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Verfahren zur Durchführung doppelter Umsetzungen in flüssigem Ammoniak
Die Durchführung einiger doppelter Umsetzungen nach dem Schema AB + CD = AC + BD
in flüssigem Ammoniak als Lösungsmittel ist aus der wissenschaftlichen Literatur
bekannt. Insbesondere hat man hiervon für die Darstellung von Körpern Gebrauch gemacht,
die in Wasser zu leicht hydrolysiert werden.
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Eine technische Anwendung haben derartige Verfahren zur Darstellung
sonst schwer zugänglicher Körper bisher nicht gefunden, da der apparativen Durchführung
fast unüberwindliche Schwierigkeiten gegenüberstanden. Eine entsprechende Übertragung
der für Laboratoriumszwecke angewandten Apparaturen auf die Technik war nicht möglich,
da das Prinzip dieser Apparate auf der Anwendung eines Schenkel-oder Winkeirohres
beruht, deren jedes die Lösung ! einer Komponente aufnahm und die dann durch Um
kippen, also Bewegung der ganzen Apparatur, nicht nur der Reaktionslösungen, zur
Reaktion gebracht wurden.
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Durch die Auffindung des nachfolgend näher beschriebenen Prinzips,
eine Reihe von an sich bekannten Einzelapparaten zu kombinieren, wurde nun die Durchführung
einiger Verfahrensweisen in technischem Maßstab sichergestellt, die auf der doppelten
Umsetzung in Ammoniak als Lösungsmittel beruhen. Voraussetzung ist eine gewisse
Löslichkeit eines oder der Reaktionsteilnehmer in flüssigem Ammoniak, desgleichen
die Schwer-oder Unlöslichkeit eines der Reaktionsproedukte innerhalb eines Temperaturbereiches.
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Das Umsetzungsverfahren wird dann innerhalb der Apparatur folgendermaßen
durchgeführt.
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Es wird in je einem besonderen Gefäß 1 und 2 (vgl. Fig. I) durch
Kondensation von trocknem flüssigen Ammoniak über dem Reaktionsteilnehmer oder durch
Extraktion (vgl. Beispiel II) eine ammoniakalische Lö sung desselben erzeugt und
dieselben in das Reaktionsgefäß (z. B. I oder ein gleiches besonderes Gefäß) übergeführt.
Hier tritt die Umsetzung ein, die nun durch Abkühlung, Erwärmung, Abdampfen oder
Zugabe von weiterem flüssigen Ammoniak möglichst so geführt wird, daß das eine Reaktionsprodukt
in fester Phase (Kristalle, Niederschlag, unlösliche Komplexverbindung) vorliegt.
Man mnß dafür Sorge tragen, daß die Mischung der flüssigen und festen -Phase (z.
B. von Mutterlauge und Kristallen) dünnflüssig, d. h. mechanisch beweglich, bleit.
Das Reaktionsgefäß 1 ist durch ein Steigrohr mit dem Filtriergefäß 3 oberhalb des
Filters verbunden.
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Läßt man auf die Suspension im Reaktionsgefäß oberhalb des Flüssigkeitsspiegels
Druck
einwirken, z. B. aus der Hauptammoniakleitung oder aus einer
besonderen Preßgas-(Luft-, Stickstoff-) Leitung, so wird die gesamte Flüssigkeitsfüllung
nach dem Filtriergefäß auf das Filterhinübergedrückt. Durch Erzeugung eines Unterdruckes
unterhalb des Filters oder durch den Druck von Reaktionsgefäß I wird der Niederschlag
abgesaugt und durch Einhaltung bestimmter Druck und Temperaturbedingungen, die durch
die Löslichkeitsverhältnisse der Mutterlauge eindeutig determiniert sind, wird diese
im unteren Teil des Filtriergefäßes gesammelt.
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Sie kann nun im Kreislauf zur Wiederholung des Verfahrens zurückgehen
: (wieder durch Druckbewegung) sie kann aber auch durch eine weitere Abkühlung oder,
wie es bei flüssigem Ammoniak öfter der Fall ist, durch Erwärmung zur Ausscheidung
eines Teils oder des ganzen zweiten Reaktionsprodukts (z. B. BD nach vorstehender
Gleichung) veranlaßt werden, das in einem zweiten Filtriergefäß, völlig anaIog zum
ersten, herausgenommen wird. Lassen sich derartige Ausscheidungsbedingungen nicht
erreichen, so kann durch totale Verdampfung des Ammoniaklösungsmittels durch Expansion
mit oder ohne Wärmezusatz in einem besonderen Gefäß das zweite Reaktionsprodukt
als trockner Rückstand gewonnen werden. 4 deutet ein Vorratsgefäß für flüssiges
Ammoniak an, das mit allen anderen Gefäßen derart in Verbindung steht, daß Ammoniak
zwecks- Herstellung oder Verdünnung von Lösungen oder Auswaschung von Niederschlägen
flüssig herübergezogen werden kann. Wird das Lösungsmittel erst ia 1 oder 2 selbst
kondensiert, so sind statt der Rohres solches wie e@ anzuwenden, entsprechend für
s, wenn die Substanz ein Gas ist.
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Weiter bedeutet in Fig. 1: e' Einleitungsrohre für gasförmiges Ammoniak,
ar Ableitungsrohre für gasförmiges Ammoniak,. e Einleitungsrohre für flüssiges Ammoniak,
--a Ableitungsrohre für flüssiges Ammoniak, es Ein leitungsrohre für flüssige-ammoniakalische
-Lösungen, as Ableitungsrohre für flüssige-ammoniakalische Lösungen s Zuführung
der festen oder flüssigen Substanz, d Druckregulierung, R Rührer.
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Die Umfüllung einer Lösung oder auch einer Suspension aus einem Gefäß
in sein anderes sei an Hand der Zeichnung 2 besonders erläutert. Die Indizes beziehen
sich auf die Gefäße.
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Umfüllung durch Preßgas: d1 geschlossen, aI # II und dII geöffnet,
Preßgas durch aI.
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Umfüllung durch Saugen: d1 geschlossen, aI # II und aI geöffnet,
bei dII gesaugt.
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Umfüllung durch Eigendruck: al und d, geschlossen, aIeLz und dII
offen, Gefäß 1 wird etwas erwärmt; oder aber a1 und dII geschlossen, als H und dl
offen, Gefäß 2 wird etwas abgekühlt.
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Natürlich kann jede Umfüllung der Substanz durch Pumpen im Röhrensystem
unterstützt werden oder auch nur durch solche bewerkstelligt werden.
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Die abzudampfende Mutterlauge stellt bei der erheblichen Verdampfungswärme
des flüssigen Ammoniaks einen sehr bedeutenden Kältevorrat dar. Dieser wird zur
Neukondensation von Ammoniak bzw. zur Kalthaltung derjenigen Apparaturteile, in
denen flüssiges Ammoniak aufbewahrt oder bewegt wird, benutzt, indem diese Apparaturteile
nach bekannten Prinzipien mit einem System von Mantelröhren bzw; Mantelgefäßen umgeben
werden. Durch Variation des Druckes in diesem Mantelgefäßsystem ist auch eine- sehr
einfache Temperaturregelung möglich. Man kann auch indem Mantelgefäßsystem reines
flüssiges Ammoniak unter einem der gewünschten Temperatur entsprechenden Druck zirkulieren
lassen und dieses Ammoniak an einer Stelle mit der aufzuarbeitenden Mutterlauge
kühlen.
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Allgemein erfährt das beanspruchte Verfahren eine weitere Fortbildung
in seiner Anwendung dadurch, daß das flüssige Ammoniak das Mittel ist, die Reaktionstemperatur
sowie die Temperaturen. der Einzelapparate zu regulieren. Versieht man alle Apparate
mit Doppelmänteln oder geschlossenen Rohrschlangen, desgleichen wendet man doppelmantelige
Rohrleitungen, Hähne usw. an und schließt dieses ganze Umhüllungssystem an eineI
(ompressions-bzw. Expansionspumpe, so kann mit Hilfe einer-umlaufenden flüssigen
Ammoniaksole die Temperatur an allen Stellen gleich oder an den einzelnen verschiedeninnerhalb
-75° und 100 gehalten werden.
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Man kann selbstverständlich auch äußeres und inneres Ammoniakumlaufsystem
miteinander kommunizieren lassen, um Wärme- und Gasaustausch vorzunehmen.
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Das Verfahren und seine Vorrichtung kennzeichnet sich also gegenüber
bereits beschriebenen Laboratoriumsapparaturen dadurch, daß die Einzelapparate feststehend
sind und nur Reaktionsteilnehmer und Reaktionsprodukte, Reaktionsmedien und das
Temperaturmedium bewegt werden. Damit ist ohne weiteres einleuchtend, daß eine derartige
Vorrichtung die Durchführung von Verfahren in flüssigem Ammoniak in technischem
Maße erlaubt.
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Ausf ührungsb eispiele I. Darstellung von Calciumcarbamat Es wird
im Trockengefäß (vgl. Fig. I) über einem Trockenmittel vorgetrocknetes Ammoniak
durch
Abkühlung des Gefäßes-und Aufdrücken des Ammoniaks mit einem ent--sprechenden Überdruck
kondensiert. Nach Überdestillieren in das Gefäß 4 (vgl. obige Erläuterung der Zeichnung
I) werden je 75 Teile des flüssigen Ammoniaks in I und 2 destilliert, darauf in
2 etwa 15 Teile trockenes Calciumnitrat und in 1 10 bis 12 Teile Ammoncarbamat gegeben.
Jenes bildet eine klare Lösung, dieses eine Suspension unter teilweiser Lösung.
Lösung 2 wird nach I herübergedrückt; es tritt (besonders oberhalb etwa - 35°) schnelle
Umsetzung ein nach Ca(NO3)2 + 2 NH4CO2NH3 = 2 NH4NO3 + Ca(CO2NH2)2.
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Der Niederschlag wird abfiltriert und gewaschen und im Vakuum bei
gewöhnlicher oder wenig erhöhter Temperatur vom flüssigen Ammoniak getrocknet. Das
Ergebnis ist wasserfreies Calciumcarbamat in fast stöchiometrischer Ausbeute.
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Die Mutterlauge wird durch fraktionierte Kristallisation auf Calciumnitrat,
Ammoniumnitrat und Ammoniak aufgearbeitet. Letzteres kann, falls mit den festen
Ausgangssubstanzen kein Wasser eingeführt ist, zur erneuten Verwendung direkt in
4 wieder kondensiert werden.
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Man kann auch die Ammoncarbamatsuspension mit metallischem Calcium
umsetzen nach Ca $ 2 NH4CO2NH2 =Ca(CO2NH2)2 + 2 NH3 + H2.
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Das Ende der Reaktion ist am Farbumschlag zu sehen.
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Die Umsetzung von Ammonverbindungen mit einem Alkali- oder Erdalkalimetall
ist eine allgemeine Darstellungsweise der entsprechenden Metallverbindungen.
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II. Darstellung von Calciumcyanid Da das Calciumcyanid kein absolut
trocknes Ammoniak erfordert, wird mit Natronlkalk und Ätzkali in der Gasphase getrocknetes
Ammoniak direkt in I und 2 kondensiert, in 2 entsprechend der Calciumnitratlösung
des vorigen Beispiels ebenfalls eine Calciumnitratlösung bzw. Calciumjodidiösung
und in I eine Ammonium- oder Silbercyanidlösung bereitet, die etwa 100/0 Cyanid
über das Äquivalent des Calciumsalzes enthält, und nach Umfüllen des Inhalts von
2 nach I ein dichter Niederschlag erhalten, der ebenso filtriert, mit Ammoniak gewaschen,
bei Zimmertemperatur oder schneller bei höherer Temperatur bis I00° getrocknet,
die ungefähre Zusammensetzung Ca(CN)2 + 2NH3 hat und durch Absaugen im Vakuum bei
Temperaturen nicht über 3500 reines Calciumcyanid liefert. Die Mutterlauge enthält
z. B.
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Ammonnitrat und überschüssiges Ammoncyanid; cle ufarbeitung ist in
diesem Falle besonders einfach, indem zunächst das Ammoniak abdestilliert wird,
bei einer etwas erhöhten Temperatur (oberhalb etwa 300) auch das Ammoncyanid. Als
Rückstand verbleibt reines Ammonnitrat. Die Löslichkeitsverhältnisse des Ausgangssalzes
bzw. der Reaktionstprodukte gestatten die Durchführung des Prozesses bei sehr verschiedenen
Temperaturen bis nahe an den Gefrierpunkt des Ammoniaks -heran. Jedoch kann man
bei höheren Temperaturen bei Überdruck mit konzentrierteren Lösungen arbeiten. -Bei
absolut reinen trocknen Ausgangssubstanzen ist die Ausbeute quantitativ. Sie wird
kleiner, wenn das Calciumnitrat bzw. Jodid oder die Blausäure bedeutende Mengen
Wasser enthalten, andererseits erleidet z. B. das Calciumnitrat beim Trocknen leicht
eine hydrolytische Spaltung und wird ätzkalkhaltig. In diesem Fall wendet man zur
Herstellung der Calciumnitratlösung ein Gefäß wie 3 an und läßt flüssiges Ammoniak
über das auf der Filterplatte befindliche unreine Präparat laufen, oder man bedient
sich einer unveränderten Soxhletanordnung. Der Ätzkalk hinterbleibt dann auf der
Filterplatte. Man kann auch das unreine Ausgangsnitrat in einem besonderen Gefäß
wie I oder 2 mit flüssigem Ammoniak behandeln und dann in einem Gefäß wie 3 filtrieren.
Diese Verfahren können allgemein zur Reindarstellung von Salzen benutzt werden.
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Als weitere Ausführungsbeispiele können bekannte Reaktionen mit flüssigem
Ammoniak dem Artikel von J. B r o n n, »Verflüssiges Ammoniak als Lösungsmittel«
in 5 t ä h 1 e r, Handbuch der Arbeitsmethoden in der anorganischen Chemie, 2. Bd.,
2. Hälfte, 1925, S. 1362 ff., entnommen werden. Es seien erwähnt: 1. NH4N3 + Na
J = NaN3 + NH4J (bei tieferer (sehr (leicht (leicht Temperatur leicht löslich) löslich)
schwer löslich) löslich) 2. 2 NH,N, $ Ca = Ca(hT,), $ 2 NH, + H, für die Herstellung
des sonst schwer zugänglichen Calciumacids.
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3. 2 NH4CN + 2 K = 2 KCN + 2 NH3 + H2 besonders für die Herstellung
reinsten Cyankaliums geeignet.
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Diese Beispiele ließen sich mit Leichtigkeit noch um zahlreiche andere
vermehren.
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Dabei ist die Temperaturtoleranz oft eine viel geringere als in den
oben gegebenen Beispielen. Doch sind gerade die großen
Unterschiede
in der Löslichkeit vieler Salze in flüssigem Ammoniak von verschiedener Temperatur
mit Vorteil: für die Trennung: der Reaktionsprodukte voneinander ausnutzbar.