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Verfahren zum Gewinnen von Schwelteer bei der Erzeugung von Stadtgas
durch Entgasen von Kohle in außenbeheizten, stetig betriebenen, senkrechten Entgasungsräumen
Bei den bekannten Verfahren zur Erzeugung von Stadtgas in außenbeheizten, stetig
betriebenen, senkrechten Entgasungsräumen wird aus backender Steinkohle Stadtgas,
Hochtemperaturkoks und Hochtemperaturteer gewonnen. Der im Verhältnis zu dem Gehalt
der Kohle an teerbildenden Stoffen in geringer Menge anfallende Teer enthält aber
häufig Anteile von aliphatischem Schwelteer.
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Der Hochtemperaturteer wird nach bekannten Verfahren verarbeitet,
welche für Schwelteer ungeeignet sind. Für dessen Aufbereitung werden besondere
Verfahren angewendet. Ein Gemisch beider Teere kann nach dem heutigen Stand der
Technik nicht aufgearbeitet werden und ist somit minderwertig.
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Man hat deshalb schon versucht, die Teererzeugung bei außenbeheizten,
stetig betriebenen, senkrechten Entgasungsräumen im Sinne einer ausschließlichen
Erzeugung von Hochtemperaturteer zu lenken. Das Ziel der
vorliegenden
Erfindung ist, in solchen Entgasungsräumen vor allem von Hochtemperaturteer praktisch
freien Schwelteer zu gewinnen; daneben wird ein Gas erhalten, das ohne besondere
Nachbehandlung als Stadtgas abgegeben werden kann, und es entsteht außerdem ein
fester Koks, der eine besonders gute Reaktionsfähigkeit besitzt.
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Das Verfahren nach der Erfindung besteht darin, daß durch einen senkrechten
Entgasungsraum mit einer Kammerwandaußentemperatur von goo° und darüber stückige,
nicht backende oder schlecht backende Steinkohle, die bisher nicht zur Verkokung
verwendet wurde, in einem ständig von oben nach unten fließenden Strom mit einer
solchen Wanderungsgeschwindigkeit hindurchgeführt wird, die einen Schnittpunkt der
beiderseitigen Höchsttemperaturisothermen mit der Mittelebene des Entgasungsraumes
an dessen unterem Ende ergibt, und daß während des Erhitzungsvorganges der Kohle
durch Einführung von Wasserdampf im unteren Teil des Entgasungsraumes Wassergas
erzeugt wird, das die Kohlefüllung aufwärts durchstreicht und am oberen Ende der
Entgasungskammer gemeinsam mit den anderen darin entstandenen Gasen und Dämpfen
abgeführt wird. Die stückige Form der Kohle kann hierbei eine durch Zerkleinern
hergeführte Körnung sein, oder es kann kleinkörnige Kohle zu Stücken (Brikett) geformt
sein. Hierbei soll das Höchstmaß des Durchmessers der Stücke so bemessen sein, daß
das Stück auf seinem Wege in der Entgasungskammer bis in seinen Kern hinein auf
die für die Entgasung festgesetzte Temperatur erhitzt wird. Andererseits soll der
Stückgrößendurchmesser nicht unter 4. bis ä mm liegen. Die Backfähigkeit der Kohle
darf nicht so groß sein, daß eine zusammenhängende Teernaht entsteht.
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Beim Durchgang der Kohlestücke, z. B. walnußgroßer Stücke, einer sehr
gering backenden Steinkohle durch die außenbeheizte, senkrecht stehende Entgasungskammer
«-erden die Kohlestücke allmählich bis auf etwa Sooerhitzt, wenn die Außentvandtemperatur
der Kammer etwa goo-- beträgt. Bei dem Erhitzungsvorgang werden aus der Kohle die
flüchtigen Bestandteile ebenso allmählich ausgetrieben. Sie steigen in der Entgasungskammer
empor und werden an ihrem oberen Ende abgeführt. Da die jeweils obenliegenden Kohlestücke
immer eine tiefere Temperatur besitzen, so gelangen die jeweils bei einer bestimmten
Temperatur aus dem Kohlestück austretenden Gase und Teerdämpfe nicht in höhere Temperaturen,
als sie an ihrem Entstehungsort, in dem Kohlestück, besitzen. Ein Kracken der Gase
und Dämpfe findet daher nicht statt. Andererseits behält aber das Kohlestück seine
Form, es schrumpft nur zusammen und wird zu Koks, der noch eine geringe Menge flüchtiger
Bestandteile enthält, aber als festes Stück verbleibt. In dem Kohlestück findet
ein Verkokungsvorgang statt, der eine Verkittung der kleinsten Kohleteilchen zu
einem festen Gefüge bewirkt; die einzelnen Kohlestücke backen aber nicht zusammen.
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Die Einführung des Wasserdampfes am unteren Ende der Entgasungskammer
bewirkt dort in der heißesten Zone der Kohlefüllung die Bildung von Wassergas. Infolge
des Fehlens von Teerkoks ist die Reaktionsfähigkeit des Kokses, insbesondere an
der Oberfläche der Stücke, stark erhöht, so daß die Wassergasbildung auch bei niederen
Temperaturen in voller Stärke eintritt. Dieses Wassergas steigt durch die ganze
Kohlefüllung zum Abzug und reißt die aus den Kohlestüchen austretenden Entgasungsgase
und Dämpfe mit sich, die dadurch schnell von ihrem Entstehungsort entfernt und in
den Bereich niederer Temperaturen übergeführt werden. Dadurch wird eine weitgehende
Zersetzung und Umwandlung der Kohlen"v asserstoffe verhindert und eine große Menge
Schwelteer erzeugt. Im gleichen Sinne wirkt der Abzug der Entgasungserzeugnisse
und des Wassergases am oberen Ende der Entgasungskammer, da die dadurch entstehenden
Kohlenwasserstoffe immer aus den tiefer gelegenen heißeren Schichten der Kohlefüllung
in oberhalb gelegene kühlere Kohleschichten gelangen.
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Die Absaugung der Entgasungserzeugnisse aus dem Entgasungsraum wird
so eingestellt, daß innerhalb der Kammer ein geringer Unterdruck vorhanden ist.
Dann entsteht eine zwangsweise Führung der leicht zersetzbaren Kohlenwasserstoffe
in stets kühlere Schichten, eine Umwandlung wird verhindert, und die durch die Erhitzung
der Kohle entstandenen Entgasungsprodukte werden in der Form erhalten, in der sie
entstehen.
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Die Wanderungsgeschwindigkeit der Kohle durch die Entgasungskammer
nach dem Verfahren bewirkt, daß die Kohlestücke auf ihrem Gesamtweg durch die Entgasungskammer
so hoch erhitzt «erden, daß sie, wenn sie zum unteren Ende der Kammer gelangen,
die Höchsttemperatur angenommen haben, die für den Entgasungsprozeß vorgesehen ist.
Dadurch wird die größte Durchsatzleistung unter Gewinnung der größtmöglichen Menge
Schwelteer erzielt.
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Die von der beheizten Kammerwand des Entgasungsraumes zur -litte in
der Kohleschicht vordringende Wärme bildet mit ihren Höchsttemperaturen eine Ebene.
die, beginnend im oberen Kammerteil, nach unten zu zur Mittelebene der beiden Kammerwände
neigt
und diese schließlich in einer Linie trifft. Der Schnittpunkt dieser als Isothermen
der Höchsttemperatur zu bezeichnenden Ebenen mit der Mittelebene der Kammer liegt
nun nach dem Verfahren am unteren Ende des Entgasungsraumes, der meistens eine im
Querschnitt rechteckige Kammer ist. Damit ist die beste Ausnutzung der Temperaturverhältnisse
unter Berücksichtigung der zu erzeugenden größtmöglichen Schwelteermenge gegeben.
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Bei der bisher üblichen Entgasung backender Steinkohle in stetig betriebenen,
senkrechten, außenbeheizten Entgasungsräumen ist es bekannt, daß die sich bildenden
beiden Teernahtebenen einen Keil bilden, dessen Spitze in der Mittelebene der Kammer
in der oberen Hälfte der Kammerhöhe liegt. Infolge der erst unterhalb der Teernaht
einsetzenden Koksbildung, welche eine bestimmte Zeit erfordert, muß die Kohle von
der Teernaht an auf einen großen Teil ihrer Weglänge meist über die ganze untereHälfte
derKammerhöhe hinaus in höherer Temperatur stehen, um die Verfestigung zum Koks
und die völlige Entgasung zu erreichen. Je nach den Kohlensorten kann die Höhenlage
der Teernahtspitze in der Kammermitte zwar etwas schwanken, d. h. bei gewissen Kohlen
kann ein etwas schnellerer Durchsatz erfolgen. und damit die Teernahtspitze etwas
gesenkt werden, doch ist die Höhenlageänderung nicht erheblich. In jedem Fall ist
der anfallende Hochtemperaturteer mit nebenbei noch erzeugten Schwelteermengen vermischt.
Dadurch wird aber überhaupt ein nicht erwünschtes Teererzeugnis gewonnen, im Gegensatz
zum Verfahren nach der Erfindung, das praktisch unvermischten, und zwar Schwelteer,
gewinnen läßt. Die Teernaht bildet sich nur bei backenden Kohlen. Bei den nach dem
Verfahren benutzten Kohlen tritt eine Teernahtbildung nicht ein, und die Höchsttemperatur
wird in der Kammermitte erst am unteren Ende der Kammer erreicht.
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Der beim erfindungsgemäßen Verfahren gewonnene Teer ist ein reiner
Schwelteer, dessen Aufbereitung Dieselkraftstoffe ergibt. Solche konnten bisher
im Gaswerksbetrieb nicht gewonnen werden, da bei der bisher üblichen Entgasung nur
Hochtemperaturteer oder ein mit Schwelteer vermischter Hochtemperaturteer erzeugt
wurde, aus dem keine Dieselkraftstoffe gewonnen werden konnten. Die anfallende Menge
des Schwelteeres übersteigt erheblich, bis zum Doppelten, die sonst bei der üblichen
Hochtemperaturentgasung anfallende Hochtemperaturteermerige. Der Koks ist fest und
hart, besitzt aber eine größere Reaktionsfähigkeit als die, welche der sonst bei
Hochtemperaturentgasung gewonnene Koks besitzt. Die durch die Entgasungsräume in
der Zeiteinheit durchgesetzten Kohlenmengen sind erheblich größer als die Mengen,
welche beim Schwelen mit niederer Beheizungstemperatur durchgesetzt werden können.
Die bisher üblichen Verfahren zur Gewinnung von Schwelteer in größeren Mengen wenden
eine Erhitzung der Kohle nur auf die Schweltemperatur, d. h. etwa 6oo°, an. Gewonnen
wird dabei zwar Schwelgas und Schwelteer, aber nur mürber Schwelkoks. Mit dem Verfahren
nach der Erfindung werden abgabefähiges Stadtgas, Schwelteer und fester Koks unter
wesentlich erhöhter Durchsatzleistung der Entgasungsräume erzeugt.