-
Zweistufiger Kernreaktor Die notwendige Bedingung für den stationären
Betrieb eines Kernreaktors ist, daß der Vermehrungsfaktor der Neutronen größer als
1 sein muß. Reaktoren, die dieser Bedingung genügen, heißen überkritisch, solche,
bei denen diese Bedingung nicht erfüllt ist, werden als unterkritische Reaktoren
bezeichnet.
-
Im allgemeinen besteht ein Reaktor im wesentlichen aus einem Reaktorkern,
einer Reaktorhülle, die in den meisten Fällen als Neutronenreflektor arbeitet, und
aus einem Strahlenschutzmantel. Der Reaktorkern stellt zusammen mit der Reaktorhülle
eine überkritische Anordnung dar. Hierbei kann der Reaktorkern sowohl vom homogenen
als auch vom heterogenen Typ sein.
-
Eine Weiterentwicklung bietet sich nun in der Möglichkeit an, zwei
verschiedenartige Reaktoren derart zu kombinieren, daß ein überkritischer Reaktor
(k oo > 1) von relativ kleinen Ausmaßen den inneren Kern eines größeren Gesamtreaktors
bildet, wobei der Kern von einem zweiten Reaktor umgeben wird, der seinerseits unterkritisch
arbeitet. Hierbei wird z. B. für die Plutoniumerzeugung der Umstand ausgenutzt,
daß sich im zweiten Reaktor infolge des keff< 1 eine besonders große Konversionsrate
einstellt. Eine solche Anordnung, bei der der Gesamtreaktor gewissermaßen aus zwei
räumlich getrennten Reaktoren, unter Umständen von verschiedenem Typ, besteht -
im folgenden als Zweistufenreaktor bezeichnet -, wird erfindungsgemäß so gestaltet,
daß der den überkritischen Reaktorkern umgebende unterkritische Reaktorteil, der
selbst noch ganz oder teilweise von einer Reflektorhülle umgeben ist, einen Vermehrungsfaktor
keff nur wenig kleiner als 1, insbesondere 0,8<keff<1, aufweist. Die Kombination
von zwei in der beschriebenen Weise angegebenen Reaktorteile zu einem Zweistufenreaktar
führt zu einer Reihe von technischen Vorteilen., die im folgenden auseinandergesetzt
werden.
-
Es ist möglich, die erste Stufe, die den zentralen Teil dieses Zweistufenreaktors
bildet, mit hoch angegereichertem Kernbrennstoff und einer geeigneten Bremssubstanz
räumlich so klein zu dimensionieren, daß sein Volumen nur ein Bruchteil des gesamten
Zweistufenreaktors ausmacht. Dieser Reaktorkernteil kann dabei beispielsweise aus
einem in schwerem Wasser oder einer anderen Flüssigkeit gelösten Salz, das Uran
235, Plutonium 239 oder Uran 233 enthält, bestehen. Die erforderliche Brennstoffmenge
braucht unter Umständen bei Verwendung von etwa 100,1 schwerem Wasser z. B. nur
wenige 100 g zu betragen, wenn man eine der obigen Substanzen in reiner Form oder
Mischungen von ihnen in metallischer Form oder in Form chemischer Verbindungen als
Brennsubstanz verwendet. Dieser zentrale Teil kann dabei beispielsweise vom Typ
des thermisch sich selbst stabilisierenden Homogenreaktors sein.
-
Er mag aber auch in anderer Weise aufgebaut sein und durch andere
Hilfsmittel, z. B. durch Einführung von Absorptionsstäben, künstlich stabilisiert
werden. Die Stabilisierung dieses Zentralreaktorteils bildet nach den heute schon
bekanntgewordenen Methoden keine besondere Schwierigkeit und erfordert einen verhältnismäßig
kleinen technischen Aufwand.
-
Umgibt man diesen zentralen Reaktor mit einem zweiten Reaktor, der
beispielsweise von ganz anderem Typ, aber räumlich sehr viel größer und so dimensioniert
ist, daß er ohne den zentralen Kern einen unterkritischen Reaktor mit einem effektiven
Vermehrungsfaktor kleiner als 1, etwa zwischen 0,5 und 1,00, darstellen würde, dann
ist die gesamte Anordnung nur so, lange überkritisch, wie der zentrale Reaktorkern
für sich überkritisch betrieben wird. Der äußere Reaktor kann dabei beispielsweise
bei Verwendung einer Kombination von natürlichem Uran, Graphit und Kühlflüssigkeit
so bemessen sein, daß er auch ohne die letztere, wenn diese etwa einmal ausbleiben
sollte, noch unterkritisch ist. Auch jeder andere Reaktortyp mag bei richtiger Dimensionierung
verwendet werden.
-
Die Steuerung des zweistufigen Reaktors kann allein auf dem Wege über
den Betrieb des zentralen Reaktorkerns erfolgen. Natürlich gibt es dabei gewisse
Rückwirkungen von der zweiten Stufe des Reaktors auf die erste, die man beim Betrieb
des Gesamtsystems berücksichtigen nnuß. Bei der so beschriebenen Anordnung wirkt
der räumlich kleine zentrale Reaktorkern im Prinzip so, als ob er als Neutronenquelle
für die Verbrennung des Brennstoffs in dem ihm umgebenden äußeren Reaktorteil dient.
Seine Energieproduktion kann relativ klein, z. B. in der Gegend von 100 kW gehalten
werden. Trotzdem kommt
die gesamte zweistufige Anordnung zu einer
Energieproduktion, die ein hohes Vielfaches der Energieproduktion des Zentralreaktors
betragen kann, Wenn z. B. die unterkritisch betriebene zweite Stufe mit einem effektiven
Vermehrungsfaktor - der Neutronen von 0,99 arbeitet, so bedeutet das, daß für jedes
in diese Stufe eintretende Neutron insgesamt 100 weitere Neutronen gebildet werden.
Die gesamte Anordnung läßt sich nun so einrichten, daß die Neutronen, die den überkritischen
Zentralkern verlassen und die pro Sekunde in die zweite Stufe eintreten, größenordnungsmäßig
von der gleichen Anzahl sind wie die Zahl der Spaltungen pro Sekunde, die im zentralen
Reaktor ablaufen. Das bedeutet, daß in der zweistufigen Anordnung eine Energieproduktion
zustande kommt, die insgesamt wiederum ein Vielfaches, in günstigen Fällen Zehnerpotenzen
der Energieproduktion des zentralen Reaktorteils, ausmacht, was - wie eingangs bemerkt
- unter geeigneten Betriebsbedingungen zu einer hohen Plutoniumproduktion bei Verwendung
von natürlichem oder angereichertem Uran in der zweiten Stufe führen kann. Der äußere
Reaktor kann verhältnismäßig lange betrieben werden, auch wenn von der unter 1 liegenden
Vermehrungsfaktor der zweiten Stufe durch die sich ansammelnden Spaltprodukte erheblich
abnimmt. Um die Spaltproduktvergiftung zu kompensieren, muß man dann die erste Stufe
nur entsprechend stärker aussteuern.
-
So ist es möglich, daß durch Steuerung eines verhältnismäßig kleinen
zentralen Reaktors ein großes Gebilde, das in seinem Außenteil überall unterkritisch
und damit verhältnismäßig ungefährlich und betriebssicher ist, große Energiemengen
erzeugt und gesteuert werden, die leicht unter Kontrolle zu halten sind. Die unterkritisch
betriebene zweite Reaktorstufe kann dabei z. B. räumlich wesentlich kleiner gestaltet
werden, als für einen selbsterregten Reaktor gleichen Typs erforderlich wäre, was
einen wirtschaftlichen Vorteil bedeuten kann.
-
Wenn man nun die zweite unterkritisch betriebene Stufe dieses Reaktors
z. B. mit natürlichem Uran als Brennsubstanz betreibt, so gewinnt man je nach den
umgesetzten Energiebeträgen im Gesamtreaktor in der äußeren Reaktorzone Plutonium,
das sich auf chemischem Wege abtrennen läßt.
-
Es ist natürlich von Interesse, z. B. im Hinblick auf die Verwertung
der gewonnenen Energie für Schiffsantriebe ohne ähnliche Erfordernisse, auch noch
die zweite Reaktorstufe räumlich verhältnismäßig klein zu gestalten. Das läßt sich
erreichen, indem man beispielsweise die Brennsubstanz, die etwa natürliches oder
auch leicht mit reiner Kernbrennsubstanz angereichertes Uran darstellen kann, in,
Verbindung mit einer Bremssubstanz benutzt, die ihrerseits besonders günstige Bremseigenschaften
besitzt. So ist es denkbar, die Brennsubstanz mit leichtem oder schwerem Wasser
zu kombinieren oder auch mit einer Mischung von leichtem und schwerem Wasser; die
gerade so eingerichtet ist, daß die Brennsubstanz zusammen mit dem Bremsmittel eine
eben noch unterkritische Anordnung bildet.
-
Eine weitere Verwendung kann gerade diese Reaktorkombination, beispielsweise
in der chemischen In, dustrie, finden, indem man mit ihrer Hilfe Heißluft und oder
andere heiße Gase erzeugt, die auf thermischem Wege chemische Reaktionen auslösen.
Als Beispiele seien Anwendungen bei Industrieöfen:, auf dem Gebiet der Tieftemperaturdestillation
und bei Crackanlagen zur Benzingewinnung genannt.