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1 Die Sondergerichte und das Heimtückegesetz
Um die einzelnen Fälle zu verstehen, werden vorab die Funktion der «Sondergerichte» und das «Heimtückegesetz» erläutertet. Sondergerichte waren schon kurz nach der Machtübernahme ein Machtinstrument der Nationalsozialisten. Sie gehörten zur intendierten Abkehr des Staates von fixierten Normen hin zu den Bedürfnissen der Regierung, die ihr Handeln im Sinne des Gemeinwohls sah. Sondergerichtshöfe waren, zeitlich befristet, bereits vor 1933 eingerichtet worden, etwa von 1919-1924, im Rahmen der Wuchergesetzgebung. In den frühen 1930ern traten sie, mit Ermächtigung des Reichspräsidenten Hindenburg, erneut in Erscheinung, um die zunehmenden politischen Auseinandersetzungen zu bekämpfen. 1932 wurde von dieser Ermächtigung, unter Reichskanzler von Papen, zum ersten Mal Gebrauch gemacht, allerdings hatten sie schon hier stark parteiisch agiert. Aber auch diese wurden kurz vor 1933 wieder aufgelöst, nur um nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten erneut eingerichtet zu werden. In Erfassungslisten wurden schon kurz nach der Machtübernahme politische Gegner aufgelistet, die als „gefühlsmäßig politisch u. weltanschaulich unzuverlässige Volksgen.[ossen] und Gegner des Staates u. der Partei“ eingeschätzt wurden. Im Siegerland betraf dies vor allem Mitglieder der KPD und SPD, aber auch Anhänger des Zentrums gerieten auf derartige Listen, die mit weiteren Vermerken, wie etwa „nicht gefährlich“, „gebessert“ oder auch „hört Feindsender“, versehen wurden. Eine solche „Vorbelastung“ als „unzuverlässiger Volksgenosse“ konnte bei Anschuldigungen entscheidend für die Einleitung eines Verfahrens und das Strafmaß sein. Bei Unbelasteten wurden Ermittlungen oder Verfahren häufig eingestellt oder es bei einer Verwarnung des Betreffenden belassen.
Eng verbunden mit den Sondergerichten war das «Heimtückegesetz», da die Bearbeitung von Verstößen gegen dieses Gesetz explizit in den Aufgabenbereich der Sondergerichte fiel. In den ersten Jahren nach 1933 instrumentalisierte man die Sondergerichte und das «Heimtückegesetz» vor allem zur Bekämpfung politischer Gegner. Es sollte, neben der missbräuchlichen oder unberechtigten Verwendung von Uniformen und Parteiabzeichen, laut §2, auch jegliche Äußerungen bestrafen sollte, die geeignet gewesen seien, "das Vertrauen des Volkes zur politischen Führung zu untergraben". Ebenso konnten, laut §1, Äußerungen gegen führende Persönlichkeiten verfolgt werden. Zwar wurde im Gesetzestext die „Öffentlichkeit“ einer Äußerung betont, jedoch konnte auch eine private Äußerung zur Anklage führen, wenn die Möglichkeit bestanden habe, dass diese an die Öffentlichkeit gelangt. Gerade letzteres öffnete natürlich Denunziationen im engsten sozialen Kreis Tür und Tor. Letzteres macht deutlich, dass dieses Gesetz nicht nur gegen politische Gegner eingesetzt werden sollte, sondern ebenso zur Disziplinierung der gesamten Bevölkerung, die sich dabei vor allem selbst kontrollierte bzw. denunzierte.