[go: up one dir, main page]

Entdecken Sie mehr als 1,5 Mio. Hörbücher und E-Books – Tage kostenlos

Ab $11.99/Monat nach dem Testzeitraum. Jederzeit kündbar.

Tödlicher Wind
Tödlicher Wind
Tödlicher Wind
eBook323 Seiten3 Stunden

Tödlicher Wind

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Im Emmertal, einem wunderschönen Tal des Weserberglands, soll unterhalb der Hämelschenburg eine Windkraftanlage errichtet werden. Schon die Planung weckt kriminelle Energie von Hameln bis Bad Pyrmont. Da wird der Initiator des Projekts tot in Bad Pyrmonts Dunsthöhle gefunden – der Höhle hat bereits Goethe misstraut. Die Polizei geht von einem Selbstmord oder Unglücksfall aus. Das sieht Hubert Wesemann, der akribische Journalist mit seiner Einmann-Redaktion fürs Regional-Radio, ganzanders. Er wittert einen neuen Fall. Dann wird auch noch der Eigentümer von Grund und Boden, auf dem die Anlageerrichtet werden soll, tot aus dem Graben an der Hämelschenburg gezogen. Hubert Wesemanns zweiter Fall: spannend, unterhaltend, mit einem Schuss Humor und Ironie.
SpracheDeutsch
HerausgeberEdition CW Niemeyer
Erscheinungsdatum4. Apr. 2011
ISBN9783827198020
Tödlicher Wind

Mehr von Günter Von Lonski lesen

Ähnliche Autoren

Ähnlich wie Tödlicher Wind

Ähnliche E-Books

Thriller für Sie

Mehr anzeigen

Verwandte Kategorien

Rezensionen für Tödlicher Wind

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Tödlicher Wind - Günter von Lonski

    Günter von Lonski

    Tödlicher Wind

    Imagelogo

    CW Niemeyer

    Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

    Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der

    Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im

    Internet abrufbar über http://dnb.ddb.de

    © 2011 CW Niemeyer Buchverlage GmbH, Hameln

    www.niemeyer-buch.de

    Alle Rechte vorbehalten

    Umschlaggestaltung: Brigitte Mück

    Umschlagfoto und Bearbeitung: CW Niemeyer Buchverlage

    Druck und Bindung: AALEXX Buchproduktion GmbH, Großburgwedel

    Printed in Germany

    E-Book-Konvertierung: CPI – Ebner & Spiegel, Ulm

    E-Book-ISBN: 978-3-8271-9802-0

    Auch Wesemanns 2. Fall spielt natürlich wieder an allseits bekannten Orten des Weserberglands, doch bleiben die Geschehnisse reine Fiktion. Sämtliche Handlungen und Charaktere sind frei erfunden. Oder?

    Über den Autor:

    Günter von Lonski wurde 1943 in Duisburg-Laar geboren. Er studierte an der Hochschule der Künste in Berlin. Seit 1981 schreibt er Romane, Krimis, Jugend- und Kinderbücher, Hörspiele, Kurzgeschichten, Glossen, Satiren und Schulbuchbeiträge. 2010 erhielt er den Rolf-Wilhelms-Literaturpreis, Hameln. Günter von Lonski ist verheiratet, hat zwei Kinder und lebt in der Nähe von Hannover. Er schreibt bereits an seinem nächsten Wesemann-Krimi.

    Mehr über Günter von Lonski und seine Aktivitäten erfahren Sie unter www.vonlonski.net

    Für Nike

    Die merkwürdige Dunsthöhle in der Nähe des Ortes, wo das Stickgas, welches mit Wasser verbunden so kräftig heilsam auf den menschlichen Körper wirkt, für sich unsichtbar eine tödtliche Atmosphäre bildet, veranlaßte manche Versuche, die zur Unterhaltung dienten.

    Johann Wolfgang von Goethe, Annalen 1804, zu seinem Kuraufenthalt im Jahre 1801 in Bad Pyrmont

    EINS

    Wenn man eine Beziehung aufbaut, braucht man gemeinsame Interessen, meint Karola. Zum Beispiel Theaterbesuche, Shopping-Touren und romantische Dinnerabende. Dem kann Wesemann nur seine Badeorgien am Sonntagmorgen entgegensetzen. Um ihn nicht zu enttäuschen, hat sich Karola schon zum zweiten Mal auf das feuchte Vergnügen eingelassen.

    Sie sitzen sich in der Wanne gegenüber. Im Hintergrund läuft eine CD mit Lydie Auvrays Akkordeonmusik, auf Wunsch von Karola sehr leise. Man prostet sich mit einem Glas Campari-Soda zu. Wesemann streichelt sich mit den Zehen an der Innenseite von Karolas Beinen hinauf. Da klingelt das Telefon. Egal, der Anrufbeantworter soll den lästigen Anrufer abwimmeln. Es ist eine Anruferin:

    „Hallo, Wesemännchen, wie geht’s denn so?"

    Wesemann fällt das Campari-Glas fast aus der Hand.

    „Nun geh schon ran. Hier spricht Lina aus Bad Pyrmont. Dein Mon Chéri mit der Pyrmont-Kirsche, wie du immer gesagt hast. Kennst du mich nicht mehr, oder willst du mich nicht mehr kennen? Ich habe dich jedenfalls nicht vergessen. Melde dich, aber schnell. Ich habe Cord zu Ottendorff gefunden. In der Dunsthöhle. Tot."

    Karolas Augen signalisieren Blitz und Donner zugleich.

    „Meldest du dich?", fragt Karola.

    „Natürlich nicht! Wesemann, sie glaubt dir nur das erste Wort. Natürlich würdest du jetzt am liebsten aus der Wanne springen und ans Telefon hechten. „Das war lange vor deiner Zeit.

    „Das will ich hoffen."

    „Aber Cord zu Ottendorff? Tot? Der Mann mit den tausend Fingern, die er in zehntausend Sachen hat? – Kann bis morgen warten!" Wesemann hebt sein Glas und schaut Karola in die Augen.

    „Kann es wohl nicht!, sagt Karola ernüchtert. „Lass das Wasser ab.

    Abrupt richtet sie sich auf, steht nun vor ihm und augenblicklich vergisst Wesemann Pyrmont, Ottendorff und das Mon Chéri.

    „Finger weg, sagt Karola, „und an die Arbeit, bevor es ein anderer tut.

    „Du liebst mich doch nur, weil ich schön, reich und berühmt bin."

    „Raus aus der Wanne, du Spinner, ich koche uns einen Kaffee."

    Wesemann ruft im Polizeikommissariat Bad Pyrmont an. Cord zu Ottendorff? Der liegt in Hameln. Nein, nicht die Leiche! Der Fall! Die Polizeiinspektion hat die Ermittlungen übernommen. Wer zuständig ist? Hauptkommissar Bertram. Aber heute sei Sonntag und da hätte HK Bertram auch ein Privatleben.

    „Danke, sagt Wesemann, „ich habe die Handynummer.

    „Wessen Handynummer?", fragt Karola. Sie stellt zwei Kaffeetassen auf den Tisch.

    „Hauptkommissar Bertram ist zuständig."

    Karola schlägt die Wochenendausgabe der Dewezet auf und sucht die Wohnungsangebote. Für einen Moment blitzt der kleine Stein im Ring an ihrer linken Hand auf. Wesemann betrachtet ihn als Verlobungsring, Karola mehr als Frage. Wesemann lächelt siegessicher. Er greift zum Handy.

    „Es war ein Fehler, Ihnen meine Handynummer zu geben", sagt HK Bertram.

    „Ich bin nur neugierig im Dienst unserer Hörer."

    „Zwei Minuten", sagt HK Bertram.

    „Cord zu Ottendorff ist tot?"

    „Wer hat Ihnen das denn geflüstert?"

    „Michael."

    „Welcher Michael?"

    „Erzengel Michael, der Schutzpatron kriminalistischer Ermittlungen."

    „Sind Sie sicher?"

    Karola lacht, sieht Wesemann an, schüttelt den Kopf.

    „Wieder eine Ihrer tollen Informationen, sagt HK Bertram, „haben Sie das große Latinum?

    „Wie ist er gestorben?"

    „Er saß in der ausgemauerten Grube der Dunsthöhle und hat nicht mehr geatmet."

    „So ein Feigling", sagt Wesemann.

    Er kennt HK Bertrams anspruchslosen Humor, will ihn bei Laune halten und nimmt sein Handy vorsichtshalber schnell vom Ohr. An HK Bertrams meckerndes Lachen wird er sich wohl nie gewöhnen. „Steht die Todesursache schon fest?"

    „Wie es aussieht, wird er wohl erstickt sein."

    „Am eingeatmeten Kohlendioxid der Dunsthöhle?"

    „Wesemann, Wesemann, Sie sind mir aber ein ganz schneller!"

    Wieder dieses nervige Lachen.

    „In welche Richtungen ermittelt die Polizei?"

    „In alle, Wesemann, in alle." Hoffentlich drückt er das Gespräch jetzt nicht weg.

    „Ein Verbrechen ist auszuschließen?"

    „Wenn Sie mich privat fragen – da ist nichts zu holen. Für Sie. Der Mann hat einfach zu viel getrunken und ist durch Zufall in die Dunsthöhle geraten."

    „Wenn es so einfach ist."

    „Ist es. Was ich Ihnen jetzt sage, ist noch nicht für die Öffentlichkeit bestimmt. Wir haben in seinem Jackett die Eintrittskarte für die Spielbank vom gleichen Tag gefunden. Dort konnte man sich sehr gut an Cord zu Ottendorff erinnern. Schließlich ist er Stammkunde. Am Abend vor seinem Tod hat er eine Menge Geld an den Automaten gewonnen und sich in bester Stimmung auf den Weg gemacht."

    „In bester Stimmung ist er dann wenig später in die Dunsthöhle gestiegen und hat sich erstickt?"

    „Er hat jedenfalls da gesessen. Noch etwas: Er hatte ein lustiges Windrädchen in der Hand. So ein Spielzeug für kleine Kinder, die Spaß daran haben, es durch Pusten in Fahrt zu bringen."

    Wesemann erträgt HK Bertrams Lachen. Er muss mehr wissen.

    „Eigenartig. So ein Kinderkram in der Hand eines Erwachsenen?"

    „Wesemann, das waren mehr als zwei Minuten. Morgen können Sie einen vorläufigen Bericht als Fax abrufen. Schönen Sonntag noch!"

    Wesemann legt das Handy auf den Tisch.

    „Eine Vierzimmerwohnung im Klütviertel für …, Karola sucht, „… Miete steht nicht in der Anzeige, hört sich aber sonst ganz gut an. Mit Balkon, Bad mit Fenster, Gäste-WC, neuer Einbauküche – hörst du mir überhaupt zu?

    „Natürlich."

    „Es ist ganz schön anstrengend, dich zu lieben."

    Wesemann schenkt ihr ein abwesendes Lächeln. „Ich hab doch vor einiger Zeit einen Bericht über die Dunsthöhle gemacht. Im Archiv …"

    „Ich hol uns ein Stück Kuchen vom Bäcker. Für dich Bienenstich wie immer?"

    „Du bist lieb!"

    Karola macht sich auf den Weg, und Wesemann verschwindet in seinem Studio, wechselt die kaputte Glühbirne in der Deckenlampe aus und schneidet sich an der Lampenfassung. Blut, Blut, überall Blut? Nein, ein kleines Pflaster wird den Schaden schnell beheben. Karola muss gleich zurück sein, sie weiß, wo das Pflaster liegt. Seit sie seine Wohnung aufgeräumt hat, findet er nichts mehr wieder.

    Mit der unverletzten Hand wühlt sich Wesemann durch die Schubladen mit den abgelegten Radiobeiträgen. Bad Pyrmont. Nichts. Aha, einfach nur Pyrmont. Geranien, Goethe, Heilquellen, Unterabteilung Dunsthöhle.

    Karola kommt zurück, erst das Pflaster, dann Kaffee und Kuchen, schließlich startet Wesemann den MP3-Player mit seinem vor Jahren gesendeten Rundfunkbeitrag.

    … einzigartiges Naturphänomen am Helvetiushügel in Bad Pyrmont. Die Dunsthöhle. Sie liegt auf dem Gelände eines ehemaligen Steinbruchs, in dem Buntsandstein gebrochen wurde. Immer wieder fanden die Steinbrucharbeiter auf dem Grund der Höhle tote Tiere, die offensichtlich unverletzt waren. Der Pyrmonter Brunnenarzt Dr. Johann Philipp Seip, der 1712 nach Pyrmont kam, ging diesen Erscheinungen nach. Er kam zu dem Ergebnis, dass Schwefeldunst die Tiere ins Jenseits beförderte. Mit Genehmigung des Fürsten Friedrich Anton Ulrich zu Waldeck und Pyrmont ließ er 1720 die Grube ausmauern und darüber ein kleines Gewölbe errichten, um für die Kurgäste ein trockenes Schweißbad einzurichten, das Leuten aller Schichten gute Besserung und Hülfe gegen Geschwulst der Füße, Gichtschmerzen, Steifigkeit der Glieder und Linderung anderer Leiden bringen sollte.

    Später erkannte man, dass es kein Schwefel, sondern Kohlendioxid ist, das in der Dunsthöhle trocken austritt. Das Gas dringt durch die Risse und Gesteinsklüfte der Quellspalte an die Oberfläche, ist eineinhalb Mal schwerer als Luft und bleibt daher in der Grube liegen. Selbst Johann Wolfgang von Goethe war von den vorgeführten Experimenten in der Grube schwer beeindruckt. Doch Vorsicht mit eigenen Versuchen, das Kohlendioxid auf dem Grund der Grube wirkt narkotisierend und erstickt auch die hartnäckigsten Lebensgeister nach sieben bis zehn Minuten.

    „Ein langer Bericht, sagt Karola, „und Baxmann hat ihn so über den Sender gehen lassen?

    „Für Johann Wolfgang ist ihm nichts zu viel, da steht er im Geiste stramm."

    „Komm, sagt Karola und räumt die Kaffeetassen ab, „lass uns nach Pyrmont fahren, sonst bist du den ganzen Tag wieder geistig abwesend.

    „Wenn du meinst?"

    Wesemann nimmt seine Tasche und Karola den Autoschlüssel für den Corsa.

    „Willst du fahren?", fragt Wesemann überrascht.

    „Du hast heute schon zu viel geschluckt", sagt Karola.

    „Was soll ich denn geschluckt haben?"

    „Wasser!" Karola lacht. Wesemann, die steckt dich in die Tasche, wenn du nicht aufpasst.

    Der Sender ruft an. Baxmann. Wesemann mit seiner Einmannredaktion für Funk und Presse ist angewiesen auf eine wohlwollende Auftragsvergabe. Baxmann hat was von einem interessanten Todesfall in Bad Pyrmont gehört. Da Wesemann nun mal sein bester Mann sei, habe er gleich an ihn gedacht.

    „Bin schon unterwegs", sagt Wesemann.

    „Wollen Sie denn keine Einzelheiten?"

    „Haben Sie welche?"

    „Eigentlich nicht, bloß den Namen: Cord …"

    „… zu Ottendorff."

    „Woher wissen Sie?"

    „Ich bin doch Ihr bester Mann!" Wesemann legt auf.

    Karola und Wesemann fahren nach Bad Pyrmont. Staatsbad. Zwanzig Kilometer südwestlich von Hameln.

    Als Heilbad bereits den Römern bekannt. Mit einem der schönsten Kurparks Deutschlands. Beherbergt die größte Palmenfreianlage nördlich der Alpen. In Anwendungen warme Sole. Ideal für Allergiker und wohltuend bei Atembeschwerden.

    Sie stellen das Auto auf das Parkdeck in der Rathausstraße und gehen die Rauchstraße hinauf. Die Dunsthöhle ist verwaist. Kein Mensch zu sehen.

    „Nicht mal rotweiße Bänder der Polizei." Karola ist enttäuscht.

    „Die Polizei muss auch sparen, meint Wesemann, „und so ein selbstverschuldeter Todesfall ist schnell fotografiert und protokolliert.

    An der Eingangstür des Höhlenumbaus, der aussieht wie ein überdimensionaler gläserner Hut mit runden Bommeln auf der Krempe, hängt ein Schild: Wegen Krankheit geschlossen.

    „Gebe Gott, dass ich nie so krank werde", sagt Wesemann.

    Karola streckt die Hand nach dem Türgriff aus.

    „Hab ich schon versucht, sagt Wesemann, „die Tür ist abgeschlossen.

    „Schade, sagt Karola, „man kann überhaupt nicht in die Grube sehen.

    „Die Grube ist so, wie sie immer ist: leer."

    „Bist du sicher?"

    „Cord zu Ottendorff ist weg, die Polizei ist weg und der Bericht für den Sender wird wohl eine etwas längere Sendepause."

    Wesemann dreht sich um und geht den leichten Anstieg zu den Ruhebänken hinauf.

    „So leicht verdienst du dein Geld?", fragt Karola spöttisch.

    „Was soll ich denn noch herausfinden, was die Polizei nicht längst ermittelt hat?"

    „Wenigstens scheint die Sonne." Karola wischt mit einem Papiertaschentuch die Sitzfläche einer Bank sauber und setzt sich.

    Wesemann stellt seine Tasche neben sie. „Ich sehe mich noch ein wenig um."

    „Du gibst wohl nie Ruhe?" Karola verschränkt die Hände hinter dem Kopf und lässt sich die Sonne ins Gesicht scheinen.

    „Hätte ich dich sonst erobert?"

    „Hast du?"

    Wesemann gibt ihr einen Kuss und stapft los.

    Er schaut in die Papierkörbe, schiebt die unteren Zweige der Büsche mit dem Fuß zur Seite, winkt Karola zu, um den Kontakt zu halten. Sie hat die Augen geschlossen. Wesemann läuft hin und her. Nichts. Im Grünzeug hinter dem Gedenkstein für den Pyrmonter Brunnenarzt Dr. Johann Philipp Seip findet er eine Flasche. Er hebt sie auf und eilt zu Karola.

    „Nicht mal eine Pfandflasche!", sagt Karola, als Wesemann vor ihr steht und sie die Augen aufschlägt.

    Wesemann betrachtet die Flasche jetzt genauer. „Hat nicht lange in dem Gestrüpp gelegen. Er will Karola die Flasche reichen, doch Karola lässt ihre Hände hinter dem Kopf. „Das Etikett ist noch fast trocken.

    Karola gähnt.

    „Champagner!, stellt Wesemann fest. „Marke Paul Michel, kenn ich nicht.

    „Du kennst doch bloß den Schampus von Aldi!"

    „Da ist wenigstens drin, was draufsteht." Wesemann setzt sich neben Karola.

    „Sonst noch was gefunden?"

    „Nur Klopapier."

    „Igitt!" Sie rückt ein Stück von ihm ab.

    Wesemann wirft die Flasche in den Abfallkorb neben der Bank und wischt sich die Finger an einem von Karolas Papiertaschentüchern ab.

    „Wie kann sich Ottendorff denn selbst umgebracht haben?"

    „Ganz einfach, Karola schmunzelt, „er gewinnt in der Spielbank eine Menge Geld. Darüber ist er so sauer, dass er aufbricht und schnurstracks zur Dunsthöhle geht, um sich umzubringen. Er durchdringt die abgeschlossene Tür, schleicht die Stufen in die Grube hinunter und erstickt sich auf der drittletzten Stufe.

    „Was für ein dämlicher Tod, sagt Wesemann. „Und dazu noch völlig unorganisiert.

    Ein kräftiger Mann in weißem Hemd und schwarzer Hose nimmt das Schild von der Eingangstür der Dunsthöhle.

    „Den schickt der Himmel." Wenn er will, kann Wesemann schnell wie ein Wiesel sein. Er läuft die Treppenstufen zum Eingang der Dunsthöhle hinunter. Karola nimmt seine Tasche und folgt ihrem eifrigen Ermittler.

    „Wesemann."

    Er streckt seine Hand dem Mann an der Eingangstür entgegen.

    „Morsch", sagt der Mann reserviert.

    „Schrecklich", meint Wesemann.

    „Vielleicht kommen jetzt endlich mehr Leute. Sensationen ziehen schließlich mehr als Wunder!" Herr Morsch betreibt oben an den Treppenstufen zur Dunsthöhle einen kleinen Kiosk mit einem Angebot an kalten Getränken, Postkarten und Informationsmaterial zur Höhle.

    „Wie ist er denn da reingekommen?", fragt Wesemann Herrn Morsch.

    „Fragen Sie mich etwas Leichteres. Herr Morsch wirkt ein wenig abgespannt. „Ich habe schon der Polizei erklärt, dass es eigentlich unmöglich ist, die Höhle ohne mein Wissen zu betreten. Ich habe einen Schlüssel und sonst niemand.

    „Sonst niemand?"

    „Nur noch der Wachdienst, der jede Nacht seine Runden dreht. Die Stadtverwaltung hat natürlich auch einen Schlüssel, genauer gesagt, das Friedhofsamt."

    „Also unmöglich, unbemerkt hineinzukommen?"

    „Ausgeschlossen."

    „Aber drin war er nun mal."

    „Wollen Sie mir unterstellen …"

    Wesemann sieht sich die Tür ein wenig genauer an. Stabil und nicht leicht zu knacken. Schon gar nicht von einem angetrunkenen Mann ohne Werkzeug. Ohne Werkzeug? Vielleicht die Champagnerflasche? Sie könnte doch von zu Ottendorff stammen.

    Im Kiosk oberhalb der Höhle kauft Wesemann dann eine Ansichtskarte und fragt nach einer Plastiktüte. Er erhält eine ausrangierte Tüte vom Penny-Markt. Herr Morsch schaut ihm misstrauisch hinterher.

    „Wir sollten die Champagnerflasche HK Bertram zur Untersuchung mitnehmen. Wesemann hängt sich seine Tasche über die Schulter. „Wenn sie von Cord zu Ottendorff stammt, könnten Fingerabdrücke weiterhelfen. DNA, DFB, DSDS oder so.

    „Du Spinner!" Karola drückt sich an ihn. Er geht zum Abfallkorb, steckt seine Hand in die umgestülpte Plastiktüte und holt damit die Flasche heraus.

    „Echte Profiarbeit, spöttelt Karola, „wie im Fernsehen. Sie gehen zum Auto zurück, Wesemann legt die leere Champagnerflasche in den Kofferraum. „Noch ein Tässchen Kaffee?"

    Ein paar Minuten später sitzen sie in einem Café in der Brunnenstraße. Karola hat sich einen Latte macchiato bestellt und Wesemann eine Eisschokolade.

    „Da fehlt etwas." Wesemann saugt an dem Trinkhalm in seinem Glas.

    „Zucker?"

    „Es fehlt etwas in meinem Vorstellungsbild vom gestrigen Abend. Wesemann greift zum Tütchen mit dem Zucker. „Damit überhaupt etwas zusammenpasst, müsste noch eine Person hinzukommen. Eine Person, die mit Ottendorff gefeiert hat, mit ihm durch die Gegend gezogen ist und ihm dann das Geld abgenommen hat. Er schüttet den Zucker aus dem Tütchen in seine Eisschokolade.

    „Und danach?"

    Karola gähnt schon wieder.

    „Du hast heute Nacht geschnarcht wie ein zufriedenes Faultier", sagt Wesemann.

    „Ich habe keine Luft gekriegt, weil du dich so breit gemacht hast. Karola seufzt. Erholung vom Alltagsstress ist so ein Wochenende mit Wesemann jedenfalls nicht. „Du bist mir einfach zu anstrengend, jammert sie, „ich brauche einen Beamten, der sonntags lange schläft, keinen Lärm macht und sein Oberhemd für den nächsten Tag selber bügelt."

    „Man müsste sich mal in der Spielbank umhören und Ottendorffs Weg zur Dunsthöhle rekonstruieren."

    „Aber ohne mich", sagt Karola.

    ZWEI

    Wesemann trägt ein gebügeltes, weißes Hemd unter seiner Lederjacke, als er sich am nächsten Morgen auf den Weg zur Polizei macht. Von seiner Wohnung in der Deisterstraße bis zur Zentralstraße sind es nur ein paar Schritte.

    HK Bertram ist in einer wichtigen Besprechung. Wesemann gibt die Champagnerflasche in der Anmeldung ab und schreibt noch einen Zettel dazu:

    Gefunden hinter dem Seip-Denkmal an der Dunsthöhle. Vielleicht interessant im Hinblick auf Fingerabdrücke etc., Gruß Wesemann

    Eine mürrische Beamtin nimmt die Plastiktüte und das Blatt Papier an sich. „Was heißt denn etc?" Wesemann ruft Karola auf dem Handy an. Sie kann jetzt nicht reden, hat zu viel zu tun. Dann eben nach Pyrmont fahren.

    Das Parkdeck in der Rathausstraße ist besetzt. Wesemann muss einige Blocks umrunden, bevor er einen freien Platz findet. Halbfreien. Parkverbot. Wird schon nichts passieren.

    Er geht die Brunnenstraße hinauf, trinkt im Stehen einen Kaffee. Vor dem Drogeriemarkt dreht sich das Kinderkarussell mit Hund, Katze, Kuh und Pferd. Lärmende Kinder springen von der Drehscheibe hinunter und wieder auf. Ein etwas dickerer Junge kann der Geschwindigkeit nicht folgen, kommt ins Straucheln, hält sich an einem der Gitterstäbe des Karussells fest und wird eine halbe Umdrehung mitgeschleift. Ein Aufschrei neben Wesemann, eine Tasse fällt zu Boden, eine Frau läuft hinüber zum Karussell, um das dicke Kind zu trösten.

    Ein paar Schritte die Brunnenstraße hinunter hat Lina Franitzki Obst und Gemüse vor ihrem Laden aufgebaut. Lina, rund, weiblich, warm mit lachsroten Haaren.

    Wesemann trinkt seinen Kaffee aus und schlendert zum Laden hinüber. Eine ältere Frau verlässt das Geschäft, hält sich an dem Griff neben der Tür fest, um die flache Stufe zu meistern. Als Wesemann den Laden betritt, steht Lina mit dem Rücken zu ihm und sortiert Bananen ins Regal. „Bin gleich so weit."

    „Keine Eile!"

    Lina scheint Wesemanns Stimme sofort erkannt zu haben. Sie dreht sich auf dem Absatz um, lässt Bananen sein und breitet die Arme aus.

    „Mein Wesemännchen!"

    Das Rot ihrer Haare ist nur ein wenig matter geworden, Richtung pochierter Lachs.

    „Schön, dich zu sehen."

    Lina lässt die Arme sinken. „Komm setz dich. So ein Schreck am frühen Morgen. Und niemand da, der mich tröstet."

    Ein jüngerer Mann betritt den Laden, kauft zwei Äpfel, dann doch nur einen. Lina schiebt Wesemann in einen kleinen Nebenraum, Wesemann setzt sich auf einen wackeligen Holzstuhl. „Du kommst

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1