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Verfahren zur Erzeugung von Zellstoff. Zur Aufschließung von Gräsern
und schwach verholzten Pflanzen, wie Stroh, Schilf, Rohrkolben und anderen Rohstoffen
für die Gewinnung von Zellstoff für die Papierfabrikation kommen in der Hauptsache
Laugen zur Anwendung, die Ätzalkalien, besonders Ätznatron, gemischt mit Alkalikarbonaten
und bei den Natronsulfat -Verfahren. außerdem noch mit den Monosulfiden der Alkalien,
in verschiedenen Stärken enthalten. Der Aufschluß von Holz zur Erzeugung von Halb-
und Gaazzellstoff erfolgt mit denselben Agenzien, jedoch unter Anwendung stärkerer
Laugen.
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Versuche haben nun ergeben, daß bei dieser Aufschließungsart stets
ein gewisse Überschuß über die theoretisch nötige Menge an ätzenden Alkalien vorhanden
sein muß, wenn die Aufschließung der Rohstoffe eine vollkommene sein soll, daß aber
dadurch auch erhebliche Verluste an Zellstoff durch Lösung in den alkalischen Laugen
bedingt sind. (Siehe: "Über Natronzellstoff", Dr.-Ing. Christian Christiansen, Verlag
Bornträger, Berlin I913.) Diese Verluste bilden die Ursache zu den erheblich niedrigeren
Ausbeuteziffern der rein alkalischen Verfahren gegenüber -dem sauren Sulfitverfahren
und der Anwendung neutraler Sulfite in mehr oder weniger alkalischen Laugen.
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Die sauren Sulfitverfahren eignen sich zur Aufschließung von Gräsern,
wie zahlreiche Versuche ergeben haben, nicht. Bei dem Aufschluß von Nadel- und Laubhölzern
nach dem sauren Sulfitverfahren erhält man sehr guten Zellstoff in erheblich besserer
Ausbeute und mit besserer Bleichfähigkeit als nach den rein alkalischen Verfahren.
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Die sauren Verfahren bedingen aber entsprechend gegen die Säurewirkung
geschützte Kocher und jene Schutzvorrichtungen, die die leicht flüchtige schweflige
Säure wegen ihrer zerstörenden Wirkung auf eine große Anzahl von Metallen erfordert.
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Die Anwendung neutraler Alkalisulfite in alkalischen Laugen mit oder
ohne Zusatz von Alkalikarbonaten oder Alkalimonosulfiden liefert zwar sehr gute
Ergebnisse sowohl hinsichtlich des Aufschlusses; der Qualität als auch der Bleichbarkeit
des erhaltenen Zellstoffes. Die Wirtschaftlichkeit dieser Verfahren wird aber sehr
erschwert durch die zu verwendenden Mengen und den hohen Preis dieser Salze. So
muß beispielsweise Natriumsulfit bei dem Aufschluß von Nadelholz mindestens in solcher
Menge verwendet werden, als dem theoretisch anzuwendenden Mindestquantum iokg S02
.auf iookg lufttrockenen Holzes entspricht; hinzu kommen dann noch die ebenfalls
teuren sonstigen @Alkalisalze.
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Versuche haben nun ergeben, daß die löslichen Alkaäsilikate, die zwar
zum Beuchen von Leinen- und Baumwollstücken in geringem Umfange, dagegen zur Aufschließung
von Pflanzen bisher fast gar nicht in Anwendung kamen, in Verbindung mit den löslichen
Alkalisulfiten
und Alkalimonosulfiden mit oder ohne Zusatz von Ätzalkalien oder Alkalikarbonaten
ein vorzügliches Aufschließungsmittel für die verschiedenen Pflanzenarten zur Zellstoffgewinnung
bilden und daß sie auch eine ganz wesentliche Herabsetzung der anzuwendenden Alkalisulfit-
und der Ätzalkali- oder Alkalikarbonatmengen ermöglichen. Eine ganze Reihe von Pflanzen
lassen sich mit Alkalisilikaten und Alkalisulfiten ohne Zusatz von Atzalkalien oder
Alkalikarbonaten zu einem hellen ungebleichten und leicht bleichbaren Zellstoff
von ausgezeichneter Beschaffenheit aufschließen.
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Die theoretische Annahme, daß durch die beim Kochprozeß entstehenden
und in Verbindung mit dem Alkali der genannten Chemikalien in Lösung gehenden Pflanzensäuren
eine Ausfällung der Kieselsäure auf die Zellstoffasern erfolge, hat sich als durchaus
irrig erwiesen. Eine solche Ausfällung hat sich in keinem Falle ergeben, und die
Kochlaugen bleiben bis zum Schluß der Kochung klar oder nehmen höchstens .eine leichte
Opaleszenz an. Die erhebliche Ersparnis an Alkalisulfit und der trotzdem bis zum
Schluß der Kochung verbleibende geringe überschuß an gebundener schwefliger Säure,
der vorhanden sein muß, wenn das Kochgut keine Braunfärbung aufweisen soll, lassen
den Schluß zu, daß auch die Kieselsäure der Alkalisilikate sich in irgendeiner Form
an dem Aufschluß beteiligt und mit den inkrustierenden Stoffen der Pflanzen in Verbindung
tritt. In welcher Weise dies der Fall ist, soll bei der Frage der Regeneration der
Ablaugen noch festgestellt werden, die entgegen der bisherigen Annahme und den Erfahrungen
bei der Sodawiedergewinnung aus dem kieselsäurehaltigen Strohzellstoffablaugen keine
Schwierigkeiten bereitet.
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Die milde seifenartige Wirkung der Alkalisilikate in Verbindung mit
dem Natriumsulfit bedingt eine hohe Ausbeute, eine hervorragende Faserbeschaffenheit,
helle Färbung und leichte Bleichbarkeit des erhaltenen Zellstoffes. Ein geringer
Zusatz von Ätzalkalien erweist sich nur in wenigen Fällen als nötig.
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Ausführungsbeispiel: iookg lufttrockenes, in bekannter Weise zerkleinertes
Schilfrohr werden in einen eisernen Sturz- oder Kugelkocher eingefüllt. Hierauf
werden im Hinblick auf die bei der Einleitung von direktem Dampf erfolgende Laugenverdünnung
eingefüllt: zoo bis 22o l Lauge, enthaltend 7 kg Natriumsilikat, g kg Natriumsulfit
(wasserfrei) und i kg Ätznatron. Der Kocher wird geschlossen, in Bewegung gesetzt
und gleichzeitig vier bis fünf Stunden Dampf eingeleitet; die Temperatur wird hierbei
bis zu 165' C gesteigert.
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Nach beendeter Kochung wird die Dampfzuleitung geschlossen, der Druck
abgeblasen und der Kocher entleert. Das völlig aufgeschlossene Kochgut wird in bekannter
Weise verarbeitet.
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Der Stoff zeigt eine helle, dem Sulfitzellstoff ähnliche Färbung,-
sehr gute Faserbeschaffenheit und erweist sich als leicht bleichbar. Je nach der
Beschaffenheit der aufzuschließenden Pflanzen wird die Stärke und Zusammensetzung
der anzuwendenden Laugen geändert.