Verfahren zur Herstellung von kaltbearbeiteten Stahlstäben, z. B. Bewehrungsstäben, und nach diesem Verfahren hergestellter Stahlstab Es ist, bekannt, die Streckgrenze von Stahl stäben, z. B. für Bauzwecke, durch Kaltbear- beiten (Kaltformen) zu erhöhen, was auf ver schiedene Weise geschehen kann, beispielsweise durch Ziehen, Recken, Verwinden, Reckver- winden, Hin- und Herbiegen, Kaltwalzen usw.
Von diesen Bearbeitungsweisen kann jedoch (las Ziehen bei gröberen Stahlstäben nicht in Betraelit kommen, und ausserdem kann diese Bearbeitung nur bei Stäben mit glatter Ober- i'liielie verwendet werden, also nicht bei hoch- %certigen Stahlstäben, die eine ungleichmässige (>berfläehe aufweisen, das heisst beispielsweise mit Rippen versehen sind.
Recken allein ist nachteilig, denn, um eine #"enü#,ende Erhöhung der Streckgrenze zu er zielen, muss ein zu grosses Recken stattfinden, wodurch die Qnerschnittsfläehe des Stabes bedeutend vermindert wird. Ferner hat es sich erwiesen, dass die derart durch Recken bearbeiteten Stahlstäbe aus unlegiertem Ma- l.erial wegen Alterung ihre gleichförmige Dehn barkeit vollständig verlieren.
Nach dem Ver winden wird zwar die Bruchgrenze (Zerreiss festigkeit) sehr effektiv erhöht, dagegen hat verwundener Stahl niedrige Proportionalitäts- und Elastizitätsgrenzen.
Die Kombination von Recken und naelifol- gendeni Verwinden ist gleichfalls bereits be kannt. Die Charakteristik eines derart bear beiteten Stahls ist genau die gleiche wie die eines nur verwundenen Stahls. Hingegen las sen sich durch die umgekehrte Reihenfolge bedeutend günstigere Ergebnisse erzielen. Das abschliessende Recken ist indessen ein empfind liches Problem. Durch die Alterungserschei- nung wird eine neue Streckgrenze gebildet, die höher liegen kann als die Bruchgrenze, so dass der Stab seine gleichförmige Dehnbarkeit verliert. Dieses wieder bringt in bewehrtem Beton gefährliche Folgen mit sich und be wirkt, dass ein derartiger Stab zur Bewehrung ungeeignet ist.
Beim Recken im richtigen Ausmasse nach dein Verwinden werden indessen diese Gren zen sowie die 0,2-Grenze erhöht, weshalb es zweckmässig und wünschenswert ist, das Rek- ken nach dem Verwinden auszuführen.
Versuelie haben ergeben, dass durch ein Recken des Stabes in einem Ausmasse, das kleiner ist als die Fliessdehnung, die Bruch grenze auch nach beendigter Alterung höher ist als die Streckgrenze, wobei die Gefahr für eine Verminderung der Gleiehmassdehnung vollständig ausgeschlossen werden kann. Ausserdem genügt bereits dieses geringe Rek- ken vollauf, um die durch das Verwinden stark verminderten Proportionalit.äts-, Elastizitäts- und Streckgrenzen wirksam zu erhöhen.
Bei spielsweise konnte die Proportionalitätsgrenze mit 120%, die. Elastizitätsgrenze (0,02%- Grenze) mit 30% und die 0,2-Grenze mit 22 /a erhöht werden.
Bei gewissen Stahlsorten kann die Fliess dehnung weniger als 1% sein. Versuche haben ergeben, dass diese Stahlsorten bei normalen Temperaturen nur - geringe Neigung zum Altern haben, weshalb das Recken die Fliess dehnung übersteigen kann. Das Recken muss jedoch in diesen Fällen weniger als 1% be tragen.
Aus den Fig.1 bis 3 der beigefügten Zeich nung sind beispielsweise die Eigenschaften von auf verschiedene Weise bearbeiteten Stählen ersichtlich.
In Fig.1 sind die Spannungs-Dehnungs- diagramme von vier verschiedenen Stahlstäben angegeben. Die Kurve 0 ist die eines warm gewalzten, unbearbeiteten Stahls, wobei 6 die Fliessdehnung bezeichnet, also die unstetige Längenänderung während des Fliessens. Die Kurve 1 stellt das Spannungs-Dehnungsdia- gramm eines nur verwundenen Stahls dar. Die Streckgrenze 10 ist im Verhältnis zur Bruchgrenze 14 zu niedrig. Die gleichförmige Dehnung 5 des Stabes beträgt etwa 4 l0. Die Bruchdehnung wird durch den Abstand 7 dar gestellt.
Die Kurve 2 zeigt das Diagramm für einen Stab, der ebenso stark verwunden ist wie der erstgenannte, danach jedoch bis auf 5% verbleibende Verlängerung gereckt worden ist. Es stellt sich heraus, dass die Streck- (Yrenze 20 nach einer gewissen Zeit wegen Alterung die Bruchgrenze 14 übersteigt, wes halb keine gleichförmige Dehnung vorkommen kann. Beim Recken des Stabes nach der glei chen Verwindung, jedoch weniger als die Fliessdehnung 6, liegt die Streckgrenze 30 niedriger als die Bruchgrenze 34.
Im Ver gleich zu dem nur verwundenen Stahl ver bleibt die gleichförmige Dehnung 5 und die Bruchdehnung 7 beinahe unverändert, wäh rend die Proportionalitäts-, Elastizitäts- und Streckgrenzen erhöht werden.
In der Fig. 2 werden die Spannungs-Deh- xiungsdiagramme zweier Stäbe veranschau licht, die in verschiedener Weise bearbeitet wurden, um zu zeigen, dass deren Charak teristiken ganz verschieden sind. Der Stab A ist nur verwunden, und zwar stark, während der Stab R ausser verwunden auch gereckt ist. Das Verwinden geschah etwaa weniger, damit die 0,2-Grenzen gleich hoch zu liegen kommen. Man ersieht deutlich die verschiedenen Cha rakteristiken der beiden Bearbeitungsweisen.
Der nur verwundene Stab hat bei hoher Span nung grössere Dehnung a als der dem Recken b ausgesetzte Stab, so dass bei Stahlbetonkon- struktionen die Risse grösser werden.
In der Fig. 3 ist mit 1 die Spannungs-Deh- nungskurve eines warmgewalzten Stahls und mit 2 die des gleichen Werkstoffes aber naeh Verwinden bezeichnet. Die Kurve 3 betrifft einen gereckten und die Kurve " den glei chen Stab, wobei sich aber die Spannungen auf den geänderten Querschnitt beziehen. Die Kurve 4 gibt. die Spannung-Dehnung eines Stabes an, der zuerst verwunden und danach gereckt wurde.
Aus dem Diagramm ist ersieht lieh, dass dieser Stab im Vergleich zu den erstbesehriebenen Kurven die besten Eigen schaften besitzt. Die andern hier genannten Bearbeitungsweisen, wie Hin- und Herbiegen oder Kaltwalzen, haben die gleiche Charak teristik wie der nur verwundene Stab \? in der Fig.3, nur liegt. sie je nach dem Grade der Bearbeitung höher oder tiefer.
Untersuchungen haben nun erwiesen, dass das Kaltbearbeiten die Elastizitätsgrenze nur dann erhöht, wenn eine vorausgehende Kalt bearbeitung auf die gleiche -Weise wie wäh rend der praktischen Verwendung des Werk stoffes ausgeführt wird. Nenn z. B. der Zug beanspruchungen ausgesetzte Stab zuerst blei bend durch Druck gestaucht wird, wird die Elastizitätsgrenze nicht. erhöht, sondern bleibt.
vielmehr niedriger (Bausehinger-Effekt). Ver suche haben nun ergeben, dass nicht allein bei entgegengesetzter Bearbeitung, sondern auch durch Verwinden die Elastizitätsgrenze, das heisst die Proportionalitätsgrenze, herabgesetzt wird, dass aber diese Erniedrigung der Ela- stizitätsgrenze durch ein verhältnismässig ge ringes Recken wieder erhöht werden kann, bei Stählen mit grosser Alterungsfähigkeit sogar noch höher als die durch dieses Recken erreichte Spannung. Man kann demgemäss durch ein geringes Recken die Charakteristiken eines Stabes vollkommen verändern und die vorteilhaftesten Eigenschaften bei einem kalt bearbeiteten Stab erzielen.
Man braucht über haupt kein grosses Recken anzuwenden, um eine hohe Streckgrenze zu erzielen, und da durch die Querschnittsfläche vermindern, son dern man wählt zweckmässig eine solche Be arbeitung, bei welcher die Querschnittsfläche beinahe unverändert bleibt, und regelt mit tels eines danach folgenden Reckens die Cha rakteristik, wobei für die letztere lediglich die letzte Bearbeitungsstufe massgebend ist.
Der Stahlstab, der beliebige chemische Zu sammensetzung, beliebige Querschnittsform Lind Grösse und beliebige Oberflächenform (z. B. Quer- oder Längsrippen oder andere Unebenheiten) aufweisen kann, wird in zwei Stufen bearbeitet. In der ersten Phase kann eine beliebige, an sich bekannte Verformung <B>-</B> führt werden, worunter selbstverständ <B>i</B> ius,e lich eine bleibende Verformung zu ver stehen ist. Solche Verformungsarten können sein: Verwinden, Reckverwinden, Hin- und Herbiegen oder -verwinden, Ziehen, Kaltwalzen (Einwalzen von Rippen, Rillen, Vertiefungen, Nuten usw.).
Auch andere Bearbeitungsarten können gleichzeitig oder nacheinander ausge führt werden. So lässt sich z. B. das Kalt walzen mit Hin- und Herbiegen verbinden. Reekverwinden ist auch eine Vereinigung von Verwinden und Recken, wobei aber die Zug spannungen weitaus geringer sind als die Streckgrenze des warmgewalzten Stahls. Die zweite Stufe besteht aus einem Recken. Das Recken wird zweckmässig allein ausgeführt, ohne dass gleichzeitig andere Verformungen ausgeführt werden. Dabei muss die Zugkraft -rösser sein als die Streckgrenze des warm gewalzten Stahls.
Wird das Recken nach einem Verwinden ausgeführt, dann soll die nur durch das Recken erzielte Verlängerung nicht grösser als die I'liessdehnug sein. Bei Stahlsorten, die keine ausgesprochene Streckgrenze haben oder bei denen, wo diese geringer als 1% ist, soll die Verlängerung nicht grösser als 1% sein. Das Hin- und Herbiegen kann derart ausge führt werden, dass man den Stab ein- oder mehrmalig durch eine Walzenreihe durch laufen lässt, wobei die Walzen gegeneinander versetzt angeordnet sind.
Die zweite Stufe der Bearbeitung, das Recken, kann unmittelbar im Anschluss an die erste Stufe ausgeführt werden. Bei gewissen Stahlsorten kann es vorteilhaft sein, das Rek- ken etwas später vorzunehmen, so dass ein gewisses Altern eintreten kann. Dieses Altern kann gegebenenfalls durch Erwärmen des Stahls beschleunigt werden.
Wenn die Bewehrungsstäbe in vorgespann ten Stahlbetonkonstruktionen verwendet wer den sollen, kann das Recken während des Vorspannens ausgeführt werden, so dass also die letzte Bearbeitungsstufe mit dem Vor spannen zusammenfällt. Nach dem Recken braucht der Stab nicht entspannt zu werden, sondern kann im gespannten Zustande befestigt oder verankert werden. Hierbei muss der Stab beim Vorspannen über die Streckgrenze ge reckt werden.
Der Grad des Reckens beim Vorspannen soll so gewählt werden, dass die gewünschte, endgültige Spannung nach dem Kriechen des Stahls und des Betons erreicht wird. Wenn man eine noch geringere Schlussspannung wünscht als die, welche man durch den Span nungsrückgang durch das Kriechen erreichen kann, kann man den Bewehrungsstab nach dem Recken vor seiner Befestigung oder Veranke rung sich etwas elastisch zusammenziehen lassen.
Es hat. sich nun erwiesen, dass ein mässiges Recken, unter 1%, welches jedoch die Streck grenze übersteigt, in entscheidender Weise die Kriechgrenze erhöht.