Liebe. Tod. Münsterland!
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Ralf-Erik Thormann
Ralf-Erik Thormann, Jahrgang 1967, lebt im westfälischen Münsterland. Dem Abitur folgte eine kaufmännische Ausbildung. Seither arbeitet er als Angestellter in seiner Heimatstadt. Nach der Veröffentlichung der mittelalterlichen Roman-Trilogie „Der Dolch des Prophet“, „Kämpfe und Wahrheiten“ und „Ereignisse und Entscheidungen“ liegt nun sein erster Regionalkrimi vor.
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Buchvorschau
Liebe. Tod. Münsterland! - Ralf-Erik Thormann
Kapitel 1
Heinrich Große-Schnattgen zuckte nicht einmal. Er hatte weder das zerbrechende Fensterglas noch die in seinen Schädel eindringende Kugel bemerkt. Das Geschoss bahnte sich mit unglaublicher Geschwindigkeit einen Weg durch die Hirnmasse. Dann trat es aus und blieb in der rückwärtigen Wand stecken. Der Gutsbesitzer brach zusammen. Fast geräuschlos rutschte der leblose Körper vom Schreibtisch zur Seite weg. Dabei riss er eine Karaffe herunter, die unmittelbar neben ihm stand. Das geliebte Erbstück nahm den Weg seines Besitzers. Der schlug längs auf dem uralten Parkettboden auf. Einen Augenaufschlag später folgte das Bleikristall. Es zerbarst mit einem ebenso hässlichen wie lauten Geräusch.
Schier unendliche Momente vergingen, doch niemand eilte heran.
Große-Schnattgen und der Tod blieben allein.
Jenseits des Raumes wischte eine Putzfrau mittleren Alters den davorliegenden Flur. Jede Handbewegung wirkte routiniert. Absolut ruhig, fast entspannt, verrichtete sie ihre Arbeit. Vielleicht absorbierte die Umgebung diese einzelne Person auch deswegen regelrecht.
Bei dem Geräusch zerbrechenden Glases horchte die Angestellte auf. Anstatt nervös zu werden, lief sie langsam zum Arbeitszimmer des Gutsbesitzers. Mit fließenden Bewegungen glitt die Frau hinein. Unmittelbar nach dem Schließen der Tür war die bisher gezeigte Ruhe verschwunden.
Große-Schnattgen lag nicht weit entfernt. Sein Anblick schien jegliche innere Beherrschung bei ihr zu vernichten. Mit den Gedanken an die bevorstehende Aufgabe kehrte ein wenig Disziplin zurück.
Vorwärts! Es durfte kein Fehler passieren!
Trotz allen Widerstrebens machte sich die Putzfrau daran, ihr Vorhaben umzusetzen.
Ingo Dablinski lief die Treppe zur ersten Etage hoch und konnte ein übles Aufstoßen kaum unterdrücken. Wieder einmal spielte sein Magen eine eigene Musik, die in Disharmonie zum restlichen Orchester arbeitete. Der Kommissar vermochte nicht einzuordnen, ob sie dem übermäßigen Alkoholkonsum des Vorabends oder dem billigen Mittagessen geschuldet war, das er vor kurz zuvor hinuntergeschlungen hatte. Eigentlich nebensächlich, denn fast täglich kam diese Überlegung auf.
Wichtiger war die Frage, wie sich der unsympathische Große-Schnattgen bei dem bevorstehenden Treffen verhielte. Für Unterredungen normalen Niveaus gab es genügend Kollegen nachgeordneter Dienstränge, das wusste der Widerling genau. Wenn nun aber ein Kriminalkommissar dringend zu einem Gespräch mit unbekanntem Inhalt gebeten wurde, stand etwas Bedeutenderes an. Wahrscheinlich hatte der Gutsbesitzer Kenntnis erhalten von den Ermittlungen gegen ihn. Es ging um die unnormal schnelle Ausdehnung der Grenzen seiner Ländereien, außerdem um Nachbarn, die ihr Land zu einem Schleuderpreis an ihn verkauften. Sie warteten nicht einmal die Auszahlung des Kaufpreises ab, sondern zogen angsterfüllt weg, zu keinem offenen Wort bereit.
Es war zu einer derartigen Häufung in der vergangenen Zeit gekommen, dass die Polizei des Dorfes übergeordnete Instanzen eingeschaltet hatte. Sie gab die Angelegenheit an das Präsidium Münster ab, um jeglichen Eindruck von Vetternwirtschaft zu vermeiden. Dieses wiederum hatte ihn, Dablinski, mit den Untersuchungen betraut.
Er wurde ausschließlich für schwierige Fälle eingesetzt. Waren Unabhängigkeit von eingeschworenen Kommissariaten, Schnelligkeit oder besondere Diskretion gefragt, rief man ihn ab. Seine Arbeitsweise beruhte auf einer Mischung aus extremem Fingerspitzengefühl und ausgeprägter Akribie. Sie war intern so bekannt wie einmalig.
Eigentlich gab es Dablinskis Job gar nicht. Ein Kriminalkommissar, der keine Führungsposition bekleidete, immer allein arbeitete und sich gleichzeitig nur einem direkten Vorgesetzten gegenüber zu verantworten hatte, blieb exklusiv im Polizeipräsidium Münster. Nirgendwo war er in eine Abteilung oder mehrfache dienstliche Kommunikation eingebunden worden – absichtlich.Ingo Dablinski lief die Treppe zur ersten Etage hoch und konnte ein übles Aufstoßen kaum unterdrücken. Wieder einmal spielte sein Magen eine eigene Musik, die in Disharmonie zum restlichen Orchester arbeitete. Der Kommissar vermochte nicht einzuordnen, ob sie dem übermäßigen Alkoholkonsum des Vorabends oder dem billigen Mittagessen geschuldet war, das er vor kurz zuvor hinuntergeschlungen hatte. Eigentlich nebensächlich, denn fast täglich kam diese Überlegung auf.
Wichtiger war die Frage, wie sich der unsympathische Große-Schnattgen bei dem bevorstehenden Treffen verhielte. Für Unterredungen normalen Niveaus gab es genügend Kollegen nachgeordneter Dienstränge, das wusste der Widerling genau. Wenn nun aber ein Kriminalkommissar dringend zu einem Gespräch mit unbekanntem Inhalt gebeten wurde, stand etwas Bedeutenderes an. Wahrscheinlich hatte der Gutsbesitzer Kenntnis erhalten von den Ermittlungen gegen ihn. Es ging um die unnormal schnelle Ausdehnung der Grenzen seiner Ländereien, außerdem um Nachbarn, die ihr Land zu einem Schleuderpreis an ihn verkauften. Sie warteten nicht einmal die Auszahlung des Kaufpreises ab, sondern zogen angsterfüllt weg, zu keinem offenen Wort bereit.
Es war zu einer derartigen Häufung in der vergangenen Zeit gekommen, dass die Polizei des Dorfes übergeordnete Instanzen eingeschaltet hatte. Sie gab die Angelegenheit an das Präsidium Münster ab, um jeglichen Eindruck von Vetternwirtschaft zu vermeiden. Dieses wiederum hatte ihn, Dablinski, mit den Untersuchungen betraut.
Er wurde ausschließlich für schwierige Fälle eingesetzt. Waren Unabhängigkeit von eingeschworenen Kommissariaten, Schnelligkeit oder besondere Diskretion gefragt, rief man ihn ab. Seine Arbeitsweise beruhte auf einer Mischung aus extremem Fingerspitzengefühl und ausgeprägter Akribie. Sie war intern so bekannt wie einmalig.
Eigentlich gab es Dablinskis Job gar nicht. Ein Kriminalkommissar, der keine Führungsposition bekleidete, immer allein arbeitete und sich gleichzeitig nur einem direkten Vorgesetzten gegenüber zu verantworten hatte, blieb exklusiv im Polizeipräsidium Münster. Nirgendwo war er in eine Abteilung oder mehrfache dienstliche Kommunikation eingebunden worden – absichtlich.
Dablinski schmunzelte. Als man die Stelle vor Ewigkeiten ausgeschrieben hatte, war jeder Polizist sofort zurückgeschreckt. Bei derartigen Rahmenvorgaben konnte der potenzielle Stelleninhaber von Anfang an unmöglich dauerhaft im Behördenapparat bestehen. Ein Scheitern mitsamt Karriereknick schien vorprogrammiert zu sein.
Er hatte sich trotzdem beworben und den Posten bekommen.
Die neu entwickelte Position wurde trotz des massiven Widerstandes durch andauernde Erfolge bestätigt. Mehr noch, Dablinski stieg schnell auf zum erfolgreichsten Kriminalisten Münsters. Er blieb es ununterbrochen bis in die Gegenwart.
Zusätzlich wurde sein Ruf über die Jahre hinweg fast legendär, da ihm so gut wie keine Fehler oder Misserfolge anhafteten. Dies mochte das Präsidium Münster wohl auch zu dem Termin auf dem Gutshof bewogen haben.
Weitere Faktoren waren bei der Übertragung des aktuellen Falls zweifelsohne aber ebenfalls entscheidend gewesen.
Der Einzelermittler arbeitete zwar in der Domstadt, wohnte jedoch von Geburt an in Ascheberg. Damit schien er konkurrenzlos prädestiniert, Unabhängigkeit von der dörflichen Polizei mit genauer Kenntnis der örtlichen Gegebenheiten zu vereinen. Außerdem eilte ihm generell der Ruf eines harten Hundes voraus, der Korruption ebenso hasste wie Seilschaften. Aus Sicht des Polizeipräsidiums eine ideale Kombination, das in dem münsterländischen Ort bestehende Problem endgültig und gleichzeitig ohne viel Aufhebens zu lösen.
Mit dem Erreichen der ersten Treppenstufe resümierte der Kommissar die Geschehnisse.
In seinem Heimatort galt es, eine unheilvolle Entwicklung aufzuhalten. Obwohl fast allen Bewohnern von jeher bekannt, wurde sie trotzdem geflissentlich ignoriert, sogar geleugnet. In der letzten Zeit suchte sich diese Krake keineswegs mehr langsam ihren Weg, sondern offen und völlig ungehindert.
Der hiesige Großgrundbesitzer Heinrich Große-Schnattgen lebte auf einem seit dem Mittelalter von der eigenen Familie bewohnten Anwesen. Sämtliche Vorfahren hatten Geld, Macht und Einfluss über Jahrhunderte hinweg stetig vermehrt. Sowohl in Ascheberg als auch im gesamten südlichen Münsterland herrschte der Mann wie ein König.
Sein Clan stellte die wichtigste gesellschaftliche und finanzielle Institution in der Gegend dar. Trotzdem hatte man alles generell nur zu persönlichen Gunsten eingesetzt.
Auf diesem Nährboden waren im Verlauf etlicher Generationen unerschütterliche Seilschaften für die Ewigkeit entstanden. Ergänzend wirkte sozialer wie politischer Filz. Nutznießer blieb ausschließlich die Familie Große-Schnattgen. Da sie gleichzeitig aber zudem als größter Arbeitgeber in der Region auftrat, konnten sich tausende Menschen der negativen Entwicklung weder verschließen noch widersetzen.
Vielleicht wollten sie es längst auch nicht mehr.
Heinrich, der aktuelle Patriarch, besaß schier unendliche Flächen im gesamten Münsterland, außerdem unzählige Beteiligungen an Industriefirmen. Hinzu kamen eigene Lohnunternehmen für landwirtschaftliche Arbeiten, Schlachthöfe und Molkereien. Eine erfolgreiche Pferdezucht rundete das Wirtschaftsimperium ab.
Wenn der Großgrundbesitzer nur hustete, zitterten bereits viele von ihm Abhängige.
Die Gegebenheiten waren den Aschebergern so verhasst wie vertraut. Sie gehörten allerdings von jeher zum dörflichen und persönlichen Leben dazu. Kein Anwohner kannte eine andere Situation. Damit sorgte die auftretende Verschlimmerung der Umstände zwar für Irritationen, mitnichten aber für flächendeckende Unruhe. Alles nahm einfach weiter seinen Gang.
Große-Schnattgens hatten von je her ihre Welt nach den eigenen Vorstellungen geformt.
Die Polizei wusste um die Probleme mit dem aktuellen Gutsbesitzer, seit ihm vor Dekaden das Familienzepter übertragen worden war.
Er hatte bereits damals rigoros einen neuen, härteren Weg eingeschlagen als sämtliche Vorfahren. Die waren ausnahmslos über Jahrhunderte hinweg darum bemüht gewesen, ihre Schäflein zu hüten und zu mehren. Er dagegen vertrieb er die Bauern an, um sich Grundbesitz anzueignen.
Der Ablauf blieb immer gleich. Aschebergs Herrscher ersetzte bei den Kaufofferten angemessene Zahlungen durch viel zu geringe Beträge in Verbindung mit massiver Gewalt. Meistens gaben daraufhin die betroffenen Landwirte ihr Land zu lächerlichen Preisen ab und zogen angsterfüllt weg, ohne die Übergabe des Geldes abzuwarten.
Offiziell wurde natürlich der legale Schein bei den Eigentümerwechseln gewahrt. Im Verborgenen benutzte der Gutsbesitzer jedoch generell bei Geschäften unsaubere Mittel, um die eigenen Ziele zu erreichen. Bei auftretendem Widerstand wurde sein Druck auf die Opfer mitunter lebensbedrohend.
Der Erfolg dieses Geschäftsgebarens stellte sich von Anfang an ein. Mit derartiger Bestärkung im Rücken ließ Große-Schnattgen jeglicher Gier freien Lauf.
Das Geschwür Aschebergs wuchs stetig.
Im täglichen Miteinander galten bald ebenfalls andere Regeln. Wer ihm gehorchte, durfte bleiben. Nahezu alle unbequemen Zeitgenossen wurden vertrieben oder fanden auf mysteriöse Weise den Tod.
Trotz der vielen Verschlechterungen hielt das Schweigen der Menschen weitestgehend an. Sie schienen vom Kopf her nicht in der Gegenwart zu leben, sondern 300 Jahre zuvor.
Die örtliche Polizei verharrte in Ruhe. Solange keine beweisbaren Rechtswidrigkeiten geschahen, konnte sie offiziell kaum etwas unternehmen. Erstaunlicherweise kam es jedoch generell nie zu Ermittlungen, sobald man nur ansatzweise einen Zusammenhang mit dem Großgrundbesitzer hätte herstellen können. Mannigfaltige Verschleierungen kannten die Einwohner von jeher; sie wurden aber nie von der Öffentlichkeit angeprangert.
Der Multimillionär selbst war geschickt und intrigant genug, seine Weste weiß zu behalten. Sicherlich lag es auch daran, dass sämtliche Pläne über lange Zeitachsen hinweg nie hektisch oder unüberlegt ihre Umsetzung fanden.
Dementsprechend blieb die Situation jahrzehntelang unverändert.
Einige Wochen vor der Abstellung Dablinskis passierte schier Unglaubliches.
Aschebergs heile Welt brach abrupt zusammen.
Der Gutsbesitzer hatte wie üblich einen Bauern massiv unter Druck gesetzt, um ihn zur Abgabe seines Landes zu zwingen. In der Vergangenheit waren derartige Versuche immer von beiden Seiten aus im Verborgenen abgelaufen. Dieser Landwirt hielt allerdings Große-Schnattgens Spielregel nicht ein, schweigend zu übereignen und sofort wegzuziehen. Stattdessen machte er sich vorher noch bei den Nachbarn sowie in allen Kneipen des Ortes Luft. Erst nachdem auch der letzte Unbeteiligte Kenntnis erhalten hatte, verschwand der Mann.
Sämtliche Details des erzwungenen Verkaufes lagen offen. Für jeden im Dorf wurde schlagartig sichtbar, dass hier keine einfache Kungelei passiert war. Vielmehr hatte ein Netz aus blanker Gewalt, Erpressung und Korruption den Ankauf beeinflusst.
Pure Atemlosigkeit herrschte seitdem unter den Menschen.
Kurz darauf griff die örtliche Polizei den Vorfall auf. Trotz fehlender Beweise gegen den Gutsbesitzer wurde ihr die Situation zu heikel. Zu allererst galt es, jeglichen Verdacht von Befangenheit oder Bestechlichkeit in den eigenen Reihen zu unterdrücken. Also leitete man die Angelegenheit an die Beamten in der Domstadt als unbeteiligte Kollegen weiter.
Genau da kam er, Dablinski, ins Spiel.
Fünf Wochen nach der Aufdeckung durch den Landwirt übertrug man ihm den Fall. Die Machenschaften des Großgrundbesitzers sollten auf Betreiben des Polizeipräsidiums Münster mindestens detailliert durchleuchtet, besser noch zerschlagen werden.
Man hatte dem Kommissar kein Zeitlimit vorgegeben, jedoch eine konkrete Erfolgserwartung.
Der musste sich weniger als sonst üblich einarbeiten. Allerdings kam es kurz darauf zu einer unerwarteten Aktion. Große-Schnattgen hatte seine Vorgesetzten kontaktiert und um ein Treffen ausdrücklich nur ihm gebeten. Der Gutsbesitzer besaß wohl auch außerhalb Aschebergs beste Beziehungen. Er schien selbst in Münster den polizeiinternen Stand der Dinge genau zu kennen.
Einen Grund für das Aufeinandertreffen gab es keineswegs. Die beiden Männer pflegten weder beruflichen noch privaten Kontakt miteinander. Wahrscheinlich plante der Patriarch schon vorab, die oft wirksame Mischung aus Bestechung und folgender Bedrohung präventiv bei dem Einzelermittler anzuwenden. Trotz solcher Vermutungen konnte ihm offiziell das Gespräch nicht verwehrt werden.
Also war Dablinski hier.
Oben angekommen, lief er den Flur entlang zum Arbeitszimmer. Der Kommissar kannte den Weg von früher. Wohl deswegen und aufgrund seiner Reputation hatte ihn keine Angestellte begleitet. Ein ironisches Grinsen überzog das zerfurchte Gesicht.
Welch ein Privileg!
An der Tür entfiel das obligatorische Klopfen, da sie nur angelehnt war. Energisch stieß er gegen das schwere Werk aus Eiche. Langsam schwang es zurück. Dablinski hielt den Atem an. Der unverkennbare Geruch frischen Blutes waberte aus dem Raum heraus. Ein Blick reichte, um die Situation einzuordnen.
Auf dem Boden lag ein lebloser Körper. Große-Schnattgen? Der Figur und Art der Kleidung nach war er es. Eine Schussverletzung am Kopf hatte allerdings jede oberflächliche Identifizierung unmöglich gemacht. Über ihn beugte sich eine Frau mittleren Alters.
Wollte sie helfen?
Sämtliche positiven Überlegungen endeten sofort, als der Einzelermittler ihre Hände die Taschen des Tweed-Sakkos durchwühlen sah. Stand die Mörderin vor ihm?
Schlagartig war der pelzige Geschmack auf seiner Zunge vergessen. Die Körperspannung erhöhte sich fast unerträglich. Nur kein Risiko eingehen!
Bislang war alles hier ungeklärt!
Die Verdächtige hatte den ungebetenen Besuch scheinbar nicht bemerkt. Sie schien ihr Opfer keineswegs nur einfach bestehlen zu wollen, sondern gezielt etwas zu suchen.
Wo war die Tatwaffe? Unwichtig. Es galt, den Moment zu nutzen!
Dablinskis laute, harsche Worte zerrissen unvermittelt die Stille im Arbeitszimmer. Die Frau fuhr hoch. Intensive Blicke fixierten den schlanken Mann. Sofort stand brachiale Anspannung zwischen ihnen im Raum. Der Kommissar stemmte die Beine auseinander, um einem möglichen Angriff besser begegnen zu können. Wie immer verschwendete er keinen Gedanken an die vielbeschworene Deeskalation. Genau diese Einstellung hatte ihn wahrscheinlich jede brenzlige Situation in den vergangenen Jahrzehnten halbwegs gut überstehen lassen.
Ansatzlos stürzte die Verdächtige heran. Mit unglaublicher Schnelligkeit erreichte sie den Eindringling und umschlang dessen Hals mit ihren Armen. Für einen Griff zum Pistolenholster war es zu spät. Dablinski gelang es nicht, die Frau wegzureißen. Nassgeschwitzt vor Angst oder Wut, war sie glitschiger als ein Fisch. Während des ungleichen Ringkampfes bemerkte er plötzlich jegliche fehlende Aggressivität. Währenddessen lehnte die Angreiferin ihren Kopf an den seinen und begann hemmungslos zu weinen. Eine Welle unverständlicher Worte schlug in schrillem Tonfall über ihm zusammen. Die Lautstärke hob binnen Sekunden extrem an. Ebenso schnell, wie die Befürchtung einer tödlichen Attacke verschwand, kam nun die Sorge auf, in einem Gemisch aus Tränen und ohrenbetäubendem Kreischen unterzugehen. Möglichst einfühlsam versuchte der große Mann, das schluchzende Etwas zu beruhigen. Die Bemühungen scheiterten kläglich. Sofort erhöhte die Klette die Schnelligkeit der ausgestoßenen Sätze. Dablinski verstand keine Silbe der schier unendlichen Tiraden. Ihre feuchten Arme verstärkten die Umklammerung massiv. Der Kommissar hatte das Gefühl, ein Schraubstock klemme ihn ein. So würde sie ihn erwürgen. Ein letzter Versuch noch! Sollte der ebenfalls misslingen, musste er sie mit aller Gewalt entfernen. Dablinski umarmte die Weinende wie ein Verliebter.
Es funktionierte!
Bereits Momente später verringerte die Frau den Druck auf seinen Hals. Dann reduzierte sich neben der verkrampften Körperspannung auch das Tempo ihrer Verbalausbrüche. Der Einzelermittler fuhr fort. Beruhigend strich er über das verschwitzte Haar. Gleichzeitig verzog ein Schmunzeln das angespannte Gesicht. Die Untersuchung eines Toten endete, bevor sie angefangen hatte – in den Armen einer Unbekannten, die nichts von ihm wollte!
Etwas später konnte er sie komplett von sich lösen. Ein auf die Lippen gelegter Zeigefinger brachte sie dazu, endlich zu schweigen. Vorsichtig schob er die Frau von sich. Die beiden standen regungslos voreinander. Es folgten einige Momente des Durchatmens. Die Verdächtige kam scheinbar ein wenig zur Besinnung. Sie hörte auf zu weinen und ergriff schließlich das angebotene Taschentuch, um die Tränen abzuwischen. Dem schloss sich unaufgefordert der nächste Redeschwall an. Mit viel Mühe entnahm Dablinski dem ungebremsten Kauderwelsch, dass er mit Große-Schnattgens Reinigungskraft sprach, die täglich im Gutshaus arbeitete. Abrupt setzte das Kreischen wieder ein. Erneut fiel kein verständlicher Satz mehr. Unendlich aufgebracht griff der Einzelermittler zu einem letzten Hilfsmittel. Er drohte mit einer Fahrt ins Polizeipräsidium, sollte sie nicht endlich innehalten. Der Bluff hatte Erfolg. Binnen Sekunden war die Frau wie ausgewechselt. Gleichzeitig schoss der Kopf hoch, als sei eine Entscheidung gefallen. Der Kommissar bemerkte sofort ihren offenen und klaren Blick. Scheinbar hatte die Verdächtige die gesamte Hysterie nur gespielt. Fast trotzig sah sie Dablinski an. Dann formten sich ohne weitere Aufforderung deutlich ausgesprochene Worte.
Ein Unbekannter hatte die Putzfrau eine Woche zuvor angesprochen und 5000 € für einen kleinen Dienst angeboten. Als 1000 € Anzahlung in ihrer Hand lagen, fiel die Zustimmung geradezu freudig aus.
Sie sollte an einem festgelegten Tag mit dem im Kamin versteckten Schlüssel verschiedene Papiere aus dem Tresor holen. Ihr wurde zugesichert, Heinrich Große-Schnattgen weile währenddessen nicht in seinem Haus. Drei Stunden später hätte das Paket an einer bestimmten Bushaltestelle im Mülleimer versenkt zu werden. Anschließend flösse der Rest der vereinbarten Summe.
Alles hatte sich wie erwartet abgespielt, bis auf die Kleinigkeit, dass der Gutsbesitzer anwesend und zudem bereits tot war. Unabhängig davon hatte man ihr keinen Hinweis auf das folgende Eindringen eines Polizisten gegeben. Dadurch war zusätzlich die Möglichkeit vertan, den Safe zu öffnen, um den Auftrag zu erfüllen.
Abrupt stockte die Frau fast betreten. Mitnichten wegen aufkommender Reue; vielmehr bedrückte sie der Gedanke an das durch den Misserfolg verlorene Geld.
Dablinski glaubte ihr. Was auch immer sein Gegenüber noch an Informationen verbarg: In diesem Moment waren die Nachforschungen am Ende angelangt. Selbst für etwaige Zwangsmaßnahmen gab es keinen sinnvollen Hebel mehr. Sie würden die Fronten nur verhärten und eine künftige Zusammenarbeit bereits im Keim ersticken. Den eigenen unorthodoxen Methoden vertrauend, ignorierte er jegliche Routineabläufe. Entsprechend wurde die Verdächtige nicht festgenommen. Stattdessen hatte sie lediglich ihre Personalien sowie nochmals sämtliches Wissen zur Übergabe der Dokumente preiszugeben.
Anschließend konnte die Putzfrau gehen.
Der Kommissar atmete tief durch. Die Zeit lief in mehrfacher Hinsicht. Sobald er das Präsidium informierte,
