1 Einleitung

Angesichts des Klimawandels und der damit verbundenen Ressourcenknappheit als globale Herausforderungen unserer Zeit sind Unternehmen als zentrale Akteure unserer Gesellschaft gefordert, nachhaltig zu wirtschaften. Vor diesem Hintergrund gewinnt das Paradigma der Kreislaufwirtschaft (engl.: Circular Economy, CE) sowohl aus unternehmerischer, politischer als auch gesamtgesellschaftlicher Perspektive immer mehr an Bedeutung. Der Grundgedanke dahinter ist das Verbleiben von Ressourcen und Materialien innerhalb des Wirtschaftskreislaufes und damit eine produktive Weiterverwendung, die zur Wertschöpfung über das vermeintliche Ende des Produktlebenszyklus hinaus beiträgt. Zielsetzung ist es, Produkte nach dem Gebrauch nicht einfach wegzuwerfen, sondern am Ende ihres Lebenszyklus wiederzuverwenden, zu reparieren oder zu recyclen (Kirchherr et al. 2023). Damit steht die Kreislaufwirtschaft im Gegensatz zum traditionellen, linearen Wirtschaftsmodell.

Zentrale Voraussetzung für die Wiederverwendung ist allerdings, dass Unternehmen die bereits verkauften Produkte am Ende ihres Lebenszyklus zurückerhalten. Entsprechend ist es essenziell, Take-Back Systeme zu etablieren, um die Rückführung der Produkte in den produktiven Kreislauf zu gewährleisten. Die Rücknahme von Altprodukten verlängert somit nicht nur die Produktlebenszyklen durch Wiederaufbereitung und Wiederverwendung, sondern macht ganze Lieferketten kreislauffähiger und stärkt gleichzeitig die Kundenbindung (Hvass and Pedersen 2019; Kondoh et al. 2005).

Take-Back Systeme bündeln verschiedene Einzelprozessschritte wie die Inspektion, Reinigung, Prüfung, Sortierung, Demontage, Reparatur, Aufarbeitung, Wiederaufbereitung, Weitervertrieb und Entsorgung. Eine zentrale Rolle entfällt hierbei auf die Rückwärtslogistik (Guide und Van Wasserhove 2002). Diese bündelt die logistischen Maßnahmen, die notwendig sind, um die Produkte an die entsprechende Stelle zur Inspektion und Disposition zu transportieren. Innerhalb der Literatur werden die Termini Rückwärtslogistik und geschlossene Lieferkette oft synonym verstanden (Uhrenholt et al. 2022). Auch wir folgen innerhalb des Artikels diesem Verständnis. Im Gegensatz zur traditionellen linearen Wertschöpfung stellen Take-Back Systeme und die damit zusammenhängende Rückwärtslogistik Unternehmen vor neue Herausforderungen. Einerseits sind Parameter wie Qualität, Quantität, Timing und Lieferung der zu verarbeitenden End-of-Use-Teile, -Produkte und -Materialien im Vergleich zur traditionellen Fertigung mit größerer Unsicherheit behaftet, da die Unternehmen bis zur Inspektion keinen Einfluss auf diese Parameter haben (Rizova et al. 2020). Andererseits müssen viele traditionelle Unternehmen die Fähigkeiten zum Betrieb eines effizienten Take-Back Systems initial erlernen, sodass stabile Prozesse selten vorzufinden sind. Deshalb stehen die meisten Unternehmen, trotz der bekannten Nutzenaspekte der Kreislaufwirtschaft weiterhin vor der Herausforderung effiziente und wirtschaftlich praktikable Take-Back Systeme einzuführen (Hvass und Pedersen 2019).

Zur Entwicklung unternehmerischer Fähigkeiten werden Geschäftsprozesse und Informationen benötigt, die wiederum den Einsatz von Enterprise Software unabdingbar machen. Insbesondere Enterprise Resource Planning (ERP)-Systeme gelten als erfolgskritisch, da sie bspw. verschiedene Funktionsbereiche integrieren und die notwendigen Informationen für Entscheider bereitstellen (Ruivo et al. 2020). Eine effiziente Umsetzung von Take-Back Systemen in Unternehmen erfordert ebenfalls integrierte Anwendungssysteme, wobei sich solche Systeme hinsichtlich der bereitzustellenden Informationen und der abzubildenden Geschäftsprozesse von den ERP-Systemen deutlich unterscheiden (Stindt 2014; Leyh und Wendt 2018).

Die bestehende Literatur bietet keine systematischen Ansätze zur Umsetzung von Enterprise Software für Take-Back Systeme. Obwohl in der Forschung die Potenziale der Digitalisierung zur Verbesserung der Nachhaltigkeitsaspekte erkannt werden (Andersen et al. 2023; Winkler et al. 2023), jedoch ist über die Gestaltung von IS für Take-Back Systeme bisher wenig bekannt. Zur Adressierung dieser Lücke schafft der Artikel eine Übersicht über die Anforderungen an Take-Back Systeme aus einer informationstechnischen Perspektive, die für die Implementierung von Take-Back Systemen mittels Enterprise Software notwendig sind. Auf Basis des Anforderungskataloges werden auch die Implikationen für Enterprise Software durch die wachsende Bedeutung von Nachhaltigkeit diskutiert. Damit bietet dieser Beitrag eine Orientierung für IT-Entscheider, indem er aufzeigt, wie Enterprise Software im Zeitalter der digitalen Nachhaltigkeit gestaltet sein kann.

Der Beitrag ist wie folgt strukturiert. Im nächsten Abschnitt werden Take-Back Systeme eingeführt und definiert. Im dritten Abschnitt wird die Methodik zur Anforderungsermittlung vorgestellt. Im vierten Abschnitt werden die Anforderungen an Take-Back Systeme beschrieben. Anschließend wird im fünften Abschnitt ein Einsatzszenario für Take-Back Systeme am Beispiel der Automobilindustrie aufgezeigt. Abschließend diskutiert der Beitrag die Auswirkungen der Umsetzung eines Take-Back Systems für die Enterprise Software und erklärt, wie IT-Entscheider die Ergebnisse des Beitrags nutzen können.

2 Begriffe und Definitionen

2.1 Intelligente Kreislaufwirtschaft

Seit Oktober 2020 wird die Kreislaufwirtschaft durch das neue Kreislaufwirtschaftsgesetz stärker gefördert, um natürliche Ressourcen zu schonen sowie Mensch und Umwelt bei der Abfallerzeugung und -verwaltung zu schützen (BMUV 2020). Auch der Europäische Green Deal fördert die Kreislauftransformation unternehmerischer Wertschöpfung (Seidel 2022).

Die Kreislaufwirtschaft lässt sich definieren als „industrielles System, das durch seine Absicht und Gestaltung restaurativ oder regenerativ ist. Sie ersetzt das ‚End-of-Life‘-Konzept durch Wiederherstellung, verlagert den Fokus auf die Nutzung erneuerbarer Energien, eliminiert die Verwendung giftiger Chemikalien […] und zielt auf die Beseitigung von Abfällen durch überlegene Gestaltung von Materialien, Produkten, Systemen und […] Geschäftsmodellen“ (Ellen MacArthur Foundation 2013). Die verschiedenen Kreislaufprinzipien, die entweder einem biologischen oder einem technischen Zyklus folgen, sind in Abb. 1 dargestellt.

Abb. 1
figure 1

Konzeptionelle Sicht auf die Kreislaufwirtschaft von der Ellen MacArthur Foundation

Die Kreislaufwirtschaft bietet Unternehmen zahlreiche Möglichkeiten, eine nachhaltigere Wertschöpfung zu betreiben und den zunehmenden Rechenschaftspflichten, die ebenfalls aus dem EU Green Deal hervorgegangen sind, zu entsprechen und gilt gleichzeitig als Enabler neuer Serviceangebote und Geschäftsmodelle (Lüdeke-Freund et al. 2019). Unabhängig davon, ob ein Unternehmen nur den gesetzlichen Pflichten nachkommen oder neue Geschäftsmodelle realisieren möchte, können technologische Innovationen genutzt werden, um die Kreislaufprinzipien zu realisieren und so nachhaltiger zu agieren (Kirchherr et al. 2023; Kotlarsky et al. 2023). Digitale Technologien spielen dabei eine zentrale Rolle, indem sie relevante Informationen und Daten liefern, die für das effiziente Management von Ressourcenflüssen unerlässlich sind.

Die Forschung sieht insbesondere einen Mix aus Technologien zur Erhebung, Verarbeitung und Analyse von Daten als gewinnbringend an, um effizientes Management von Ressourcenflüssen zu gewährleisten (Kristoffersen et al. 2020). Die Ausstattung physischer Objekte mit Sensoren und Vernetzungstechnologien (engl.: Internet of Things) ermöglicht bspw. die Erfassung von Daten aus CE-Prozessen beinahe in Echtzeit. Um damit bspw. den Lebenszyklus eines Produkts durch Reparaturen zu verlängern, sind diese Lebenszyklusdaten aus der In-Use-Phase (beim Kunden) über Zustand, mögliche Reparaturvorgänge, Geolokalisierung des Produkts unerlässlich.

Es ist wichtig, dass Unternehmen die Daten nicht nur sammeln, sondern auch analysieren und aktiv in ihre internen Prozesse integrieren und darüber hinaus in der Zusammenarbeit mit externen Partnern nutzen (Ramesohl et al. 2022). Automatisch generierte Sensordaten erzeugen große Datenmengen und können fortschrittliche Analytics-Methoden sowie Big-Data-Technologien erfordern, um Erkenntnisse abzuleiten. Die Vorhersage für die Durchführung einer Reparatur und die Auslegung der Reparaturkapazitäten kann durch Machine Learning erfolgen. Wenn die Reparatur nicht vom Originalhersteller durchgeführt wird, sind auch Daten über die Reparierbarkeit erforderlich, um die Reparatur zerstörungsfrei durchführen zu können. Hierbei können auch Cloud-Technologien helfen, um flexibel Datenzugriffe für verschiedene externe Stakeholder zu ermöglichen. Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Akteuren in modernen Lieferketten ist durch den Datenaustausch zwischen verschiedenen Systemen und Bereichen geprägt. Eine sinnvolle Kombination und Nutzung all dieser Technologien wird in der aktuellen Forschung als die „intelligente Kreislaufwirtschaft“ (Englisch: „smart CE“) bezeichnet (Kristoffersen et al. 2020). Es liegt auf der Hand, dass Enterprise Software (wie z. B. ERP-Systeme) als Enabler für eine intelligente Kreislaufwirtschaft agiert, da sie die Integration und Verarbeitung von Daten sowie die ganzheitliche Abbildung wertschöpfender Geschäftsprozesse ermöglicht (Leyh and Wendt 2018). Dennoch werden ERP-Systeme überwiegend für interne Prozesse eingesetzt, während die Kreislaufwirtschaft in einem hohen Maß von der Zusammenarbeit mit externen Akteuren und der Integration ihrer Daten abhängt. Daher wird im nächsten Abschnitt das Konzept eines Take-Back Systems aus der informationstechnischen Perspektive eingeführt, um es von anderen Enterprise Softwaresystemen wie ERP abzugrenzen.

2.2 Take-Back und Rückwärtslogistik

Die Kreislaufwirtschaft kann in zwei wesentliche Stufen unterteilt werden. Die erste Stufe umfasst die Zirkulation von Produkten durch Wiederverkauf, Reparatur und Weiterverwendung. Dies schafft jedoch keinen vollständigen Kreislauf. Die zweite Stufe fokussiert sich auf die Wiederverwendung von Materialien gebrauchter Produkte ohne Wertverlust, was als die eigentliche Verwirklichung der Kreislaufwirtschaft angesehen wird. Um diese Stufen zu erreichen und die Wertschöpfung kreislauffähig auszurichten, ist es essenziell die Lieferkette zu schließen. Dafür müssen die meisten produzierenden Unternehmen die traditionelle Vorwärtslogistik erweitern und mit der Rückwärtslogistik verknüpfen (Govindan und Soleimani 2017).

Die Rückwärtslogistik beschreibt einen geplanten und kontrollierten Prozess, bei dem Materialien und Produkte vom Endverbraucher zum Hersteller transportiert werden, um deren Wert zu steigern oder sie auf eine wirtschaftliche und effiziente Weise umweltgerecht zu entsorgen. Die Rückwärtslogistik beginnt also beim Endverbraucher, der ein gebrauchtes Produkt an den Hersteller zurückgibt und es so in den Kreislauf zurückführt. Je nach Restwert und Zustand werden diese Produkte durch die Entscheidungen des empfangenden Unternehmens über Recycling, Wiederaufbereitung, Reparatur oder Entsorgung gehandhabt, um ihre Nutzungsdauer zu verlängern oder Rohstoffe zurückzugewinnen. Abb. 2 zeigt, dass die Rückwärtslogistik aus verschiedenen Teilprozessen besteht, wobei „Gatekeeping“, Sammlung, Sortierung und Disposition als Kernprozesse eines Rückwärtslogistik-Systems gelten (Agrawal et al. 2015).

Abb. 2
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Prozesssicht auf die Integration der Vorwärts- und der Rückwärtslogistik nach Agrawal et al. (2015)

In der Literatur und Praxis überlappen sich diese Prozesse teilweise, wobei häufig nur die letzten drei Prozesse genutzt werden. Beim Gatekeeping werden zurückgesendete Produkte erfasst und identifiziert. In diesem Prozessschritt wird entschieden, ob die Produkte weiterverarbeitet und zunächst gesammelt werden oder bspw. aus rechtlichen Gründen an den Kunden zurückgesandt werden müssen. Die Sortierung umfasst Inspektion und Klassifizierung zurückgegebener Produkte, um deren Zustand zu bewerten und den Verarbeitungsweg zu bestimmen. Die Disposition entscheidet über die finale Nutzung – ob Produkte repariert, recycelt, demontiert oder weiterverkauft werden, was zur Wertrealisierung oder umweltgerechten Entsorgung führt (Rogers und Tribben-Lemke 1998). Viele Faktoren wie z. B. der Restwert auf dem Sekundärmarkt und auch die Konstruktion des Produkts bestimmen über die Wertrealisierung (Andersen et al. 2023).

Die Rückwärtslogistik ist Teil eines umfassenden sozio-technischen Take-Back Systems. Take-Back Systeme werden als eine Reihe von Prozessen definiert, die die Sammlung von Altprodukten, den Transport, die Sortierung und Demontage, die Neuqualifizierung und die Wiedereingliederung der zurückgewonnenen Materialien, Komponenten oder Produkte in die weitere Lieferkette umfassen, (Uhrenholt et al. 2022). Dennoch fokussiert sich die Rückwärtslogistik mehr auf die Optimierung der Logistikprozesse (inkl. der Beauftragung professioneller Dienstleister), während Take-Back Systeme auch Anreizsysteme umfasst, um die Endnutzer für nachhaltiges Verhalten zu sensibilisieren und die Rückgabebereitschaft zu fördern (Agrawal et al. 2023). Ökonomische Faktoren sind entscheidend für funktionierende Take-Back Systeme, die als Serviceangebote und integraler Bestandteil der Kreislaufgeschäftsmodelle organisiert werden sollten (Ranta et al. 2018), sodass Take-Back Systeme nachhaltige Kreisläufe in Lieferketten fördern.

Die konzeptionelle Klarheit zu Take-Back Systemen zeigt, dass die Abstimmung von IT-Systemen, Akteuren und Anreizsystemen für Entscheider ziemlich komplex werden kann. Häufig geht es um die Etablierung neuer Geschäftsprozesse, die Anschaffung neuer Systeme, die Abstimmung mit neuen Akteuren und die Geschäftsmodellrekonfiguration. Ziel dieses Artikels ist es, Entscheidern diese Komplexität durch einen strukturierten Anforderungskatalog zu erleichtern und eine effiziente Umsetzung in der Praxis zu unterstützen.

3 Methode

Zur Entwicklung eines Anforderungskatalogs für Take-Back Systeme wurde eine systematische Analyse der existierenden Literatur mit Experteninterviews zur Evaluation des Katalogs kombiniert, um Gestaltungswissen zu schaffen (Webster und Watson 2002).

Für die initiale Literatursuche wurde der Suchstring „(information system* OR circular economy) AND reverse logistics“ in zwei Datenbanken verwendet. Zielsetzung war hierbei, die zentralen Termini des Betrachtungsgegenstandes zu adressieren und bestehende Anforderungen aus der Literatur zu extrahieren. Basierend auf einer Suche in Titel, Abstract und Keywords konnten 569 potenziell passende Publikationen initial identifiziert werden. Um das höchstmögliche Maß an Qualität zu erreichen, wurden für den Screening-Prozess Exklusionskriterien (z. B. Peer-Reviewed, Sprache Deutsch & Englisch usw.) definiert und basierend auf dem Screening nach Titel und Abstract 13 relevante Publikationen identifiziert. Ausgehend von diesem Literaturkorpus wurde eine Vorwärts- und Rückwärtssuche durchgeführt, die den finalen Literaturkorpus auf 24 Publikationen erweiterte. Der Ablauf der systematischen Literatur ist in Tab. 1 dargestellt.

Tab. 1 Ablauf der systematischen Literaturrecherche

Basierend auf dem Methodenansatz von Webster und Watson (2002) wurden dann die Publikationen des Literaturkorpus im Volltext durchsucht und mögliche Anforderungen in Form einer Konzeptmatrix extrahiert (Anhang, Tab. 4). Im Rahmen der Extraktion der Anforderungen wurden diese in Übersteinstimmung mit den Verbindlichkeiten funktionaler Anforderungen in Muss- (verpflichtend), Soll- (nicht verpflichtend) und Wird- (zukünftig geplant) Anforderungen unterschieden (SOPHISTen 2016). Abschließend wurden die extrahierten Anforderungen (im Folgenden mit R abgekürzt) induktiv in die fünf Cluster Systemintegration und -koordination (R1), Informationsverarbeitung (R2–R5), Stakeholder-Reichweite (R6–R9), Intelligenz (R10–R13), sowie Finanzmanagement (R14) aggregiert.

Zur Validierung der aus der Literatur abgeleiteten Anforderungen wurden diese im Rahmen von halbstrukturierten Experteninterviews mit vier Experten aus Praxis und Forschung diskutiert und auf Basis der Domänenexpertise angepasst. Als Experten wurden Personen mit mindestens fünf Jahren Erfahrung in Unternehmen der Rückwärtslogistik oder in der Logistikforschung über soziale Netzwerke gewonnen. Tab. 2 gibt einen Überblick über die beteiligten Experten.

Tab. 2 Interviewte Experten

Im Rahmen der Interviews wurden die Experten gebeten, den Anforderungskatalog auf logische Fehler zu überprüfen, die Relevanz einzuschätzen und ggf. Ergänzungen vorzunehmen. Basierend auf der Interviewstudie wurde der Anforderungskatalog abschließend angepasst. Im Folgenden stellen wir die auf Basis der Expertengespräche weiterentwickelten Anforderungen vor.

4 Anforderungen an Take-Back Systeme

Insgesamt haben wir 14 funktionale Anforderungen formuliert, die sich in fünf Cluster unterteilen lassen. Diese werden zusätzlich von sechs nicht-funktionalen Anforderungen und eine Randbedingung komplementiert.

4.1 Systemintegration und -koordination (R1)

R1: Das Take-Back System muss die Vorwärts- und Rückwärtslieferkette integrieren.

Rationale:

Zur Integration der Rückwärtslogistik mit der Vorwärtslieferkette gehört die Koordination von Material‑, Information- und Kapitalströmen (Zheng et al. 2005). Das Koordinierungssystem ist die wichtigste Komponente für die Gesamtsystemperformance (Lambert et al. 2011). Das Take-Back System muss die vier Kernprozesse (Gatekeeping, Sammlung, Sortierung und Disposition) für die Rückwärtslogistik-Aktivitäten integrieren und koordinieren können (Boussellaa und Abed 2016). Die Produktions- und Lieferkettensysteme von Stakeholdern in der Vorwärtslogistik müssen die Aktivitäten der Rückwärtslogistik unterstützen. Die Integration der Rückwärtslogistik in die Lieferkette erweitert die Ströme von Materialien, Informationen und Finanzen, indem sie es ermöglicht, zurückgegebene Produkte oder Teile, die noch verwendbar sind, wieder in den Produktions- oder Vertriebsprozess zurückfließen zu lassen (Zheng et al. 2005; Boussellaa und Abed 2016). Da in den meisten Unternehmen ERP-Systeme zur Warenwirtschaft in der Vorwärtslogistik genutzt werden, muss das ERP-System in der Lage sein, Rückflüsse miteinzubeziehen (van Hillegersberg et al. 2001). Besonders bei der Produktwiederherstellung spielen ERP-Systeme eine bedeutende Rolle, insbesondere bei der Planung der Demontage zur Rückgewinnung von Teilen aus Rücksendungen. Jedoch müssen diese Systeme erweitert werden, um den spezifischen Anforderungen der Wiederherstellungsprozesse gerecht zu werden. Hierzu zählen die Bestandskontrolle von Rücksendungen sowie die Berücksichtigung von Kannibalisierungsprozessen in der Lieferkette, wodurch wiederverwendbare Teile miteinberechnet werden müssen (Kokkinaki et al. 2004). Auch Advanced Planning and Scheduling (APS)-Systeme sollten zur Rückwärtslogistik beitragen können, indem sie bei der Planung und Steuerung von Wiederaufbereitungsprozessen unterstützen. APS kann die Produktionsplanung optimieren, Rückflüsse von recycelten Materialien integrieren und Entscheidungsunterstützung für die strategische Nutzung von Wiederaufbereitungsprozessen bieten (van Hillegersberg et al. 2001).

4.2 Informationsverarbeitung (R2–R5)

R2: Das Take-Back System muss die entsprechenden Informationen auf Produktebene lesen können.

Rationale:

Zur effizienten Abwicklung der CE-Prozesse müssen sämtliche Produktinformationen bei Bedarf ausgelesen werden können. Viele Produkte oder Chargen besitzen eindeutige Identifikationsnummern, die zum Abruf dieser Informationen genutzt werden können, wie z. B. der elektronische Produktcode (EPC). Der EPC ist ein weltweit überschneidungsfreies Identifikationsschema für Produkte in der Lieferkette und ermöglicht es, Objekte in der gesamten Lieferkette weltweit eindeutig zu kennzeichnen. Ähnlich wie die Global Trade Item Number (GTIN) wird der EPC auf Radiofrequenzidentifikation (RFID)-Tags gespeichert, die die Daten dynamisch auslesen. Das Codierungssystem des EPCs ist dabei kompatibel mit dem GTIN. EPC kann also als Schlüssel für die relevanten Informationen der jeweiligen Produkte gesehen werden. Aktuell werden in bestimmten Branchen digitale Produktpässe (DPPs) zur Pflicht für neue Produkte. Der DPP wird als „ein Datensatz, der die Komponenten, Materialien und chemischen Substanzen oder auch Informationen zu Reparierbarkeit, Ersatzteilen oder fachgerechter Entsorgung für ein Produkt zusammenfasst“ definiert (BMUV 2023). Der DPP wird auch ein physisches Interface wie z. B. einen Quick Response (QR) Code oder einen RFID-Tag besitzen und dem (‚ISO/IEC‘) 15459:2015 Standard entsprechen. Damit die Barcodes, RFID-Tags oder DPPs gelesen werden können, muss die Infrastruktur des Take-Back Systems einerseits über die geeigneten Lesegeräte verfügen und andererseits müssen die Produkte so gekennzeichnet sein, dass sie ausgelesen werden können.

R3: Das Take-Back System muss alle relevanten Informationen für jeden Prozessschritt interpretieren können.

Rationale:

Zur effektiven Abwicklung der CE-Prozesse müssen sämtliche Produktinformationen über den gesamten Produktlebenszyklus hinweg, von der Herstellung bis zur Rückgabe, mittels Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) erfasst und verfügbar gemacht werden. Dies ermöglicht eine zuverlässige Rückverfolgung. Insbesondere sind detaillierte Produktinformationen für den Demontageprozess und die Materialidentifizierung unerlässlich, um die Demontageeffizienz zu verbessern, die Rücknahmerate zu erhöhen und die Qualität der Rückgewinnungsentscheidungen zu steigern. Voraussetzung hierfür ist, dass jede Komponente registriert ist und sich in Unterkomponenten zerlegt lässt. Um dies zu gewährleisten ist eine Bandbreite an Informationen notwendig, die sich in sieben Kategorien einteilen lässt (siehe Tab. 3).

R4: Das Take-Back System muss bidirektional die Informationen mit allen beteiligten Systemen austauschen können.

Tab. 3 Relevante Datenkategorien für Take-Back Systeme nach Jensen et al. (2023)

Rationale:

Bidirektionale Informationsflüsse spielen eine entscheidende Rolle für die Leistungsfähigkeit von Take-Back Systemen. Insbesondere die kontinuierliche Übermittlung von Daten über Status, Standort und Zustand der recycelnden Produkte trägt wesentlich dazu bei, die Kernprozesse der RL nahtlos zu gestalten und Unsicherheiten zu reduzieren (Jayaraman et al. 2008). Durch die Nutzung von Barcodes und RFID ist es möglich, Produkte in Echtzeit zu verfolgen und Schadensinformationen zu erfassen. Des Weiteren wird gerade durch RFID die kontinuierliche und automatische Erfassung von Produktinformationen während des gesamten Produktlebenszyklus mit anschließender Speicherung und Verwaltung im Physical Markup Language-Server (PMLS) ermöglicht (Gu und Liu 2013). Der RFID-Ansatz ermöglicht die schnelle und reibungslose Erfassung mehrerer Tags ohne menschliche Interventionen (Lee et al. 2009). Kompatible Machine-to-Machine-Endgeräte und Sensor-Gateways an Produktionsgebäuden oder Lagerstätten bilden den Kern des Informationswahrnehmungsmoduls, das den Austausch von Nachfrage- und Angebotsinformationen zwischen den einzelnen Stakeholdern innerhalb der Lieferkette ermöglicht (Wei et al. 2021). Die Präzision und zeitliche Verfügbarkeit dieser Informationen sind essenziell für Recycling‑, Wiederverwendungs- und Entsorgungsprozesse und damit Grundlage für den Erfolg des Rückwärtslogistikmanagements (Gu und Liu 2013).

R5: Das Take-Back System soll alle prozessrelevanten Informationen den Lieferkettenpartnern transparent offenlegen und uneingeschränkt zugänglich machen.

Rationale:

Die Erhöhung der Transparenz entlang der gesamten Lieferkette wird erwartet, um die nachhaltige Beschaffung zu fördern, wobei die Erwartungen der Kunden bzgl. sozialer, ökologischer und finanzieller Aspekte berücksichtigt werden. Dies kann zukünftig mit dem DPP erreicht werden (Jensen et al. 2023). Im DPP werden nicht nur alle Informationen zum Produkt festgehalten, sondern es wird auch Transparenz über die Bewertung von politischen Maßnahmen oder die Einhaltung von Vorschriften ermöglicht (Götz et al. 2022). Transparente Informationen über Nachhaltigkeitskriterien können auch für den Kunden entscheidend sein (Götz et al. 2022). Da der Preis eines Produkts während seines Lebenszyklus oft variiert und Rücksendungen von Produkten jederzeit auftreten können, sind Preisschwankungen im Produktlebenszyklen zu erwarten. Diese Preisschwankungen stellen eine finanzielle Herausforderung dar, insbesondere bei Rücksendungen, und haben erhebliche Auswirkungen auf die verschiedenen Partner in der Lieferkette. Daher wird betont, dass Lieferanten und Einzelhändler an einer klaren Rückgaberichtlinie arbeiten sollten, um Verluste zu minimieren (Jayaraman et al. 2008). Folglich kann Transparenz, bezogen auf Preisinformationen für ein Take-Back System, von Vorteil sein. Um Informationen austauschen zu können, müssen alle Beteiligten entlang der Lieferkette zusammenarbeiten (Zheng et al. 2005).

4.3 Stakeholder-Reichweite (R6–R9)

R6: Das Take-Back System muss allen Stakeholdern eine zentrale Kommunikationsmöglichkeit zum Inforationsaustausch bereitstellen.

Rationale:

Durch die inhärenten Unsicherheiten in der Rückwärtslogistik (z. B. bezogen auf Qualität oder Rückgabeplanung) ist eine verstärkte Zusammenarbeit aller Beteiligten entlang der Lieferkette unerlässlich, einschließlich des umfassenden Informationsaustauschs. Bei prädiktiven Reparaturprozessen ist es z. B. mehr als sinnvoll, wenn der Lieferant in Echtzeit über Informationen zur Nutzung verfügt, um rechtzeitig entsprechende Teile zur Reparatur bereitstellen zu können (van Hillegersberg et al. 2001). Das System sollte so gestaltet sein, dass externe Beteiligte aktiv eingebunden werden und Zugriff auf aktuelle, rollenspezifische Daten erhalten (Gu und Liu 2013). Dies ermöglicht nicht nur eine effiziente Zusammenarbeit, sondern fördert auch das Vertrauen der Stakeholder in der Rückwärtslogistik. Unabhängig von den vielfältigen Zielen der Lieferketten beruht die Rückwärtslogistik letztlich auf der Zusammenarbeit von Menschen. Dies erfordert klare Erwartungen und gegenseitige Verpflichtungen, die konsequent eingehalten werden müssen, um Vertrauen aufzubauen und dieses auch zu erhalten (Kumar 2001).

R7: Das Take-Back System muss den kompletten Absatzprozess zurückgenommener Produkte abbilden.

Rationale:

Produkte, Materialien oder Teile, die wiederverwendet werden können, bieten vielfältige Handlungsmöglichkeiten. Sie können z. B. auf einem elektronischen Marktplatz zusammen mit Neuwaren oder auf dedizierten Sekundärmärkten gehandelt werden. Solche elektronischen Marktplätze für hochspezialisierte gebrauchte Produkte und Teile werden als Speciality Locators bezeichnet. Die Anforderung trägt dazu bei, die Verteilung der Produkte auf dem Markt neu zu organisieren und Absatzkanäle zu schaffen (van Hillegersberg et al. 2001; Xu 2008; Kokkinaki et al. 2004). Auch wenn Dritte mit der Wiederaufbereitung beauftragt werden, können elektronische Marktplätze bzw. Online-Plattformen sinnvolle Demontagezentren sein, welche Hersteller zusammenzuführen oder neue Märkte erschließen. Ziel ist es, die Verfügbarkeit und den Bedarf an wiederverwendbaren Teilen und Materialien zu ermitteln und den Informationsaustausch innerhalb der Lieferkette zu fördern, was sich wiederum positiv auf die Transaktionskosten auswirkt (Xu 2008).

R8: Das Take-Back System soll Anreizsysteme für Kunden schaffen, um die Rückgabe zu motivieren.

Rationale:

Damit das Take-Back funktioniert, muss genügend Ausgangsmaterial im Kreislauf vorhanden sein. Daher ist es empfehlenswert, Anreize für die Kunden zu schaffen und zu systematisieren, da diese ansonsten die Produkte möglicherweise nicht in den Kreislauf des Herstellers zurückführen. Grundsätzlich kann bei ausreichenden Restwerten oder knappen Gütern (bspw. während der Chipkrise) sogar von einem Wettbewerb zwischen Kreisläufen ausgegangen werden. Möglichkeiten dazu sind Leasing oder Pfandsysteme. Durch solche Maßnahmen wird die Unsicherheit über die Rückgabe minimiert und das Rücknahmecenter in die Lage versetzt genügend Produkte der geschlossenen Lieferkette zuzuführen (Bousellaa und Abed 2016; Xu 2008; Kokkinaki 2004). Um das Bewusstsein bei Kunden über die Rückgabemöglichkeiten von genutzten oder defekten Produkten zu schaffen, können in den Take-Back Systemen DPPs eingesetzt werden. Zur Erleichterung der Rückgabe können z. B. vorfrankierte Rücksendeetiketten bereitgestellt werden, sodass Kunden ihre defekten Produkte einfach per Post zurücksenden können, oder sie werden über nahegelegene Abholstationen bzw. Annahmestellen informiert (Jensen et al. 2023).

R9: Das Take-Back System soll über automatisierte Berichterstattungen verfügen, um den regulatorischen Berichtspflichten nachzukommen.

Rationale:

Im Zuge des EU Green Deals und der daraus abgeleiteten Initiativen wie der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) sind Europäische Unternehmen bereits jetzt oder zukünftig verpflichtet regelmäßig Nachhaltigkeitsberichte im European Single Electronic Format (ESEF) zu erstellen. Dies bedeutet, dass relevante Informationen zu Überwachung und Verwaltung bei Wirtschaftsprüfern, Regierung und Öffentlichkeit gemeldet werden müssen. Um den Aufwand zur Berichterstellung zu reduzieren, ist es vorteilhaft, wenn Take-Back Systeme entweder eine eingebaute Funktion zur automatisierten Berichterstattung oder über eine Schnittstelle zu einer spezialisierten Berichtssoftware verfügen. Zur Erfüllung dieser Anforderung, insbesondere im Kontext der zukünftigen Notwendigkeit Scope-3-Emissionen zu messen, können DPPs entlang der ganzen Lieferkette eingesetzt werden und zur Erstellung der Berichte beitragen, indem der CO2-Fußabdruck von Unternehmen und der gesamten Wertschöpfungskette im DPP automatisch berechnet wird (Götz et al. 2022).

4.4 Intelligenz (R10–R13)

R10: Das Take-Back System soll fähig sein, Prognosen über Rückflussdaten zu treffen.

Rationale:

Eine große Herausforderung in der Rückwärtslogistik ist die Unsicherheit bezüglich des Zustands und des Zeitpunkts der zurückgegebenen Produkte, weshalb Prognosen unerlässlich sind. Durch die Lokalisierung relevanter Daten können Informationen über zurückgegebene Produkte gesammelt und analysiert werden, um Vorhersagen über den Rückfluss zu treffen. Auf dieser Grundlage können Empfehlungen beispielsweise für die Abteilungen für Design, Kundendienst, Einkauf und Fertigung erstellt werden, um die Rückwärtslogistik kontinuierlich zu optimieren (Gu und Liu 2013). Beispielsweise kann die Analyse und Prognose aufzeigen, welche Produkte bzw. Teile häufiger von Rückgaben betroffen sind. Dieses Wissen lässt sich nutzen, um das Produktdesign zu optimieren. So können Produkte beispielsweise leichter zerlegbar gestaltet oder deren Qualität verbessert werden, da dies bei früheren Produktgenerationen häufig nicht möglich war die Produkte zerstörungsfrei zu zerlegen (Andersen et al. 2023). Für die Vorhersage können Machine-Learning-Techniken in Kombination mit Dashboard-Lösungen zur Vorhersage und Visualisierung aktueller Verbrauchs- und Nachfragemuster eingesetzt werden. Dies hilft den Unternehmen die eigenen Kapazitäten proaktiv auf die Rückläufer vorzubereiten (Kumar 2001). Vorhersagen und Prognosen sind ebenfalls essentiell für die Verwaltung von Lagerbeständen oder die Planung der Produktion. Fortschrittliche Analysetools ermöglichen es die Daten zu analysieren, die in kollaborativen Plattformen ausgetauscht werden. Dies erleichtert die Identifikation von Trends und Mustern (van Hillegersberg et al. 2001).

R11: Das Take-Back System soll bei dezentralen Sammelstellen fähig sein, Routenoptimierungen vorzunehmen.

Rationale:

Das Transportmanagement ist zuständig für die Verwaltung der Transporte der gebrauchten Produkte zurück ins Unternehmen. Dabei ist die Planung effizienter Versand- und Transportrouten essenziell (Haibo 2008) und ein wesentlicher Einflussfaktor für die Kosten als auch Umweltauswirkung des Take-Back Systems. Ein IKT-basiertes System, das die Sammelbehälter bzw. Sammelorte in Echtzeit überwacht, Sammelrouten optimiert und die Arbeitsbelastung ausgleicht ist daher unverzichtbar. Für ihre Verarbeitung sind fortschrittliche Analysetechniken unerlässlich, um bedarfsgerechte Transporte zu ermöglichen und die Auslastung pro Route zu erhöhen (Lu et al. 2020). Dabei können geografische Informationssysteme (GIS) und datengesteuerte Optimierungsmodelle zu einer signifikanten Senkung der Gesamtkosten eines Take-Back Systems führen (Apaydin und Gonullu 2007). Existierende Forschung zeigt den Nutzen von Deep-Learning-Techniken, um ähnlich wie bei Prognose von Abfallfüllständen aus intelligenten Behältern, zukünftige Abholungen von End-of-Life-Produkten zu prognostizieren (John et al. 2021).

R12: Das Take-Back System muss die rücklaufenden Produkte klassifizieren können.

Rationale:

Für eine effektive Unterstützung bei der Wiederaufbereitung von Produkten muss ein Take-Back System in der Lage sein, die zurückgegebenen Produkte basierend auf den verfügbaren Daten charakterisieren und klassifizieren können. Diese Klassifikation ist notwendig, um fundierte Entscheidungen über die weitere Behandlung der Produkte treffen zu können. Ein zentrales Element dieser Klassifikation ist die Einteilung der Produkte nach spezifischen Kriterien wie Alter, Zustand, Vorfälle während des Lebenszyklus, Alter, Restwert, Materialzusammensetzung und potenzielle Wiederverwendungsmöglichkeiten. Produkte, die in gutem Zustand sind, können beispielsweise zur direkten Wiederverwendung geeignet sein, während Produkte mit Defekten einer Reparatur oder einem Remanufacturing-Vorgang (Aufbereitung von noch funktionsfähigen Komponenten eines Produkts und Recycling von End-of-Life-Komponenten) unterzogen werden. Bei einem zu geringen Restwert oder einer aufwendigen Reparatur kann eine unschädliche Entsorgung durch mechanische oder thermische Verwertung noch stattfinden (Xu 2008; Haibo 2008).

Um diese Klassifikationsaufgaben zu erfüllen, ist es notwendig, dass das Take-Back System über eine leistungsfähige Datenbank verfügt, die detaillierte Informationen über die zurückgegebenen Produkte in Qualitätsmodellen speichern kann. Darüber hinaus muss eine Klassifikations-Engine vorhanden sein, um auf Basis von vordefinierten Modellen und Algorithmen die Produkte automatisch zu analysieren und zu klassifizieren. Je nach Komplexität der Qualitätsmodelle und der Produkthistorien kann bspw. maschinelles Lernen zur automatisierten Verbesserung der Klassifikationsmodelle eingesetzt werden, um sich an neue Produktarten oder Marktbedingungen anzupassen (John et al. 2021). So kann für die Klassifikation bspw. das aktuelle Preisniveau aus dem Internet herangezogen werden, da Marktpreise für Sekundärmaterialien Schwankungen unterliegen. Die Klassifikation ist die Voraussetzung für Entscheidungsinstrumente.

R13: Das Take-Back System soll Prozessentscheidungen über zurückgegebene Produkte treffen.

Rationale:

Die Entscheidungen berücksichtigen dabei auch die Rückgewinnungsziele, die durch interne Unternehmensrichtlinien oder externe staatliche Vorschriften vorgegeben sind. Diese Entscheidungen werden an die vorhandene Kapazität der Rückgewinnungsanlagen, verfügbare Ressourcen und die Anforderungen der Märkte angepasst (Kokkinaki et al. 2004). Dafür sind alle Informationen des gesamten Lebenszyklus und eine Inspektion der Produkte notwendig (Parlikad und McFarlane 2007). Das Entscheidungsunterstützungssystem fungiert als zentraler Baustein, welcher die Ergebnisse der Analysen integriert und koordiniert, um konsistente Dateneingaben zu gewährleisten. Schließlich nutzt das Informationsanwendungsmodel die generierten Erkenntnisse, um operative Anwendungsschemata zu entwickeln, die verschiedene Aspekte des Systems verbessern. So ermöglicht dieser Prozess die gründliche Analyse von Daten und die Erstellung fundierter Entscheidungsgrundlagen für betriebliche Anwendungen innerhalb der Rückwärtslogistik (Wei et al. 2021).

4.5 Finanzmanagement (R14)

R14: Das Take-Back System wird Finanzströme abbilden müssen.

Rationale:

Neben der reibungslosen Abwicklung von Rücknahmeprozessen ist es von entscheidender Bedeutung, auch die finanziellen Aspekte miteinzubeziehen. In diesem Kontext spielt die Bewertung von Kosten und Nutzen eine zentrale Rolle, um zu entscheiden, ob die Rückgewinnung und Wiederherstellung von Produkten den Anforderungen der Nutzer gerecht wird und gleichzeitig wirtschaftlich tragfähig ist (Haibo 2008). Das Finanzmanagement basiert auf mathematischen Modellen zum Forecasting, um die Kosten für Demontage und Wiederherstellung zu kalkulieren und Entscheidungen zur Wirtschaftlichkeit der Rücknahme zu treffen. Grundlage bilden hierfür Datenmodelle im ERP-System. Die traditionellen Kostenmodelle müssen an die spezifischen Bedürfnisse der Rückwärtslogistik angepasst werden, insbesondere vor dem Hintergrund der Demontagekosten, die ein Produkt in verschiedene Komponenten aufteilen. Diese Modelle bieten einen strukturierten Ansatz, um die finanziellen Auswirkungen verschiedener Entscheidungen zu bewerten und die Kapazitäten optimal zu nutzen.

4.6 Nichtfunktionale Anforderungen und Randbedingungen

Für die Realisierung eines Take-Back Systems ist auch die Erfüllung nichtfunktionaler Anforderungen (sog. Qualitätsanforderungen) unabdingbar. Die untersuchte Literatur und Expertengespräche lieferten weitere Erkenntnisse zur Realisierung nichtfunktionaler Anforderungen. Für ihre Einordnung wurde die international anerkannte ISO/IEC 25010 (2023) verwendet. Diese Norm zur Softwarequalität enthält acht Anforderungskategorien. Obwohl für eine Systemeinführung alle Anforderungen erfüllt sein müssen, möchten wir zwei nichtfunktionale Anforderungen gesondert vorstellen.

Erstens muss ein Take-Back System die Sicherheit der Informationen durch leistungsfähige Berechtigungsstrukturen und Zugriffskontrollen gewährleisten, um sicherzustellen, dass schützenswerte Daten nur für autorisierte Personen nach erfolgreicher Authentifizierung zugänglich sind. Dies ist notwendig, da verschiedene Stakeholder wie Endnutzer (für die Incentivierung), Einzelhändler (z. B. für die Produktannahme) und Akteure der geschlossenen Lieferkette in das System eingebunden sind. Zudem ist die Benutzerfreundlichkeit für die Akzeptanz solcher Systeme essenziell, um einerseits eine reibungslose Nutzung durch Logistiker und Fachabteilungen zu gewährleisten und andererseits die Endnutzer von Produkten (bspw. durch irreführende Benutzeroberflächen) nicht von der Rückführung abzuschrecken. Zweitens ist es im Take-Back unerlässlich, solche Softwaresysteme zu verwenden, die nicht nur mit den eigenen Systemen, sondern auch mit denen der relevanten Partner in der Lieferkette kompatibel sind. Nur so kann eine datendurchgängige Rückwärtslogistik errichtet werden (Huscroft et al. 2013).

Eine weitere Randbedingung wurde für Take-Back-Systeme identifiziert. Sofern nicht der Originalhersteller selbst, sondern spezialisierte Dienstleister (bzw. Drittanbieter) für die Rücknahme verantwortlich sind, muss das Take-Back System diese Organisationsstrukturen flexibel abbilden können. Das bedeutet, dass für diese Akteure das Take-Back System zu einem verteilten System wird. Zusätzlich müssen Rollen mit entsprechenden Berechtigungen für die rollenbasierten Instanzen des Take-Back Systems angelegt werden. Auch Transaktionen und entsprechende Finanzströme zwischen dem Hersteller und den Drittanbietern muss das System bewerkstelligen können.

5 Demonstratives Einsatzszenario

Die Automobilindustrie ist seit 2006 verpflichtet sicherzustellen, dass bis 2015, 95 % der hergestellten Automobile wiederverwertbar sind (Seidel 2022). Dies zwingt Hersteller, umweltfreundlichere Lieferketten zu schaffen und sicherzustellen, dass alle Komponenten den neuen Vorschriften entsprechen. Vor diesem Hintergrund wird in der Automobilindustrie das Remanufacturing immer häufiger bei Komponenten, wie Motoren und Getrieben angewendet. Aber auch der Wandel hin zur Elektromobilität erhöht die Bedeutung des Remanufacturings. Grundsätzlich zielt das Remanufacturing darauf ab, dass wiederaufbereitete Produkte die gleiche Qualität und Leistung wie Neuprodukte bieten, indem sie vollständig demontiert, gereinigt, repariert und erneut zusammengebaut werden. Gleichzeitig lässt sich durch Remanufacturing die CO2-Bilanz eines Automobilherstellers senken, da eine Wiederaufbereitung weniger ressourcenintensiv ist als eine Neuproduktion (Sundin und Dunbäck 2013).

Dennoch erfordert ein Remanufacturing-Service eine sichere Versorgung mit End-of-Life-Produkten, wofür Take-Back Systeme notwendig sind. Der Verwertungsprozess, bspw. bei VW, umfasst dabei die Rücknahme, Vorbehandlung, Demontage und das Schreddern von Fahrzeugen (Volkswagen AG 2024). Aktuelle Untersuchungen und laufende Forschungsprojekte zeigen allerdings, dass ein bidirektionaler Datenaustausch zwischen den Verwertungsunternehmen, dem Automobilhersteller und seinen Zulieferern fehlt (Hoppe et al. 2024). Im Folgenden wird am Beispiel der Automobilindustrie ein Einsatzszenario für ein solches Take-Back System skizziert, das die zuvor vorgestellten Anforderungen erfüllt.

Die Annahme erfolgt über autorisierte Verwertungsunternehmen. Diese Partner verfügen über einen privilegierten Zugang zum Wertschöpfungssystem, bspw. von VW, und können Ersatzteile oder Sekundärmaterialen dort anbieten. In solch einem verteilten Take-Back System sind trotzdem die ERP- und APS-Systeme aller Akteure der Lieferkette sowie des Verwertungsunternehmens integriert (R1). Für die Rücknahme wird dem Autobesitzer ein finanzieller Anreiz in Form von Cashback, Bonuspunkten, wertbehafteten Tokens oder einer Geldsumme geboten. Bei der Abgabe des Fahrzeugs kann die Annahmestelle je nach Bedarf und Preislage im Wertschöpfungssystem direkt eine adäquate Vergütung auswählen (R8).

Über eine eindeutige Identifikationsnummer oder zukünftig über einen DPP kann sich der Autobesitzer zu den Rücknahmemöglichkeiten informieren. Gleichzeitig kann die Annahmestelle zusätzlich verschiedene Daten auf Komponentenebene (z. B. Werkstatthistorie und Alter für Teile wie Anlasser oder Bremssättel) auslesen (R2). Die DPPs bieten dem Verwertungsunternehmen die Möglichkeit zusätzlich zu den statischen Produktinformationen noch auf die Lebenszyklusdaten des Fahrzeugs zuzugreifen (R3). So kann ein Altfahrzeug bspw. einen wirtschaftlichen Totalschaden abbilden, aber trotzdem kaum genutzte Teile wie z. B. Bremssättel besitzen, die über einen ausreichenden Restwert verfügen. Diese Informationen ermöglichen die Klassifikation auf der Ebene einzelner Komponenten (R12). Durch die zuvor beschriebene Integration der ERP- und APS-Systeme anderer Akteure kann der aktuelle Bedarf eingesehen und die Preise für die Entscheidung über die weitere Behandlung herangezogen werden (R4, R5, R6). Diese Informationen können dem Verwertungsunternehmen in dynamischen Dashboards (sog. dismantling dashboards) bereitgestellt werden, um eine Entscheidung hinsichtlich des optimalen Verwertungsvorgehens zu unterstützen (R13). Durch diese Unterstützung entfällt das manuelle Einholen von Informationen, wie etwa zu Demontagemöglichkeiten, aus Datenbanken wie dem International Dismantling Information System (IDIS), wodurch die Entscheidungsfindung wesentlich effizienter gestaltet wird.

Die für die Entscheidung relevanten Daten werden rollenspezifisch und bidirektional bereitgestellt. Das bedeutet, dass auch der interessierte Zulieferer die Information erhält, dass End-of-Life Komponenten für das Remanufacturing gesichert werden konnten (R4, R13). Dies ermöglicht eine dynamische Bestandsaktualisierung und eine intelligente Auftragsplanung für die eigenen Aufbereitungswerkstätte oder Produktionsstandorte. Auch hierfür kann die Verwaltung der Transporte der gebrauchten Teile präzise geplant werden. Eine Routenoptimierung kann bspw. dadurch erreicht werden, dass die Beauftragung eines Spediteurs zwischen Annahmestelle und Zulieferer nur auf Basis definierter (wirtschaftlicher) Schwellwerte erfolgt (R11). Entsprechend helfen die auf Basis von integrierten Informationsbeständen generierten Systementscheidungen bei der Planung und Optimierung verschiedener Prozessschritte im Kontext der Rückwärtslogistik.

Zusätzlich verbessert ein solches Take-Back System den Absatz von End-of-Life Komponenten. Die aus dem Fahrzeug ausgelesenen Daten können für eine automatisierte Übertragung der Produktdaten auf einem lieferketteninternen Marktplatz genutzt werden. Elektronische Marktplätze sind in das System so integriert, dass die Teile automatisiert eingestellt werden. Der Aufwand zur elektronischen Katalogisierung der Komponenten sinkt dadurch enorm bei der Annahmestelle. Diesbezüglich besteht die Möglichkeit, die aus der Verwertung gewonnenen Komponenten oder sogar die verschrotteten Restkarossen überregional zum Verkauf anzubieten. Obwohl solche Materialien nur einen begrenzten ökonomischen Wert haben, kann ihr überregionaler Verkauf sinnvoll sein, wenn ein lokaler Abnahmepartner für eine industrielle Symbiose fehlt. Aufbereitete Schredderschwerfraktionen werden an Schmelzwerke angeboten, die an die Plattform angebunden sind oder sich für den offenen Zugriff auf den Marktplatz interessieren. Aufbereiteter Schreddersand, der Glas, Rost und Lackreste enthält, kann als Baustoff an die Baubranche verkauft werden. Auch die Organisation der Transporte für diese Verkäufe erfolgt automatisiert (R7). Für die vollständige Abbildung der Transaktionen zwischen den genannten Akteuren werden über das Take-Back System die Finanzströme abgebildet (R14). So entstehen im Take-Back System Transaktionsdaten und der Datenbestand eines solchen Systems vergrößert sich mit jedem Rücknahmevorgang. Mit Hilfe der zunehmenden Transaktionsdaten lassen sich zukünftig zyklische Routen für die Lieferungen zwischen Annahmestelle und interessierten Lieferkettenpartnern (gemäß dem Milkrun-Prinzip) prognostizieren und einrichten, was zur Optimierung des Versands führt (R10). Außerdem sind die für das Klassifikationsmodell verwendeten Daten bereits strukturiert in Datenbanken hinterlegt, sodass sie allen Akteuren der Lieferkette zugänglich gemacht werden können. Diese Daten werden von unternehmensspezifischer Berichtssoftware für die Nachhaltigkeitsberichterstattung zugeführt und verarbeitet (R9). Folglich ermöglicht das skizzierte System eine verbesserte Entscheidungsfindung rund um die Verwertungsschritte und Logistikplanung aufgrund einer überlegeneren Datengrundlage und digitalisiert bestimmte Prozessschritte wie z. B. Dateneingabe und Einstellung von Komponenten in Marktplätzen. Die Reduzierung arbeitsintensiver Teilprozesse und Prozessschritte kreiert neue wirtschaftliche Rücknahmeszenarien.

6 Diskussion

Infolge verschiedener Gesetze, welche bis zum Jahr 2050 eine Klimaneutralität herbeiführen sollen, gewinnt die Umstellung auf eine kreislauforientierte Wertschöpfung und die Etablierung von Take-Back Systemen zunehmend an Bedeutung. In bestehenden Take-Back Systemen ist die informationstechnische Integration der Annahmestellen und Akteure der Lieferkette häufig unvollständig. Obschon sich die Verwertungsbetriebe, wie am Beispiel der Automobilindustrie demonstriert, über Datenbanken wie das IDIS zu Demontagemöglichkeiten und Materialzusammensetzung informieren können, fehlen Echtzeitinformationen über Bedarf, Preise oder die Historie des Fahrzeugs. Eine elektronische Anbindung an Marktplätze innerhalb des Wertschöpfungssystems ist ebenfalls nicht gegeben, sodass die Abwicklung der Rücknahmeprozesse als arbeitsintensiv zu bezeichnen ist. Durch eine intelligente Vernetzung der Akteure sowie einen verstärkten Aufbau von Informationsflüssen in einem verteilten System kann diese Situation erheblich verbessert werden.

Auf Basis einer umfassenden Literaturrecherche und Expertenevaluierung wurde ein Anforderungskatalog entwickelt, der die wesentlichen Kriterien für effiziente Rücknahmeprozesse definiert. Ziel der Arbeit war es, auf die Bedeutung von IS für die Kreislaufwirtschaft aufmerksam zu machen und ein besseres Verständnis dafür zu schaffen, welche Funktionen ein Take-Back System erfüllen muss, um die Prinzipien einer digital gestützten Kreislaufwirtschaft zu unterstützen. Unsere Ergebnisse zeigen, dass Daten und deren Verdichtung zu Informationen sowie deren Bereitstellung über den gesamten Lebenszyklus eines Produkts die Grundlage für ein Rücknahmesystem bilden. Angemerkt sei hierbei, dass der Kreislauf erst mit Erfüllung von Anforderung R14 geschlossen wird. Theoretisch könnte er jedoch durch Anforderung R7 wieder geöffnet werden, wenn ein nicht in die Vorwärtskette integrierter Akteur die zurückgenommenen Produkte abkauft. In diesem Fall verlassen die Produkte die ursprüngliche Lieferkette und gelangen in eine andere. Insofern ist es wichtig zu unterscheiden, dass ein digital gestütztes Take-Back System durch Datenintegration sowohl zur Schließung von Kreisläufen als auch zu deren Öffnung und zur Integration neuer Akteure außerhalb der ursprünglichen Lieferkette beitragen kann.

Aufbauend auf den Ergebnissen sind verschiedene Architekturkonzepte für Enterprise Software zur Realisierung eines digitalen Take-Back Systems denkbar (siehe Abb. 3). Aus einer unternehmensweiten Perspektive kann ein Take-Back System als Ergänzung sowohl zu den Systemen der Vorwärtslogistik (wie Versand) und des Vertriebs (E-Commerce), als auch zum ERP-System betrachtet werden. Dies liegt primär an der durchgängigen Unterstützung des Wertschöpfungsprozesses und der damit verbundenen Systeme. Ebenso ist eine Verbindung zum Customer Relationship Management (CRM) zentral, da der Rücklaufprozess dort beginnt, wo Kunden Produkte zurücksenden bzw. Kunden zur Rückgabe animiert werden (Yadollahinia et al. 2018). Hierzu kann eine funktionale Erweiterung des CRM-Systems oder der Service-Systeme erfolgen.

Abb. 3
figure 3

Auswirkung des digitalen Take-Back Systems für Enterprise Software

Um den Verkauf der Rücknahmeprodukte effizient zu realisieren, können E‑Commerce-Systeme um spezialisierte Recommerce-Module erweitert werden, mit denen die Rücknahmeprodukte katalogisiert und separat verkauft werden. Externe elektronische Marktplätze sind für einen effizienteren Verkauf der Rücknahmeprodukte nach der Disposition notwendig und müssen in die Unternehmenssystemlandschaft integriert werden. Gleiches gilt für die Lieferkettensysteme anderer Akteure. Alternativ kann entweder ein spezialisiertes (z. B. FarEye) oder ein ganzheitliches (z. B. Encory oder die Softwareprodukte der Reverse Logistics Group) System zur Abwicklung der Rückwärtslogistik hinzukommen. In diesem Fall müssen auch diese Systeme vollständig integriert werden.

Einen entscheidenden Beitrag zur Herstellung der Informationsflüsse kann außerdem der DPP leisten. Obwohl der DPP ebenfalls wie die anderen externen Systeme integriert werden muss, ist er ein Datensatz, der „by design“ für die Versorgung mit relevanten Informationen optimiert ist. Der DPP kann als zentrale Datenquelle für alle zuvor beschriebenen Systeme fungieren und die Datenbasis eines Take-Back Systems maßgeblich bestimmen. Zudem wird erwartet, dass der DPP für die im Nachhaltigkeitskontext relevanten Prozesse der Ökobilanzierung und der Nachhaltigkeitsberichterstattung von Bedeutung sein wird und entsprechende Systeme zur Berichterstattung (z. B. PCF oder CCF) oder Ökobilanzierung (z. B. Life Cycle Assessment) mit relevanten Daten versorgt.

7 Fazit, Limitationen und Ausblick

Insgesamt zeigt Abb. 3 wie sich die Enterprise-Softwarelandschaften für die Realisierung von Take-Back Systemen verändern werden. Neue interne Anwendungssysteme (z. B. für Recommerce), geteilte Systeme (z. B. DPPs) und externe Systeme (z. B. Marktplätze) werden hinzukommen und die Softwarelandschaft offener gestalten. Somit weist der Aufbau eines Take-Back Systems aus der Sicht der Enterprise Software aufgrund der verschiedenen architektonischen Konfigurationsaspekte einen hohen Komplexitätsgrad auf. Vor diesem Hintergrund bieten die Ergebnisse aus Sicht der Praxis eine Orientierung, um die fortschreitende Verpflichtung zur Wiederverwendung von Produkten informationstechnisch zu erfüllen. Der Anforderungskatalog, das Einsatzszenario und die Architekturkonzepte können als Grundlage für den Aufbau eines Take-Back Systems dienen. Darüber hinaus unterstützen die Ergebnisse Entscheidungsträger bei der Bewertung bestehender Marktangebote für Unternehmenssoftware zur Realisierung von Take-Back Systemen und bei der Steuerung eigener Umsetzungsprojekte. Sowohl bei Eigenentwicklungen, als auch beim Fremdbezug tragen die Ergebnisse dazu bei, digitale Technologien und insbesondere IS so zu gestalten, dass eine nachhaltigere Wertschöpfung durch die Transformation von einer linearen zu einer ressourcenschonenden Kreislaufwirtschaft, erreicht wird. Aus Perspektive der Forschung schaffen die Ergebnisse neues Gestaltungswissen und treiben die Forschungsrichtung der digitalen Nachhaltigkeit voran (Kotlarsky et al. 2023).

Als Limitation lässt sich anmerken, dass die Ergebnisse primär auf der verfügbaren wissenschaftlichen Literatur basieren. Obwohl der Anforderungskatalog mit Experten evaluiert und ergänzt wurde, ist nicht auszuschließen, dass spezifische Rücknahmeszenarien weitere Anforderungen an ein Take-Back System stellen. Darüber hinaus ist zu beachten, dass zwischen den identifizierten Anforderungen Abhängigkeiten bestehen. Zukünftige Forschung sollte daher diese Abhängigkeiten genauer untersuchen, um ein umfassenderes Verständnis der Systemkomplexität zu erlangen und diese Abhängigkeiten in Gestaltungsprinzipien zu überführen. Auch die Stabilität der Anforderungen mit zunehmender Skalierung eines Take-Back Systems wurde nicht untersucht und sollte weiter beforscht werden. Zudem wurden relevante Aspekte wie die Konnektivität (dargestellt durch die Konnektivitätsschicht in Abb. 3) zur Herstellung von Datendurchgängigkeit bei gleichzeitiger Einhaltung der Prinzipien der Datensouveränität in diesem Beitrag noch nicht diskutiert und bilden eine weitere Forschungsmöglichkeit. Aufgrund des sozio-technischen Charakters von Take-Back Systemen und der bestehenden Unterschiede zu ERP-Systemen sind zusätzliche empirische Begleitungen von Implementierungsprojekten zur Ableitung von Erfolgsfaktoren sinnvoll.