Hass verjährt nicht: 6. Hannover-Krimi mit Marike Kalenberger
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Über dieses E-Book
Die Großeltern flüchteten 1945 aus Ostpreußen und wurden in Ronnenberg zwangseinquartiert. Im Laufe der Jahre kamen sie zu Geld und Einfluss und verdrängten die alteingesessenen Besitzer.
Ein Bild der Nachkriegszeit entsteht: Flucht und Vertreibung, Mangel und Not, Gewinner und Verlierer des Wirtschaftswunders. Bedrückende Parallelen zwischen 1945 und 2015. Rücksichtslosigkeit verdrängt die Menschlichkeit und ein Harry Perkuhn wird nicht der Einzige sein, der beim skrupellosen Ringen um persönlichen Gewinn auf der Strecke bleibt …
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Buchvorschau
Hass verjährt nicht - Günter von Lonski
EINS
2015
„Wohlauf, Kameraden, auf’s Pferd, auf’s Pferd!", Polizeiobermeister Martin Matthes beendet das Telefongespräch und nimmt seine Dienstmütze vom Haken.
„Och, nö, nölt PMAnw Beeke Dettmer, eigentlich Polizeimeisteranwärter und dann auch noch ein -in. „Meine Schuhe sind noch nicht mal trocken von dem Verkehrsunfall auf der B217.
„Liebe Freunde! Es gab schönere Zeiten als die unsern – das ist nicht zu streiten! Und ein edler Volk hat einst gelebt", zitiert Matthes wieder Friedrich Schiller. Er zitiert bei jeder Gelegenheit Friedrich Schiller.
Davon werden Dettmers Schuhe auch nicht trocken. Sie zieht ihre Lederhalbschuhe an, verkrampft ein wenig, läuft die ersten Schritte sehr, sehr vorsichtig, muss sich beeilen – Matthes ist schon am Dienstwagen.
„Was ist denn überhaupt los?", fragt Dettmer, nachdem sie sich auf den Beifahrersitz gewuchtet hat.
Warum haben die jungen Beamtinnen alle so dicke Hintern?, überlegt Matthes, zu meiner Zeit ... gab es gar keine Frauen im Polizeidienst. Oder nur sehr wenige. Und die waren schlank und ... „In der Nähe vom Annaturm", sagt er.
Der Annaturm ist – ohne Antennen – ein 28 m hoher Aussichts- und Richtfunkturm auf dem etwa 405 m ü. NHN hohen Bröhn, der höchsten Erhebung des Höhenzugs Deister im Calenberger Bergland, südwestlich von Hannover. Matthes könnte einiges über Turm und Gaststätte berichten, doch wer sollte ihm zuhören?
Dettmer nimmt die Mütze vom Kopf, wirft sie auf den Rücksitz.
„Eine nasse Dienstmütze schlägt man nach außen aus, Matthes verdreht die Augen, „was hat man euch nur auf der Polizeischule beigebracht?
„Wie man griesgrämige Kollegen erträgt, murmelt Dettmer, „wo fahren wir überhaupt hin?
Pause. Frontscheibenwischer an, aus, an, Heckscheibenwischer an, aus. „Die Jägerallee hoch und dann müssen wir schauen."
„Wonach?"
„Hab ich nicht so genau verstanden, und das Telefongespräch war plötzlich weg."
„Ach nee."
„Wir müssen eben aufpassen, da steht irgendwo ein dunkelgrüner Mazda. Der Anrufer hat Pilze gesammelt."
„Bei dem Wetter?"
„Pilzsammler sind von außen und innen imprägniert, wie sollten sie sonst ihre Sammelleidenschaft überleben?"
„Ich esse nur Mu-Err-Pilze beim Chinesen", sagt Dettmer.
„Gesammelt von kurzsichtigen chinesischen Omas oder rachsüchtigen Jungrevolutionären!"
Der Regen prasselt gegen die Windschutzscheibe.
„Müssen wir da wirklich raus? Dettmer schaudert es. „Ich glaub nicht an den Toten und wenn, dann hält er sich bei dem Wetter auch noch bis morgen.
„Was ist das nur für eine Dienstauf... – da steht der Mazda."
„Und der Pilzsammler sitzt im Auto, weil’s ihm im Wald zu nass ist."
„Keine Ausreden, der Mann muss hinaus ins feindliche Leben, muss wirken und streben und pflanzen und schaffen, erlisten, erraffen ..., Schiller, Die Glocke."
„Dann muss der Mann eben, ich bin eine Frau."
„Kultur kann auch Frauen nicht schaden."
Der Mann im dunkelgrünen Mazda lässt aufs Anklopfen die Seitenscheibe herunter. „Sie haben angerufen?", fragt Matthes. Eine Qualmwolke strömt aus dem Auto, Matthes muss husten, er hat sich bereits vor Jahren das Rauchen abgewöhnt.
„Ja."
„Können Sie uns bitte den Fundort der Leiche zeigen?" Wasser läuft Dettmer in den Jackenkragen.
„Könnte ich, aber nicht bei dem Regen. Immer den Waldweg hinauf, nicht weit und dann auf der rechten Seite."
„Kommen Sie morgen um zehn ins Polizeikommissariat, da müssen wir ein Protokoll aufnehmen."
„Um zehn Uhr?, ereifert sich der Pilzsucher, „Morgens?
„Da fällt mir ein, der Termin ist belegt, also um acht. Weiterhin Fungi heil!"
„So ist’s recht, sagt Dettmer, als sie widerwillig losstapfen, „den Chinesen beleidigen und dem Italiener die Pizza aus dem Ofen reißen.
„Stets ist die Sprache kecker als die Tat."
„Schiller?"
„Die Piccolomini!"
„Kenn ich nicht, Ihre Pizzeria?"
„Die Piccolomini – von Friedrich Schiller."
„Lass die Leute reden und hör ihnen nicht zu, die meisten Leute haben ja nichts Besseres zu tun."
„Goethe?"
„Nee, Die Ärzte!"
„Wehe, du lässt dich krankschreiben!"
Es ist keine kurze, es ist eine bis auf die Haut klatschnassmachende Strecke. Dettmer niest bereits, Matthes lutscht irgendwelche pflanzlichen Pillen gegen Bakterien und Viren.
Sie hätten den Hochstand bestimmt nicht gefunden, wären nicht plötzlich drei oder vier Rabenkrähen streitend aufgeflogen.
Sie müssen über den Graben neben dem Schotterweg springen. Sicher, Matthes könnte Dettmer seine Hand reichen, aber einer Polizeimeisteranwärter-in? Ihr rechter Fuß schafft die Böschung, ihr linker nicht. Den Flüchen nach zu urteilen ist Dettmer bereits Polizeimeister mit Amtszulage.
Sie stapfen über einen schmalen Pfad zu dem windschiefen Hochstand hinüber. Ganz oben auf der Leiter sind zwei Beine in jägergrüner Hose zu sehen.
Matthes wackelt an einzelnen Leitersprossen. „Ich steig schon hinauf, sagt Dettmer, „sonst stehen wir heute Abend noch hier und spielen Xylophon.
Sie kommt bis zu den Beinen, Matthes ruft: „Nichts berühren", und Dettmer will sich in den Innendienst versetzen lassen.
„Was kannst du sehen?"
„Er riecht streng."
„Wonach?"
„Nach Pisse und ... Exkrementen."
„Hast ja doch was gelernt auf der Polizeischule."
„Ich muss gleich kotzen."
„Untersteh dich!"
„Sein Hintern hängt mir genau im Gesicht und der Rest liegt auf dem Hochstand, der linke Arm unter dem Körper, der rechte über dem Kopf, er hat ein Gewehr in der Hand, in seiner Gesäßtasche steckt ein Portemonnaie."
„Mitbringen!"
„Gewehr oder Portemonnaie?"
„Beides!"
„Geht nicht, das Gewehr ist verklemmt!"
„Portemonnaie reicht."
„Wie ekelig."
„Versuch mal, ihn am Hosenbund zurückzuziehen."
Dettmer fasst den Kerl nicht an, stöhnt aber unter vorgespielten Anstrengungen. „Er bewegt sich keinen Zentimeter. Mindestens zwei Zentner schwer."
„Dann komm runter."
„Ja, Chef, natürlich, Chef, sofort, Chef!"
Als Dettmer wieder auf dem Waldboden steht, schiebt Matthes sie zur Seite. Einsatzfreudig betritt er die erste Sprosse, die zweite, die dritte – er reckt sich nach den Füßen des Toten. „Das ist wirklich etwas viel verlangt ... Er bricht seine Bemühungen ab und kehrt zurück zum festen Boden. „Den kriegen wir da nicht runter, ohne alle Spuren zu verwischen.
„Es könnte ein Herzinfarkt gewesen sein."
„Leicht beieinander wohnen die Gedanken, doch hart im Raume stoßen sich die Sachen."
„Schiller?"
„Wer sonst?"
„Ernst Messerschmid."
„Kenn ich nicht."
„Raumfahrer!"
Matthes überlegt, schaut zum Toten hinauf, wischt sich die Regentropfen aus dem Gesicht. „Wir müssen uns nach Spuren umsehen." Er sucht den Trampelpfad und das angrenzende Unterholz ab. Dettmer konzentriert sich auf den Hochstand. Keine Fußabdrücke auf dem Grasboden, Blut wäre längst abgewaschen, abgerissene grüne Knöpfe lassen sich im Grün des Waldes kaum finden. Dafür die halbe Schale eines Vogeleis, ein vollgesogener Tampon, bestimmt nicht von dem Kerl da oben, und ein Einwegfeuerzeug. Gelb.
Dettmer würde lieber morgen weiter Spuren sichern, kann aber nicht einfach so tatenlos herumstehen. Sie bückt sich nach einem Stöckchen und kratzt dann unbeteiligt an der Leiter des Hochstands herum. Plötzlich stutzt sie, schaut sich den rechten Holm genauer an. „Chef."
Matthes wird aufmerksam. „Was gibt’s?"
„Ich weiß nicht."
„Dann such weiter."
Augenblicke später: „Cheeef! Hier sind Spuren! Echte Spuren!"
Mit ausholenden Schritten übersteigt Matthes das Unterholz. Schon beugt er sich über Dettmer, sie tritt irritiert zur Seite.
„Das könnten Biss- und Kratzspuren von einem größeren Tier sein. Oder?"
Matthes schaut, denkt nach, kratzt sich hinter dem linken Ohr, schaut genauer und dreht sich zu Dettmer. „Hatte er einen Ausweis im Portemonnaie?"
„Woher soll ich das wissen?"
„Schau nach!"
„Ich? – Ach so. Dettmer zieht das feuchte Portemonnaie aus ihrer Jackentasche. „Ausweis vorhanden.
Matthes sucht nach seinem Handy, wählt die Nummer der Polizeidirektion Hannover und lässt sich mit dem K1 verbinden. Er nimmt Dettmer den Ausweis ab. „Ein Todesfall im Deister. Annaturm. Ungewöhnliche Spuren vor Ort. Könnte sich um einen Kriminalfall handeln. Der Mann hieß Harald Perkuhn. Die Koordinaten? Moment. Er wendet sich an Dettmer. „Die Koordinaten!
Dettmer schaltet ihr Handy ein. Es dauert eine Weile, bis sie die Daten abgerufen hat. Matthes meldet sich wieder bei der Kriminalfachinspektion in Hannover und gibt die Daten durch. „Sie übernehmen? Ich stell eine Beamtin an die L401, die Sie einweist." Er beendet das Gespräch und steckt das Handy in die Innentasche seiner Dienstjacke.
„Eine Beamtin?", fragt Dettmer. Ihre Augen senden Todesstrahlen.
„Schon gut, schon gut, der Kowalski in Pattensen muss auch mal an die frische Luft."
„Gute Entscheidung!"
„Ach, es war nicht meine Wahl. Schiller, Die Jungfrau von Orleans."
1945
Otto Perkuhn, Erbhofbauer aus Mohmense, führt einen Dorftreck mit 3 Wagen, 1 Schlitten und 9 Pferden. Seine Familie besteht aus ihm, 24 Jahre alt, seiner Frau Elfriede, 23 Jahre alt, seinem Sohn Klaus, 1 1/4 Jahre alt, und seiner 63jährigen Schwiegermutter.
Am 24.01.1945 gegen 18 Uhr verlassen sie das Dorf Mohmense, Kreis Rastenburg ohne Treckbefehl, vor der anrückenden russischen Armee. Es herrscht eisige Kälte, 15 Grad minus, der Schnee liegt über einen Meter hoch. Nachdem sie das Vieh von den Ketten gelassen und die Futterkrippen noch einmal gefüllt haben, steigen sie auf den schwankenden, hoch bepackten Leiterwagen, der gegen Nässe und Kälte mit einem Holzdach verschlossen worden ist, und verlassen den Hof. Der Wagen wird von 2 Pferden gezogen, eins wurde als Mitläufer an den Wagen angebunden.
Die gepflasterten Straßen sind alle mit Flüchtlingstrecks und Militärfahrzeugen verstopft. Sie kommen nur langsam auf vereisten Nebenstrecken voran. Ihr gesamter Treck besteht aus 12 Wagen und braucht für die Strecke bis zum Frischen Haff –Luftlinie ca. 100 Kilometer – fast 6 Wochen. Sie fahren Tag und Nacht, manchmal im Kreis, oft müssen sie den nachrückenden Truppen ausweichen und in Gräben und Felder hineinfahren. Der Schlitten behinderte so sehr, dass sie ihn nach kurzer Zeit in den Graben gekippt haben.
Sie werden von russischer Infanterie und Artillerie beschossen und springen immer wieder vor russischen Tieffliegern in Deckung. Trotzdem erreicht der Treck das Haff ohne Menschenverluste, obwohl die Säuglinge und Klein-kinder weder Milch noch wärmende Speisen bekommen haben. Otto Perkuhns Schwiegermutter füttert den kleinen Perkuhn nach Vogelart mit vorgekautem Essen, so entgeht er der gefürchteten Durchfallerkrankung, da die Lebensmittel bei der Kälte alle gefroren sind. Ab und zu erhalten sie etwas aus einer Feldküche oder können den mitgeführten Sauerteig bei längerem Aufenthalt aufbacken. Es ist Ende Februar, als in der Nähe von Braunsberg das Haff vor ihnen liegt, und damit beginnt der Elendsweg über das Eis. Jetzt gilt die besondere Sorge den Pferden. Haben sich die übermüdeten Tiere bis dahin nach jedem Halt im Treck wieder vom vorgehaltenen Heu und Stroh des vorherfahrenden Wagens zum Weiterziehen antreiben lassen, so fällt der Anreiz nun weg, die Wagen müssen 50 m Abstand halten. Inzwischen hat es etwas getaut, dadurch ist unter der oberen Eisschicht eine verharschte Decke entstanden, in welche die Pferde immer wieder einbrechen.
In nicht enden wollender Kette fahren die Wagen über das Eis, immer wieder vorbei an eingebrochenen Wagen mit Pferden, aber auch Menschenleichen. Dazwischen laufen Fußgänger mit Schlitten, auf denen die Jüngsten und Ältesten sitzen.
Sie fahren meist nachts, da über Tag die Tiefflieger kommen. Sie fliegen so niedrig, dass man die Piloten sehen kann. Viele springen in Panik von den Wagen, die Pferde gehen durch und brechen ins Eis ein. Otto Perkuhn kann seine scheuenden Pferde kaum noch halten, doch es geht gut. Viele Menschen wälzen sich schreiend auf dem Eis, es ist ein grauenvoller Anblick. Viele fahren jetzt rücksichtslos auf das Ufer zu. Noch einmal greifen die Flieger an, dann ist zunächst Ruhe.
Die Verletzten werden geborgen und ans Ufer gebracht. Niemals wird wohl festgestellt werden können, wie viele Menschen den Schreckensweg über das Haff machen mussten und wie vielen es zum Grab wurde.
Nun soll Otto Perkuhn mit seiner Familie über die schmale Nehrung entlang in Richtung Westpreußen fahren. Aber auf diesem Weg hat sich die russische Artillerie bei Tolkemit in Stellung gebracht und sich bestens eingeschossen. Darum entschließen sie sich mit ihren Nachbarn, in der Nacht auf dem Eis entlang der Küste weiterzufahren.
Die Wagen müssen alle hintereinanderfahren, denn abseits des mit Stangen gekennzeichneten Weges hält das Eis nicht mehr.
Nach 3 Tagen erreichen sie endlich bei Stutthof festes Land, am 20. Februar 1945. Tauwetter erschwert nun die Weiterfahrt und der Futtermangel für die Pferde wird zur Katastrophe. Sie mögen die Pferde nicht anhalten, denn sie fürchten, sie würden nicht wieder anziehen. So trecken sie durch den Werder und erreichen eine Stunde vor Brückensprengung die Stadt Dirschau an der Weichsel. Spätere Trecks werden mit Fähren übergesetzt, oft unter russischem Artilleriebeschuss.
Mit 3 Wagen aus dem Dorf geht es weiter Richtung Pommern. Im letzten Dorf vor der pommerschen Grenze ziehen Perkuhns Pferde nicht mehr. Nach mehreren vergeblichen Versuchen kommen sie, sicher auch wegen des Kleinkindes, mit einem pferdebespannten Militärwagen weiter, steigen auf einen Lastwagen um und gelangen schließlich auf einem Sanitätswagen unter häufigem Artilleriebeschuss nach Gotenhafen.
Sie beziehen eine Baracke. In der Nacht wird die Nachbarbaracke von einer Granate zerfetzt. Sie bekommen mit dem Kind eine Schiffskarte und machen sich zu Fuß auf den Weg zu dem angegebenen Hafenbecken. Immer wieder bricht die Schwiegermutter vor Schwäche zusammen, das letzte Stück muss sie zum Schiff kriechen. Es ist ein kleines Vorpostenboot. Hätte Otto Perkuhn geahnt, welche Sicherheit die kleinen Schiffe im Gegensatz zu den großen bedeuten, er wäre bei der Abfahrt nicht so verzweifelt gewesen.
Sie fahren am 15. März 1945 als Geleit für zwei große Passagierschiffe nach Westen. Oft gibt es Torpedoalarm. Als sie es einmal wagen, an Deck zu gehen und rückwärts schauen, werden sie Zeugen, wie eines der großen Schiffe, mit Flüchtlingen beladen, sinkt. Es ist auf eine Mine gelaufen.
Vor Swinemünde erleben sie einen Fliegerangriff auf die Stadt. Als sie sich endlich dem Landungssteg nähern, müde, abgekämpft und verzweifelt, brechen sie vor Freude in unkontrolliertes Schreien aus. Doch sie dürfen nicht an Land, sondern steigen auf ein Küstenfahrzeug um. Über das Stettiner Haff werden sie nach Ueckermünde gebracht. Sie sind der Hölle zunächst entronnen.
Von Ueckermünde sollen Züge nach dem Westen fahren. Alles stürmt zum Bahnhof. Nach vielen Stunden fährt ein Zug ein. Perkuhns drängen sich hinein. Niemand weiß, wohin der Zug fährt.
Eine Nacht sitzen sie hungrig im kalten Zug. Würden ihnen nicht besser ausgestattete Flüchtlinge etwas zu essen gegeben haben, wäre Klaus wohl gestorben.
Über Stralsund geht es nach Bremen und weiter nach Hannover. Dort treffen sie abends um 18 Uhr am 28. März 1945 ein. Es ist ein milder Frühlingstag. Rot-Kreuz-Schwestern stehen bereit, um Alte und Kranke auf Wagen abzutransportieren, so auch Otto Perkuhns Schwiegermutter. Alle anderen werden an verschiedenen Orten in der Stadt untergebracht. Nach zehn Wochen Flucht schlafen sie wohl das erste Mal ohne Angst.
An den folgenden Tagen werden sie auf die Gemeinden des Umlands verteilt. Perkuhns kommen nach Ronnenberg. Es gibt kaum ein Haus in der Gemeinde, in dem nicht auch der letzte Raum belegt wird. Perkuhns beziehen mit 4 Personen 2 Zimmer auf dem Hofgut Rieken. Kein Bad und das Plumpsklo neben dem Misthaufen. Die außerordentlich beengten Wohnverhältnisse, der Mangel an Arbeits- und Verdienstmöglichkeiten, die Unterschiede zwischen der schlesischen Mundart und der hannoverschen Sprechweise und vieles andere mehr führen zu manchen Unzuträglichkeiten zwischen den Besitzern des Hofguts und den einquartierten Flüchtlingen. Doch sie leben, sind gesund und werden sich beweisen.
Calenberger Bote, 12. März 1946
ZWEI
2015
„Lass es noch zweimal klingeln, sagt Urs Obanczek, „oder besser noch dreimal, du könntest gerade auf der Toilette sein und ich in der Kantine.
„Keiner geht freiwillig in unsere Kantine! Marike Kalenberger nimmt den Hörer ab. „Kalenberger, Apparat Obanczek ...
Dann hört sie dem Anrufer zu, verzieht keine Miene, sagt „Ich werde es ihm ausrichten", notiert ein paar Zahlen und legt auf.
„Wem wirst du was ausrichten?"
„Dir!"
„Und?"
„Eine Leiche im Deister, unklare Todesursache."
„Warum hast du meinen Namen genannt?"
„Der Anrufer wollte den Kommissar sprechen."
„Das ist Rufmord und wird hart bestraft."
„Also los, an die Arbeit."
„Es regnet."
„Im Deister scheint die Sonne, außerdem werden wir erwartet."
Obanczek steht stöhnend auf, holt seine wetterfeste Jacke aus dem Schrank und fährt den Computer herunter.
Lässig schlendert er zur Tür, dann zwei, drei schnelle Schritte, doch Kalenberger ist schneller und greift sich die Autoschlüssel von der Ablage. „Ganz schön anstrengend, dich zur Vorgesetzten zu haben."
Rasant parkt Kalenberger den Dienstwagen aus, übersieht fast Horst Zieker, K3 Wirtschaftskriminalität, und biegt auf die Waterloostraße ein, ohne den Blinker zu setzen.
„Schmeiß das Blaulicht an", sagt Obanczek,
