen
testieren.
sterben.« Vuola fragt in ihrer Dissertation, was
Das repressive Vorgehen gegen Abtreibunmit dem Leben und der Würde des Lebens eigen in Lateinamerika steht im Widerspruch zu
gentlich gemeint sei. »Meint man damit, dass
den Absichtserklärungen der dortigen linksein jeder Mensch das Recht darauf hat, gebogerichteten Regierungen, die Frauenrechte
ren zu werden, oder dass man den Tod von
stärken zu wollen. In Venezuela rühmen sich
Tausenden von Frauen bei einem SchwangerChavistInnen gerne damit, dass nicht nur die
schaftsabbruch verhindern müsse?« 3
Verfassung in geschlechtsneutraler Sprache
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geschrieben ist, sondern auch der Präsident
Hugo Chávez selbst sie verwendet. Tatsächlich
sind Frauen nicht nur rhetorisch, sondern zunehmend auch praktisch in den politischen
Prozess in Venezuela einbezogen. Demgegenüber stirbt in Venezuela laut Statistik des Gesundheitsministeriums eine Frau pro Woche an
unsicheren Abtreibungen.4 Trotz jahrelanger
Bemühungen der venezolanischen Frauenbewegung, Abtreibung zu entkriminalisieren und
nur dann zu bestrafen, wenn sie ohne Wissen
und Einverständnis der
Frau durchgeführt wird,
ist keine Änderung der
entsprechenden Passagen im Strafgesetzbuch
zu erwarten.
Der Chavismus gibt sich
nämlich alles andere als
religionskritisch – laut
Chávez war Jesus »der
erste Revolutionär«. Katholische WählerInnen
machen einen großen
Teil der Stimmen für
Chávez aus, und auf diese will man bei der »boFoto: D. Pohls
livarianischen Revolution« nicht verzichten.
Eine Strafrechtsreform war zwar bereits 2004
geplant, scheiterte jedoch aufgrund der Abtreibungsfrage, da sich die chavistische Regierung im Wahljahr nicht mit Kirche und Militär
anlegen wollte. So heißt es im Artikel 432 des
Kapitels V über den »Aborto provocado«
(»hervorgerufene Abtreibung«), dass eine
Frau, die wissentlich einen Schwangerschaftsabbruch begeht, mit sechs Monaten bis zu
zwei Jahren Gefängnis bestraft wird. Die Person, die den Abbruch vollzieht, hat mit einem
Jahr bis 30 Monaten Haft zu rechnen. Nicht
strafbar ist der Abbruch der Schwangerschaft
nur, wenn das Leben der Mutter in Gefahr ist.
Aber selbst in diesem Fall muss eine schriftliche Einverständniserklärung ihres Ehemannes
vorgewiesen werden.
Großartige Revolutionäre
t In Nicaragua wurde das Strafgesetz zum
Negativen geändert, als im Jahr 2006 kurz vor
den Präsidentschaftswahlen 52 der 61 anwesenden Abgeordneten, unter ihnen zahlreiche Mitglieder der sandinistischen Partei
FSLN, für ein totales Abtreibungsverbot
stimmten. Sie wollten damit ebenfalls bei den
katholischen WählerInnen punkten. Daniel
Ortegas Wahlsieg ist unter anderem auf die
vollständige Eliminierung dieses Frauenrechts
zurückzuführen. Betroffenen Frauen und ÄrztInnen drohen nun bis zu acht Jahre Haft. Zuvor war Abtreibung seit 1891 aus »medizinischen Gründen« dann zugelassen, wenn drei
unabhängige Gutachten über die gesundheitlichen Risiken für die betroffene Frau erbracht werden konnten und der Ehepartner
Abtreibungspolitik
oder die nächststehende Person aus der Fanigen Ausnahmefällen – Gesundheitsgefährmilie dem Abbruch zustimmte.
dung der Mutter, Vergewaltigung und MissChile verfügt über ein ähnlich hartes Abbildungen des Fötus, die das Kind lebensunfätreibungsgesetz wie Nicaragua. Die Mittehig zur Welt kommen ließen – durchgeführt
Links-Koalition, die seit dem Ende der Pinowerden dürfen. Die erste legale Abtreibung
chet-Diktatur im Jahr 1989 Chile regiert, hat
wurde an einer Elfjährigen vorgenommen, die
die entsprechenden Anti-Abtreibungsparanach einer Vergewaltigung durch ihren Stiefgrafen nicht revidiert, sondern sogar vervater schwanger geworden war. Die katholischärft. Abtreibung ist nun nicht einmal nach
sche Kirche exkommunizierte alle an der AbVergewaltigung oder aus »medizinischen
treibung beteiligten Personen mit Ausnahme
Gründen« erlaubt. Wenngleich beide Mögdes Mädchens selbst, das noch zu jung dafür
lichkeiten während der Diktatur kaum angewar. Ebenfalls mit Exkommunikation bedrohwendet wurden, waren sie doch zumindest
te sie sämtliche an der Entscheidung des
laut damaligem Strafrecht legal. Die einzige
Obersten Gerichtshofs beteiligten Personen.
Verbesserung, die von Präsidentin Michelle
Außerdem drohte sie mit Aktionen zivilen UnBachelet durchgesetzt wurde, ist der 2007
gehorsams. Die Wirkung solcher Interventiounterschriebene Erlass, dass 14- bis 18-Jährinen ist in stark katholisch geprägten Gesellge ohne Einverständniserklärung der Eltern
schaften nicht zu unterschätzen. Allein in KoAnspruch auf die »Pille danach« haben.
lumbien wird die Anzahl der illegalen SchwanIn Brasilien hat die Lula-Regierung kaum
gerschaftsabbrüche jährlich auf über 300.000
etwas daran geändert, dass eine Abtreibung
geschätzt,5 wovon etwa 30 Prozent mit
nur im Falle der Gesundheitsgefährdung der
Komplikationen verbunden sind.6 Bei jährlich
Mutter durchgeführt werden
140 Frauen führen diese
darf. Ein kleiner Fortschritt ist leKomplikationen zum Tod.7
Der
Chavismus
gibt
diglich eine neue Auslegung, die
In Mexiko hat im April
öffentliche Krankenhäuser dazu
2007 das Parlament von
sich alles andere als
verpflichtet, Abtreibungen durchMexiko-Stadt, in dem die
religionskritisch
zuführen, wenn Frauen angeben,
sozialdemokratische PRD
dass sie vergewaltigt wurden, ohdie Mehrheit hat, das Abne dies auch beweisen zu müssen.
treibungsgesetz liberalisiert. Abbrüche sind
Uruguays linker Präsident Tabaré Vázquez
nun bis zur zwölften Woche straffrei. AufRosas steht dem Versagen der meisten Linksgrund dieser Regelung ist es zu massiven Abregierungen in nichts nach. Nachdem das
treibungs-Migrationen von Frauen aus allen
Parlament sich am 5. November letzten Jahanderen mexikanischen Staaten in die Hauptres unter erschwerten Bedingungen (unter
stadt gekommen. Sowohl in Bolivien als auch
anderem einer falschen Bombendrohung) mit
in Ecuador gilt die Straffreiheit bei Schwan49 zu 48 Stimmen für die Legalisierung von
gerschaftsabbrüchen für Frauen, die vergeAbtreibung in den ersten zwölf Schwangerwaltigt wurden oder deren Gesundheit oder
schaftswochen ausgesprochen hatte, legte er
Leben gefährdet ist. In beiden Ländern ist
eine Woche später ein Veto ein. Um doch
aber angesichts der aktuellen Debatten über
noch in Kraft treten zu können, bräuchte das
eine neue Verfassung das Thema wieder auf
Gesetz jetzt die 3/5-Mehrheit in beiden Kamdie Tagesordnung gekommen.
mern. Diese ist jedoch unwahrscheinlich.
In Bolivien hat sich die Campaña 28 de
Septiembre,8 eine breite Allianz aus autonomen feministischen Organisationen und
Ausnahmen von der Regel
Frauen aus den politischen Parteien, intensiv
t Lichtblicke stellen Kuba, Puerto Rico,
am verfassungsgebenden Prozess beteiligt.
Guyana, Französisch Guyana, Barbados und
Stark umkämpft war der Paragraf, in dem das
drei Länder der niederländischen Antillen dar.
»Recht auf Leben« festgeschrieben werden
Hier ist der »freiwillige Abbruch der Schwansollte. Konservative politische Parteien hatten
gerschaft«, wie Abtreibung von vielen Femisich gemeinsam mit der katholischen Kirche
nistinnen in Lateinamerika bezeichnet wird,
und verschiedenen evangelikalen Kirchen daerlaubt. In Kuba sind Abtreibungen kostenlos
für eingesetzt, den kleinen aber bedeutenden
Zusatz »ab der Empfängnis« anzufügen. Das
und können aus sozialen, medizinischen und
konnte aber durch eine Urgent Action verhinökonomischen Gründen durchgeführt werdert werden, zu der die Kampagne aufrief
den. In Guyana gibt es seit 1995 eine Achtund die ein Echo in ganz Südamerika fand.9
Wochenfrist, Schwangerschaftsabbrüche sind
Auch wenn das »Recht auf sexuelle und rebis zu diesem Zeitpunkt straffrei möglich. In
produktive Selbstbestimmung« in Artikel 66
den ersten sechs Wochen nach ihrer Einfühder neuen Verfassung Boliviens aufgenommen
rung wurden 41 Prozent weniger Frauen
wurde, ließ sich die Straffreiheit von Abtreiwegen Komplikationen nach illegalen Abtreibung nicht durchsetzen. Präsident Evo Morabungen in ein Krankenhaus eingeliefert.
les hatte sich nie direkt zum ungeliebten TheFortschritte lassen sich auch in Kolumbien
ma des Schwangerschaftsabbruchs geäußert,
ausmachen, wo Schwangerschaftsabbrüche
sich aber immer für den Respekt der Menaufgrund einer Entscheidung des Obersten
schenrechte von Frauen ausgesprochen. Und
Gerichtshofes seit Mai 2006 zumindest in weiz3w
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während die Feministinnen in ihrem Vorschlag
das Recht auf Entscheidungsfreiheit über den
eigenen Körper, auf selbstgewählte, freie und
freiwillige Mutterschaft und auf Lust und Erotik gefordert hatten, heißt es jetzt im Artikel 45
der Verfassung: »Die Frauen haben ein Recht
auf eine sichere Mutterschaft und haben Anspruch auf Unterstützung und Schutz durch
den Staat während, vor und nach der Geburt.«
Von Abbruch also keine Rede.
Selber kämpfen müssen
In Ecuador war die Abtreibungsdebatte
ebenfalls ein Punkt, um den sich im Vorfeld
des Verfassungsreferendums im September
2008 alles drehte. Katholische Bischöfe und
Evangelikale hatten die Verfassung abgelehnt,
weil sie – ihrer Ansicht nach – in ihrer Ambivalenz die Legalisierung von Abtreibung ermöglicht. Diese Unentschiedenheit meinen
sie zwischen den Artikeln 6 und 49 zu erkennen. Während Letzterer den »Schutz des
Lebens ab der Empfängnis« vorsieht, erkennt
Ersterer das Recht auf Entscheidungsfreiheit
darüber an, wann und wieviele Kinder man/
frau haben möchte. Präsident Rafael Correa,
ein praktizierender Katholik, hat aber schon
versichert, dass es nicht zu einer Änderung
des Abtreibungsartikels im Strafrecht aufgrund dieses progressiven Verfassungstextes
kommen werde.
Das Recht auf sexuelle und reproduktive
Selbstbestimmung bleibt also weiterhin ein
Ziel, für das die vielfältigen feministischen Bewegungen selbst kämpfen müssen. Auf der
Agenda linker Regierungen scheint es vorerst
nicht zu stehen.
t
Anmerkungen:
1 www.who.int/reproductive-health/unsafe_
abortion/map.html
2 siehe Eva Völpel,: Zwischen Totalverbot und Legalisierung: Abtreibungspolitik in Lateinamerika
in Frauensolidarität 4/2007
3 siehe www.helsinki.fi/lehdet/uh/298e.html
4 www.scielo.org.ve/scielo.php?pid=S004877322007000300005&script=sci_arttext
5 http://es.wikinews.org/wiki/Corte_
Constitucional_de_Colombia_despenaliza_
parcialmente_el_aborto
6 www.medicos-progresistas.org/modules.php?
name=News&file=print&sid=49
7 www.hrw.org/es/news/2005/09/11/colombiael-derecho-internacional-y-el-aborto
8 Benannt nach dem Tag für die Straffreiheit von
Schwangerschaftsabbrüchen in Lateinamerika
und der Karibik.
9 siehe www.cladem.org/espanol/nacionales/
bolivia/desde_el_nuevo_texto.pdf
Eva Bahl, Studentin der Ethnologie, und
Judith Götz , Studentin der Politikwissent
schaft, forschen zu Frauenbewegungen in
Lateinamerika.
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