Die Strelasund-Morde: Kriminalroman
Von Louise Stauf
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Über dieses E-Book
Die junge Kommissarin Ira Würfel ist gerade von Köln nach Stralsund gezogen, da wird der Mord an einer Studentin in einer Jugendherberge für sie zur Bewährungsprobe. Während sie mit ihrem Kollegen Konstantin Tobler fieberhaft nach Hinweisen sucht, holt ihre eigene dunkle Vergangenheit sie ein, vor der sie in ihrer neuen Heimat sicher zu sein glaubte. Und dann wird auf der Insel Dänholm ein weiterer Toter gefunden …
Louise Stauf
Louise Stauf, geboren 1990 in der Nähe von Köln, studierte Germanistik, Französisch und Geografie in Bochum und in Lille. Neben dem Schreiben gilt ihre Leidenschaft dem Kickboxen und ihren beiden Hunden. Sie arbeitet als Lehrerin und lebt in Greifswald.
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Buchvorschau
Die Strelasund-Morde - Louise Stauf
Louise Stauf, geboren 1990 in der Nähe von Köln, studierte Germanistik, Französisch und Geografie in Bochum und in Lille. Neben dem Schreiben gilt ihre Leidenschaft dem Kickboxen und ihren beiden Hunden. Sie arbeitet als Lehrerin und lebt in Greifswald.
Dieses Buch ist ein Roman. Handlungen und Personen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen sind nicht gewollt und rein zufällig.
© 2025 Emons Verlag GmbH
Cäcilienstraße 48, 50667 Köln
info@emons-verlag.de
www.emons-verlag.de
Alle Rechte vorbehalten
Umschlagmotiv: mauritius images/Stefan Dinse/
Alamy/Alamy Stock Photos
Umschlaggestaltung: Nina Schäfer, nach einem Konzept von Leonardo Magrelli und Nina Schäfer
Umsetzung: Tobias Doetsch
Lektorat: Lothar Strüh
E-Book-Erstellung: CPI books GmbH, Leck
ISBN 978-3-98707-299-4
Originalausgabe
Die automatisierte Analyse des Werkes, um daraus Informationen insbesondere über Muster, Trends und Korrelationen gemäß § 44b UrhG (»Text und Data Mining«) zu gewinnen, ist untersagt.
Fünf Stockwerke Beton drücken auf die Erde
Über ihnen kreisen die Vögel, so weit weg von hier
Ich werd’ hier bleiben, so lang, bis ich sterbe
Bin auf der Jagd nach Leben, kann nicht weg von hier.
Hinterlandgang, »Auf der Jagd nach Leben«
1
Nebel hing in den störrischen Zweigen der zu dieser Jahreszeit kahlen Ginsterbüsche. Es war windstill, jedoch schien es, als würde der kalte Ostseewind nur kurz innehalten, um dann wieder eisig an Bäumen und Büschen zu rütteln. Die alte Ziegelei lag in der Morgendämmerung ganz so, als schliefe sie noch. Zwischen der Ruine und dem Ufer schlängelte sich ein Trampelpfad entlang, der sich nach wenigen Metern im dichten Nebel verlor. Im Sommer konnte man von hier die Yachten und Segelboote erblicken, die weiß und friedlich auf dem Strelasund dümpelten. Doch im November glich die Halbinsel Devin einer unbewohnten rauen Tundra, die sich den Trockenrasenrücken lediglich von ein paar Schafen abknabbern ließ.
Links von der Ziegelei, zwischen ein paar besonders dichten Ginsterbüschen, erklangen plötzlich dumpfe schnelle Schritte, begleitet von einem sich durch den Nebel kämpfenden kleinen Licht. Nun gesellte sich auch ein rhythmisches Keuchen dazu, das keinen Zweifel daran ließ: Trotz der frühen Stunde wagte sich doch eine Menschenseele auf die Halbinsel. Das kleine Licht war die Kopflampe eines Joggers, der hier seine morgendliche Runde drehte.
Er war stämmig gebaut, und sein Bauch hüpfte bei jedem Schritt auf und ab. Sein stark gerundetes und vor Anstrengung rotes Gesicht war übersät mit Schweißperlen. Der Reißverschluss seiner grünen Laufjacke war weit heruntergezogen, darunter war ein weißes Shirt mit der Aufschrift »Oldenburg Marathon« zu erkennen. Der Läufer warf einen kurzen Blick nach rechts Richtung Ufer, dorthin, wo er gestern Morgen noch schemenhaft das dunkle Wasser des Strelasunds hatte erkennen können, doch heute schaute er lediglich gegen eine graue Nebelwand.
Er wandte sich wieder dem schmalen Weg zu, der sich parallel zum Uferrand an diesem entlangschlängelte. Ihm war ein wenig unbehaglich zumute, das schwarze Nichts, das ihn umgab, machte ihm Angst, doch er ballte die Hände mit den dicklichen Fingern zu kräftigen Fäusten und zog das Tempo an. Zu seiner Linken tat sich eine Anhöhe mit knorrigen Bäumen und struppigen Sträuchern auf. Ein Blick auf die Uhr verriet ihm, dass er fünfunddreißig Sekunden schneller war als gestern.
Gerade als er seinen Blick wieder auf den Weg richten wollte, um, beflügelt von seinem kleinen Erfolg, noch ein wenig schneller zu laufen, streifte der Lichtkegel seiner Kopflampe flüchtig den Uferrand des Strelasunds, und er wurde auf etwas aufmerksam. Direkt am Wasser und unterhalb eines wirr gewachsenen Bäumchens lag ein morscher Ast, den er im ersten Moment für den Arm eines Menschen hielt.
Er schmunzelte über seine ausgeprägte Phantasie und wollte sich zunächst wieder abwenden, doch ohne es zu wollen, verlangsamten sich seine Schritte nahezu mechanisch, als wolle sein Gehirn sichergehen, dass er mit dieser Einbildung doch falschlag. Er kniff die Augen zusammen und blieb ruckartig stehen. Sein Sehnerv hatte ihm keinen Streich gespielt. Der Ast war kein Ast, sondern ein Arm, der in eine dicke Jacke gehüllt war. Da lag jemand. Auf dem Bauch. Der Jogger schrie auf und sprang zurück, taumelte und landete auf dem Hintern.
»Hilfe«, stammelte er, während er versuchte, sich auf dem glitschigen Boden aufzurichten, dann schrie er es in den Nebel: »Hilfe!« Er versuchte, mit seinen dreckigen Händen das Handy aus der Tasche zu ziehen. Endlich bekam er es zu packen, doch es fiel ihm augenblicklich wieder aus der Hand. »Verdammt!«, presste er hervor, bückte sich, hob das Handy auf und schaffte es, den Notruf zu wählen. »Hallo, Polizei? Ja, hier liegt jemand.« Seine zitternde Stimme wurde leiser. »Ich glaube, er ist tot.«
2
»Scheiße!« Ira Würfel schreckte hoch, und beim Blick auf den Wecker überkam sie leichte Panik. Sie sprang aus dem Bett, hastete ins Badezimmer und zog ihre Schlafsachen noch aus, während sie auf der Toilette saß. Als sie die Dusche aufdrehte, stellte sie fest, dass über Nacht die Gastherme ausgefallen war. Wütend schlug sie mit der Faust gegen die nassen Fliesen und fluchte vor sich hin, während sie versuchte, die Brause von ihrem Körper wegzuhalten.
Die Zeit schien zu rasen, und Ira begann, den Wasserstrahl langsam auf ihre Beine zu richten. Sie atmete heftig und schwenkte den Duschkopf nun über die Knie, dann über die Oberschenkel und ihren Intimbereich. Sie fühlte sich halb weggetreten, als sie ihren Körper in Windeseile einschäumte und schließlich fast unter Tränen alles wieder abwusch. Dann drehte sie zitternd den Wasserhahn zu, trocknete sich ab und betrachtete sich kurz im Badezimmerspiegel. Sie bemerkte, dass sie mit krummem Rücken dastand, und bemühte sich prompt, die Schultern nach hinten zu ziehen. Sechs Uhr fünfundvierzig. In einer Viertelstunde musste sie im Kommissariat sein. Ira sprang aus dem Bad und frottierte sich die Haare, während sie mit der rechten Hand nach einer Unterhose wühlte. In ihrem Kleiderschrank herrschte Chaos.
Draußen vor dem Fenster war es stockdunkel und neblig. Sie hielt kurz inne, seufzte und zog sich dann an. Der Hosenbund kniff ihr in den Bauch, als sie sich bückte, um zwei unterschiedliche Socken anzuziehen, doch es war keine Zeit mehr, das Outfit zu ändern. Letzter Stopp: Küche. Hier fand sie eine Banane, die überraschenderweise noch nicht zu matschig war, und steckte sie in ihren Rucksack. Nachdem sie sich notdürftig geschminkt hatte, zog sie ihren schwarzen Windbreaker an und stand schließlich um fünf vor sieben auf dem Gehweg.
Nachdem sie die Sarnowstraße hinter sich gelassen hatte und nun den Knieperdamm überquerte, kam auch ihr Kopf allmählich im Hier und Jetzt an, und sie atmete tief durch. Den Handy-Nachrichten, die sie über Nacht bekommen hatte, schenkte sie keine Beachtung und wischte sie weg. Zunächst musste ihr Vermieter erfahren, dass die Gastherme nach nur vier Wochen schon wieder defekt war.
Wie oft hatte sie gelesen, dass man niemals zwei Dinge auf einmal tun sollte. Zum Beispiel gehen und dabei Nachrichten tippen. Fernsehen und essen. Telefonieren und Instagram checken. Leider war sie erschreckend geübt darin, zwei Sachen gleichzeitig zu tun. Genau wie über das Chaos in Küche und Kleiderschrank ärgerte sie sich darüber und nahm sich immer wieder vor, achtsamer durchs Leben zu gehen. In der Regel erfolglos.
Fünfzehn Minuten später erreichte sie das unansehnliche blau-gelbe Gebäude. Missmutig drückte sie die Tür des Kriminalkommissariats auf. Drinnen war es angenehm warm, sie nahm die Kapuze vom Kopf.
Ihr Kollege Konstantin Tobler kam ihr bereits im Flur entgegen und übersprang jegliche Begrüßungsfloskel. »Gut, dass du da bist. Die Kollegen wurden nach Devin gerufen. Leichenfund. Sieht so aus, als wenn wir da mal vorbeischauen müssten.«
»Mord?« Ira riss die Augenbrauen hoch und sah ihn verständnislos an, was Tobler auflachen ließ.
Der Kriminaloberkommissar zuckte entschuldigend die Achseln. »Wieso hast du eigentlich so nasse Haare? Regnet es?«
Ira schüttelte nur den Kopf und winkte ab.
Tobler grinste sie wissend an. »Verstehe schon. Hast Glück, dass noch keiner deine Verspätung bemerkt hat.«
Sie folgte seinem Blick auf die Uhr. »Verspätung?« Ihre Antwort klang schnippischer, als sie es beabsichtigt hatte. »Wir haben doch erst kurz nach sieben«, fügte sie hinzu und versuchte dabei, sanftere Töne anzustimmen.
»Sieben Uhr zwölf«, korrigierte Tobler sie.
Ira verdrehte die Augen. »Wollen wir los?«, fragte sie ungeduldig, um der Zeitdebatte ein Ende zu setzen.
Er nickte und zog seinen Schal an. »Auf geht’s.« Mit der linken Hand griff er feierlich nach dem Autoschlüssel, mit der rechten nach einer großen Thermoskanne.
Iras Laune hellte sich schlagartig auf. Ein Morgen ohne Kaffee war für sie eine höchst schlechte Voraussetzung für einen erfolgreichen Arbeitstag.
»Salbeitee«, sagte Tobler, der ihren sehnsüchtigen Blick bemerkt hatte, und hielt ihr die Thermoskanne großzügig entgegen.
»Na großartig«, murmelte sie und konnte ihre Enttäuschung nur schwer verbergen.
»Seit ich keinen Kaffee mehr trinke«, erklärte Tobler ungefragt und machte eine künstlerische Pause, »habe ich viel mehr Energie. Ein paar Tage Kopfschmerzen aushalten, das war’s mit dem Entzug.« Die Art, wie er dies verkündete, erinnerte sie an amerikanische motivational speaker, die immer extra viele Pausen einbauten, um ihre Reden noch stärker wirken zu lassen. Lässig öffnete er die Autotür und ließ sich schwungvoll in den Fahrersitz gleiten.
Ira öffnete mit weitaus weniger Enthusiasmus die Beifahrertür des schwarzen Passats. »Wann ist der Notruf eingegangen?«, fragte sie.
»Um halb sieben. Ein Jogger hat die Leiche am östlichen Ende von Devin entdeckt. Labonde hat mich gebeten, mit dir hinzufahren.«
Ira nickte abwesend und schaute auf die Häuser, die nun in der trüben Morgendämmerung ebenso an ihr vorbeirauschten wie ihr Gedankenfilm. Seit zwei Monaten war sie nun in Stralsund und das hier ihre erste Leiche in Vorpommern. Sie merkte, wie Nervosität in ihr aufstieg. In Köln hatte sie als Kriminaloberkommissarin Dutzende Fälle mit Mord oder Totschlag erlebt. Die meisten hatte sie aufgeklärt, nur zwei waren ungelöst geblieben.
Ira erinnerte sich an die Fassungslosigkeit ihrer Kölner Kollegen, als sie ihnen von ihrer bevorstehenden Versetzung berichtet hatte. Was sie im Osten wolle, fragte sie einer, da gäbe es doch nur Platten und deprimierendes Grau. »Ossis verstehen keinen Spaß«, hatte ihr Ex-Kollege Hammermeyer zum Besten gegeben. In Stralsund angekommen war sie abermals auf Verwunderung darüber gestoßen, dass sie an die Ostsee gezogen war. Sogar den meisten neuen Stralsunder Kollegen erschien es schleierhaft, warum sie dem Rheinland den Rücken gekehrt hatte.
»Das Beste am Norden ist der Osten.« Das stand auf einer Postkarte, die im Flur ihrer Cousine Marleen in deren Greifswalder Wohnung hing. Für Ira stimmte alles an dieser Aussage. Oft hatte sie in Köln den Impuls gehabt, wie ein beleidigtes Kind aufzustampfen und ihren Kollegen zu entgegnen, dass Köln grau, hässlich und seelenlos sei. Aber sie hatte sich jedes Mal auf die Zunge gebissen, denn mit dem Groll kölscher Urgesteine war nicht zu spaßen.
Der Umzug nach Stralsund hatte sich für sie wie ein Befreiungsschlag angefühlt. Es war ihr vorgekommen, als könnte sie das erste Mal seit vielen Jahren wieder durchatmen. Zwar musste sie sich eingestehen, dass es hier nun auch grau und trostlos war, aber für Ira hatte der vorpommersche Spätherbst ein ganz anderes Flair als der rheinische.
»Kannst du da kurz ranfahren?« Ira riss sich selbst aus ihren Gedanken und deutete auf die Aral-Tankstelle, die wie eine Oase zu ihrer Rechten aufgetaucht war. »Aber ganz schnell«, mahnte Tobler. Ira lief hastig in den Shop und kam wenige Augenblicke später mit einem dampfenden Kaffee zurück.
Acht Minuten später, ein in Auflösung begriffener Plattenweg hatte sie noch heftig durchgeschüttelt, parkte Tobler den Wagen auf dem Parkplatz der Halbinsel Devin. Dort stand bereits ein Streifenwagen und neben dem ein dunkler BMW.
»Ist der Erkennungsdienst etwa schon da?«, fragte Ira.
»Scheint so. Wir sind halt etwas spät dran.«
Tobler musterte Ira und dann den halb vollen Kaffeebecher in ihrer Hand mit vorwurfsvoller Miene. Demonstrativ schaute sie weg, trank einen Schluck und löste dann ihren Zeigefinger, um in Richtung Wanderweg zu deuten. »Da lang?«
»Ja. Man hat mir den Standort geschickt.«
Der Weg war matschig, und Ira ärgerte sich, dass sie ihre weißen Sneaker angezogen hatte. Aber wie hätte sie beim Aufstehen auch damit rechnen können, dass sie zu so früher Stunde im Begriff sein würde, eine Leiche zu begutachten, die nur zu Fuß zu erreichen war? Tobler schritt mit seinen langen Beinen vor ihr her, und sie konnte ihm nur mit Mühe folgen. Er war mindestens einen Kopf größer als sie, knapp eins neunzig, schätzte sie.
Bisher hatte sie wenig über ihren neuen Kollegen erfahren. Er hatte goldblonde Locken, was ihm ein jungenhaftes Äußeres verlieh, und sie schätzte ihn auf Ende dreißig, höchstens jedoch Anfang vierzig.
Plötzlich drehte er sich so abrupt um, dass Ira erschrak. »Was machst du morgen Abend?«
Ira blieb irritiert stehen. »Nichts … glaube ich. Wieso?«
»Wir wollen was trinken gehen, Linda Klöckner, Carl Meyer und ich. Kommst du mit?«
Sie fühlte sich überrumpelt und legte die Stirn in Falten. »Lass uns erst mal abwarten, was uns hier bevorsteht. Sollte es tatsächlich ein Mord sein, dann will ich die wenige Freizeit, die mir bleibt, lieber schlafend verbringen«, entgegnete Ira und ärgerte sich augenblicklich darüber, ihm gleich diese schroffe Abfuhr erteilt zu haben.
»Na, überleg’s dir. Wir können morgen noch mal drüber reden«, sagte er unbeeindruckt, drehte sich um und stapfte munter weiter. »Es muss hier gleich irgendwo sein.«
Der Nebel hatte sich gelichtet, und wenige Minuten später trafen die beiden Ermittler am Fundort der Leiche ein, wo sie von einem uniformierten Kollegen begrüßt wurden. »Dahinten liegt die Leiche.« Der Polizist deutete mit dem Kinn in Richtung eines Baumes, der am Ufer stand. »Eine Frau, zwischen zwanzig und dreißig Jahren alt.«
»Wer hat sie gefunden?«, fragte Ira.
»Der Mann heißt Vogt. Klaus Vogt. Er war hier joggen. Steht unter leichtem Schock, wir haben ihn noch nicht weiter verhört.«
»Das erledigen wir gleich«, sagte Ira und wollte sich bedanken, zögerte aber einen Moment zu lange, und so wandte sie sich betont nachdenklich ab und schaute zum Zeugen hinüber. Der Polizist reichte ihnen weiße Schutzanzüge. Der Fundort war bereits mit rot-weißem Band abgesperrt. »Hier kommt doch eh niemand vorbei, haben die etwa Angst vor Schaulustigen?«, fragte sie sarkastisch und mehr zu sich selbst als zu Tobler, der sowieso nicht zuzuhören schien.
»Na, dann lass uns mal die Leiche ansehen.« Tobler schlug mit beiden Händen auf die Außenseite seiner Oberschenkel. Der schafft es wirklich, alles feierlich aussehen zu lassen, dachte Ira fasziniert und sah ihm nach, wie er mit seinen großen Schritten auf die tote Frau zulief, die auf dem Bauch mit dem Kopf Richtung Wasser lag.
Er beugte sich über sie, zog sich Handschuhe an und begutachtete ihren Kopf. »Eindeutig ein Schlag auf den Hinterkopf.« Er schob einige ihrer blutverklebten langen braunen Haare zur Seite und musste sich dann abwenden.
»Sag bloß, du kannst kein Blut sehen!« Ira hatte sich lachend neben ihn gekniet und schaute ihn fassungslos an.
»Doch, kann ich. Bloß bei offenen Wunden und eingeschlagenen Schädeln wird mir immer etwas schlecht.« Toblers Stimme versagte, und er stand leicht wankend auf.
»Ab in die Rechtsmedizin, würde ich sagen. Weißt du, welcher Bestatter das hier macht?« Tobler nickte und entfernte sich erleichtert mit dem Handy in der Hand.
Ira begutachtete die Kleidung der Toten und besah sich auch ihre Hände. Ihre Nägel waren frisch lackiert, sie glänzten rosa. Auf den ersten Blick keine Spuren eines Kampfes, notierte sie sich. Die Tote trug eine hellblaue Daunenjacke mit großer Kapuze und einen karierten Schal, der immer noch akkurat um ihren Hals gelegt war. Unter ihrer engen Jeans blitzten schwarze Socken mit Glitzerfäden hervor, ihre Füße steckten in braunen Chelsea-Boots.
Die Tote hatte keine Tasche bei sich, und auch in der Jacke und Hose konnte Ira keine Papiere finden. Sie stützte sich auf ihre rechte Hand und tastete tief unter die Daunenjacke der Frau. Darunter schien die Tote auf dem Rücken eine dünne kleine Bauchtasche zu tragen, in der Ira etwas Hartes ertasten konnte. Sie schob die Jacke so gut es ging nach oben und versuchte, die Tasche so zu drehen, dass sie die dicke Plastikschnalle zu fassen bekam. Leise fluchend hing sie einige Augenblicke über der toten Frau und ärgerte sich, dass sie Handschuhe trug.
Nach ein paar Versuchen gelang es ihr dennoch, den Gurt der Bauchtasche zu öffnen. Es klickte, und sie zog sie unter der Jacke hervor. Dann öffnete sie den Reißverschluss, der erst nach einigen ruckartigen Bewegungen nachgab. Heraus fiel ein dunkelblaues Nokia-Handy, ein Modell, das Ira seit mindestens fünfzehn Jahren nicht gesehen hatte. Nostalgische Gefühle überkamen sie, als sie das Handy in der Hand drehte und betrachtete.
Im Nu waren ihr die nervtötenden Klingeltöne wieder im Ohr, die diese frühen Handys typischerweise von sich gegeben hatten. »Badinerie« war in den Nullerjahren jahrelang ihrer gewesen. Sie fand in der Bauchtasche auch ein ungeöffnetes Kondom und ein altes zerknülltes Kaugummipapier, das akkurat um ein hartes Kaugummi gewickelt war. Das war alles, ansonsten war die Tasche leer. Verantwortungsbewusst, dachte Ira anerkennend und tütete die Sachen mitsamt der Tasche ein, das Handy jedoch behielt sie in der Hand. Sie versuchte, es einzuschalten, und ein kleiner verpixelter Teddy mit etwas in der Pfote, das mit viel Phantasie aussah wie ein Blumenstrauß, begrüßte sie, dann sollte sie die PIN eingeben.
Enttäuscht ließ Ira die Hand mitsamt dem Telefon sinken, packte es schließlich ebenfalls in eine Plastiktüte und schaute zu den beiden Kollegen des Erkennungsdienstes hinüber, die in einigem Abstand den Boden untersuchten.
»Habt ihr hier schon etwas gefunden?«, rief sie ihnen entgegen.
Die Frau blickte auf und zeigte auf den Boden. »Ein paar Fußabdrücke, die verlaufen sich aber da vorne bei der Wiese.«
Ira nickte ihr zu und stand langsam auf. Ihr fiel auf, dass sie sich noch gar nicht vorgestellt hatte. Sie ging auf die Frau zu und stellte sich unbeholfen neben sie. Die Kollegin vom Erkennungsdienst schaute sie an. »Ira Würfel mein Name. Ich bin neu im Kriminalkommissariat. Also seit zwei Monaten schon. Aber bisher mussten wir ja noch nicht zusammenarbeiten.« Ira hoffte, dass sie nicht zu tapsig rübergekommen war, und zog prompt ihre Schultern zurück, um gerade zu stehen und Selbstsicherheit zu simulieren.
»Tanja Prümmer. Freut mich.« Die Frau lächelte ihr freundlich zu und strich sich eine braune Strähne aus dem Gesicht. Sie trug kurze Haare und eine schwarze Hornbrille, die ihr ausgezeichnet stand. Ihr souveränes Auftreten machte Ira verlegen.
»Na, ich mach denn mal hier weiter«, verkündete Tanja Prümmer und nickte in Richtung Wiese.
»Ja klar, ich auch. Bis gleich!« Ira hob robotermäßig die Hand und trat zwei Schritte zurück, dann drehte sie sich um und ging zurück zur Leiche, die geduldig auf sie gewartet hatte.
Bis gleich, wiederholte sie verärgert in ihrem Kopf. Als ob es gang und gäbe wäre, nach der Spurensicherung gemeinsam belegte Brötchen und Kaffee zu sich zu nehmen und sich dabei angeregt zu unterhalten. Natürlich würden sie sich nicht wiedersehen, höchstens beim nächsten Mordfall, und das war nicht gleich, sondern allenfalls irgendwann einmal. Ira atmete tief ein und fragte sich, wieso die Frau sie so nervös gemacht hatte.
Sie zückte ihr Smartphone, um die Leiche aus verschiedenen Blickwinkeln zu fotografieren. Plötzlich hielt sie inne und ließ das Handy sinken. Sie ging einen Schritt auf die Leiche zu, kniete sich abermals neben sie und ließ ihre Hand behutsam über den Oberschenkel der Toten gleiten. Dabei blieben kleine Farbreste an ihrem Handschuh haften. Es war alte braune Farbe, und Ira vermutete, dass sie von verwittertem Holz stammen könnte. Sie tütete die wenigen Farbreste ein und ging dann zum Ufer des Strelasunds, wo der Jogger auf einem Stein saß, in eine Wärmedecke gehüllt.
»Ira Würfel, Kripo Stralsund. Kann ich Ihnen ein paar Fragen stellen?«
Der Mann schaute mit einem Blick auf, der an einen geprügelten Hund erinnerte, und nickte traurig.
»Sie haben die Leiche gefunden?«
»Ja. Ich war joggen, und auf einmal lag sie da.«
»Joggen Sie hier öfter?«
»Nur diese Woche. Ich bin in der Jugendherberge untergebracht.«
»Ach, Sie machen hier Urlaub?« Ihre Frage klang abwertender, als sie sie gemeint hatte. Der Mann, der sowieso schon völlig am Ende zu sein schien, tat ihr leid.
»Ja, ich wollte ein paar Tage an der Ostsee verbringen. Aber hier ist das Wetter leider genauso schlecht wie in Oldenburg.« Ein gequältes Lächeln huschte über sein Gesicht.
Ira bemühte sich, die Befragung trotz ihres aufkeimenden Mitleids professionell weiterzuführen. »Haben Sie die Tote vorher schon mal gesehen?«
»Na ja, ich kenne hier niemanden. Aber ich sitze ja nun schon eine Weile hier und hatte Zeit nachzudenken. Ihre Kollegen haben mich dasselbe gefragt. Vielleicht habe ich die Frau in der Jugendherberge gesehen, da sind einige junge Leute. Es lief dort auch eine mit einer hellblauen Jacke herum. Das fand ich auffällig, weil die Leute heutzutage eigentlich nur noch Braun oder Schwarz tragen. Aber das mit der Jacke kann natürlich auch Zufall sein.« Er zuckte entschuldigend die Achseln.
»Haben Sie etwas am Fundort angefasst?«
»Nein, ich bin gar nicht erst näher rangegangen. Das wollte ich mir nicht genau angucken.«
»Gut, Herr Vogt, ich danke Ihnen.«
Ira blickte sich suchend nach Tobler um, der sein Telefonat beendet hatte und gerade zu ihr und dem Zeugen zurückkam. Sie sagte mit gedämpfter Stimme zu ihrem Kollegen: »Wir sollten Vogt zurück in die Jugendherberge bringen. Er muss sich sicher erst mal erholen. Er meinte, es könne sein, dass die Tote ebenfalls dort untergebracht war.«
»Also erst mal dort alle befragen?«
»Ja. Die Jugendherberge liegt auf dem Rückweg. Vielleicht haben wir Glück, und sie ist dort wirklich bekannt.«
»Mach du das. Ich bleibe hier und warte, bis die Leiche abgeholt wird. Ich komme dann nach. Bestimmt können mich die Kollegen nachher mitnehmen.«
»Ist gut«, sagte Ira und bemühte sich abermals, ihre Schultern zurückzuziehen, um gerade zu stehen. Sie brachte dem männlichen Kollegen des Erkennungsdienstes ihre Spurensicherungsbeutel und gab Vogt dann zu verstehen, er möge ihr folgen.
3
Sie erreichten das Auto nach fünfzehn Minuten Fußweg. Ira öffnete Vogt die Beifahrertür, und mit leichtem Ächzen fiel der schwere Mann ins Polster.
