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Verfahren zur Herstellung von wasserfreier Ameisensäure aus Calciumformiat
und Salpetersäure
Nach den Verfahren der schweizerischen Patentschriften I58 236,
I62 630 und I62 63I wird Calciumformiat in Gegenwart oder Abwesenheit von Puffersubstanzen,
wie Formiaten, Aminen oder Harnstoff, mit verdünnter Salpetersäure zerlegt und die
gebildete verdünnte Ameisensäure durch Extraktion und anschließende Destillation
gewonnen. Die Gewinnung konzentrierter Ameisensäure durch Umsetzung von Formiaten
mit Salpetersäure ist zuletzt in der deutschen Patentschrift 831 240 beschrieben
worden. Es ist demnach bekannt, Calciumformiat unter Zusatz von Harnstoff als Puffersubstanz
in der 3fachen Menge einer etwa 7oo/oigen wäßrigen Ameisensäure zu suspendieren
und unter Rühren und Kühlen bei 200 mit wenig mehr als der äquivalenten Menge einer
980/oigen Salpetersäure zu zerlegen. Das dabei erhaltene Reaktionsgemisch wird einer
vorsichtigen Vakuumdestillation bei 20 bis 30 mm Hg unterworfen und als erste Fraktion
zwischen 3I und 350 etwa goO/o der durch die Zerlegung des Calciumformiats frei
gewordenen Ameisensäure als Salpetersäure freie 88,50/oige Säure erhalten. Im Verlauf
der weiteren Destillation, während der der Siedepunkt allmählich auf II30 ansteigt,
gehen neben Ameisensäure auch größere Mengen Wasser und etwas Salpeter säure mit
über, die .zum Anteilgen eines neuen Ansatzes von Calciumformiat Verwendung finden.
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Als Rückstand verbleibt Calciumnitrat und Harnstoff.
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Die Aufarbeitung eines konzentrierten Ameisensäurebildungsgemisches
aus Calciumformiat und konzentrierter Salpetersäure nach dem Extraktionsverfahren
war bisher aus den nachfolgend angeführten Gründen nicht möglich: Bekanntlich ist
Salpetersäure besonders in höheren Konzentrationen nicht nur eine starke Mineralsäure,
sondern gleichzeitig auch ein starkes Oxydationsmittel. Bei der Umsetzung von Calciumformiat
mit Salpetersäure sind deshalb besondere Vorsichtsmaßnahmen erforderlich, wie die
Zugabe von Puffersubstanzen, das Arbeiten in stark verdünnter wäßriger Lösung und
bei möglichst nied -rigen Temperaturen. Bei der Aufarbeitung eines Ameisensäurebildungsgemisches
nach dem Extraktionsverfahren muß dazu noch berücksichtigt werden, daß die für eine
Extraktion von Ameisensäure geeigneten Lösungsmittel auch ein erhebliches Extraktionsvermögen
für Salpetersäure haben. So besitzt beispielsweise der Diisopropyläther gegenüber
einer 150/obigen wäßrigen Lösung für Ameisensäure einen Verteilungskoeffizienten
von 0,I7 und für Salpetersäure einen solchen von 0,107. Bei einer 20°/oigen wäßrigen
Lösung kommt der Verteilungskoeffizient dieses Athers für Salpetersäure mit 0,174
bereits nahe an den für Ameisensäure (o,I8) heran und übersteigt ihn bei einer 300/obigen
wäßrigen Lösung mit 0,3I5 gegenüber 0,19 für Ameisensäure bereits wesentlich. Bei
der Gewignung von Ameisensäure durch-Extraktion aus dem Bildungsgemisch ist außerdem
noch das gleichzeitig entstandene mineralsaure Salz zugegen, weshalb die Extraktion
der Säure aus rein wäßriger Lösung noch kein endgültiges Bild gibt. Um die tatsächlich
vorliegenden Extraktionsverhält nisse klarzustellen, wurden bei einem Säuregehalt
der wäßrigen Lösung von 2 O/o die Verteilungskoeffizienten des Diisopropyläthers
für Ameisensäure und Salpetersäure in Abhängigkeit von der Konzentration an Calciumnitrat
in der wäßrigen Phase ermittelt und graphisch aufgetragen (Kurvenblatt 1). Der Kurvenverlauf
zeigt, daß der Verteilungskoeffizient bei beiden Säuren mit steigendem Salzgehalt
wächst, und zwar bei Salpetersäure unverhältnismäßig mehr als - bei Ameisensäure.
Während bei einem Salzgehalt der wäßrigen Phase von zoO/o der Verteilungskoeffizient
für Salpetersäure noch etwa die Hälfte des Wertes für Ameisensäure besitzt, erreicht
er bei 28 0/o den Ameisensäurewert und übersteigt diesen bei einem Salzgehalt von
360/0, wie er im Bildungsgemisch der schweizerischen Patentschrift I62 631 vorliegt,
bereits um das Doppelte, und erreicht bei einem Salzgehalt von annähernd 6o 0/0,
wie er dem Bildungsgemisch der deutschen Patentschrift 831 240 entspricht, fast
den 24fachen Wert des bei gleichem Salzgehalt für Ameisensäure gefundenen Verteilungskoeffizienten.
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Die bevorzugte Extraktion der Salpetersäure begünstigt die Rückbildung
von Calciumformiat aus Ameisensäure und Calciumnitrat, insbesondere da bei der Extraktion
die Anwendung eines Salpetersäureüberschusses sowieso vermieden wird.
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Aus den Verteilungskurven für Ameisensäure und Salpetersäure ergibt
sich, daß man aus dem Reaktionsgemisch von Calciumformiat und Salpetersäure nur
dann salpetersäurefreie Ameisensäure extrahieren kann, wenn so viel Wasser zugegen
ist, daß der Salzgehalt in der wäßrigen Phase unter 28 O/o liegt und somit der Verteilungskoeffizient
für Ameisensäure größer ist als der für Salpetersäure. Schon bei einem Salzgehalt
von 36 0/o, wie er in dem zur Extraktion kommenden Bildungsgemisch der schweizerischen
Patentschrift I62 631, bezogen auf das Wasser, vorhanden ist, werden neben wasserhaltiger
Ameisensäure (5 30/zig) bereits merkbare Mengen an Salpetersäure, nämlich 2,5 bis
3 0/o, bezogen auf die Ameisensäure, mitextrahiert. Es bedarf keiner weiteren Erwähnung,
daß bei wasserfreierem Arbeiten, also beispielsweise bei einem Salzgehalt im Bildungsgemisch
von annähernd 6o 0/o, wie er in der deutschen Patentschrift 831 240 vorliegt, undiskutable
Mengen Salpetersäure mitextrahiert werden.
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Bei einem Extraktionsverfahren zur Herstellung wasserfreier Ameisensäure
bewirkt aber das Vorliegen schon geringfügiger Mengen Salpetersäure im Extrakt bei
der Aufarbeitung durch fraktionierte Destillation Zersetzungserscheinungen der Ameisensäure,
die durch augenblickliche Drucksteigerungen die Apparatur gefährden.
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Diese Reaktion zwischen Ameisensäure und Salpetersäure kann auch
durch Zugabe von Harnstoff nur verzögert, nicht aber verhindert werden, da das zunächst
entstehende Harnstoffnitrat durch saure Hydrolyse in Ammoniumnitrat übergeht, das
mit wasserfreier Ameisensäure ebenso reagiert wie freie Salpetersäure.
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Nach den bisher zur Extraktion von Ameisensäure vorgeschlagenen Verfahren
war es also nicht möglich, wasserfreie Ameisensäure aus dem Reaktionsgemisch von
Calciumformiat und Salpetersäure zu gewinnen.
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Es wurde nun ein Verfahren zur Herstellung von wasserfreier Ameisensäure
durch Extraktion aus dem Reaktionsgemisch von Calciumformiat und Salpetersäure gefunden,
bei dem die durch das Mitextrahieren von Salpetersäure auftretenden Schwierigkeiten
vermieden werden. Dies geschieht dadurch, daß man ein Gemisch, das etwa I3 bis I50/o
überschüssiges Calciumformiat enthält, mit dem Lösungsmittel gegebenenfalls in Gegenwart
von Harnstoff im Gegenstrom extrahiert und die diesem ueberschuß äquivalente Menge
Salpetersäure erst in eine der letzten Stufen dem Extraktionsmittel zugibt. Infolge
des schon erwähnten hohen Verteilungskoeffizienten des Extraktionsmittels für Salpetersäure
wandert die hier zugegebene Salpetersäure im Gleichstrom mit dem Lösungsmittel dem
überschüssiges Calciumformiat enthaltenden Gemisch entgegen und verringert sich
in dem Maße, in dem sie sich mit dem Calciumformiat zu Calciumnitrat und freier
Ameisensäure umsetzt. Hierdurch wird erreicht, daß der die
Anlage
verlassende Extrakt nur noch wenig Salpetersäure enthält und im Abwasser kein Calciumformiat
verlorengeht.
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Das Kurvenblatt II veranschaulicht die Extraktionsverhältnisse bei
dieser Arbeitsweise. Hier ist beispielsweise für das Bi'Ldu,n1gsgemisch Ca(N 03)
2 4H2 O +2 H CO OH der Gehalt an Salpetersäure im Ameisensäureextrakt in Abhängigkeit
des Gehaltes an Calciumformiat im Bildungsgemisch graphisch aufgetragen. Der Kurvenverlauf
zeigt, daß sich die Anwesenheit von Salpetersäure im Extrakt auch durch einen noch
so großen Überschuß an Calciumformiat im Bildungsgemisch nicht vollständig unterdrücken
läßt. Die optimal anzuwendende Menge an überschüssigem Calciumformiat entspricht
praktisch der im Bildungsgemisch maximal löslichen Menge. Dies bedeutet, daß Calciumformiat
nur in Lösung mit der im Extrakt vorhandenen Salpetersäure zu reagieren vermag.
Ein Überschuß, der als Bodenkörper vorliegt, bleibt ohne Einfluß. Zweckmäßig wird
Calciumformiat im Überschuß von I3 bis I50/o verwendet.
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Der Rest an Salpetersäure wird aus dem Extrakt dadurch entfernt,
daß man diesen mit einer Lösung von Formiat in Ameisensäure, die hinsichtlich ihres
Ameisensäuregehalts mit dem Extrakt im Gleichgewicht steht und die darin vorhandene
Salpetersäure unter Bildung von Ameisensäure bindet, wäscht.
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Zur Herstellung der als Waschflüssigkeit dienenden Formiatlösung
werden Formiate, insbesondere Alkal-iformiate, verwendet, die sowohl in Wasser -als
auch in Ameisensäure gut löslich sind und deren Basen bei der Umsetzung mit Salpetersäure
Nitrate bilden, die in der Waschflüssigkeit schwerer löslich sind, als die Formiate.
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Für die Herstellung einer derartigen Pufferlösung kommen solche Formiate
in Frage, die sowohl in Wasser wie in Ameisensäure gut löslich sind. . Die gute
Wasserlöslichkeit ist erforderlich, weil nur eine hohe Salzkonzentration in der
Pufferlösung verhindert, daß entweder Ameisensäure aus dem Extrakt augewaschen oder
Wasser zusätzlich in den Extrakt übernommen wird. Die leichte Löslichkeit der verwendeten
Formiate in Ameisensaure ist nötig, damit sich nicht durch die hohe Ameisensäurekonzentration
der Gleichgewichtszustand zwischen Ameisensäure und Nitrat zugunsten einer Rückbildung
von Formiat und freier Salpetersäure verschiebt. Insbesondere sind Alkaliformiate
geeignet. Durch ihre Fähigkeit, Biformiate zu bilden und damit Ameisensäure zu binden,
bewirken sie, daß die mit dem Extrakt im Gleichgewicht befindlichen Pufferlösungen
recht stabil sind und sich nur in dem Maße ändern, als Salpetersäure beim Waschen
des Extraktes aufgenommen wird.
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Für jeden salpetersäurefrei zu waschenden Extrakt gibt es eine optimale
Zusammensetzung der Pufferlösung. Zur Erleichterung der Auswahl wurde bei drei verschiedenen
Salzkonzentrationen, nämlich 20, 27,5 und 35 ovo Natrium- bzw. Kaliumformiat in
der wäßrigen Phase, die Verteilung der Ameisensäure zwischen wäßriger Phase und
Extraktionsmittel in Abhängigkeit von der Ameisensäurekonzentration bestimmt und
graphisch aufgetragen (Kurvenblatt III). Wo diese Kurven die Konzentrationslinie
der salpetersäurefrei zu waschenden Extrakte schneiden, liegt für die jeweils angewandte
Salzkonzentration die optimale Zusammensetzung der Pufferlösung. Wenn beispielsweise
der Extrakt einen Gehalt von 16 0/o Ameisensäure aufweist, so befindet er sich mit
einer wäßrigen Pufferlösung im Gleichgewicht, die 27,5 0/o Natriumformiat und 59,70/0
Ameisensäure enthält.
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Die für einen Salzgehalt von 350/0 aufgenommene Verteilungskurve
schneidet diese Konzentrationslinie nicht mehr, was bedeutet, daß dieser Salzgehalt
zu hoch ist.
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Es wurde festgestellt, daß man mit Hilfe einer solchen Pufferlösung
so lange einen Salpetersäure enthaltenden Extrakt stufenweise salpetersäurefrei
waschen kann, bis vorzugsweise höchstens 5o0/o des Alkaliformiats in Nitrat übergeführt
sind. Um die Umsetzung vollständig zu machen, ohne daß Salpetersäure im Extrakt
verbleibt, ist es zweckmäßig, einen zweiten Wäscher hinter den ersten zu schalten.
Ist dann das Alkaliformiat des ersten Wäschers vollständig in Nitrat übergeführt,
erneuert man diesen und schaltet die Reihenfolge der Wäscher um.
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Für eine wirtschaftliche Durchführung vorliegenden Verfahrens ist
es wichtig, daß das zur Extraktion kommende Gemisch möglichst wenig Wasser enthält.
Da aber andererseits eine Extraktion der beschriebenen Art nur im System flüssig
- flüssig durchgeführt werden kann, muß während des ganzen Extraktionsvorganges
immer so viel Wasser zugegen sein, daß diese Forderung erfüllt bleibt.
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Für die praktische Durchführung des Verfah rens hat es sich als vorteilhaft
erwiesen, die Möglichkeit zum konzentrierten Arbeiten nicht bis-zum letzten auszuschöpfen,
sondern für die Zerlegung des Calciumformiates eine etwa 62- bis 630/oige Salpetersäure
zu verwenden, wie sie großtechnisch durch Destillation von verdünnter Salpetersäure
anfällt. Das die Extraktion verlassende Abwasser enthält dann etwa 4 Mol Wasser
auf 1 Mol Calciumnitrat und wird in bekannter Weise auf streufähigen Kalksalpeter
weiterverarbeitet.
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Der technische Fortschritt des Verfahrens gegen über dem Stande der
Technik, wie er in der deutschen Patentschrift 831 240 dargelegt wird, ist darin
zu sehen, daß man dort mit einer 980/oigen Salpetersäure nur ein Ameisensäurebildungsgemisch
mit 6 Mol Wasser auf I Mol Calciumnitrat erhalten kann, während erfindungsgemäß
beispielsweise mit einer nur 62- bis 630/oigen Salpetersäure im Bildungsgemisch
trotz der Verwendung verdünnterer Säure ein Verhältnis von 4 Mol Wasser auf 1 Mol
Calciumnitrat erreicht werden kann, also bei der Aufarbeitung wesentlich weniger
Wasser verdampft werden muß.
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Beispiel In 2032 g einer 620/obigen Safpetersäure werden zunächst
45 g Harnstoff und dann r495 g Calciumformiat unter gutem Rühren und Einhalten einer
Temperatur von 40 bis 450 gelöst. Das so erhaltene Gemisch wird dann in neun Stufen
im Gegenstrom bei 420 mit dem 3,5 fachen Volumen Diisopropyläther extrahiert, wobei
zu dem Extraktionsmittel in der achten Stufe noch 305 g der 620/obigen Salpetersäure
gegeben werden.
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Der Extrakt enthält I5 §/o Ameisensäure und o,265e/o Salpetersäure,
das sind I,750/o, bezogen auf die extrahierte Ameisensäure. Im Abwasser verbleiben
o,6°/o Ameisensäure und 0,35 °/o Calciumformiat.
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Zur Entfernung des Restes an Salpetersäure aus dem ameisensäurehaltigen
Extrakt wird dieser in zwei aufeinanderfolgenden Stufen mit einer 27,5 ovo Natriumformiat
und 58,2°/o Ameisensäure enthaltenden wäßrigen Lösung gewaschen.
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Der Extrakt ist dann absolut salpetersäurefrei und wird zur Abtrennung
des Diisopropyläthers und geringfügiger Mengen mitextrahierten Wassers fraktioniert
destilliert. Im Sumpf verbleibt -eine 980/obige Ameisensäure, die zur völligen Reinigung
nochmals destilliert wird. Die Ausbeute an Ameisensäure beträgt über 970/o.