Das Zweier-Mannschaftsfahren gibt es seit 1899. Damals wurden die Zweier-Teams bei Sechstagerennen eingeführt, nachdem bis dahin diese Rennen rund um die Uhr von einem einzigen Fahrer durchgeführt worden waren. Das erste Rennen mit Zweier-Teams gab es im New YorkerMadison Square Garden, weshalb diese Wettbewerbsform bis heute im Deutschen auch Madison genannt wird und in vielen anderen Sprachen so bzw. Américaine o. ä. heißt.
Erst seit 1995 ist das Zweier-Mannschaftsfahren eine Disziplin bei den Bahnradsport-Weltmeisterschaften. Obwohl eine der ältesten Bahnradsport-Disziplinen wurde es erst 2000 in das olympische Programm aufgenommen, allerdings für die Olympischen Spiele 2012 und 2016 wieder gestrichen, da der Bahnradsport einige Wettbewerbe abgeben musste. Im Juni 2017 gab der Weltradsportverband UCI bekannt, dass das Zweier-Mannschaftsfahren mit Beschluss des IOC bei den Olympischen Spielen 2020 in Tokio wieder zum olympischen Programm gehören werde.[1] Auch 2024 hatten die Olympischen Madison-Wettbewerbe Bestand.
Über 100 Jahre war das Zweier-Mannschaftsfahren eine rein männliche Domäne, und bis 2016 wurde diese Disziplin bei den Weltmeisterschaften sowie bei den Olympischen Spielen lediglich bei den Männern ausgetragen. Seit den 2010er Jahren richten jedoch einige nationale Verbände auch Landesmeisterschaften im Zweier-Mannschaftsfahren für Frauen aus, wie zum Beispiel die Niederlande seit 2010 und Australien seit 2013. Bei den Bahnradsport-Europameisterschaften wurde die Disziplin in diesem Rahmen erstmals 2016 auch für Frauen ausgetragen. Auch Veranstalter von Sechstagerennen nahmen zunehmend Wettbewerbe für Frauen in ihr Programm.
Rennen im Zweier-Mannschaftsfahren werden vorrangig bei Sechstagerennen ausgetragen. Bei offiziellen Meisterschaften und bei Olympischen Spielen gehen die Rennen über eine geringere Distanz. Zwei Fahrer bilden eine Mannschaft (bei Sechstagerennen, bspw. Stuttgart, früher Zürich, Rotterdam wird bzw. wurde auch in Dreier-Mannschaften gefahren). Grundsätzlich kann die Ablösung nach beliebiger Distanz erfolgen. Da aber üblicherweise beide Fahrer auf der Bahn bleiben, überrundet ständig der eine Fahrer den anderen und die Ablösung erfolgt aufgrund des Verhältnisses der Geschwindigkeiten – etwa 35:50 – alle zwei bis zweieinhalb Runden.
Die Regeln sind sinngemäß dieselben wie beim Punktefahren (siehe dort für Details). Ziel ist nicht, als erster die festgelegte Distanz zurückzulegen, sondern während des Rennens Punkte zu sammeln. In regelmäßigen Abständen findet eine Punktewertung statt, bei der die ersten vier Mannschaften 5, 3, 2 bzw. 1 Punkt erhalten; der letzte Sprint zählt doppelt (10, 6, 4 und 2 Punkte). Eine Mannschaft kann auch versuchen, einen Rundengewinn herauszufahren. Sobald diese Mannschaft nach dem Rundengewinn das Ende des Feldes erreicht, werden ihr 20 Punkte gutgeschrieben. Bei Punktgleichheit zählt die Reihenfolge der Zielankunft. Die Distanz beträgt für Männer 50 Kilometer, für Frauen und Junioren 30 Kilometer und für Juniorinnen 20 Kilometer. Die jetzigen Regeln wurden im Oktober 2016 eingeführt.[2][3]
Bis 2016 war das Reglement etwas anders; es wurden weniger Sprints ausgefahren, und Rundengewinne zählten vor Punktgewinnen, wurden daher nicht extra mit 20 Punkten gewertet. So eine Mannschaft eine Runde gewann, wurde ihr diese gutgeschrieben, indem für die anderen Mannschaften je eine Verlustrunde addiert und der Stand der Verlustrunden angezeigt wurde. Wenn eine oder mehrere Mannschaften mit der gleichen Anzahl von Runden führten, lagen sie „in der Nullrunde“. Lagen z. B. drei Mannschaften in der Nullrunde mit 25, 19 und 12 Punkten und lag eine weitere Mannschaft mit einer Verlustrunde zurück mit 30 Punkten, so war diese Mannschaft die viertplatzierte, obwohl sie mehr Punkte aufwies als die anderen drei Mannschaften.
Dem Schleudergriff zur Ablösung zwischen den beiden Fahrern kommt eine entscheidende Rolle zu. Dabei schiebt/zieht („schleudert“) der mit hoher Geschwindigkeit von hinten kommende Fahrer den vorderen Fahrer, der sich an dessen ausgestreckter Hand festhält bzw. „abzieht“, ins Rennen.[4] Der Schleudergriff hat seinen Ursprung in der Ablösetechnik der Rollschuhläufer.[5] Später wurde dieser Griff verboten, weil er zu gefährlich sei. In den folgenden Jahrzehnten erfolgte bei Sechstagerennen eine Ablösung „auf Sicht“, wozu sich z. B. einige Fahrer auf eine Kiste stellten.[6][7] Nach dem Zweiten Weltkrieg bis in die 1970er-Jahre nutzten die Fahrer die „Anschiebetechnik“, bei der sie sich mittels eines Knaufs in der Hose gegenseitig ins Rennen schoben. Der Schleudergriff wurde zwar auch benutzt, war aber umstritten: Da sich beim Zweier-Mannschaftsfahren immer viele Fahrer in hohem Tempo auf der Bahn befinden, ist die Sturzgefahr groß, wenn die Ablösung nicht gut beherrscht wird. So schrieb Werner Scharch noch 1977 in seinem Buch Faszination des Bahnrennsports: „Eine oft gesehene Unsitte […] ist das Ablösen durch Schleudergriff. Bei den Amateuren ist diese Art der Ablösung ob ihrer Gefährlichkeit grundsätzlich verboten.“[8] Heute wird der Schleudergriff eigentlich durchgängig von allen Fahrern bei Zweier-Mannschaftswettbewerben benutzt, da er am effektivsten ist.
↑Jan Eric Schwarzer: Das Zweier-Mannschaftsfahren im Bahnradsport. Technikbeschreibung, Anforderungsprofil und Übungsformen, DA Köln 2009.
↑Werner Scharch: Faszination des Bahnrennsports. Teningen 1977. S. 86.
↑Programmheft des 56. Berliner 6-Tage-Rennens 1. bis 7. Oktober 1965. Selbstverlag, Berlin 1965. S. 17
↑Walter Rütt: Vom Antritt zum Schleudergriff – Das Mannschaftsrennen im Wandel der Zeiten. In: Der Deutsche Radfahrer – Illustrierter Radrenn-Sport. Alleinige amtl. Zeitung d. Fachamtes Radsport im Deutschen Reichsbund für Leibesübungen, d. Deutschen Radfahrer-Verbandes u. d. Reichsgemeinschaft für Radwegebau. Stoof Verlag, Berlin 17. Juni 1942, S.1.
↑Werner Scharch: Faszination des Bahnrennsports. Teningen 1977. S. 90.
↑Wegen Dopings wurde Pollack der deutsche Meistertitel später aberkannt.