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Verfahren zum Erzeugen von Titanstahl Ein Verfahren zur Herstellung
eines kohlenstofffreienTitanstahles, welches darin besteht, daß kohlenstoffhaltiges
Eisen unter einer basischen Schlackendecke von Kalk und Titaneisenstein gefrischt
wird und dem Bade nach Beendigung des Frischens so viel Aluminium zugeführt wird,
als zur Reduktion der im Enderzeugnis erforderlichen Menge Titan aus der Schlackendecke
notwendig erscheint, ist bereits bekanntgeworden.
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Dieses bekannte Verfahren erfordert einen ziemlich hohen Aufwand an
Aluminium, weil dessen Wirkung sich neben der beabsichtigten Reduktion von Titansäure
nicht nur auf die noch in der Schlacke vorhandenen Eisen- und Manganoxyde, sondern
auch auf die Kieselsäure erstreckt. Es wurde nun durch Versuche gefunden, daß eine
kieselsäurearme Schlacke, bestehend aus etwa 70 °/o Ti 02 und 3oo/oCa0, bei einer
Temperatur von rq.5o bis r5oo° C genügend dünnflüssig ist, um mit ihrer Hilfe ein
Stahlschmelzverfahren im Siemens-Martin-Ofen durchzuführen, und daß bei dieser hohen
Anreicherung an Titansäure auf die Anwendung des Reduktionsmittels Aluminium ganz
verzichtet werden kann, um die zur Bildung von Titanstahl erforderlichen Mengen
von Titan in das Stahlbad einzuführen.
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Man erhält eine annähernd so zusammengesetzte Schlacke, wenn man ein
gewöhnliches Stahlbad im basischen Siemens-Martin-Ofen oder Elektroofen mit einer
entsprechenden Mischung von Titaneisenstein und Kalk frischt, sobald zwischen dem
Stahlbad und der Schlacke ein Gleichgewichtszustand eingetreten ist.
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Der Umstand, daß im Laufe einer derartigen hüttenmännischen Arbeit
auch gewisse Anteile von Fe 0 und Si 02 unvermeidlich der Schlacke einverleibt werden,
erhöht ihre Dünnflüssigkeit und damit im allgemeinen ihre Gebrauchsfähigkeit.
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Es wurde ferner beobachtet, daß in einem Stahlbade die chemische Verwandtschaft
von Titan zu Stickstoff, Schwefel, Sauerstoff und Kohlenstoff größer ist als diejenige
der sonstigen Legierungsbestandteile zu den vier genannten Metalloiden, was zur
Folge hat, daß beim Zulegieren von Titan zu einem Stahlbade stets zuerst die entsprechenden
Titanverbindungen gebildet werden, ehe Titan als Eisentitanid oder als freier Legierungsbestandteil
im Stahl auftreten kann. Es folgt aber auch aus diesen Affinitätsverhältnissen,
daß nach der Absättigung von Stickstoff, Schwefel und Sauerstoff durch Titan nur
noch Titancarbide im Stahl vorhanden sein können, wenn das Verhältnis von Titan
zu Kohlenstoff mindestens demjenigen der Formel Ti C entspricht. Bei einem geringeren
Titangehalt bleiben neben Titancarbiden noch
Eisencarbide im. Stahl
bestehen, durch deren gleichzeitige Anwesenheit dann die Eigenschaften des Stahles
beeinflußt werden.
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Die chemischeVerwandtschaft von Silizium und Phosphor zu Titan in
einer Eisenschmelze ist nach den bisherigen Forschungsergebnissen so gering, daß
das Bestehen von Verbin-z dangen zwischen diesen Körpern noch nicht hat nachgewiesen
werden können.
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Dagegen hat die praktische Beobachtung gelehrt, daß bei Anwesenheit
von Silizium und in erhöhtem Maße von Aluminium in der Schmelze die Löslichkeit
von Titancarbiden im Stahl stark herabgesetzt wird.
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Aus diesen Forschungsergebnissen erwächst nun die Möglichkeit, im
praktischen Stahlwerksbetriebe eine Reihe von bisher nicht bekannten Stählen herzustellen,
in denen Titancarbide an die Stelle der Eisencarbide treten.
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Die Eigenschaften der Kohlenstoffstähle und der Titanstähle werden
maßgebend beeinflußt durch das verschiedene Verhalten der Eisencarbide und der Titancarbide
in Eisenlegierungen. Beide Carbide sind in gewissem Grade, in Abhängigkeit von den
sonstigen Legierungsbestandteilen, in Eisen löslich.
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Der hervorstechendste Unterschied in ihrem Verhalten besteht in der
bei Kohlenstoffstählen bekannten Perlitbildung, die beim Titanstahl nicht auftritt.
Jeder langsam abgekühlte Kohlenstoffstahl besteht deshalb mindestens aus zwei chemisch
und physikalisch erheblich voneinander verschiedenen Bestandteilen, dem Ferrit und
dem Zementit, während der Titanstahl in diesem Sinne ein einheitlicher Stoff ist,
der lediglich aus Eisen besteht, welches gewisse Mengen von Titancarbiden in Lösung
hält, entsprechend der Lösung des Eisencarbides in Eisen beim gehärteten Kohlenstoffstahl.
Die physikalischen Eigenschaften des langsam erkalteten Titanstahles entsprechen
deshalb weitgehend denjenigen des gehärteten Kohlenstoffstahles, z. B. die Lage
der Elastizitätsgrenze bei 8o bis 9o0/, der Festigkeit. Langsam erkaltender Titanstahl
kann durch eine Glühung nicht weich gemacht werden, aber er kann gehärtet werden,
wenn sein Gehalt an Titancarbiden größer ist, als der natürlichen Löslichkeit der
Titancarbide in Eisen entspricht. Seine Härtetemperatur liegt bei etwa rooo° C,
und es ist bemerkenswert, daß ein bei dieser Temperatur in Wasser schroff abgeschreckter
Titanstahl beim Zerreißversuch außer einer erheblichen Erhöhung der Festigkeit noch
eine Dehnung von etwa r o o Li aufweist.
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Als besondere Eigenschaften der Titanstähle können noch hervorgehoben
werden: hoher Widerstand gegen Verschleiß und Korrosion, beruhend auf ihrem einheitlichen
Gefüge, Unempfindlichkeit gegen Altern und hohe Kerbschlagfestigkeit bei tiefen
Temperaturen infolge ihrer Freiheit von in Eisen löslichen Oxyden. Aus dem gleichen
Grunde besteht eine bemerkenswerte Steigerungsfreiheit, die unterstützt wird durch
Bindung des ganzen Stickstoff- und Schwefelgehaltes in sehr hoch schmelzenden Titanverbindungen
und Ausscheiden der etwa überschüssigen Titancarbide in feinster Verteilung in noch
flüssigem Metall, so daß sie als frühzeitig auftretende Impfkeime auf die Bildung
eines äußerst feinkörnigen Gefüges hinwirken.
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Besonders hervorzuheben ist noch die geringe Neigung zur Bildung von
Lankern bei Titanstählen aller Art.
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Als Titanstähle können vorteilhaft die nachbenannten Handelsstahlsorten
hergestellt werden:
°;`"C 0/, Ti Sonderbestandteile |
Hartbare Stähle.............. . . . 0,3 und mehr 1,5
und mehr Alle stahlveredelnde |
Baustähle ...................... o,1 bis o,2 0,5 bis
i Metalle |
Korrosionsfeste Stähle . .......... I unter o,i
I etwa 0,5 I 0,5 bis i°Jo P |
Stähle für Tiefziehbleche ......... unter o,
i etwa 0,5 etwa 0,3% Si. |
etwa o,10/0 Al |
Stähle für Transformatorbleche ... unter o,1 etwa o,5
' |
etwa q.0/0 5i und |
etwa o,1 bis o,50:'0 |
Die Zusammensetzung der in der obigen Zahlentafel genannten Sonderstähle ist, mit
Ausnahme der als korrisionsfeste Stähle bezeichneten, an sich bekannt. Neu ist aber,
daß ihr Kohlenstoff bei dem Verfahren nach der Erfindung im wesentlichen in Form
von Titancarbid vorliegt. Bei allen diesen Stählen tritt übereinstimmend die Bindung
von Stickstoff, Schwefel und Kohlenstoff an Titan als Güteerhöhung auf.
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Bei den hartbaren Stählen ist beachtenswert die Erhöhung der Verschleißfestigkeit
und
eine die Kohlenstoffstähle weit übertreffendeTemperaturwiderstandsfähigkeit,ehe
ein erhebliches Nachlassen der Härte eintritt. Die Festigkeit der Baustähle kann
durch Zusatz von Titan bis zu etwa 9o kg (bei etwa 8o kg 1?lastizitätsgrenze) gesteigert
werden. Weitere Festigkeitssteigerungen können durch bekannte Legierungsmetalle
erreicht werden, ohne daß die Bildung von harten Sondercarbiden eintreten kann,
da der Kohlenstoff vollständig an Titan gebunden ist.
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Den korrosionsfesten Stählen kann ein Gehalt von 0,5 bis i
% Phosphor gegeben werden, ohne daß Kaltbruch eintritt, weil die kornverfeinernde
Wirkung der Titancarbide die entgegengesetzte Wirkung der Eisenphosphide übertrifft.
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Stähle für Tiefziehbleche können durch Zusatz. von Titan besonders
weich gemacht werden, wenn durch einen angemessenen Gehalt von Silizium und Aluminium
bewirkt wird, daß die Lösungsfähigkeit des Eisens für Titancarbide entsprechend
herabgesetzt wird.
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In noch stärkerem Maße wird diese Wirkung bei Transformatorenblechen
ausgenützt, indem durch Unlöslichmachen der Carbide die Hysteresis weitgehend herabgedrückt
wird. Es bedarf kaum der Hervorhebung, daß sich aus allen diesen Gründen der Titanstahl
vorzüglich zur Herstellung großer Schmiedestücke und von hochwertigem Stahlguß eignet.
Die Einführung von Titan in Eisenlegierungen ist schon seit langen Jahren versucht
worden. Der Erfolg ist aber stets unbefriedigend gewesen, weil sich bei Überdeckung
der Eisenbäder mit oxydischen oder an Kieselsäure reichen Schlacken unvermeidlich
ein ganz regelloser Abbrand an Titan ergab, der in Grenzen von 5o bis ioo°/o auftrat
und, abgesehen von der Wirtschaftlichkeit, die Herstellung von Stählen mit bestimmtem
Gehalt an Titan unmöglich machte.
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Die Begrenzung des Abbrandes auf ein geringes Maß und damit die geregelte
und wirtschaftliche Herstellung von Titanstahl wird aber möglich, wenn man die Eisenbäder
mit einer kieselsäurearmen Schlacke überdeckt, die im wesentlichen nur aus Titansäure
und Kalk besteht, wie sie in der Einleitung zu dieser Beschreibung erörtert ist.
In praktischen Stahlwerksbetrieben gibt es verschiedene Wege, um zu diesem Ziele
zu gelangen.
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Man kann in einem basischen Martinofen oder Elektroofen die Frischarbeit
lediglich unter Verwendung von an Kieselsäure armem Titaneisenstein und Kalk durchführen.
Dann wird, besonders wenn der Einsatz einen höheren Mangangehalt besaß und die Erzmenge
zum Bad so abgestimmt war, daß mit der Erzielung des gewünschten Gehaltes an Kohlenstoff
auch die Eisenoxyde der Schlacke. verbraucht waren, durch die im Ofen herrschende
hohe Temperatur schon eine Reduktion der Titansäure aus der Schlacke einsetzen.
Diese Wirkung kann durch Aufgabe von Petrolkoks o._ dgl. auf die Schlacke erhöht
werden, oder man@kann in dieser Stufe des Verfahrens dein 'lade Ferrotitan zuführen,
ohne daß ein Abhi=and zu befürchten wäre.
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Man kann aber auch das Frischverfahren in einem Martinofen oder einem
Konverter, wie üblich, ganz oder teilweise durchführen, ohne die Desoxydation vorzunehmen,
trennt dann durch Abstechen oder Entleeren des Konverters das Bad von der oxvdischen
Schlacke und unterwirft es einer Nachbehandlung in einem Elektroofen, in dem eine
Schlacke aus Titaneisenstein und Kalk, aus der die Eisenoxyde durch Reduktion entfernt
wurden, flüssig gehalten wurde.
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Auch in diesem Falle kann entweder durch Reduktion der Titansäure
aus der- Schlacke Titan in das Bad übergeführt werden, oder es kann der gewünschte
Titangehalt durch Zulegieren von Ferrotitan erzielt werden.