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Kunstschaltung Die Erfindung betrifft eine systematische Verwendung
von gegenseitiger Induktion in frequenzabhängigen Kunstschaltungen der Fernmeldetechnik,
wie sie zur Aussiebung vorgeschriebener Frequenzbereiche (Siebketten), zum Dämpfungs-
und Phasenausgleich sowie zur Nachbildung, Umbildung und Entzerrung gegebener Leitungen
und Schaltungen Verwendung finden. Das Wesen der Erfindung liegt in der Verwendung
von gegenseitiger Induktion, die an sich bei Kunstschaltungender genannten Art schon
bekannt ist, in der Weise, daß an mindestens einer Stelle der Schaltung drei galvanisch
getrennte Spulen zugleich magnetisch gekoppelt sind. Gegenüber der bekannten Anordnung
von drei oder mehr gleichzeitig magnetisch gekoppelten und galvanisch verbundenen
Spulen ergibt der Fortfall :der galvanischen Kopplung wirksamere Siebeigenschaften
bei ,häufig kleinerer Anzahl .der Schaltelemente.
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Manche mehrgliedrigen Wellenfilter ergeben Dämpfungskurven mit mehreren
in der Frequenzskala nahe beieinander liegenden Spitzen, und zwar enthalten dabei
die einzelnen Glieder sternförmige Anordnungen aus drei Spulen, die an ihrem gemeinschaftlichen
Punkte galvanisch miteinander gekoppelt sind. Bildet man zur Ersparnis von Kupfer
diese drei Spulen als zylindrische statt als Ringspulen aus, so treten zwischen
ihnen gegenseitige Induktivitäten auf, die die Lage der Resonanzspitzen auf der
Frequenzskala in unerwünschter Weise verschieben können. Indes ist das Gesamtsvstem
der drei Selbstinduktionen und der drei Gegeninduktivitäten einem System von drei
Selbstinduktionen allein äquivalent, und es gelingt, durch geeignete Wahl der Werbe
der Selbstinduktionen und Gegeninduktivitäten ein System herzustellen, das wie ein
Stern aus drei vorgeschriebenen, von Gegeninduktivitäten freien Selbstinduktionen
wirkt. Die Gegeninduktivitäten stellen also hier keine zu bestimmten Zwecken eingeführten
Konstruktionselemente dar, sondern lediglich Störungen, die durch besondere Wahl
der quantitativen Verhältnisse unschädlich gemacht werden. In manchen Fällen dient
eine der drei Selbstinduktionen des Sterns überhaupt nur zur Neutralisierung der
drei Gegeninduktiv.itäten, und das res,ultierende System ist einfach einem Stern
aus zwei gegeninduktivitätsfreien Selbstinduktionen äquivalent.
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Von derartigen Anordnungen unterscheidet sich der Gegenstand der Erfindung
dadurch, daß die Selbstinduktionen und Gegeninduktivitäten keineswegs so bemessen
sind, daß sich die Wirkung der letzteren schematisch durch eine bloße Größenänderung
der ersteren ersetzen läßt. Auch besteht hier im Gegensatz zu den bekannten sternförmigen
Spulentripeln
zwischen den gegeninduktiv gekoppelten Spulen 'keine
unmittelbare galvanische Verbindung, wie denn z. B. in der Abb. 5 die einzelnen
Spulen jeweils durch einen Kondensator voneinander getrennt sind.
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Die Erfindung ermöglicht einerseits die Realisierung viel umfassenderer
Frequenzcharakteristiken als die bekannten Kunstschaltungen unter gleichzeitiger
Ausnutzung der bekannten Ersparnis an Schaltelementen, die dadurch erzielt wird,
daß ein Kern mehrere Wicklungen trägt. Besonders zweckmäßig ist nach der Erfindung
die ausschließliche Benutzung der Gegen.induktivitäten in Form fester Kopplungen.
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Die praktische Verwertung der Erfindung gelingt auf Grund einer umfassenden
Theorie der Frequenzcharakteristiken und einer Äquivalenztheorie aller überhaupt
denkbaren Zwei-und Vierpolschaltungen, die auch verwickeltere Schaltungen mit Gegeninduktivitäten
rechnerisch zu beherrschen erlaubt. Betreffs der Theorie wird auf eine Arbeit von
C au e r »Untersuchungen über ein Problem, das drei definite quadratische Formen
mit Graphen in Beziehung setzt«, in den Mathematischen Annalen 105, 1931, S.86,
verwiesen, von der ein kurzer Auszug in der Zeitschrift »Elektrische Nachrichtentechnik«,
Band VI, S. 272 (I929), erschienen ist, ferner auf die Arbeit Ȁquivalenz von 2
n-Polen ohne Ohmsche Widerstände«, Nachr. v. d. Ges. d. Wiss. z. Göttingen 1934,
S. i, in der u. a. die Schaltung Fig. r1 Gegeninduktivitäten nach der Erfindung
enthält. Nur die folgenden, in unmittelbarer Beziehung zur Erfindung stehenden Resultate
der Theorie mögen angeführt werden.
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i. Daß die Vermeidung von gegenseitiger Induktion überhaupt eine Beschränkung
der Allgemeinheit der Frequenzcharakteristiken bewirkt, wurde schon durch die Arbeiten
von R. M. F o s t e r, »Bell System Technicad Journal« Okt. 2q., und die Arbeit
von C a ü e r »Archiv für Elektrotechnik« Dez. 1926, bekannt.
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2. Es lassen sich gewisse kanonische Schaltungen angeben. Das sind
Schaltungen mit der Eigenschaft, unter Beschränkung auf eine feste Anzahl unabhängiger
Stromkreise alle überhaupt möglichen Frequenzcharakteristiken bei gleicher Anordnung
durch geeignete Größenbemessungen der verschiedenen Schaltelemente (Induktivitäten,
reine Widerstände, Kapazitäten) zu realisieren.
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3. Unter den kanonischen Schaltungen, die nach i im allgemeinen notwendige
gegenseitige Induktion im Sinne der Erfindung enthalten, gibt es solche,. in welchen
gegenseitige Induktionen nur in Form ideal fester Kopplungen, also z. B. nur in
streuungslosen Transformatoren mit zwei oder mehr Wickelungen auftreten.
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4.. Zu jedem Zweipol oder Vierpol, insbesondere auch beim Vorhandensein
von Gegeninduktivitäten können widerstandsreziproke Schaltungen hergestellt werden.
Ein Vierpol, der zu einem anderen mit den primären und sekundären Kurzschluß- und
Leerlaufwiiderständen y1" , ylo, Y2h, Y2o reziprok ist, wird durch
Kurzschluß- und Leerlaufwi,derstände --1k, zlo, z2h, z20 charakterisiert, die den
Bedingungen Yikzio = Yl o zik: = Y2k z2o = Y2o z2tc = R2 = korst genügen.
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5. Es sind rechnerische Methoden entwickelt, .die erlauben, aus einem
gegebenen Zweipol oder Vierpol alle äquivalenten Schaltungsanordnungen, insbesondere
solche mit vielfacher magnetischer Spulenverkettüng abzuleiten. Zwei Zweipole oder
Vierpole heißen äquivalent, wenn sie die gleichen Fre-, quenzcharakteristiken besitzen.
(Betreffs der Konstruktion äquivalenter Schaltungen sei besonders -auf die schon
erwähnte in den Göttinger Nachrichten erschienene Arbeit hingewiesen.) Die unter
2 bis 5 genannten Schaltungen sind Gegenstand der Erfindung, soweit sie die erwähnten
charakteristischen Merkmade der Verwendung gegenseitiger Induktion besitzen und
den genannten fernmeldetechnischen Zwecken :dienen.
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Da es praktisch unmöglich ist, die in sehr großer Zahl vorhandenen
äquivalenten Schaltungen zu einer Schaltung hier sämtlich aufzuzählen, können hier
nur einige Ausführungsbeispiele der Erfindung angeführt werden. Sie sind in der
Zeichnung schematisch dargestellt.
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Abb. i stellt einen kanonischen Vierpol für den Fall zu vernachlässigender
Ohmscher Widerstände dar (z. B. Siebschaltung). Diese Schaltung ist im allgemeinen
bei geeigneter Bemessung der Schaltelemente einer beliebigen unsymmetrischen Siebkette,
die ?z unabhängige Stromkreise besitzt, äquivalent. Ihre 3 ,1,-Schaltelemente haben
sämtlich unabhängig voneinander Einfiuß auf die Frequenzcharakteristiken. Die Pfeile
deuten an, welche Spulen magnetisch verkettet sind. Der Transformator T soll eine
sehr große Selbstinduktion und eine vernachlässigbare Streuung haben.
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Abb. 2 gibt einen zu dem Vierpol Abb. i widerstandsreziproken Vierpol.
Die Spulen sind durch gegenseitige Induktionen verknüpft. T ist ein Transformator
gleicher Art wie T in Abb. i. Während die bekannten reziproken Anordnungen durch
elementweise Zuordnung die Reziprozität unmittelbar erkennen
lassen,
ist das hier nicht der Fall. Die Schaltung Abb. z kann aus Abb. i so ge-=wonnen
«-erden, d@aß zunächst Abb. i durch eine äquivalente Anordnung ersetzt wird, in
der Spulen und Kapazitäten die Rolle vertauscht haben, eine Schaltung, die wegen
der Verkettung der Kapazitäten nur eine fiktive Bedeutung besitzt. Dabei erhält
der ideale Transformator T ein im allgemeinen anderes Übersetzungsverhältnis. Diese
fiktive Schaltung wird sodann durch eine Zug um Zug reziproke Anordnung ersetzt,
indem in bekannter Weise Reihen- und Parallelanordnungen vertauscht werden. Dabei
werden die Induktivitäten durch proportionale Kapazitäten und die quadratische Form,
die die reziproken verketteten Kapazitäten repräsentiert (vgl. z. B. die zitierten
Arbeiten von F o s t e r und von C a u e r), durch die reziproke quadratische Form
ersetzt, welche durch ihre Koeffizienten dann zahlenmäßig die stets physikalisch
möglichen Abmessungen der Induktivitäten und Gegeninduktivitäten in Abb. z liefert.
Endlich erhält T in Abb. z das zu dem T in der fiktiven Schaltung reziproke Übersetzungsverhältnis.
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Abb. 3 liefert ein Beispiel einer nur n---i streuungslose Transformatoren
enthaltenden Schaltung, die zu zi in beliebiger Weise verketteten Spulen
mit den Induktivitäten Lst äquivalent ist. Die Schaltung zeichnet sich dadurch aus,
daß nur ideal feste Kopplungen zwischen den verschiedenen Spulen mit den Windungszahlen
wst auftreten. Die Selbstinduktionen der Primärspulen sind
Für "-a=3 besteht der folgende Zusammenhang zwischen L, wst, Lst
Abb. 4 stellt einen kanonischen Vierpol für den komplizierteren Fall dar, daß alle
Widerstandsarten einschließlich der Ohmschen Widerstände vorkommen. Die Beschränkung
auf den Fall nur drei unabhängiger Stromkreise ist unwesentlich und dient nur zur
Vereinfachung der Darstellung. Der Vierpol Abb. 4, der selbst nur dann drei unabhängige
Stromkreise zählt, wenn die Kreise A, B, C
nicht mitgerechnet werden, ist
im allgemeinen bei geeigneter Bemessung der Schaltelemente zu jedem Vierpol äquivalent,
der aus drei unabhängigen Stromkreisen besteht, also im allgemeinsten Fall 18 Schaltelemente
enthält. Rechnet man sämtliche auf einem Spulenkörper befindliche Wicklungen zusammen
als ein Schaltelement, so enthält der Vierpol Abb. 4 nur 1a Schaltelemente. S1 und
S2 sind streuungsfrei.eTransformatoren wie in Abb. 3, T,, T2, T3 streuungslose
Transformatoren mit sehr großer .Selbstinduktion wie T in Abb. i und z.
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Abb. 5 liefert einen kanonischen Zweipol. Hier sind im allgemeinen
sämtliche ,Spulen durch gegenseitige Induktion verkettet. Die Schaltung ist im allgemeinen
zu jedem anderen Zweipol mit zt unabhängigen Stromkreisen bei geeigneter Bemessung
der numerischen Werte der Schaltelemente äquivalent.
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Abb. 6 stellt einen zu dem Zweipol Abb. 5 widerstandsreziproken Zweipol
dar. Die Spulen sind, durch gegenseitige Induktion verknüpft. Im einzelnen gilt
analoges wie bei Abb. a.
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Abb. 7 zeigt, in welcher Weise sich mittels Herstellung eines reziproken
Zweipols vom Wechsel stromwidersband z2 jeder Zweipol vom Wechselstromwiderstand
z,. so umbilden läßt; daß ein konstanter Widerstand R resultiert.
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Abb.8 zeigt eine gemäß dem heutigen Stande der Technik für Zwecke
der Mehrfachtelegraphie konstruierte Siebkette aus drei gleichen Kreuzgliedern.
In jedem Gliede sind die Wechselstro:mwiderstände einander gegenüberliegender Zweige
gleich.
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Abb. 9 stellt eine demselben Zweck wie die Schaltung Abb. 8 dienernde
Siebschaltung gemäß der Erfindung mit mehrfacher fester magnetischer Kopplung dar
mit genauer Angabe der erforderlichen elektrischen Abmessungen für eine mittlere
Durchlaßfrequenz von Qoo Hertz, eine Lochbreite von 8o Hertz, eine Minimaldämpfung
von. 0,44 Neper und einen Wellenwiderstand von 6oo Ohm.
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Abb. io zeigt die zur Schaltung Abb.9 gehörigen Charakteristiken der
Betriebsdämpfung A und des absoluten Betrages Z des Wellenwiderstandes.
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Von den bekennten mannigfaltigen VerwendungsmÖglichkeiten der Erfindung
seien nur einige besonders hervorgehoben. Man wird z. B. in den praktisch vorkommenden
komplizierteren Fällen, wo die bisher benutzten Nachbildungs- und Umbildungsschaltungen
und Verfahren zur Herstellung derartiger
Schaltungen versagen, mit
den hier vorgeschlagenen Schaltungen, irrdenen gegenseitige Induktion benutzt wird,
soweit die Aufgabe überhaupt lösbar ist, zum Ziele kommen. Die Aquivalenztheorie
bietet die Möglichkeit, unter den vielen in Frage kommenden Schaltungen eine mit
günstigen Abmessungen auszusuchen. Praktisch wird man sich dabei meist auf Zweipole,
welche aus drei unabhängigen Stromkreisen bestehen (z. B. kanonische Schaltung Abb.
5 für 1a-3), oder auf zu solchen Zweipolen reziproke Zweipole beschränken. Im allgemeinsten
Fall der genannten Art hat man i i unabhängige Parameter zur Verfügung, von denen
die Maßzahlen der im allgemeinen erforderlichen 12 Schaltelemente abhängen.
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Um einen Empfangsapparat vom frequenzabhängigen Widerstand z, auf
einen konstanten Widerstand R umzubilden, kann die Schaltung Abb.7 benutzt werden,
in der z1 z2 - R2 ist.
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Als Siebschaltungen wurden bisher vorwiegend Kettenleiter verwandt.
Die bisher bekannten Siebketten und Methoden, Siebketten zu entwerfen, gipfeln darin,
daß man bei gegebenen Durchlässigkeits- und Sperrbereichen- dadurch im Durchlässigkeitsbereich
eine günstige DämpfungscharakteTistik und möglichst konstante Wellenwiderstände
am Eingang und Ausgang zu erzielen sucht, daß man an.gepaßte Vierpole besonders
einfacher Art, z. B. solche, welche höchstens sechs Elemente enthalten, zu einem
Kettenleiter vereinigt. Bei den bisher ausgeführten Siebschaltungen läßt z. B. die
Konstanz der Wellenwiderstände noch zu wünschen übrig. Man kann in diesem Punkte
günstigere Siebschaltungen durch Benutzung der hier vorgeschlagenen Schaltungen
(z. B. Abb. i) erzielen, deren Form von der üblichen Kettenleiterformdurchaus abweichen
kann. Diese Schaltungen haben den Vorzug, daß durch sie bei möglichst geringer Zahl
von Schaltelementen alle Möglichkeiten von Vierpolen erschöpft werden, während man
bisher mit der gleichen Anzahl von Schaltelementen aus .der Mannigfaltigkeit aller
möglichen Siebketten nur eine kleine Auswahl getroffen hat. Auch in den Fällen,
wo eine bekannte Siebkettenform den gewünschten Anforderungen genügt, kann eine
Verwendung von gegenseitiger Induktion im Sinne der Erfindung in einer äquivalenten
Siebschaltung wegen Ersparnis an Schaltelementen vorteilhaft sein, rauch .dann,
wenn man wie bei symmetrischen Siebschaltungen prinzipiell ohne Einschränkung der
Allgemeinheit auf Verwendung von gegenseitiger Induktion verzichten könnte.
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Das in Abb.9 und io angegebene numerische Beispiel einer Siebschaltung
mit ihren Charakteristiken, wie sie für Zwecke der Mehrfachtelegraphie entworfen
wurde, zeigt deuflich den großen wirtschaftlichen Vorteil der Verwendung von Schaltungen
mit mehrfacher gegenseitiger Induktion gegenüber der bisher für solche Zwecke verwendeten
Schaltung Abb.8. Die Schaltung Abb.9 genügt sämtlichen Anforderungen der Praxis,
wie Symmetrie bezüglich a- und b-Ad-er, zulässige Größenabmessungen der Kapazitäten
und Spulen, Eignung für Parallelbetrieb usw. Die erzielten Charakteristiken sind
günstiger als die mit Schaltung Abb. 8 erreichten Charakteristiken. So beträgt der
mit der Kreuzgliederkette erzielte mittlere Anstieg der Dämpfungskurve zwischen
i und 5 Neper o,o6 Neper pro Hertz, während die Schaltung Abb.9 einen Anstieg o,
i Neper pro Hertz besitzt. Auf der anderen Seite bringt die neue Schaltung eine
Materialersparnis von über 30 % gegenüber der alten. Nicht die Verbesserung
der Charakteristiken, sondern die Materialersparnis war für die Konstruktion der
Schaltung in erster Linie maßgebend.