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Über die Bedeutung des Konjunktivs - Teil 2 von Dr. Hans-Joachim Rudolph, Microvita Research e.V. Von den gesprochenen Sprachen zu den Universalsprachen der Mathematik und Musik: Das ist zwar interessant, aber kommt da nicht noch mehr? Ja, es geht tatsächlich noch einen Schritt weiter, und zwar zur Sprache der Natur! Schon der Heilige Augustinus nannte die Welt ein offenes Buch und Paracelsus wurde nicht müde zu betonen, dass man die Zeichen der Natur wie in einem Buch zu lesen habe (1). Deshalb die Pointe meines Essays: Ich meine, dass sich dieses Sprechen auch in der Natur im Indikativ, Konjunktiv und Imperativ vollzieht, wobei der Konjunktiv zugegebenermaßen gut versteckt ist, da das im Indikativ Ausgedrückte zwangsläufig immer im Vordergrund stehen muss. Nun besteht die Welt nach Jakob Böhme aus drei großen ‚Büchern‘: Den Heiligen Schriften, dem Buch der Natur und dem Buch des Menschen - und so kann die im Konjunktiv sprechende Natur zuerst im Menschen als unser frei phantasierendes Denken verstanden und erkannt werden! Einschränkend könnte man meinen, dass eine solche Innerlichkeit ausschließlich im Menschen realisiert ist. Dem ist aber nicht so; vielmehr konnte gezeigt werden, dass die ganze belebte Welt nicht nur durch Wirkursachen (causae effizientes), sondern durch den Austausch von Bedeutungsträgern (=> Biosemiotik) zusammen gehalten wird: Bedeutungen ermöglichen nämlich ein viel freieres Spiel mit den Möglichkeiten des Lebens als es mit Fakten je der Fall sein könnte (2). An dieser Stelle höre ich schon den Einwand, Computer würden doch ebenfalls Zeichen prozessieren, ohne dazu eine subjektive Innenwelt zu benötigen. Das ist zwar richtig dieses 'data processing' macht aber nur Sinn im Zusammenwirken mit Menschen, die den Ergebnissen die erforderlichen Bedeutungen verleihen. Letzten Endes kann man sich eine vollkommen autonome Maschinenwelt zwar vorstellen - eine solche Vorstellung ließe sich aber nicht widerspruchsfrei auf den Menschen übertragen (3). Betrachten wir nun die unbelebte Natur: Im makroskopischen Bereich kann von einer Innerlichkeit des Unbelebten natürlich keine Rede sein. Hier gelten die Gesetze der klassischen Physik und Chemie. Dies ändert sich, sobald wir in den Bereich der Quantenphysik kommen. Dort lösen sich die Dinge auf, und was wir statt dessen sehen ist ein Meer von Möglichkeiten, aus dem heraus sich ständig Formen bilden und wieder vergehen. Hans-Peter Dürr spricht in diesem Zusammenhang davon, dass es eigentlich keine Materie gibt, sondern die Welt im tiefsten Grund nur Geist ist (4); und in diesem Reich der Möglichkeiten herrscht natürlich das „So-Als-Ob“, d.h. der Konjunktiv. Was bleibt, ist noch an Friedrich Schillers unsterbliche Worte zu erinnern, die Georg Wilhelm Friedrich Hegel, leicht abgewandelt und gekürzt, an den Schluss seiner ‚Phänomenologie des Geistes‘ gesetzt hat (5): Freundlos war der grosse Weltenmeister, Fühlte Mangel - darum schuf er Geister, Selge Spiegel seiner Seligkeit! Fand das höchste Wesen schon kein gleiches, Aus dem Kelch des ganzen Seelenreiches Schäumt ihm - die Unendlichkeit. Literatur: (1) Hans-Joachim Rudolph: Paracelsus und die Naturheilkunde. In: Jütte R. (Hrsg.), Paracelsus heute - Entwürfe im Lichte der Natur, S. 41-54. Karl F. Haug Verlag, Heidelberg (1994) (2) Hans-Joachim Rudolph, Vimalananda Avadhuta: Space, Time and Contingency. Gurukula Network, S. 30-31, Issue 53 (2022) (3) Gotthard Günther: Das Bewusstsein der Maschinen - Eine Metaphysik der Kybernetik, S. 170. Vittorio Klostermann, Frankfurt (2021) (4) Hans-Peter Dürr: Es gibt keine Materie. In: Geist, Kosmos und Physik - Gedanken über die Einheit des Lebens, S. 44-45. Crotona Verlag, Amerang (2010) (5) Friedrich Schiller: Die Freundschaft. Projekt Gutenberg (https://www.projekt-gutenberg.org/schiller/gedichte/chap013.html)