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Verschiebeanlage mit ferngesteuerter elektrischer Gleichstromlokomotive
Das Abdrücken der Züge über den Ablaufberg (Eselsrücken) auf Verschiebebahnhöfen,
das zum Zwecke des Zerlegens der Züge in neue Züge vorgenommen wird, erfolgt bis
jetzt ausnahmslos durch mit Führer besetzte Dampf- oder elektrische Lokomotiven,
durch die die Abdrückgeschwindigkeit geregelt wurde.
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Eine Höchstleistung im Abdrückbetrieb läßt sich auf Verschiebebahnhöfen
nur dann erreichen, wenn die Abdrückgeschwindigkeit möglichst groß ist. Die Höhe
der zulässigen Abdrückgeschwindigkeit ist durch die Zeit, die zwischen dem Ablauf
zweier aufeinanderfolgender Wagen oder Wagengruppen erforderlich ist, bestimmt.
Diese Zeit hängt von der Geschwindigkeit der ablaufenden Fahrzeuge in der Weichenzone,
der Gleisausbildung bzw. Länge der Weichenzone und den erforderlichen Stellzeiten
für die Weichen ab. Die Abdrückgeschwindigkeit kann um so größer sein, je mehr Wagen
gleichzeitig ablaufen. Am kleinsten wird sie beim Ablauf einzelner Wagen.
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In der Regel ist es nun dem Führer der Abdrücklokomotive nicht möglich,
ohne weiteres zu erkennen, mit welcher Geschwindigkeit die Abdrücklokomotive arbeiten
darf. Die Beurteilung der höchstzulässigen und somit erwünschten Geschwindigkeit
ist vielmehr nur dem den Ablauf beaufsichtigenden Rangierleiter, der sich auf der
Kuppe des Ablaufberges (Eselsrückens) befindet, möglich. Bisher wurde nun im allgemeinen
der Betrieb in der Weise durchgeführt, daß durch den Rangierleiter auf optischem
oder akustischem Wege dem Führer der Ablauflokomotive der Befehl, mit einer bestimmten
Geschwindigkeit zu fahren, übertragen wurde. Eine derartige Betriebsweise ist natürlich
verhältnismäßig primitiv und ungenau. Eine sichere Übertragung der Befehle kann
dabei infolge der vielen störenden Nebeneinflüsse auf den Rangierbahnhöfen nicht
erzielt werden. Die Befehle können sogar falsch verstanden werden, was unter Umständen
eine Gefährdung des Betriebes und von Menschenleben bedeutet.
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Um diese Nachteile zu beseitigen, hat man bereits vorgeschlagen, in
derartigen Anlagen die Signale auf elektrischem `Fege zu übertragen. Allein derartige
elektrische Signalübertragungsanlagen sind sehr empfindlich und kompliziert und
daher wenig für den rauhen Betrieb auf Rangierbahnhöfen geeignet. Außerdem ist durch
Anwendung solcher Signalanlagen noch keine Gewähr geboten, daß die Befehle sofort
ausgeführt werden.
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Um nun ein Höchstmaß der Leistung auf Verschiebebahnhöfen mit Eselsrücken
zu erzielen, ist auch bereits vorgeschlagen worden, daß der Rangierleiter nicht
über Signalanlagen, sondern unmittelbar die Geschwindigkeit des abzudrückenden Zuges
regeln soll. Beispielsweise ist ein Vorschlag bekanntgeworden, nach dem die Steuerung
der Rangierlokomotive durch den Rangierleiter mit Hilfe elektromagnetischer
Wellen
erfolgen soll, die unmittelbar ein Getriebe beeinflussen, daß die Steuerung der
Lokomotive bewirkt. Abgesehen davon, daß derartige Anlagen noch weniger als elektrische
Signalanlagen für den Bahnbetrieb geeignet sind, weil die Betriebssicherheit zu
wünschen übrigläßt, sind die Kosten derartiger Anlagen ungewöhnlich hoch, so daß
dieser Vorschlag bisher nicht zur Ausführung gelangt ist.
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Gegenstand der Erfindung ist nun eine Verschiebeanlage mit ferngesteuerter
elektrischer Gleichstromlokomotive, bei der die Drehzahl und Drehrichtung des Triebmotors
bzw. der Triebmotoren von einer ortsfesten Stelle aus über Stromabnehmer und einen
Fahrdraht durch Beeinflussung der Ankerspannung, beispielsweise mit Hilfe eines
Leonardaggregats, in weiten Grenzen geregelt werden, wobei die Erregerwicklung der
Motoren von einer auf der Lokomotive angeordneten Stromquelle, z. B. Sammlerbatterie,
gespeist wird.
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Es sei zunächst erwähnt, daß die Regelung von Fahrzeugmotoren von
einem ortsfesten Befehlsstand durch Änderung der an die Motoren gelegten Spannung
bereits bekannt ist. Bei einer dieser bekannten Anlagen, die zum Prüfen von Artilleriefahrzeugen
bestimmt war und bei der nur eine Bewegungsrichtung gefordert wurde, waren Hauptstrommotoren
angewendet, wodurch die Schwierigkeiten, die mit der Speisung der Erregerwicklung
verbunden sind, vermieden werden. Bei dieser Anordnung ist keine genaue, von der
Last unabhängige Regelung der Geschwindigkeit möglich.
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Bei einer anderen bekannten Einrichtung zur elektrischen Fernsteuerung
von Elektrohängebahnen sind fremderregte Motoren, die in Leonardschaltung arbeiten,
benutzt. Dabei werden den Erregerwicklungen und den Ankern der Motoren die Ströme
über Schleifleitungen bzw. Schleifkontakte zugeführt. Infolgedessen ist eine größere
Anzahl von Stromzuleitungen erforderlich. Die Speisung der Erregerwicklung über
Schleifkontakte und Schleifleitungen bedeutet einen großen Nachteil, weil beim Abspringen
des Schleifleiters von dem Schleifkontakt hohe Überspannungen in, der Erregerwicklung
induziert werden. Aus allen diesen Gründen ist es unmöglich, Anlagen zur Fernsteuerung
von Rangierlokomotiven so auszubilden wie die bekannte Einrichtung zum Fernsteuern
von Hängebahnen.
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An sich ist auch bereits eine Anordnung bekanntgeworden, bei der den
Motoren eines Fahrzeugs von einem ortsfesten Stromerzeuger aus der Ankerstrom .zugeführt
wird und die Feldwicklungen von einer auf dem Fahrzeug angeordneten Sammlerbatterie
gespeist werden. Dabei wird die Spannung des ortsfesten Stromerzeugers selbsttätig
durch eine Hauptstromwicklung geregelt. Die eigentliche Regelung der Fahrzeuggeschwindigkeit
erfolgt durch Regelung des Erregerstromes der Fahrzeugmotoren. Eine derartige Anordnung
ist für Rangierlokomotiven, die zum Abdrücken von Zügen auf dem Eselsrücken dienen,
vollkommen ungeeignet.
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Allen diesen bekannten Anordnungen ist nun die gemäß der Erfindung
vorgesehene Ausbildung von Rangierlokomotiven weit überlegen. Die Geschwindigkeit
dieser Lokomotive kann feinstufig in genauester Weise vom Rangierleiter von einem
ortsfesten Befehlsstand aus durch Änderung der dem Anker zugeführten Spannung beeinflußt
werden. Die Drehrichtung der Fahrzeugmotoren kann durch Umkehrung der Ankerspannung
ohne weiteres umgekehrt werden. Wenn man den Ohmschen Spannungsabfall der Motoranker
vernachlässigt, so ist die Geschwindigkeit einfach proportional der an die Motoren
angelegten Ankerspannung.
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Von entscheidender Bedeutung ist aber, daß bei Ausbildung der Lokomotive
gemäß der Erfindung die einfachste Leitungsanordnung entsteht, ohne daß hierdurch
die zahlreichen Anforderungen, die im Betrieb an die Lokomotive gestellt werden
müssen, beeinflußt werden. Die Erregung der Lokomotive durch eine Sammlerbatterie
ermöglicht es, mit einer einzigen Fahrleitung auszukommen, wenn die Fahrschiene
als Rückleitung für den Strom benutzt wird. Dies ist deswegen von großer Bedeutung,
weil die Anwendung von mehr als einer Fahrleitung je Gleis große technische Schwierigkeiten
bereitet und mit Rücksicht auf die Kosten und die Übersichtlichkeit der Rangierbahnhöfe
außerordentlich unerwünscht ist.
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Schließlich ist auch noch zu erwähnen, daß durch die Speisung der
Erregerwicklung von einer auf der Lokomotive angeordneten Sammlerbatterie die Gefahren
vermieden werden, die bei Übertragung der Erregerenergie durch einen Stromabnehmer
und einen Fahrdraht oder eine Stromschiene dadurch entstehen, daß durch Abspringen
des Stromabnehmers vorübergehend die Stromzuleitung zu der Erregerwicklung unterbrochen
wird.
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Aus den obigen Ausführungen ergibt sich, daß durch die gemäß unserer
Erfindung vorgesehene Kombination an sich bekannter Merkmale der Bau einer ferngesteuerten
Rangierlokomotive für den Abdrückbetrieb ermöglicht wird, die gegenüber allen bisher
bekannten Anordnungen zur Fernsteuerung von Abdrücklokomotiven große Vorteile aufweist.
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Um überdies die erfindungsgemäß ausgebildeten Rangierlokomotiven auch
für andere Zwecke brauchbar zu machen, werden diese derart ausgebildet, daß sie
sich auf solchen Gleisen bewegen können, die nicht mit einer mit der ortsfesten
Stromquelle verbundenen Fahrleitung verbunden sind. Zu diesem Zweck
wird
gemäß der Erfindung die auf der Lokomotive zur Erregung des Triebmotors untergebrachte
Stromquelle derartig bemessen, daß sie auf nicht mit Fahrleitung ausgerüsteten Streckenteilen,
beispielsweise Weichenstrecken, oder auf der Rückfahrt während des Abdrückbetriebes
auch den Ankerstrom für die Motoren der Lokomotive liefert. Dabei kann gegebenenfalls
die Lokomotive durch neben den Fahrschienen vorgesehene Anschläge gesteuert werden.
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Fig. i zeigt die Schaltung einer gemäß der Erfindung ausgebildeten
Rangierlokomotive mit einem Motor. i bedeutet den Fahrdraht, an den über einen Stromabnehmer
:z der Anker 3 des Motors der ferngesteuerten Lokomotive angeschlossen ist. In Reihe
mit dem Anker ist ein Bremsmagnet ¢ geschaltet, der zum Lüften der Fahrzeugbremse
dient und über ein Hebelgestänge 6 die Bremsbacken 5 betätigt. Über den Fahrdraht
i und den Stromabnehmer 2 werden nun zum Zwecke der Regelung dem Anker 3 des Motors
Ströme veränderlicher Spannung und Richtung von einer ortsfesten Stromquelle zugeleitet.
Da der Motor durch eine fremdgespeiste Erregerwicklung 7 erregt ist, so ist die
Geschwindigkeit direkt der Größe der an den Anker über den Fahrdraht angelegten
Spannung proportional. Die Richtung der Ströme bestimmt dabei die Drehrichtung des
Motors. Die Spannung am Fahrdraht i wird beispielsweise einem in der Zeichnung nicht
dargestellten Leonardumformer entnommen, der am zweckmäßigsten in der Nähe des Ablaufberges
angeordnet ist und dessen Spannung mittels eines Feldreglers geregelt wird, Die
Erregerwicklung 7 wird erfindungsgemäß durch eine auf der Lokomotive angeordnete
Sammlerbatterie 8 gespeist. g bedeutet einen Widerstand, der in dem Erregerstromkreis
zum Zwecke einer Feldschwächung wirksam gemacht werden kann. Der Widerstand g wird
durch das elektromagnetische Schütz io kurzgeschlossen. Dieses Schütz wird selbsttätig
gesteuert, beispielsweise durch ein polarisiertes Relais ii, das an die Ankerspannung
angelegt ist und bei einer bestimmten Drehrichtung des Motors anspricht. Dieses
Relais dient dazu, bei der Rückfahrt der ferngesteuerten Lokomotive nach dem Abdrücken
eine erhöhte Geschwindigkeit zu erzielen.
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Die Sammlerbatterie 8 ist so kräftig bemessen, daß sie auch den Ankerstrom
für den bzw. die Motoren der ferngesteuerten Lokomotive liefern kann. Zur Umkehrung
des Ankerstromes ist dabei ein Umschalter 12 vorgesehen. Zum Anlassen dient der
Anlasser 13. Soll der Anker 3 des Motors der Lokomotive von der Sammlerbatterie
8 gespeist werden, so fließt der Strom über den Hilfsschalter 1q., der unmittelbar
mit dem Stromabnehmer a derart gekuppelt ist, daß beim Ablauf des Stromabnehmers
2 vom Fahrdraht i der Anker 3 des Motors selbsttätig an die Sammlerbatterie 8 angeschlossen
wird. Um in diesem Fall einen selbsttätigen Betrieb zu ermöglichen, ist es erforderlich,
den Anlasser 13 für selbsttätiges Anlassen auszubilden und neben dem Gleis besondere
Anschläge vorzusehen, durch die der Umschalter =i in geeigneter Weise betätigt wird,
daß die einmal vorhandene Fahrt auch beim Übergang auf die zuleitungslose Strecke
(Fahrt mit eigener Stromquelle) beibehalten wird, bis gegebenenfalls nach Erreichen
eines anderen Streckenabschnittes ein neuer Befehl gegeben wird.
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Fig. 2 zeigt ein Schema einer Anlage, in der die gemäß der Erfindung
ausgebildeten Lokomotiven arbeiten sollen. 15 bedeutet das Gleissystem, 16 ein Leitungssystem,
das zur Zuführung der Energie für die ferngesteuerten Lokomotiven dient. Das Leitungssystem
ist bei dieser Anordnung am zweckmäßigsten in mehrere Zonen I bis IV unterteilt,
die unabhängig voneinander gespeist werden können. Zur Speisung des Leitungssystems
dienen dabei zwei Umformer 18 und =g, die über Kabel 17 an das Leitungssystem mittels
geeigneter, in der Zeichnung nicht dargestellten Schalter angeschlossen werden können.
Die Unterteilung des Gleissystems ermöglicht es dabei, in verschiedenen Abschnitten
verschiedene ferngesteuerte Lokomotiven unabhängig voneinander mit verschiedener
Geschwindigkeit und Fahrtrichtung zu betreiben.
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Die verschiedenen Schaltapparate, die zum Anschließen der Abschnitte
des Gleissystems an die Umformer dienen, müssen natürlich derart gegeneinander verriegelt
sein, daß Fehl-und Doppelschaltungen unbedingt vermieden werden.
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Um zu vermeiden, daß die Lokomotive nach Entladung der Erreger- oder
Hilfsbatterie aus dem Betrieb genommen werden muß, kann noch eine Einrichtung vorgesehen
werden, die bezweckt, daß, sobald die Lokomotive auf der mit Fahrleitung ausgerüsteten
Strecke fährt und die Spannung eine Höhe erreicht hat, die zum Laden der Batterie
ausreicht, letztere selbst bis zum Laden an die Fahrleitung angeschlossen wird.
Der Ladestrom kann dann leicht so bemessen werden, daß die Batterie sich stets in
einem hinreichend hohen Ladezustand befindet. Das Anschließen der Batterie an die
Fahrleitung kann beispielsweise durch ein Spannungsrelais und die Ladung selbst
durch einen selbsttätigen Ladeumformer erfolgen.