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.Depotgrundlage für therapeutisch wirksame Mittel Es ist bekannt,
daß man zur Vermeidung häufiger Injektionen von gelösten Heilmitteln. sog. Heilmitteldepots
in menschliche Gewebe setzen kann. Als Depotträger bzw. Depotgrundsubstanz verwendet
man fettsäurehaltige Substanzen in Form von Emulsionen. Diese Fettsäuren haben u.
a. den Nachteil, daß sie als nicht körpereigene Substanzen auf die Umgebung reizend
wirken und daß sie nur durch bakterizid wirkende Zusätze zu sterilisieren sind.
Unabhängig vom Stande der Technik auf diesem Sondergebiet ist vorgeschlagen worden,
die Eigenschaften von Polyvinylalkoholen oder ihren in Wasser löslichen oder quellbaren
Derivaten durch Behandlung mit Farbstoffen der Kongorotgruppe zu verändern.
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Es wurde nun gefunden, daß diesem Vorschlag entsprechende Mischungen
aus Polyvinylalkoholen ' oder ihren wasserlöslichen bzw. unter den biologischen
Bedingungen resorbierbaren Derivaten mit mindestens einem Lösungsmittel für solche
Polyvinylverbindungen, insbesondere Wasser, und Kongorot überraschend vorteilhaft
als Depotgrundlage für therapeutisch wirksame Mittel verwendbar sind. Die verschiedenen
Mischungen dieser Art genügen allen Anforderungen, die bei dieser Verwendung an
die - Viscosität bzw. Festigkeit und die Erstarrungsbedingungen gestellt werden.
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Diese für die Verwendung als Depots hervorragend brauchbar gemachten
Stoffe, insbesondere die verschiedenen Formen des Inolyvinylalkohols, bieten außerdem
neben ihrer Reizlosigkeit im Gewebe den Vorteil, daß man ihre Resorption im menschlichen
Körper beschleunigen oder verlangsamen kann. In ihren wäßrigen Lösungen lassen sich
diese Stoffe leicht sterilisieren bzw. steril erhalten, da sie; vor allem auch der
Polyvinylalkohol selbst, ohne Schädigung ihrer Eigenschaften auf 130 bis 1q.0° C
erhitzt werden können, wodurch die Bedingungen zur Sterilisation erfüllt werden.
Infolge der kolloidalen Natur dieser Polyvinylalkohole bzw. der hier in Betracht
kommenden Derivate ist es überflüssig, Schutzkolloide, wie Myrizin, Lecithin u.
dgl., zuzusetzen. Hierdurch und durch die eigene Sterilität der Depotträgersubstanz
ist außerdem ein Weg gewiesen, solche Heilmitteldepots nur aus dem Depotträger und
dem Heilmittel ohne sonstige körperfremde Substanzen herzustellen, wodurch einer
altbekannten klinischen Regel Genüge geleistet wird, dem Körper möglichst wenig
Fremdsubstanzen zuzuführen.
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Polyvinylalkohol ist im Gegensatz zu ölen und anderen als Depotgrundlage
dienenden
Gemischen infolge seiner außerordentlichen Indifferenz
gegen eine große Zahl chemischer Agenzien und gegen dehydrierende Pr azesse im Körper
eine ganz einzigartige Depotgrundlage von unbegrenzter Haltbarkeit, Lagerfähigkeit
und leichter Resterilisierbarkeit. Bei der Lagerung im Körper und bei der Resorption
können aus dem Polyvinylalkohol keine schädlichen, sekundäre Reaktionen veranlassende
Produkte entstehen.
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Die Verwendung solcher Depotgrundlagen kommt beispielsweise für die
bekannten Alkaloide, Cardiaca, Drüsenpräparate und andere Pharmaka in Betracht.
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Durch die Einwirkung des Kongorots auf solche Depotgrundlagen wird
eine mehr oder minder starke Verfestigung des Depots, insbesondere nach der Injektion
im Körper, erreicht. Hierdurch ist die Möglichkeit gegeben, die Depots nicht nur
durch Injektion konsistenter Lösung, sondern auch durch Einlegen in entsprechender
fester Form als plastische Masse, als Plombe oder als sonstiges geformtes Gebilde
dem Körper an den gewünschten Stellen einzuverleiben. Eine besondere Form der Einverleibung
ist in solchen Fällen gegeben, wo die injizierte Lösung bei Körpertemperatur nach
dem Einbringen in den gelatinösen Zustand übergeht. Die Form der Anwendung «wird
auch bestimmt durch die gewünschte Wirkungsdauer des Depots. Beispiel i iooo Gewichtsteile
einer 5o;öigen Lösung von hochviscosem Polyvinylalkohol in Wasser, die eine leicht
bewegliche Flüssigkeit bilden, werden mit 2 Gewichtsteilen Kongorot versetzt. Hierdurch
tritt im Verlaufe von einigen Stunden Gelierung ein, und der Erweichungspunkt steigt
auf ungefähr 35° C an. Die Masse ist als Grundlage für Depots aller Art geeignet.
Beispiel 2 Setzt man i ooo Gewichtsteilen einer bo'oigen wäßrigen Lösung von Polyvinylalko:
hol 3 Ge«vichtsteile Kongorot zu, so verfestigt sich die viscose Lösung zu einer
starren Masse vom Erstarrungspunkt 42° C. Durch Erwärmen läßt sich die Masse verflüssigen.
Sie behält beim Abkühlen diesen Zustand noch so lange bei, daß sie mit einer Injektionsspritze
eingespritzt werden kann und nachträglich im Körper erstarrt. Beispiel 3 i ooo Gewichtsteile
einer 7 %igen wäßrigen Lösung von Polyvinylalkohol werden mit 3,5 Gewichtsteilen
Kongorot versetzt. Man erhält dadurch eine starre Masse mit dem Erstarrungspunkt
43 bis 44° C, die an serösen Häuten und anderen Körperteilen nicht festhaftet. Sie
eignet sich für Depots, die beweglich in einer Körpertasche liegen sollen. Beispiel
4 Eine 8,75 ojöige Lösung von Polyvinyialkohol in Wasser wird durch Zusatz von 4,4
Gewichtsteilen Kongorot auf i ooo Gewichtsteile der Lösung zu einer Masse vom Erstarrungspunkt
44-' C verfestigt. 4. ccm dieser Masse werden nach der Sterilisation durch halbstündiges
Erhitzen auf 12o° C mit i ccm steriler ein Hundertstel normaler Salzsäure
mit einem Kochsalzgehalt von 70/Qo und Zoo Meersch«#eincheneinheiten thyreotropem
Hormon vermischt. Dieses Gemisch hat einen Erstarrungspunkt von 42 bis 43° C, läßt
sich nach Erwärmen auf 4:1 bis 45° C durch eine normale Injektionsspritze in den
Körper einspritzen und erstarrt im Körper.
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Die Verwendung von Kongorot an, Stelle der bisher als viscositätsverändernde
Zusätze für solche Gemische bekanntgewordenen Stoffe, wie Borax oder Gelatine, ergibt
den Vorteil einer viel stärkeren Viscositätssteigerung bei geringen Zusatzmengen
und der Herbeiführung eines viel stärkeren Gegensatzes zwischen der verflüssigten
und der erstarrten Form. Die nachfolgenden Vergleichsversuche erweisen dies ebenso
wie die überraschende Sonderstellung, die das Kongorot hinsichtlich der hier erörterten
Wirkung gegenüber Farbstoffen im allgemeinen einnimmt.
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Mit der oben dargelegten Wirkung der Zusätze von Kongorot halten die
mit den bisher für eineViscositätsveränderung solcher Gemische vorgeschlagenen Stoffen
erreichbaren keinen Vergleich aus.
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Eine Lösung von 61 g hochviscosem Polyvinylalkohol und io g Gelatine
in iooo ccm Wasser bleibt auch nach 14 Tagen flüssig. An diesem Verhalten ändert
sich auch nichts, wenn man die Masse 4o Minuten bei 112 bis 115° C im Autoklaven
erhitzt. Setzt man der obigen Lösung statt io g ioo g Gelatine zu, sa ergibt sich
zwar von Anfang an eine größere Zähflüssigkeit. Deren Grad wird jedoch weder durch
Erhitzen noch durch wochenlange Lagerung oder beides erhöht. Die Möglichkeit, durch
eine verhältnismäßig geringe Veränderung der Temperatur gerade innerhalb des für
die vorgesehene Verwendung geeigneten Temperaturintervalls gewissermaßen eine Änderung
des Aggregatzustandes herbeizuführen, fehlt hier völlig.
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Eine durch Verrühren der getrennt hergestellten Lösungen hergestellte
Mischung von 61 g hochviscosem Polyvinylalkohol, 5 g Borax und iooo ccm Wasser bildet
eine feste
Masse, die sogar bei 8o° C noch zähplastisch ist und
auf keine Weise in einen einspritzbaren Zustand zu bringen ist. Auch ein 40 Minuten
langes Erhitzen im Autoklaven bei i 12 bis i 15' C macht die Maise nicht
brauchbar. Verwendet man statt 5 g nur i g Borax, so läßt sich zwar eine gewisse
Verflüssigung erreichen, aber erst bei etwa 85°. Außerdem ist die Masse mit so geringem
Boraxgehalt bei Körpertemperatur zu weich und übrigens auch zu klebrig. Auch durch
Zusätze von Borax sind also keine brauchbaren Massen zu erhalten.
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Die oben geschilderte Wirkung des Kongorots ist eine ganz spezifische,
offenbar durch die Konstitution dieses Farbstoffes bedingte. Eine große Zahl von
Farbstoffen abweichender Konstitution wurde auf eine entsprechende Einwirkung auf
Lösungen von Polyvinylalkohol geprüft: alle erwiesen sich in dieser Hinsicht als
wirkungslos.
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Die überragende Wirkung der Farbstoffe der Kongorotgruppe schließt
es aber nicht aus, daß im Einzelfalle neben Kongorot noch andere, die Eigenschaften
von Polyvinylalkoholen usw. abändernde Stoffe zugesetzt werden, um in irgendwelchen
Richtungen eine noch genauere Anpassung an die jeweiligen Anforderungen herbeizuführen.
Hierfür kommen außer den bisher als Depotgrundlagen verwendeten Stoffen sowie Gelatine,
Agar-Agar u. dgl. in erster Linie die für die Viscositätserhöhung von Polyvinylalkohollösungen
usw. bereits vorgeschlagenen Zusätze von Verbindungen von Metallen der sechsten
und achten Gruppe des periodischen Systems der Elemente oder auch von Borverbindungen
in Betracht.