Department 1: Geodäsie
Aufgabe der Geodäsie ist es, die Figur und Rotation der Erde, ihre Orientierung im Raum, ihre Oberfläche und ihr Gravitationsfeld in allen Einzelheiten zu vermessen. Dazu analysieren und interpretieren wir Messdaten verschiedener nationaler und internationaler Satelliten zur Fernerkundung der Erde aus dem Weltall wie beispielsweise GRACE und GRACE-FO (Gravity Recovery and Climate Experiment) und entwickeln neue Systeme, wie die im April 2022 gestartete Mission EnMAP (Environmental Mapping and Analysis Program).
Sektionen des Departments Geodäsie:
Wir verwenden die Signale der amerikanischen GPS-, der russischen GLONASS- und der chinesischen Compass/Beidou-Satelliten für die Geowissenschaften und Atmosphärenforschung. Auch zur Entwicklung des europäischen Satellitennavigationssystems Galileo tragen wir bei, das wir für unsere Forschung nutzen. Diese vier Navigations-Satellitensysteme werden unter dem Begriff GNSS zusammengefasst (engl. Global Navigation Satellite Systems). Messungen von Flugzeugen und bodengestützte geodätische Beobachtungen sowie die Entwicklung und Anwendung entsprechender Auswerteverfahren runden das Spektrum unserer Aufgaben ab. Schließlich fassen wir all diese Messungen und Beobachtungen in Computermodellen zusammen. Damit können wir die dynamischen Vorgänge im Erdinneren, an der Erdoberfläche, in den Ozeanen, in der Atmosphäre und der Kryosphäre simulieren und besser verstehen.
Um etwas besser zu begreifen, das einem besonders nahe ist, hilft oft ein Blick aus der Ferne. Das gilt auch für die geowissenschaftliche Forschung, wo die Perspektive aus dem erdnahen Weltraum eine völlig neue Sicht auf unseren Planeten erlaubt. So enthalten beispielsweise die Bahnen von Satelliten wichtige Informationen über die Erdgestalt und das Schwerefeld.
Wären die Massen in der Erde gleichmäßig verteilt, hätte unser rotierender Heimatplanet die Form einer abgeplatteten Kugel, also eines Rotationsellipsoides. In Wirklichkeit ist das Innere der Erde aber alles andere als homogen: In der Erdkruste wechseln sich dicke Lagen von Sedimentgesteinen mit großen Granitblöcken ab. Die Wurzeln der Hochgebirge reichen tief in den oberen Erdmantel, während die Erdkruste unter den Ozeanen recht dünn ist. Dichtevariationen in Erdmantel und Erdkern beeinflussen ebenfalls das Gravitationsfeld und damit die Gestalt der Erde. Aus hochpräzisen Messungen einer Satellitenbahn können wir auf örtliche und zeitliche Veränderungen der Schwerkraft rückschließen, die uns Auskunft über den Aufbau und die dynamischen Veränderungen im Erdinneren und auf der Erdoberfläche geben. Großräumige Massenverlagerungen, z.B. verursacht durch das Abschmelzen von Eismassen in Grönland und der Antarktis, lassen sich so sehr genau quantifizieren.
Neben der hochgenauen Bestimmung von Satellitenbahnen werten wir die Registrierungen von unterschiedlichen Sensoren auf zahlreichen Satelliten aus. Dazu gehört die präzise Vermessung von Meeres- und Eisoberflächen mit dem Verfahren der Satelliten-Altimetrie. Zu den geodätischen Weltraumverfahren gehören neben den Messungen zu den GNSS-Satelliten auch Laserentfernungsmessungen zu Satelliten (SLR) und die sog. Radiointerferometrie auf langen Basislinien (engl. Very Long Baseline Interferometry = VLBI)). Eine Kombination dieser Verfahren liefert dabei Informationen über die Figur der Erde und die Bewegungen der Kontinentalplatten. Eine wichtige Aufgabe ist dabei die Realisierung eines weltweiten sog. Referenzrahmens, der notwendig ist, um beispielsweise die präzise Messung des globalen Meeresspiegelanstiegs zu ermöglichen. Aus diesen vielfältigen geodätischen Beobachtungen lassen sich aber auch Informationen über den Zustand der Atmosphäre ableiten, die wir für die tägliche Wettervorhersage bereitstellen. Auch werten wir Messungen von Fernerkundungssatelliten aus, um die Auswirkungen des Klimawandels zu verstehen und Strategien zur Risikominderung bei Naturkatastrophen zu erarbeiten.
Ein weiteres Forschungsfeld ist die multitemporale Beobachtung bio- und geophysikalischer Parameter sowie von Oberflächendeformationen mithilfe optischer und Radar-Fernerkundungssystemen, welche für ein breites Spektrum wissenschaftlicher Anwendungsfelder von Interesse sind. Dazu zählen Bodendegradation, geologische Exploration, “Precision Farming”, die Vegetation in ihrer globalen Funktion, natürliche und anthropogene Gefahren sowie die Wechselwirkungen zwischen Landoberfläche und Atmosphäre. Auch die wissenschaftliche Leitung der deutschen hyperspektralen Satellitenmission EnMAP (Environmental Mapping and Analysis Program), sowie die Beteiligung an der Definition von zukünftigen hyperspektralen Satellitenmissionen ist Aufgabe der Gruppe Fernerkundung und Geoinformatik im Department 1. Um die enormen Datenmengen aus Simulationsmodellen und Beobachtungen auswerten und interpretieren zu können, werden Verfahren für die Informationsgewinnung mit Methoden aus Data Mining, visueller Datenexploration, Datenbank- und Big Data orientierten Technologien entwickelt.
Im Zusammenspiel geben all diese gesammelten Messungen ein dynamisches Gesamtbild vom sehr komplexen System Erde, dessen Geschichte und künftige Entwicklung in Computermodellen beschrieben und vorhergesagt wird. Unsere Modellrechnungen reichen dabei von der Dynamik des Erdkerns und der Erdoberfläche bis zur Untersuchung der Wechselwirkungen zwischen der Atmosphäre, den Weltmeeren und der festen Erde. Die Daten, wie auch die geowissenschaftlichen Ergebnisse, werden mit den modernsten Methoden der Geoinformationsverarbeitung untersucht, analysiert, visualisiert und weiteren Nutzern zur Verfügung gestellt.
Potsdamer Jubiläumsfeiern zu F.R. Helmert und Geodätischem Institut Potsdam (GFZ, 6. April 2017) + Ausstellung Fokus: Erde
Download des Berichts: pdf-Datei, 1,1 M (nur auf Englisch)