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MitarbeiterInnen der Kirche im Spannungsfeld von Leitung und Leistung

2012

Die Arbeit führt von der Hypothese einer überholten Überbetonung nicht nur der Leitungsstruktur, sondern auch der Leitungsstrategie der Kirche zur These der notwednigen professionellen Leistung in der KIrche, wobei der eigentliche betriebswirtschaftliche Aspekt der Kirche als sichtbare Versammlung in dieser Welt nur am Rande erwähnt, die pastorale Wesensaufgabe jedoch im Vordergrund der Überlegungen steht. Der klassische Dreierschritt des "Sehens, Urteilens und Handelns" dient dazu, diese Arbeithypothese zu untermauern.

DIPLOMARBEIT Titel der Diplomarbeit „MitarbeiterInnen der Kirche im Spannungsfeld von Leitung und Leistung“ Verfasser Lic. phil. Dr. phil. Paul Franz Röttig Angestrebter akademischer Grad Magister der Theologie (Mag. theol.) Wien, im November 2012 Studienkennzahl lt. Studienblatt: A 011 Studienrichtung lt. Studienblatt: Diplomstudium Katholische Fachtheologie Betreuerin / Betreuer: Univ.-Prof. Dr. Johann Pock 2 Nehmt mich zum Vorbild, wie ich Christus zum Vorbild nehme. (1 Kor 11,1) 3 4 Inhalt Vorwort ...................................................................................................................................... 7 1 EINLEITUNG ......................................................................................................................... 8 1.1 Szenario der Herausforderung .................................................................................... 8 1.2 Zielsetzung und Hypothese der Arbeit ...................................................................... 10 2 DER HIRTE ALS LEADER UND DIENER ................................................................................ 14 2.1 Kirchliche Leitung als Dienst und Amt ....................................................................... 15 2.2 Leistung zwischen Zwang und Gnade ........................................................................ 18 2.3 Die Vorbildfunktion des Guten Hirten ....................................................................... 21 2.3.1 Die Künste des Hirten nach Hermann Stenger................................................... 22 2.3.2 Konsequenzen für die pastorale Ausbildung ..................................................... 25 2.3.3 Die pastorale Sorge des Paulus von Tarsos für das Leben ................................. 26 3 VERÄNDERTE ARBEITSWELT – AUCH IN DER KIRCHE ....................................................... 29 3.1 Management und Leadership .................................................................................... 30 3.1.1 Management – die Dinge richtig tun ................................................................. 31 3.1.2 Leadership – die richtigen Dinge tun.................................................................. 33 3.2 Für das Leben in der Welt und in der Kirche lernen .................................................. 40 3.2.1 Auferlegte Pflicht oder verbrieftes Recht .......................................................... 41 3.2.2 Effiziente und effektive Veränderungsprozesse ermöglichen ........................... 43 3.2.3 Ein pastorales Weiterbildungskonzept .............................................................. 49 3.3 Optimierung der Humanressourcen .......................................................................... 50 3.3.1 Vertrauen baut nicht auf Paragraphen .............................................................. 51 3.3.2 Teamrollen in der kirchlichen Arbeit .................................................................. 53 3.3.3 Spezialist oder Führungskraft ............................................................................. 61 3.3.4 Eine Charta Humana kirchlicher Arbeitseffizienz .............................................. 62 3.4 Die unerreichbare Vision vom Empowerment .......................................................... 65 3.5 „Dürfen Dürfen“ als Zeichen der Zeit ........................................................................ 68 4 DER MENSCH IM MITTELPUNKT ....................................................................................... 72 4.1 Mitarbeiterbedürfnisse kennen ................................................................................ 72 4.2 Charismen verpflichten ............................................................................................. 74 4.3 Kompetenzen für den kirchlichen Dienst .................................................................. 76 4.4 Der richtige Schlüssel zum richtigen Schloss ............................................................. 80 5 5 LEADERSHIP UND SPIRITUALITÄT ..................................................................................... 83 5.1 Zufriedenheit und Engagement ................................................................................. 83 5.2 Der Mensch vom Kostenfaktor zum Erfolgsfaktor .................................................... 87 5.3 Der Mensch als Ebenbild Gottes im Arbeitsalltag ..................................................... 89 5.4 Der Gnade freien Raum lassen .................................................................................. 91 6 RESUME UND AUSBLICK ................................................................................................... 96 Abstrakt .................................................................................................................................. 101 Abstract .................................................................................................................................. 102 Abbildungsverzeichnis ............................................................................................................ 103 Bibliographie .......................................................................................................................... 104 Lebenslauf .............................................................................................................................. 109 6 Vorwort Vierzig Jahre Mitarbeit und Verantwortung im Management globaler Konzerne in Europa, Afrika, Amerika und Asien und internationale Lehrtätigkeit in den Bereichen Humanressourcen-Management, Organizational Behavior und Wirtschafts-, Unternehmens- und Arbeitsethik, sowie in den vergangenen sieben Jahren Mitarbeit in der Kirche als Diakon der Diözese Eisenstadt sind Anreiz und Anregung für mich, das Thema Führung und Leistung kirchlicher Mitarbeiter im Spannungsfeld zwischen Professionalität und Gnade aufzugreifen. Persönliche Erfahrung und bisweilen mühsame Erarbeitung einer Zusammenschau der wirtschaftlichen, politischen und wissenschaftlichen Szenarien mit der Welt des Glaubens hinterfragen in dieser Diplomarbeit die Kongruenz der beiden, in der Betriebswirtschaft und in den Management-Wissenschaften verwurzelten Begriffe von Leitung und Leistung mit der kirchlichen, und hier vor allem mit der pastoralen Wirklichkeit. Es gilt, diese persönlichen Erfahrungen zu artikulieren, zu systematisieren und in den Kontext der WeiheAmtstheologie einzuordnen. Leitungsqualifikationen und Führungspraktiken sind grenzüberschreitend zwischen profit- und non-profit-orientierten Organisationen und Institutionen, während sich zwischen dem Leistungsbegriff der kommerziellen Welt und kirchlichen Arbeitsbereichen bisweilen ein tieferer Graben auftut. Nur zu freizügig überlassen manche Mitarbeiter der Kirche den Erfolg ihrer Arbeit der göttlichen Vorsehung, ohne selbst engagiert zuzugreifen. Worte des Ignatius von Loyola bringen die These auf den Punkt: „Dies sei die erste Regel für das, was zu tun ist: Vertraue so auf Gott, als hinge der gesamte Erfolg der Dinge von dir, nichts von Gott ab; wende ihnen jedoch alle Mühe so zu, als würdest du nichts, Gott allein alles tun.“1 Wenn in diesen Ausführungen von Führungskräften, Arbeitnehmern oder Mitarbeitern im Allgemeinen die Rede ist, sind aus Gründen einer Straffheit des Textes ohne Unterschied sowohl männliche als auch weibliche Personen gemeint. 1 Diese Worte von Ignatius von Loyola werden unterschiedlich übersetzt, hier: http://www.jesuiten.org/fileadmin/Redaktion/Downloads/Ignatius-Impuls.pdf, abgerufen am 5.11.2012. 7 1 EINLEITUNG 1.1 Szenario der Herausforderung Vor dem II. Vatikanischen Konzil war das Leben der Getauften in dem Maße eingeengt, ja beschnitten, dass es ihnen verwehrt war, die in der Taufe empfangenen Charismen des Priesters, Königs und Propheten Jesus Christus zum Leben zu erwecken und glaubhaft zu erleben. Misstrauen dem einfachen Getauften gegenüber, wohlgemeinter Protektionismus der Kirchenleitung und Passivität des Volkes Gottes wurden von den Bischöfen aus der Konzilsaula verbannt, jedoch das vom Geist Gottes angebotene und von den Konzilsvätern freudig aufgegriffene Hineinwachsen in Verantwortlichkeit, Freiheit und Initiative des getauften Christen hat in den letzten fünf Jahrzehnten nicht selten demotivierende Dämpfer erfahren. Dennoch ist dieser zunächst zutiefst menschliche, dann aber auch theologische Befreiungsschlag, der vom Konzil als wertvollstes Geschenk des Gottesgeistes an alle Menschen weitergereicht wurde, nicht mehr aufzuhalten oder vielleicht sogar rückgängig zu machen. Selbst ein Vergleich der heutigen Arbeitswelt mit jener vor fünfzig Jahren, weist darauf hin, dass die Bischöfe damals nicht nur von den Zeichen der Zeit gesprochen, sondern ihnen tatsächlich auch nachgegangen sind.2 Die zwei wesentlichsten Veränderungen des in der Wirtschaft arbeitenden Menschen seit den Tagen des Zweiten Vatikanums sind zunächst die Entwicklung der Verantwortlichkeit für den Erfolg einer Organisation – wie immer dieser auch definiert sein mag – vom autoritären Führen und Leiten hin zur Verantwortung aller Mitarbeiter, und zweitens die stärkere Betonung der Teamarbeit – aus welchen Notwendigkeiten auch immer – anstelle des Bemühens der Person als Einzelkämpfer. Versteht sich das pilgernde Volk Gottes mit seiner streng hierarchischen Führungsstruktur, also die Kirche Jesu Christi, als Non-Profit-Organisation oder „religiös begründete Dienstgemeinschaft“3, die die Veränderungen der Arbeitswelt mitvollzieht oder muss sie aus ihrer göttlichen Sendung heraus dieser Welt einen besonderen Akzent aufprägen? Oder bedarf es nicht eher der Integration beider Vollzüge? 2 Vgl. Gaudium et Spes, Art. 4. Hengsbach vermeidet für die Kirche die wirtschaftswissenschaftliche Wesensbezeichnung „Dienstleistungsgesellschaft“ und spricht eher von einer „religiös begründeten Dienstgemeinschaft“. Vgl. Hengsbach, Das Kreuz mit der Arbeit, 206-219. 3 8 Leitung und Leistung sind heute in der Wirtschaft zu Schlüsselbegriffen geworden, die die Wertschöpfung als die eigentliche Zielsetzung jeder Organisation sowohl positiv befruchten als auch ins Negative wenden können. Machen sich diesen zwei Organisationselementen unterschiedliche Vorzeichen zu eigen, entstehen Spannungen, in deren Folge menschliche Wertschätzung aller Stake-holders von Wertminderung und -zersetzung abgelöst werden kann. Die Frage des Autors, der über viele Jahre Führungspositionen in der Wirtschaft innehatte, schließt an diesen Gedanken an: Was kann die Kirche heute aus den Erfahrungen der Wirtschaft für ihren hierarchisch gestuften Leitungsauftrag lernen? Wie kann sie das Volk Gottes in einer Welt, die ihr geistig-geistlichen Navigationssystems vielfach ausgeschaltet hat, auf dem Weg zum Reich Gottes begleiten und die Tore zu diesem für alle Menschen stets offen halten? Zunächst ein Blick auf die heutige profit-orientierte Arbeitswelt: In ihr sind Führungsqualifikation, Kompetenz- und Change-Management, Rationalisierung, Produktivitätssteigerung und Personalreduktion, Arbeitsstress und Burnout, Leistungsdruck und Ressourcenoptimierung, Kundenorientierung und Qualitätssicherung nicht nur betriebliche Schlagworte, sondern alltägliche Realität geworden. So sagten in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts Ökonomen voraus, dass unsere Arbeitswoche am Beginn des dritten Jahrtausends nur mehr dreißig Stunden zählen und uns damit auch mehr Freizeit zur Verfügung stehen würde. Ein schneller Blick auf die heutige Arbeitswelt ernüchtert allerdings. Es scheint so, als arbeiteten heute über die Hälfte der Berufstätigen mehr als fünfzig Stunden pro Woche, während die anderen ohne Job sind oder sich ihren Lebensunterhalt in prekären Arbeitsverhältnissen erkämpfen müssen.4 Der Alltag der sozial-orientierten – oder wie es oft noch heißt: der non-profit-orientierten – Arbeitswelt und somit auch der berufliche Alltag kirchlicher Mitarbeiter scheint nicht wesentlich von diesem Szenario in der Welt der Wirtschaft abzuweichen. Führungsinkompetenz, Forderung nach Effizienzsteigerung und zunehmender Arbeitsdruck beeinflussen trotz des Bekenntnisses des Arbeitgebers zum christlichen Menschenbild auch im kirchlichen Bereich Zufriedenheit und Motivation der Mitarbeiter. Allerdings wird im kirchlichen Arbeitsszenario ein nicht unerheblicher Unterschied sichtbar zwischen administrativen und pastora4 Vgl. Bridges, Job Shift, VII. 9 len Rollen. Einmal abgesehen von „geschützten Arbeitsverhältnissen“5, kann beobachtet werden, dass sich die Arbeitswelten zwischen „außerhalb und innerhalb der Kirche“ dort am ähnlichsten sind, wo es um transferable jobs6 geht, also um Positionen, die eine größere employability7 in Richtung beider gesellschaftlicher Bereiche eröffnen. Den beiden, also dem profit- und dem sozial-orientierten Organisationstypus, ist jedenfalls das Streben nach Erfolg gemeinsam, wobei die Definition dieses Begriffs natürlich unterschiedlich ausfallen müssen wird. Reflexion und Analyse des Begriffs ‚Erfolg‘ wird jedoch nicht ohne Bezug auf menschliche Leistung auskommen, ein organisatorischer Aspekt, der wiederum eng von der Führung einer Institution abhängt und mit dieser verknüpft ist, sowohl in der Wirtschaft als auch im kirchlichen Umfeld. 1.2 Zielsetzung und Hypothese der Arbeit Der vor etwa fünfzig Jahren begonnene quantitative Rückgang an Männern, die ihr gott- und menschensuchendes Lebensmodell in die tradierten kirchlichen und damit auch priesterlichen Strukturen zu integrieren bereit waren, musste logischerweise auch wesentliche Auswirkungen auf die ausgewogene Auswahl kirchlicher Führungskräfte vom Dienstamt des Pfarrers bis hin zum Bischofsamt mit sich bringen. Damit steht das kirchliche Leitungsamt zunehmend im Bewusstsein und auch der Kritik der Glaubenden, darüber hinaus aber auch im Blickpunkt der nicht stets kirchenfreundlichen Medienöffentlichkeit. Kritische Stimmen in der Kirche weisen heute vielfach darauf hin, dass sich nicht die Kirche selbst, sondern die Kirchenleitung in einer Krise befinde. Wenn diese nicht mehr wegzuleugnende Thematik hier 5 Der Begriff "Geschützte Arbeit" bezeichnet einen geförderten Arbeitsplatz auf dem freien Arbeitsmarkt, wobei unter "Geschützter Arbeit" Unterstützungen wie Integrationsbeihilfe, Lohnkostenzuschuss oder Kündigungsschutz verstanden werden. Vgl.https://www.usp.gv.at/Portal.Node/usp/public/content/ mitarbeiter/arbeit_und_behinderung/geschuetzte_arbeit/1284.html, abgerufen am 17.10.2012. 6 Transferable jobs sind solche Rollen, die über die Grenzen eines speziellen Unternehmens oder einer Branche am Arbeitsmarkt vorhanden und angeboten werden, z.B. die Position eines Buchhalters ist sowohl in einem Industrieunternehmen wie in einem Ordenskrankenhaus oder einem bischöflichen Ordinariat zu finden. 7 Der Begriff employability wird heute gerne von Politikern und Ökonomen aufgegriffen und wird am besten mit Anstellungsfähigkeit, Verwendbarkeit im oder Fitness für den Arbeitsmarkt übersetzt. (Vgl. dazu Paul F. Röttig, Fitness für den Arbeitsmarkt. Ein praktischer Leitfaden und Ratgeber für Berufsauswahl, Einstieg und Wiedereinstieg, Sicherung des bestehenden Jobs, Strategien nach dem Job-Verlust, Wien 1994). 10 auch nicht direkt angesprochen wird, so steht sie dennoch in einem logischen Naheverhältnis zur Frage, wie Leitung und Leistung in der Kirche einander begegnen. Die Arbeit wird von der Hypothese einer überholten Überbetonung nicht nur der Leitungsstruktur, sondern auch der Leitungsstrategie der Kirche zur These der notwendigen professionellen Leistung in der Kirche führen, wobei der eigentliche betriebswirtschaftliche Aspekt der Kirche als sichtbare Versammlung8 in dieser Welt nur am Rande erwähnt, die pastorale Wesensaufgabe jedoch im Vordergrund der Überlegungen stehen soll. Der klassische Dreierschritt des „Sehens, Urteilens und Handelns“9 wird dazu dienen, diese Arbeitshypothese zu untermauern. Das Sehen wird das Szenario von Führung und Leistung in Gesellschaft und Kirche aufgreifen, deren Stärken und Schwächen im Licht des Auftrags der Kirche von Jesus Christus her beleuchten und beurteilen und schließlich notwendige und mögliche Handlungsalternativen und -optionen aufzeigen. Kurz gesagt: Es geht darum, was die Kirche von der Welt der Wirtschaft und des Managements für ihren Sendungsauftrag in den Bereichen von beauftragter Leitung und angestrebter Leistung lernen kann. Wo gibt es im menschlichen Hinführen zum gemeinsamen Erfolg Parallelen zwischen der Wirtschaft und der Kirche? Wo sind Unterschiede zu erkennen? Gibt es Bereiche, in denen die Kirche von Management und Leadership der Welt etwas lernen? Im Unterschied zur Leitung und zu Leitungsfragen in der Kirche, die bisweilen selbst Themen der Politik und der Wirtschaft ihre Alltagsaktualität stehlen, herrscht über den Begriff der vom Menschen und der Institution Pfarre oder Diözese erbrachten Leistung in der Kirche vielfach verlegenes Stillschweigen oder bewusstes Verdrängen hin auf eine pastorale und theologische Ebene. Auf Grund des gesetzlich geregelten finanziellen „Mitgliedsbeitrags“ wird gerade noch die Leistung aus der sakramentalen oder karitativen Versorgungsperspektive der Institution Kirche für die einzelnen Lebensumbrüche eingefordert. Von der individuellen Leistung des pastoralen Mitarbeiters oder der pastoralen Mitarbeiterin wird aber selbst in kirchlichen Kreisen kaum gesprochen und diese in den seltensten Fällen tatsächlich eingefordert. Wenn überhaupt von Leistung die Rede ist, dann eher in administrativen Arbeitsfel- 8 Vgl. Lumen Gentium, Art. 8. Vgl. Pock, Unterlagen zur Vorlesung „Fundamentalpastoral“ an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien, WS 2011/12. 9 11 dern, kaum jedoch bei Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen in pastoralen Bereichen der Kirche. Offensichtlich ist eine solche „freie Rede“ über erwartete oder erbrachte Leistung genauso schwierig und bisweilen peinlich und unbeholfen wie zu den Zeiten der Apostel. Paulus hat es einmal im 2. Korintherbrief versucht: Eigenlob wollte er dabei vermeiden, das widerstrebte ihm. Und so griff er zur Ironie und der Form der so genannten Narrenrede: „Jetzt bin ich wirklich ein Narr geworden; ihr habt mich dazu gezwungen. Eigentlich sollte ich von euch gerühmt werden; denn in nichts bin ich hinter den Überaposteln zurückgeblieben, obgleich ich nichts bin. Das, woran man den Apostel erkennt, wurde mit großer Ausdauer unter euch vollbracht: Zeichen, Wunder und machtvolle Taten.“(2 Kor 12,11-12) Im ersten Teil dieser Ausführungen (2. Kapitel) wird an Hand des „Hirten als Leader und Diener“ eine Abgrenzung zwischen den Begriffen Leitung und Leistung in betriebswirtschaftlichen und pastoralen Arbeitsbereichen versucht, ohne die sich keine klaren Antworten auf die Frage nach dem Spannungsfeld zwischen diesen beiden Begriffen im kirchlichen Bereich erarbeiten ließen. In der Standortbestimmung des 3. Kapitels wird der Blick auf die sich im Wandel begriffene Arbeitswelt geöffnet, die auch vor kirchlichen Institutionen und deren organisatorischen Einheiten nicht Halt macht. Anlehnend an Erfahrungen aus Wirtschaft und Management wird im 4. Kapitel die Frage nach den Bedürfnissen des Menschen und den Zielen der Organisation aufgegriffen und die Relevanz der Antwort auf diese Frage auf das konkrete kirchliche Umfeld bezogen, um im 5. Kapitel die Spiritualität der Leitung in der Kirche als Klammer der spannungsgeladenen Elemente von Leitung und Leistung darzustellen. Dabei wird das besondere Ineinandergreifen von Zufriedenheit und Engagement von Mitarbeitern in kirchlichen Positionen zu beleuchten sein. Abschließend wird in der Zusammenfassung (Kapitel 6) auch auf die zwingende Frage eingegangen, wie dem offensichtlichen Defizit professioneller Pastoral in Zukunft entgegengetreten werden kann, wer dafür die Verantwortung trägt und wie damit die Kluft zwischen Theorie und Praxis pastoralen Denkens und Handelns verringert werden könnte. Die Kernfrage der Arbeit berührt den uralten Disput des Christmenschen zwischen „Gnade und Kompetenz“, der von der systematischen und praktischen Theologie im Laufe der Geschichte, von Paulus bis Martin Luther, immer wieder unter anderen Akzentsetzungen aufgegriffen wurde. 12 Salomon legt dem Pilger, der zum Tempel des Herrn in Jerusalem zieht, im Wallfahrtslied die Worte auf die Lippen: „Wenn nicht der Herr das Haus baut, müht sich jeder umsonst, der daran baut.“ (Ps 127,1) Widerspricht hier etwa Paulus, wenn er seiner Gemeinde in Korinth schreibt: „Wisst ihr nicht, dass die Läufer im Stadion zwar alle laufen, aber dass nur einer den Siegespreis gewinnt? Lauft so, dass ihr ihn gewinnt.“ (1 Kor, 9,234) Das Konzept einer Pastoral Leadership im eigentlichen Wortsinn10, also die systematische Hinführung zu einer glaubhaften pastoralen Führung in der kirchlichen Arbeit wird zwar in dieser Arbeit immer wieder an- und durchklingen, geht jedoch über das Thema des Konnexes von kirchlicher Leitung und Leistung hinaus. 10 Vgl. Röttig, Paul F., Pastoral-Management. Sich selbst managen und andere in der Kirche führen, in: Augustiner-Chorherren, Jahrbuch 2010, Klosterneuburg, 29-38. 13 2 DER HIRTE ALS LEADER UND DIENER Gerade deshalb, weil die Thematik der Leitung in der Kirche heute innerhalb und außerhalb der Kirchenmauern breit kommentiert, diskutiert und kritisch betrachtet wird, bedarf es einer klaren Begriffsdefinition, die sich einerseits auf die kirchliche Tradition stützt und diese im Kontext des heutigen Kirchenverständnisses hinterfragt, sich jedoch andererseits von heutigen betriebswirtschaftlichen und Management-Prämissen11 nicht vollkommen loslösen können wird. Im Gleichnis vom Wachsen der Saat (Mk 4, 26 -29) vergleicht Jesus das Reich Gottes mit einem Mann, der abends seinen Samen auf den Acker streut, sich dann zur Ruhe legt und am nächsten Morgen eigentlich nicht weiß, wie der Same gekeimt, gewachsen und zum Korn in der Ähre gereift ist. So stellt sich hier die Frage, wer denn in diesem Fall eigentlich das Heft in der Hand hat: der Mann, der das Korn am richtigen Ort und zur richtigen Zeit in den Boden legt, oder der, der es zur Ähre heranwachsen lässt, ohne dass der Sämann letztlich etwas dazu kann. Diese Parabel baut eine einsichtige Brücke zwischen dem Tun des säenden Mannes und der Leistung, die dieser sich am Ende des Wachstumsprozesses erwartet. Verlangt wird von ihm, das Richtige zu tun, dann kann auch die Natur, wie Sonne und Regen, das Ihre dazu beitragen, damit die Arbeit schlussendlich Erfolg zeitigt, also zu einer Leistung führt, über die sich der Mann mit seiner Familie dann freuen kann. Letztlich begründen sich Aussaat und Ernte im Streben nach höherer Wertschöpfung für den Menschen. Leitung innerhalb der Kirche, insbesondere Leitungskompetenz und Leitungsprofessionalität stehen heute, vor allem nach den bitteren Erfahrungen der vergangenen Jahrzehnte über sexuelle Missbräuche kirchlicher Mitarbeiter und über undurchsichtige finanzielle Machenschaften der Kirchenverwaltung im Rampenlicht der Öffentlichkeit. Andererseits beschäftigt Menschen die Frage der Leistung der Kirche eher und oft ausschließlich in Richtung finanzieller Leistung der Glaubenden und der daraus resultierenden Verwendung der Gelder inner11 Im alltäglichen Sprachgebrauch wird die notwendige Differenzierung zwischen Ökonomie, in diesem Fall Betriebswirtschaft, und Management oft nicht beachtet. Während Ökonomie oder Wirtschaft „die Gesamtheit aller Einrichtungen und Handlungen, die der planvollen Deckung des menschlichen Bedarfs dienen“ verstanden wird, (http://de.wikipedia.org/wiki/Wirtschaft, abgerufen am 21.11.2012) kann Management „sowohl Leitungsfunktionen in Unternehmen und Organisationen bezeichnen, als auch die Personen, die diese Funktionen ausüben und entsprechende Managementkompetenzen benötigen.“ (http://de.wikipedia.org/wiki/Management, abgerufen am 21.11.2012). 14 halb der Kirche. So geht es dabei eher um administrative Belange, während die Frage nach Leistung im pastoralen Bemühen verschwindend oder überhaupt nicht artikuliert wird, weil die Aufgabe der Kirche ja eher aus einem Parat-Stehen für Lebenswenden gesehen wird, d.h. einer Dienstleistung für den Menschen, die jedoch nicht immer als Element des Hinführens und der Begleitung auf dem Weg ins Reich Gottes im Bewusstsein pastoraler Mitarbeiter präsent ist. Ansonsten würde in vielen Fällen deren persönliches Engagement und bewusstes Abholen der Betroffenen glaubhafter geschehen und gelebt werden. Haupt- wie nebenamtliche Mitarbeiter in der Pastoral vermeiden es zudem, über ihre Leistung zu sprechen. Die Ursachen dafür sind vielfältig zu orten: sie mögen es vielleicht niemals gelernt haben oder es fehlt ihnen eine präzise wertemehrende Zielsetzung, worauf weiter unten eingegangen wird, oder sie sind trotz intensivem persönlichen Einsatz für das Reich Gottes vom radikalen Schrumpfen ihrer immer kleiner werdenden Herde so enttäuscht und demoralisiert, dass sie das Thema Erfolg ganz und gar aus ihrem Bewusstsein gestrichen haben. 2.1 Kirchliche Leitung als Dienst und Amt Der 1909 in Wien geborene und bis zu seinem Tod im Jahr 2005 in Clairmont in Kalifornien lehrende US-amerikanische Management-Wissenschaftler und Ökonom Peter F. Drucker, mit dem der Autor dieser Arbeit am Beginn der 90er-Jahre in der von diesem erfrischenden österreichischen Denker getragenen Clairmont Graduate University Gespräche führte, hatte in seinem Büro einen Poster mit einer seiner markantesten Fragen hängen, den ihm seine eigenen Studenten in Gold rahmten: „What business are you in?“ Was ist Deine Aufgabe? Was wird von Dir erwartet? Drucker, der die größten globalen Organisationen, auch die katholische Kirche in Führungsfragen beraten hatte, krönte seine Lebensarbeit mit dem Spätlingswerk „Managing The Non-Profit Organization“.12 Professor Drucker plädiert für kirchlichen Mut, die vor eineinhalbtausend Jahren definierten Strukturen zu durchbrechen und moderne Managementmethoden zu adaptieren. Die Kirche spreche, schreibe und verteidige häufig 12 Drucker, Peter F., Managing the Non-Profit Organization, Oxford 1995. 15 Fragen ihres hierarchisch-gestalteten Leadership-Systems, enthielte sich jedoch geschickt der Diskussion über das heikle Thematik der Leistung ihres Tuns und Lassens.13 Im Unterschied zum Begriff der Leistung, die in theologischen und somit auch pastoralen Diskussionen vielfach als Tabu betrachtet wird und damit unausgesprochen bleibt, beschäftigen sich mehr oder minder alle theologischen Disziplinen mit der Leitung, sei es dem Leitungsamt, der Leitungsgewalt und der Leitungsvollmacht als solche, der Leitung der Gesamtkirche oder einer Ortskirche, dem Leitungsmodell für Pfarren und vielen Leitungsaspekten mehr. Im Lexikon für Theologie und Kirche definiert Andreas Heller zwar Leitung nicht, weist jedoch darauf hin, dass die Theologie der Leitung in der Praktischen Theologie noch zu wenig aufgearbeitet ist14. Das mag auch der Grund dafür sein, dass viele Theologen und Leitungspersönlichkeiten in kirchlichen Ämtern bei Fragen der Leitung betriebswirtschaftlichen Parallelen skeptisch gegenüberstehen oder sie geradewegs ablehnen15. Über Leitung in der Kirche kann nicht gesprochen werden, ohne sie im Licht des kirchlichen Dienstes und Amtes zu sehen. So ist zwar jedes beauftragte und übernommene Amt in der Kirche ein Dienst für Gott an den Menschen, aber nicht jeder Dienst muss durch ein Amt in der Kirche legitimiert sein16. Da Christus das Haupt der Kirche (Eph 1,22 und Kol 1,18) und somit der einzige Bezugspunkt amtlichen Handelns in der Kirche ist, muss Christus auch als der einzige, alleinige und letztverantwortliche Leiter der Kirche gesehen sein. Was die Kirche allerdings immer wieder, auch heute vergisst, ist die Tatsache, dass Christus seinen Aposteln seine Leitungsgewalt delegiert hat. Vertrauen in den einen Hirten Jesus Christus heilt Wunden des Misserfolgs und macht Mut zum Weitergehen, Ausreden auf ihn als letztverantwortlichen Hirten kann nur zu pastoraler Apathie führen. Denn dieses von Jesus begründete Amt haben die Apostel hierarchisch abgestuft, aber nicht abgewertet oder abwertend in den drei Weihestufen des Bischofs, Priesters und Diakons verpflichtend weitertradiert. Der Bischof handelt und leitet seine Ortskirche in der Person Christi, der Priester seine ihm anvertraute 13 Wiedergegeben aus einem persönlichen Gespräch des Autors mit Professor Peter Drucker in Los Angeles im Jahr 1992. 14 3 Vgl. Heller, Leitung, in: LThK , Bd. 6, 803. 15 Vgl. ebd. 16 Demel, Handbuch Kirchenrecht, 51. 16 Gemeinschaft, Gemeinde oder Pfarre. Bischof Franz-Josef Bode von Osnabrück weiß die Hilfe zu schätzen, die er von seinen Priestern und Diakonen erhält: „Immer wieder spüre ich, wie sehr ich als Bischof auf den Dienst der Priester und Diakone angewiesen bin. Was wäre der Bischof, wenn es dieses ganze Netzwerk der Pastoral in seinem Bistum nicht gäbe! Der priesterliche und diakonale Dienst, also der geweihte Dienst, ist unersetzlich in der Kirche. Das ist eine theologische Selbstverständlichkeit, doch manchmal wird sie heute in Frage gestellt. Dieser Dienst ist so unersetzlich wie das Heilsgeschehen der Eucharistie selbst.“17 Ein begriffliche Trennung von Leiten und Führen wird in der Wirtschaft eher vermieden und sollte auch im pastoralen Bereich nur mit Vorsicht verwendet werden. Führen hat gewiss mehr die Richtung und das eigentliche Ziel des gemeinsamen Weges im Blickpunkt, während Leiten mehr im Sinn des Begleitens eines Weges interpretiert werden kann. Menschen, Prozesse und Entwicklungen zu begleiten ohne zu wissen, wohin der Weg eigentlich führt, kann allerdings schnell in eine Sackgasse führen. Letztlich wird es auf die situative Reife des Menschen ankommen, ob eine Führungskraft mehr den Aspekt des Leitens oder des Führens an den Tag legen muss.18 Die Theorie der Notwendigkeit einer situativen Führung von Mitarbeitern, die vor mehr als vierzig Jahren von zwei amerikanischen Organisationspsychologen entwickelt wurde, unterscheidet je nach deren aufgabenorientierter menschlichen Reife19 zwischen explanativer Anordnung am einen Ende und unausgesprochener Delegation am anderen Ende eines Arbeitsprozesses; das heißt: Mitarbeiter, die das Können für eine auszuführende Tätigkeit nicht mit sich bringen, zugleich aber auch nicht tätig werden wollen, brauchen eine vorzeigende und vorschreibende („diktatorische“) Führung, während jenen Mitarbeitern, die der gestellten Aufgabenerfüllung mächtig und auch willens sind, diese zu gestalten, die volle Verantwortung ohne explizite Instruktion delegiert werden kann. In der kirchlichen Arbeit sind diese Unterschiede von Leitungs- oder Führungsstilen kaum bekannt, aber auch nicht gesucht. Auf Grund des personellen Mangels werden heute neugeweihte Priester sehr schnell in Führungspositionen gehievt, während langjährige Seelsorger von Vorgesetzten oft sehr verletzend als pastorale Lehrbuben zurechtgewiesen werden. 17 Bode, Priester, 81. Vgl. Hersey / Blanchard, Management of Organizational Behavior, 159-188. 19 Vgl. ebd.: Psychologische Arbeitsreife gründet in Können und Wollen, Unreife im Nicht-Können, gepaart mit Unwillen; dazwischen gibt es aber auch den Willen zur Arbeit ohne die Fähigkeit zur Aufgabenerfüllung und das Können ohne den persönlichen Willen, etwas durch- oder auszuführen. 18 17 Ohne Zweifel hat die mangelnde personelle Professionalität auf pfarrlicher und diözesaner Ebene ihre Wurzeln in der intransparenten und fragwürdigen Bestellung kirchlicher Schlüsselpositionen, was selbst von grundsätzlich wohlgesinnten Medien und Journalisten kritisch artikuliert wird20. 2.2 Leistung zwischen Zwang und Gnade Profit-orientierte Unternehmen sind per definitionem leistungsorientiert. Wird der Begriff Leistung allerdings hinterfragt, verflüchtigt sich dieser nicht selten. Auf wesentliche Verständnisfragen bleiben sowohl Führungskräfte als auch Mitarbeiter Antworten schuldig, vor allem auf die Frage an Vorgesetzte, was sie wohl Besonderes geleistet hätten, dass sie für eine bestimmte Führungsposition ausgewählt wurden. Aber auch andere, auf die Unternehmensleistung als solche oder auf die speziell individuelle Leistung bezogene Fragen bleiben eher unbeantwortet, wie beispielsweise:  Welche Leistung erwartet Ihr Unternehmen von Ihnen?  Spricht Ihr Vorgesetzter mit Ihnen über Ihre Arbeitsleistung?  Planen Sie Ihre Leistung oder überlassen Sie diese dem Zufall?  Wissen Sie, was Sie selbst zur Unternehmensleistung beitragen sollen oder können?  Planen Sie mit Ihrem Vorgesetzten die Leistung, die für Ihre Position von Bedeutung ist?  Wird Ihre Leistung gemessen und wenn ja, wie?  Erhalten Sie Feedback, wenn Ihre Leistung nicht den Erwartungen entspricht?  Setzen Sie sich persönliche Ziele für Ihren Arbeitsbereich? Erhalten Sie professionelle Hilfe, wenn Sie spüren, dass Sie Ihr vereinbartes Ziel gefährdet sehen?  Sind die gesetzten Ziele auch messbar? Arbeiten Sie mit einer Zielvereinbarung?  Wird Ihre Leistung auch fair belohnt? 20 Nach der Lektüre der „Vatileaks“-Papiere durch Barbara Coudenhove-Kalergi hält die tschechischösterreichische Journalistin im ‚Der Standard‘ vom 19. Oktober 2012 ihre Meinung über die Führungsfähigkeit des Papstes und der Römischen Kurie nicht zurück: „Das Bild, das sich ergibt, ist das einer heillos überforderten Führungsmannschaft und eines Papstes, der sich lieber seinen gelehrten theologischen Studien widmen würde als den Intrigen und Querelen seiner Kurie.“ 18  Leisten Sie sich tatsächlich nur das, was Sie selbst geleistet haben? Oder leisten Sie sich Ihr Leben oder Teile davon auf Kosten anderer? 21 Unternehmensleistung schwebt nicht im Organisationsvakuum, sondern muss als Resultat persönlicher Leistung einzelner Mitarbeiter gesehen werden. Kann die sichtbare Versammlung der irdischen Kirche in ihrer Wesensbeschaffenheit als geistliche Gemeinschaft22 in Anspruch nehmen, ohne der der menschlichen Gesellschaft zugrunde gelegten Leistungssysteme arbeiten zu können? Oder gelten für sie deshalb, weil sie als Kirche ja auch gleichzeitig eine sichtbare Versammlung von Menschen ist, ähnliche Leistungsparameter wie für profitorientierte Unternehmen? Kann oder darf die Kirche Christi mit Parametern menschlicher Leistung arbeiten? Können oder müssen sich kirchliche Mitarbeiter nicht ebenfalls solche und ähnliche Fragen stellen? Sind kirchliche oder kirchennahe Leistungen überhaupt messbar?23 Betriebspsychologen weisen darauf hin, dass Arbeitsleistungsmodelle nur dann glaubhaft funktionieren können, wenn die entsprechenden „weichen und harten“ Leistungsfaktoren berücksichtigt werden: d.h. wenn einerseits eine Vertrauensbasis zwischen dem Vorgesetzten und seinem Mitarbeiter vorhanden ist und andererseits die Messbarkeit der erbrachten Leistung24 garantiert ist. Menschliche Leistung setzt dort, wo es um eine Wertsteigerung geht, Messbarkeit und vielfach, jedoch nicht immer, auch Vergleichbarkeit mit anderen Leistungen oder Leistenden voraus. Mag sein, dass die Kirche nur in administrativen Bereichen, wie beispielsweise in einer Liegenschaftsverwaltung, im Finanzmanagement, in der Buchhaltung oder im Controlling mit quantitativen Größen arbeiten kann und will, im pastoralen Aktivitäten jedoch nur qualitative Ziele sieht, die für sie nicht messbar erscheinen, zumindest bis zum Zweiten Vatikanum, in dem die Kluft zwischen „weltlicher Welt und kirchlicher Gemeinschaft“ dadurch überwunden wurde, dass die Welt die Kirche braucht, aber auch die 21 Solche und ähnliche Fragen hat der Autor in seiner Beratungstätigkeit immer wieder an Führungskräfte profit- und sozial-orientierter Unternehmen und Institutionen gestellt, um deren Einstellung zur persönlichen Leistung und damit zu der der gesamten Organisation zu sensibilisieren. 22 Vgl. Lumen Gentium, Art. 8. 23 Fragen dieser Art stellt sich Martin Mertes in seinem Buch „Controlling in der Kirche. Aufgaben, Instrumente und Organisation dargestellt am Beispiel des Bistums Münster“, Gütersloh 2000. Darin beleuchtet der Autor die ökonomischen Probleme, die im vermehrten Ausmaß auf die Kirche zukommen, und weist darauf hin, dass sich die Kirche bisher mehr oder weniger die Methoden des Marketing, nicht aber die betriebswirtschaftlichen Steuerungsmechanismen des Controlling angeeignet habe. 24 Vgl. Mathis / Jackson, Human Resource Management, 391. 19 Kirche ohne Welt ihre Existenzberechtigung verliert25. Kardinal Franz König erinnerte am 17. Jänner 1966, ein Monat nach dem Ende des Konzils, bei seinem Vortrag im Auditorium Maximum der Universität Wien an die Pflicht und Möglichkeit der Glaubenden, von ihren Hirten nach der Klarstellung der Rolle des Bischofskollegiums26 ihre Verantwortung einzufordern: „Das katholische Volk kann jetzt die Bischöfe daran erinnern, dass es in vielen Dingen nun in ihrer Hand liegt, wenn etwas geschieht oder wenn etwas nicht geschieht.“27 Was heißt das anderes als die Hirten des Volkes Gottes daran zu erinnern, dass sie selbst die Worte des Geistes Gottes in der Konzilsaula in einer Leistungsvereinbarung für ihre eigene apostolische Rolle nicht nur für ihre Ortskirche, sondern auch für die Gesamtkirche verpflichtend formuliert haben? Auf diesem Hintergrund wird die klischeehafte Replik der Bischöfe auf gewisse Anliegen des Volkes Gottes zumindest unverständlich, wenn nicht gar unglaubwürdig: Ihre Hände seien gebunden, weil dies oder jenes Anliegen nur die globale Kirche lösen könne. So als verstünden sie nicht, dass sie selbst Teil dieses katholischen Kollegiums, d.h. der globalen und allgemeinen Kirche wären. Bei so manchem Bischof, der die Herde Gottes mitleitet, hat sich noch nicht durchgesprochen, dass er sich nicht selbst kontrollieren kann, sondern Gottes Geist im gesamten Volk Gottes sein oberster irdischer Kontrolleur ist. Martin Mertes spricht (in seinem wohlbemerkt eher betriebswirtschaftlichen Werk28 mit dem Blick auf die Diözese Münster) von einem Leistungsprogramm der Kirche, das sich nach den drei Grunddiensten der Kirche in drei Leistungsdiensten unterteilt: 1. Verkündigungsleistungen wie Gottesdienste und alle nicht-gottesdienstliche Leistungen wie Bibelgruppen, religiöse Jugendgruppen und ähnliche Angebote; 2. Heilungsleistungen (Sakramente) wie Taufen, Eucharistie, Erstkommunion, Firmung, Eheschließung, Bußsakrament, Krankensalbung und Priesterweihe; 3. Caritas (sozial-karitative Leistungen) wie Leistung kirchlicher Bildungsarbeit, Erziehungsleistungen, Begleitung Kranker und Bedürftiger etc. 25 Vgl. Gaudium et Spes, vor allem Art. 40-45. Vgl. Christus Dominus, Art. 4-7. 27 Kardinal Franz König, Es genügt nicht mehr, Lehrsätze einfach zu wiederholen. Wortlaut eines Vortrags von Kardinal Franz König im Jahr 1966 im Auditorium Maximum der Universität Wien zur ‚Bilanz des Konzils‘ (Zweiter Teil), in: Kathpress-Infodienst, Nr. 536, 19. Oktober 2012, 10. 28 Mertens, Controlling in der Kirche, 81-94. 26 20 Mit dieser Systematisierung wird der Leistungsbegriff von Mertens allerdings wieder in Bahnen gelenkt, die eher in Richtung einer Versorgungskirche weisen, die ihrerseits die persönliche Leistung des pastoral Verantwortlichen auf die Dienstleistungsebene einer Art von rein weltlicher Organisation reduziert. Nicht die konsumenten-orientierte Versorgungsleistung kirchlicher Mitarbeiter soll in dieser Arbeit unter die Lupe genommen werden, sondern der Sendungsauftrag des Guten Hirten an seine Apostel: „Geht hinaus in die ganze Welt, und verkündet das Evangelium allen Geschöpfen!“ (Mk 16,15). Während die Bischofssynode anlässlich des 50. Jahrestags des Beginns des Zweiten Vatikanums im Oktober 2012, an der 260 Bischöfe und 140 Berater und Beobachter teilnahmen, wies der Erzbischof von Wien, Kardinal Christoph Schönborn, auf die Aufgabe der Evangelisierung hin: „Es sei viel die Rede davon gewesen, was ‚man‘ oder ‚die Kirche‘ tun solle, ‚aber wenig wurde darüber gesprochen, was wir selber als Bischöfe erfahren haben in Sachen Evangelisierung und wie wir diese Herausforderung aufnehmen sowie welche Erfolge oder Misserfolge wir damit erleben“29. Zwar wird in dieser Selbstreflexion das Wort „Leistung“ von Kardinal Schönborn nicht in den Mund genommen, aber die Frage nach Erfolg oder Misserfolg lässt keinen Zweifel daran, dass es hier tatsächlich auch um die Kunst des Leitens und deren Frucht der Leistung geht. Der Gute Hirte, der auch das Haupt der Kirche ist, lässt seine Herde niemals verantwortungslos im Stich. Er geht dem verlorenen Schaf nur dann nach, wenn er die neunundneunzig behütet weiß und nicht in Gefahr sieht. (vgl. Mt 18, 12-14; Lk 15,4-7) 2.3 Die Vorbildfunktion des Guten Hirten In der Rede über kirchliche Leitungsfunktionen, deren letzter Sinn und Zweck die gemeinsame Pilgerreise durch diese Welt mit dem angestrebten Ziel des Reiches Gottes ist, kann das biblische Bild vom Guten Hirten als persönlicher Leitfaden und wegweisende pastorale Roadmap nicht übergangen werden. Der Darstellung des hirtlichen Bildes in diesem Ab- 29 Bischofssynode: Versuch einer „Halbzeitbilanz“, in: Kathpress-Informationsdienst Nr. 536, 19. Okt. 2012, 4. 21 schnitt liegen die einschlägigen Ausführungen von Hermann Stenger über „Die Künste des Hirten“ im V. Kapitel seines Buches „Im Zeichen des Hirten und des Lammes“ 30 zugrunde. 2.3.1 Die Künste des Hirten nach Hermann Stenger Um ein Guter Hirte werden und sein zu können, genügt es nicht, sich nur praktische Fähigkeiten äußerlich anzueignen, sondern alle Fasern der eigenen Persönlichkeit zu mobilisieren und die notwendigen Künste des Führens, Leitens, Betreuens, Begleitens und Einflussnehmens auch zur authentischen Glaubwürdigkeit zu verinnerlichen. Bei dieser Kunst geht es nach den Worten Stengers um „die Kunst, für Leben zu sorgen (1.); die Kunst, Beziehungen zu gestalten (2.); [und] die Kunst, Macht auf rechte Weise auszuüben (3.).“31 Diese künstlerisch ganzheitliche Fähigkeit findet im biblischen Begriff des „Dienens“ des Guten Hirten Jesus für seine Schafe ihre tiefste Bestimmung und Ausgerichtetheit. Die für das Leben sorgende Kunst ist keine abstrakte, sondern eine zutiefst hervorbringende, erhaltende und fördernde – also generative – Fürsorge für das anvertraute Leben, welche sowohl elterliche, als auch mütterliche und väterliche Züge aufweist, die im biblischen Hirten-und Gottesbild erfahrbar werden. Die Aufgabe des elterlichen Menschen ist nicht auf den Schöpfungsakt neuen Lebens begrenzt, sondern schließt die Vermittlung dieses Lebens in Fülle (vgl. Joh 10,10) ganz wesentlich mit ein. Auch wenn im Ersten und im Neuen Testament sowie in der frühchristlichen Tradition (und selbst in nicht-christlichen Religionen) eher vom Bild des väterlichen Gottes gesprochen wird, begegnet doch immer wieder auch der „parentale“, d.h. der elterliche Gott: „Gott handelt zugleich ganz mütterlich und väterlich.“32 Dabei geht es nicht um ein Abhängigkeitsverhältnis, sondern um eine fürsorgende Begleitung auf dem Weg des Erwachsenwerdens zum Erwachsensein. Der mütterliche Mensch ermöglicht dem Kind eine lebensfreundliche Umwelt, lässt sich auf es ein, gibt ihm Halt, geht mit ihm aufmerksam um, bietet ihm Dinge an, die es kreativ verinnerlichen kann, vermittelt dem Kind kooperatives Verhalten und lässt ihm maßvolle mütterliche Sorge zu- 30 Stenger, Im Zeichen des Hirten und des Lammes, 173-222. Ebd. 173. 32 Ebd. 179. 31 22 kommen.33 Diese mütterliche Kunst, die auch in der in Frauengestalt dargestellten göttlichen Weisheit (vgl. Spr 14,1. 31,10-31) sichtbar wird, wurde vor allem von der feministischen Theologie im hirtlich mütterlichen Gott wiederentdeckt. Die im Neuen Testament von Jesus vermittelten väterlichen Züge im Hirten- und Gottesbild sind der heutigen Theologie eher zugänglich als seine elterlichen und mütterlichen Tugenden. Die Rückbesinnung auf das „Ich bin der ‚ich-bin-da‘“ kann hilfreich sein, alle anthropomorphen Vorstellungen von Gott und seiner hirtlichen Autorität mit elterlichen, näherhin mütterlichen und väterlichen Elementen im rechten Licht zu sehen. In dem Kapitel „Die Kunst, Beziehungen zu gestalten“34 greift der Autor auf das von Paul Wess erläuterte relationale Seins- und Personenverständnis35 und auf die von Dorothea Sattler erstellte Studie über das Beziehungsdenken in der Erlösungslehre36 zurück. Die hirtliche Kompetenz basiert auf den „Beziehungen des Guten Hirten zu seinem Vater einerseits und zu denen, die sich ihm angeschlossenen haben anderseits.“37 Kommunikation zwischen dem Hirten und seinen Schafen ist für das Überleben der Herde essentiell: Er kennst sie, sie kennen ihn (vgl. Joh 10,14). Aber auch die Entwicklung der kommunikativen Fähigkeit der Seinen untereinander darf als (über)lebensnotwendiges Element nicht vergessen werden. Die persönliche Erfahrung Stengers mit dem „so genannten kontrollierten Dialog im Rahmen von Gesprächsführungskursen [und der Unterscheidung] zwischen Inhaltsaspekt und Beziehungsaspekt“38 machen den Begriff Perichorese für das menschliche Handeln anschaulich, d.h. „das Beziehungshandeln des Menschen [soll] eine Spiegelung des Beziehungshandelns Gottes“39 sein. Die drei Beziehungsqualitäten hirtlicher Kompetenz bezeichnet Stenger als „labile Errungenschaften der Person“40, die oft bruchstückhaft bleiben: (1) die bedingungslose Wertschätzung der Herde, (2) die Empathie für die Seinen, die dem Fremden nicht zu 33 Vgl. ebd. 180-185. Vgl. ebd. 190-205. 35 Vgl. Wess, Paul, Gemeindekirche – Ort des Glaubens. Die Praxis als Fundament und als Konsequenz der Theologie, Graz 1989. 36 Vgl. Dorothea Sattler, Beziehungsdenken in der Erlösungslehre. Bedeutung und Grenzen, Freiburg 1997. 37 Stenger, Im Zeichen des Hirten und des Lammes, 194. 38 Ebd. 194. 39 Ebd. 195. 40 Ebd. 205. 34 23 eigen ist, und (3) die Echtheit bzw. Transparenz des Hirten, die immer diskret und niemals indiskret sein darf. In keinem Bereich erhält der Begriff „Kunst“ des Führens oder Leitens meines Erachtens eine tiefere menschliche Bedeutung als in der „Kunst, Macht auszuüben.“41 Stenger spricht in diesem Zusammenhang von der integrierenden Leitungsmacht, der inspirierenden Führungsmacht und der milieubestimmenden Daseinsmacht. Wie schon an anderen Stellen kann der Leser aus diesen Gedanken schließen, dass sich der Autor selbst seine Überzeugung und seine Kompetenz, Macht auszuüben, auf dem Pfad des Lernens angeeignet hat, (was seine Ausführungen authentisch und ihn selbst glaubwürdig macht). Die integrierende oder vertikale Macht ist eine „verliehene“ Macht und setzt eine „genügende Übereinstimmung des Zuständig-Seins-für mit dem Fähig-sein-zu voraus.“ 42 Stengers Aussage, dass ihm „die Frage, wer leiten kann, mindestens ebenso wichtig [ist] wie die Frage, wer leiten darf“43, scheint eine der Kernherausforderungen der heutigen strukturellen Kirchensituation zu sein. Auch die Klarstellung, dass nur einer der „Herrscher“ in unserer Kirche ist, rüttelt auf; noch mehr mit dem Hinweis auf diesen „irritierenden Herrscher“, der uns die Sklaventätigkeit des Füßewaschens überantwortet hat. Die inspirierende oder horizontale Führungsmacht des bewussten und zielgerichteten Hinarbeitens auf das Geschehen in einer Gruppe liegt „potentiell in den Händen aller Mitglieder eine Gruppe.“44 Allerdings müssen diese (oft verborgenen) Führungskompetenzen ständig erweitert werden. Nicht nur in der Gesellschaft, sondern auch in der Kirche, der der Mensch als Glied des einen Leibes Christi angehört. Die milieubestimmende oder radiale Daseinsmacht „ist nicht zielgerichtet und unterliegt keiner unmittelbaren bewussten Steuerung“45, „färbt“ allerdings die Gruppe nach innen und nach außen hin. Diese unbewusste Einflussnahme des einzelnen Gruppenmitglieds, die Stenger „Daseinsmacht in Menschenhänden“ nennt46, gestaltet das menschliche Leben nicht nur indirekt, sondern kann das atmosphärische Szenario in und um die Gruppe herum auch aktiv beeinflussen und formen. Für die Daseinsmacht aus Gotteshand werden aus dem Alten Tes41 Ebd. 205-221. Ebd. 207-208. 43 Ebd. 44 Ebd. 210. 45 Ebd. 214. 46 Vgl. ebd. 214-217. 42 24 tament Moses als Anführer des Gottesvolkes und aus dem Neuen Testament Jesus selbst und die Gestalt eines emotionalen und unbeständigen Petrus erwähnt. Aus der nachbiblischen Zeit werden die Sakramente als ein Hineingenommensein in die göttliche Fülle erfahren, wobei „Christus das Ursakrament und die Kirche das Grundsakrament ist“47. Die Schlussworte Stengers klingen ernüchternd und holen zurück in die Realität des kirchlichen Alltags: „Rückblickend auf den Verlauf meiner Gedanken über die Hirtenmacht stelle ich fest, dass die Kirchlichkeit anders aussieht als mein wohlgeordnetes System.“48 2.3.2 Konsequenzen für die pastorale Ausbildung Generell gesprochen sind hirtliche Kompetenzen meines Erachtens keine Charaktereigenschaften oder Tugenden, die einen Menschen gut oder schlecht machen, sondern Fähigkeiten, die angeboren oder auch nicht angeboren sein können.49 Hirtliches Verhalten und Fähigkeiten sind lehrbar, aber nicht von allen Menschen erlernbar. Die Auffassung, dass mit der Diakonen-, Priester- oder Bischofsweihe automatisch die hirtliche Kompetenz so zusagen „mitgeliefert“ wird, ist zwar weit verbreitet, wird jedoch vielfach – begonnen vom Vatikan bis in die kleinste Gemeinde hinein – in der Praxis widerlegt. Genauso wie die Leitungs- und Führungsfähigkeit eines Pfarrers für einen Pfarrverband oft in Frage gestellt werden müssen, kann dies auch für die römische Kurie als Verwaltungsorgan der Weltkirche gesagt werden.50 Da heute vor allem in Europa und Nordamerika die „klerikalen Berufungen“ schrumpfen, gibt es für vatikanische Schlüsselpositionen kaum mehr personelle Auswahlmöglichkeiten. Galt es früher, dass nur die „hellsten Köpfe“ nach Rom gingen oder geschickt wurden, macht das der heutige Priestermangel nicht mehr möglich. Der mündige und kompetente „Laie“ aber kann und darf in der Kirche vielfach noch immer nur mit einer eher gedämpften Stimme sprechen, obwohl er in der Taufe auch das hirtliche Charisma geschenkt bekommen hat.51 47 Ebd. 219. Ebd. 221. 49 Ebd. 214. 50 Vgl. dazu die Reaktion von Barbara Coudenhove-Kalergi auf die „Vatileaks“- Affäre (s. Fußnote 20). 51 Vgl. Stenger, Im Zeichen des Hirten und des Lammes, 176-190. Sprenger spricht von der Gabe und somit der Verpflichtung zur „generativen Fürsorge“, die allen getauften Christinnen und Christen in der Taufe von Gott geschenkt und überantwortet ist. 48 25 Die für die priesterliche Berufung noch immer im frühen Lebensalter vorausgesetzte Willensentscheidung für ein zölibatäres Leben muss im Zusammenhang mit der Kunst, menschlicher und somit ganzheitlicher Hirte für andere Menschen zu werden und zu sein, ernstlich hinterfragt, wenn nicht sogar in Zweifel gezogen werden. Die Vermittlung väterlicher Züge und Vollzüge in einem ausschließlich männlich-klerikalen Umfeld erhöht die Gefahr, dass die mütterlichen Züge des Hirt-Werdens und -Seins hintangestellt oder sogar vergessen werden.52 Nachfolge Christi des Getauften kann sich nicht nur in den väterlichen Zügen 53 hirtlichen Leitens und Führens erschöpfen, sondern muss auch die mütterlichen Züge 54 hirtlichen SichEinlassens und Halt-Gebens mit einschließen, damit der „parentale“ (elterliche) Gott im Menschen Wirklichkeit werden kann. Erst die Gemeinsamkeit von „väterlicher Huld und Güte“ und „mütterlichem Erbarmen“ ermöglicht ganzheitliches menschliches Erwachsenwerden.55 Die Herausforderung theologischer und pastoraler Ausbildung liegt darin, diese drei Züge Gottes im theologischen Curriculum zu vermitteln und praktische Anleitungen zur Übersetzung dieser Charismen in die pastorale Alltagsarbeit bereitzustellen. 2.3.3 Die pastorale Sorge des Paulus von Tarsos für das Leben Der hirtliche Kommunikationsprozess des Paulus hat so zusagen vor den Toren von Damaskus begonnen. Die nicht nachtragende Liebe der Anhänger des Neuen Wegs schlägt in ihm wie ein Blitz ein, wirft ihn zu Boden und er hört die Stimme Jesu: „Saul, Saul, warum verfolgst du mich? Er antwortete: Wer bist du, Herr? Dieser sagte: Ich bin Jesus, den du verfolgst.“ (Apg 9,4b-5) Es ist Jesus, der mit seiner Frage das Gespräch mit Saul beginnt, nicht der ZuBoden-Gestürzte. Und dann die zunächst seltsam anmutende Antwort Jesu, der sich mit den von Saul verfolgten Heiligen identifiziert. Es mag sein, dass in diesem Augenblick in Paulus das Bild der Kirche als Leib Christi (vgl. 1 Kor 12,12-27) erste Gestalt angenommen hat: Wer 52 Beim Vergleich des Philosophie- und Theologiestudiums vor 50 Jahren mit der universitären theologischen Ausbildung von heute, wird in dieser Hinsicht ein enormer Fortschritt sichtbar (vor allem durch die Repräsentanz von Frauen in Fakultät und bei den Studierenden). Und dennoch sprechen wir noch immer allein von Hirten im maskulinen Genre. 53 Stenger, Im Zeichen des Hirten und des Lammes, 186-190. 54 Ebd. 180-186. 55 Ebd. 179. 26 meine Jünger verfolgt, so hört er Jesus antworten, der meint und verfolgt mich. Und damit schließt der Herr auch ein: Wer für meine Jünger sorgt und ihnen Hirte ist, der sorgt sich auch für mich, der ich als Haupt der Kirche letztlich für alle meine Söhne und Töchter die letzte pastorale Verantwortung trage. Wer kennt nicht Situationen in der Kirche, in denen Hirte und Herde neben einander herlaufen und sich eigentlich nichts mehr zu sagen haben: Dem unglaubwürdigen Hirten sind seine Schafe entglitten und die Schafe gehen ihre eigenen Wege. Communio mit und im hirtlichen Herrn ist „alles“. Damit ist nicht gesagt, dass menschliche Kommunikation auch im pastoralen Tun „alles“ wäre oder sein muss. Aber Kommunikation ist ein hirtliches Werkzeug, das Paulus in exzellenter Weise beherrscht. Das biblische Bild des Guten Hirten spricht davon, dass dieser seine Schafe mit ihren Namen ruft: „…die Schafe hören auf seine Stimme; er ruft die Schafe, die ihm gehören, einzeln beim Namen und führt sie hinaus.“ (Joh 10,3) In den Einleitungen und Schlussworten der Briefe an seine mit ihm verbundenen Gemeinden versucht Paulus, niemanden zu vergessen. Oft spricht er die Mitglieder der Gemeinde mit ihren Namen an und fordert damit auch ihre persönliche Betroffenheit für seine Worte ein.56 Kann heute Hirten in überdimensionierten Pastoralräumen der Vorwurf gemacht werden, wenn sie ihre Schafe nicht mehr einzeln zählen können 57 und ihre Namen nicht mehr kennen? Paulus ist seinen Gemeinden gegenüber kein Fremder. Er kennt seine Schwestern und Brüder und auch sie kennen ihn und er spricht sie immer als solche an. Der Gute Hirte ist ihm Vorbild: „Einem Fremden aber werden sie nicht folgen, sondern sie werden vor ihm fliehen, weil sie die Stimme des Fremden nicht kennen.“ (Joh 10,5) In Jesus Christus legt Paulus sein Fremd-Sein ab: „Deswegen suchen wir unsere Ehre darin, ihm zu gefallen, ob wir daheim oder in der Fremde sind.“(2 Kor 5,9) Der pastorale Praxisbezug allerdings lässt die Frage unbeantwortet: Suchen „moderne“ Hirten mit pastoraler Mobilität, aber ohne Nähe zu ihrer Herde, tatsächlich ihre Ehre, IHM zu gefallen? Versteht die heutige „moderne“ Pastoral das Gleichnis vom Guten Hirten genauso wenig wie anfangs die Apostel? Denn Johannes be- 56 Vgl. z.B.1 Kor 16,9; Röm 16,1.3. Vgl. dazu den Ausspruch von Johannes XXIII, zitiert in Stenger, Im Zeichen des Hirten und des Lammes, 292: „Ein guter Hirte muss seine Schafe einzeln zählen.“ 57 27 merkt: „Dieses Gleichnis erzählte ihnen Jesus; aber sie verstanden nicht den Sinn dessen, was er ihnen gesagt hatte.“ (Joh 10,6) Mit seinen Gemeinden teilt Paulus ihre Sorgen, reibt sich für sie auf, schenkt ihnen seine ganze Liebe, und es ist menschlich wohl nicht verwunderlich, dass er sich auch nach der Liebe seiner Herde sehnt: „Ich aber will sehr gern alles aufwenden und mich für euch aufreiben. Wenn ich euch so sehr liebe, soll ich deswegen weniger Liebe empfangen?“ (2 Kor 12,15) Diese menschliche Sehnsucht nach Liebe auch in der pastoralen Communio macht Paulus zu einem nachahmenswerten Role Model, ein Begriff, der heute vielleicht mehr aussagt als der traditionelle Begriff des Vorbilds. 28 3 VERÄNDERTE ARBEITSWELT – AUCH IN DER KIRCHE Die Beschleunigung der Arbeitswelt und der daraus resultierende Leistungsdruck auf den Mitarbeiter sowohl als auch auf die Führungskraft münden immer öfter, und nicht nur in der westlichen Welt, in psychosomatische und physische Sackgassen. Der Frage nach Parallelen und Relevanz dieser Entwicklung in der kirchlichen und hier vor allem in der pastoralen Arbeitswelt kann nicht ausgewichen werden, auch wenn Zielsetzung und Strukturen auf etwas ganz anderes hinweisen als im wirtschaftlichen Bemühen um vor allem finanziellen Erfolg. Ein paar Tage nach dem Ende des Zweiten Vatikanums weist Karl Rahner beim Festakt zum Abschluss des Konzils in München auf den Leitungsunterschied zwischen profaner Institution und der von Jesus Christus gegründeten Kirche hin. Er führte aus, „dass die Kirche, nicht nur in der Theorie, sondern auch wo sie konkret handelt, nicht sich selbst leitet, sondern unverwandelbar vom Geist geführt wird.“58 Diesen Geist, der die Konzilsväter geleitet hat, bezeichnet Rahner trotz aller „Menschlichkeiten, Schwächen, Borniertheiten, Wichtigtuereien…“59, die er kenne, als „Gottes Werk“60 und Geist der Freiheit. Wenn Arbeit am Reich Gottes einzig und allein Dienst am Reich Gottes ist, wie er betont, dann erübrigt sich auch die Frage nach dem, was jedes Mitglied des Volkes Gottes zu unternehmen hat, ja leisten muss, um den Menschen, der mit ihm auf den Weg ist, an das Reich Gottes heranzuführen, das sich in „Glaube, Hoffnung und Liebe zu Gott und den Menschen“61 bewahrheitet. Für Rahner verschwindet „dieser Erfolg… freilich in das schweigende Geheimnis Gottes hinein, der allein Herzen und Taten wägen kann.“62 Diese Spiritualität der Sendung der Kirche und somit des Hinbezogenseins auf Gott anstelle des einseitigen Vertrauens auf des Menschen eigene Anstrengungskraft bezeichnet Rahner als Torheit, zu der die Kirche Mut braucht, „denn sonst wäre sie nicht, was sie ist und täglich neu werden muss?“63 Ein Ort Seines nie versiegenden Gnadenflusses. Kann und darf diese Feststellung aber dazu verleiten, die eigenen menschlichen Bemühungen um ein Leben in Fülle schon hier in der konkreten Welt einfach „nach oben“ an Gott 58 Rahner, Das Konzil – ein neuer Beginn, Freiburg 2012, 26. Ebd. 27. 60 Ebd. 61 Ebd. 54. 62 Ebd. 55-56. 63 Ebd. 56. 59 29 zu delegieren? Oder verpflichtet pastorale Sendung nicht vielmehr dazu, alle Weisheiten und Ressourcen dieser Welt für das Wachstum des Reiches Gottes zu erkunden, um mit diesen geistigen und materiellen Gütern auch in der Kirche umgehen zu lernen? Der Trend vernetzten Arbeitens in Gruppen und Teams, die für ihren eigenen Arbeitsbereich auch die volle Verantwortung übernehmen, hat sich in der Arbeitswelt der meisten Wirtschaftszweige während der letzten Jahrzehnte kontinuierlich verstärkt und damit die gesellschaftsbezogene Zielorientierung menschlicher Arbeit unterstrichen. Unglücklicherweise ist dieser positive Aspekt gleichzeitig von der finanziellen Gier vieler Unternehmenseigner zum Schweigen gebracht und verschluckt worden. Vor dem Zweiten Vatikanum war der Blick der Kirche auf Teamarbeit innerhalb ihrer eigenen vier Wände vielfach verschleiert. In den letzten Jahrzehnten ist das Bewusstsein für die Notwendigkeit eines vernetzten Handelns zwar gewachsen, aber wertsteigende Veränderungen haben nicht immer und überall stattgefunden: weder in der Zusammenarbeit auf lokaler Ebene zwischen Pfarrer, Diakon und Pfarrassistenten noch auf weltkirchlicher Ebene zwischen Bischöfen. Wenn es beispielsweise um Restrukturierung von kirchlichen Einheiten geht, kann beobachtet werden, dass Pfarren und Diözesen trotz gestiegener Kontakt- und Kommunikationsmöglichkeiten das Rad oft für sich von neuem erfinden. 3.1 Management und Leadership Zunächst muss objektiv festgehalten werden, dass der Begriff „Manager“ in vielen Gesellschaftsbereichen nicht unbedingt einen positiven Tenor zum Schwingen bringt. Das gilt sowohl in der Wirtschaft und noch viel extremer, oft sogar verletzend in kirchlichen Kreisen, in denen die Person eines Managers vielfach mit Egoismus, Erpressung, unlauterem Wettbewerb, Geldgier und unmoralischem Handeln gleichgesetzt wird. Einen solchen Begriff mit christlichem Sendungsamt oder kirchlicher Arbeit in Verbindung zu bringen, scheint vielen getauften Christen ein grobes Sakrileg. So wird es notwendig sein, den Begriff zurechtzurichten, um mit ihm auch auf kirchlicher Ebene arbeiten zu können. Peter Drucker, der in Österreich geborene und oft als „Vater des Managements“ bezeichnete Denker, hat als erster unter vielen, ihm folgenden und kopie30 renden Gurus Management zu seinem heutigen Wissenschaftsstatus verholfen. Die Wissensgesellschaft des 21. Jahrhunderts und nicht die Produktionsgesellschaft des späten 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts vor Augen, meint er, dass Wesen und Kern des Managements nicht mit Techniken und Prozessen gleichzusetzen seien, sondern damit, menschliches Wissen und Können produktiv zu machen.64 Drucker pocht in seinen zahlreichen Werken darauf, dass Management nicht nur in großen Wirtschaftsunternehmen seinen Platz hat und haben kann, sondern in allen Organisationen und Institutionen, in denen Menschen auf ein gemeinsames Ziel hinarbeiten, präsent sein muss.65 3.1.1 Management – die Dinge richtig tun Betriebswirtschaftliche Definitionen von „Management“ könnten wahrscheinlich mehrere Monographien füllen. Da ist die beschreibende Rede von Delegieren und Kontrollieren, von Steuern und Optimieren, von Planen und Umsetzen, von Kommunizieren und Entscheiden, von Entwickeln und Motivieren, und von vielem mehr. Es überrascht, dass das Lexikon für Theologie und Kirche den Management-Begriff aufgreift, das Lexikon der Pastoral auf diesen Themenbereich jedoch nicht eingeht. So als hätten pastorales Planen, Denken und Tun letztlich keine Management-Kompetenzen nötig. Im LThK3 fasst Karl Berkel den Begriff folgendermaßen zusammen: „Management bezeichnet (funktional) die Führung von Institutionen bzw. Organisationen sowie (personal) den Personenkreis, der dieser Führung ausübt.“66 Management von Organisationen und Menschen wird von ihm mit Führung, Gestaltung und Steuerung in einem Satz genannt. In diesem doch richtungsweisenden theologisch-lexikalem Werk wird mit keinem Wort auf die mögliche Spannung zwischen Management, göttlicher Gnadenvermittlung und kirchlicher Sendung eingegangen. Der Beitrag hat ein und einzig Management in Wirtschaftsunternehmen im Sinn. Ein Manager ist per definitionem jedoch noch keine Führungskraft. Aber eine Führungskraft wird nie authentische Führungskraft sein und bleiben können, ohne sich auch das professionelle Handwerkzeug eines Managers angeeignet zu haben. Management kann definiert 64 Vgl. Drucker, Managing in a Time of Great Changes, 250. Vgl. ebd. 249. 66 3 Berkel, Management, in LThK , Bd. 6, 1257-1258. 65 31 werden als die menschliche Fähigkeit, komplexe und immer komplexer werdende Gegebenheiten, Fakten, Ereignisse, Bedingungen und Zusammenhänge zu erkennen und zu gestalten. Schon eine kleine Pfarre wird auf vielfältigen Ebenen gefordert: Der pfarrlich Verantwortliche muss juristische und pastorale Anforderungen koordinieren, finanzielle und karitative Belange entscheiden, zeitliche und emotionale Ressourcen ausbalancieren, katechetischen Verpflichtungen und persönlichen Weiterbildungsnotwendigkeiten nachkommen. Für alle diese Aktivitäten muss einerseits Interesse vorhanden sein, viel mehr jedoch noch der Wille, sie auch richtig auszuführen. So könnte dieses aus dem Lateinischen stammende Wort manus agere, in die Hand nehmen, dahingehend definiert werden, die anvertrauten Dinge und Belange einfach „richtig zu tun“. Im heutigen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen, ebenso wie im kirchlichen Szenario, kann somit Management als die Fähigkeit interpretiert werden, Komplexitäten richtig, d.h. dem Recht und dem Ziel des zu Erreichenden gemäß gestalten zu können. Diese Anforderung, übertragene Aufgaben professionell zu erfüllen, wird von allen in einer Organisation oder Institution Engagierten verlangt, so klein deren Beitrag sein mag oder so viel Verantwortung ihnen im Team oder in der Gruppe übertragen ist. Kirchliche Mitarbeit und vom Bischof oder der Gemeinde übertragene Amtsdienste sind von dieser Anforderung nach Professionalität des persönlichen Beitrags nicht ausgenommen. Der göttliche Auftrag, die notwendigen Arbeiten zur richtigen Zeit auch richtig zu gestalten und zu beenden, spiegelt sich im jüdisch-christlichen Menschenbild verankerten Schöpfungs- und somit Leistungselement wider: „Seid fruchtbar und vermehrt euch, bevölkert die Erde, unterwerft sie euch und herrscht über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels und über alle Tiere, die sich auf dem Land regen.“ (Gen 1,28) Von diesem göttlichen Auftrag an sein Ebenbild war und ist nichts Geschaffenes ausgenommen, d.h. der in und für die Kirche tätige Mensch ist aufgrund seiner Gottähnlichkeit zu aller Professionalität verpflichtet, die die Welt der Kirche anbietet und zur Verfügung stellt. Professionalität gilt für jede ehrenamtliche Mitarbeit bei der Kirchenreinigung, die diakonale Sorge um den dementen Kranken, der katechetische Dienst in Schule und Pfarre, die administrative Mitgestaltung in einer Kirchenbeitragsstelle, den Verkündigungsdienst des Diakons, die ganzheitlich pastorale Fürsorge des Priesters und die Führung der Ortkirche durch den Bischof und nicht zuletzt die Leitung der 32 Weltkirche durch den Nachfolger Petri und das Bischofskollegium. Unprofessionalität in kirchlichen Aufgabenstellungen, d.h. defizitäres Management in der Kirche untergräbt deren Glaubwürdigkeit in der Welt. Die Restrukturierung kirchlicher Verwaltungseinheiten drängt heute zunehmend „manch guten Seelsorgepriester in Management-Aufgaben…, die er nicht will und nicht kann“.67 Genau dort hacken auch die von der Steuerungsgruppe am 5.9.2012 beschlossenen „Leitlinien für den diözesanen Entwicklungsprozess Apg 2.1“68 der Erzdiözese Wien ein, wenn sie davon sprechen, dass „die Menschen im direkten Dienst der Seelsorge… von Verwaltungsaufgaben entlastet“69 werden. Die Ansätze für die Umsetzung dieses „Diözesanprozesses“70 lassen Professionalität erkennen und Hoffnung aufleben, wenn es beispielsweise heißt: „Die Leitung der Pfarre wird prinzipiell gemeinschaftlich wahrgenommen und zwar von Priestern und Laien. Es gilt partizipative Führung mit klarer Aufgabenzuteilung.“71 Von Václav Havel wird berichtet, dass er einmal die persönlichen und gesellschaftlichen Kräfte menschlicher Hoffnung mit den Worten ausgedrückt hat: „Hoffnung ist nicht die Gewissheit, dass etwas gut ausgeht, Hoffnung ist die Gewissheit, dass etwas Sinn macht, gleichgültig wie es ausgeht.“72 3.1.2 Leadership – die richtigen Dinge tun Auch wenn in der Praxis eine starke Verwandtschaft und logische Relation zwischen Management und Leadership73 allgemein sichtbar ist, dürfen die beiden Begriffe nicht so ohne weiteres mit einander gleichgesetzt werden, denn die Berufung, Organisationen und damit Menschen zu führen, übersteigt – nicht nur in weltlichen Organisationen, sondern noch viel 67 Kiechle, Zuversicht im Niedergang?, 553. Leitlinien für den diözesanen Entwicklungsprozess Apg 2.1, Erzdiözese Wien, Oktober 2012. 69 Ebd. 70 Vgl. Kardinal Christoph Schönborn, Brief an die Mitbrüder im diakonalen Dienst der Erzdiözese Wien, 22. Oktober 2012. 71 Leitlinien für den diözesanen Entwicklungsprozess Apg 2.1, Erzdiözese Wien, Oktober 2012. 72 http://leuropa.eu/vaclav-havel-hoffnung, abgerufen am 5.11.2012. 73 Im deutschen Sprachgebrauch ist es seit Mitte des vorigen Jahrhunderts in Organisationen jedweder Art nicht mehr möglich, den Begriff „Führer“ zu gebrauchen, ohne dabei an die historischen Ereignisse dieser Zeit erinnert zu werden. Wird dieser Begriff dennoch verwendet, wird er sehr schnell und unreflektiert auf „politische Führer“ eingeengt. Diese linguistische Barriere ist jedoch dann sofort flüchtig, wenn über Führungskräfte, Führungsfähigkeiten, Führungskompetenzen oder Führungspotential gesprochen wird. 68 33 mehr im kirchlichen Kontext – die Forderung nach richtiger Erwiderung und Beantwortung der beauftragten Arbeit und der überantworteten Aufgaben. Führen und leiten meint nicht nur, die Dinge richtig zu tun, sondern auch die richtigen Dinge zu tun. Um mit dem Konzil zu sprechen, „nach den Zeichen der Zeit zu forschen und sie im Licht des Evangeliums zu deuten.“74 Außerhalb der Kirche hat dieses Axiom der Führung in den letzten Jahrzehnten, nicht im Gegensatz, sondern in Erweiterung des Management-Begriffs klare Konturen angenommen, innerhalb der kirchlichen Arbeit und vor allem der pastoralen Beauftragung wird dieses Zeitzeichen jedoch kaum bewusst wahrgenommen. Meistens wird Leadership gar nicht konkretisiert, Management und Leadership verschwimmen ineinander. Und fehlen in einem der beiden Komponenten sogar die persönlichen Kompetenzen, werden notwendige Konsequenzen gerne unter den Tisch gekehrt oder für die Kirche als unangebracht deklariert. Die minimale Beschäftigung der kirchlich Verantwortlichen für professionelle Führungskonzepte deutet auf die Unbeholfenheit der Kirche hin, die den in ihren Reihen oft negativ besetzten Begriff Management zunächst auch mit dem, diesem übergeordneten Führungskonzept gleichsetzt und letztlich ausschließlich auf den weltlichen und hier wieder vor allem auf den ökonomischen Bereich eingrenzt. Wissenschaft und Politik, Verwaltung und Gesundheit, Soziales und Kirche brauchen genauso wie die Ökonomie einen sauberen und professionellen Zugang zu menschlichen Aufgaben, die richtigen Dinge auch richtig zu tun, d.h. glaubwürdige und verantwortliche Führung mit professionellem Tun zu verknüpfen. Die undifferenzierte Gleichsetzung von Manager und Führungskraft verleitet dann Karl Berkel im LThK3 zu der fragwürdigen Aussage: „Manager akkumulieren allein durch ihre Funktion Macht“.75 Die entscheidende Leadership-Frage ist wohl die nach dem Führungsstil. Im Lexikon für Theologie und Kirche werden nur zwei der wohl bekanntesten Stile erwähnt, wobei der hier aufgegriffene allgemeine Sprachgebrauch die Begriffe von Management und Leadership vermischt und nicht ausreichend auseinanderhält: Der Beitrag erwähnt nur „Managementby-Objectives (Führen durch Zielvereinbarung, überträgt Mitarbeitern die Verantwortung für 74 Gaudium et Spes, Art. 4. 3 Berkel, Management, in LThK , Bd. 6, 1258; vgl. dazu weiter unten die Ausführungen über Autorität und Macht. 75 34 Ergebnisse) und Management-by-Exception (Führungseingriffe nur im Ausnahmefall, realisiert das Subsidiaritätsprinzip…).“76 Es wird weder auf autoritäre oder patriarchale, kooperative oder charismatische, bürokratische oder autokratische, permissive oder diktatorische Führungsstile eingegangen, die heute allesamt in der These vom situativen Führen eine Rolle spielen.77 Erfolgreiche Führungskräfte leben die unterschiedlichsten Führungsstile und Führungspraktiken. Ein menschliches Patentrezept auf Erfolg gab es gestern nicht, gibt es heute nicht und wird es auch morgen nicht geben. Das Einzige, was letztlich zählt, ist die Autorität, die vom Menschen kommt, auf den Menschen aufgebaut ist. Kirchliche Hirten, denen Führung und Leitung des Volkes Gottes in die Hände gelegt sind, können genauso – und vielleicht noch schmerzlicher als Führungskräfte in Wirtschaft und Politik – ihre Macht und Amtsgewalt bewahren, ihre Autorität jedoch im selben Augenblick schon längst verloren haben. Im seelsorglichen Bereich werden diese Fälle aus der herrschenden Personalnot heraus von den zuständigen Ordinariatsstellen vielfach ignoriert, tot geschwiegen, ja sogar geduldet. Wenn es allerdings um Amtsträger im Bischofsamt geht, wird das Auseinanderklaffen von Autorität und Macht vor allem von den Massenmedien offen an den Pranger gestellt.78 Gesellschaft und Kirche haben jahrhundertlange Erfahrungen, dass pure Macht, die ja per definitionen jeder Führungskraft in den Schoß gelegt ist, auch töten kann. Natürliche Autorität, Authentizität und Glaubwürdigkeit einer Führungskraft geht vom geführten und geleiteten Menschen aus und gebiert die Fähigkeit, immer wieder Menschen neu „für die Sache“ zu gewinnen. Zwei der wichtigsten und unverzichtbarsten Kriterien der Glaubwürdigkeit eines Menschen, der seinen Anvertrauten und ihm Trauenden mutig vorausgeht, ihnen aber auch wie der Gute Hirte (vgl. Mt 18,12-14) nachgeht, ist 1. das Engagement, der klare Einsatz und die persönliche Verpflichtung, einem gemeinsamen Ziel zu folgen, und 2. die Kommunikationsbereitschaft als Schlüsselqualifikation zu erkennen und diese für die eigene Führungstätigkeit konsequent bis zum letzten Buchstaben durchzustehen. 76 Ebd. Vgl. Hersey / Blanchard, Management of Organizational Behavior, 163-165. 78 Vgl. dazu einige Bischofsernennungen, die in den letzten Jahrzehnten die Kirche Österreichs bis in ihr Grundfesten erschüttert und die Glaubwürdigkeit ihrer Führungsstruktur infrage gestellt haben. 77 35 Nicht nur in der Welt der Wirtschaft trifft man immer wieder auf Vorgesetzte, denen ihr Umfeld, d.h. vor allem ihre, ihnen anvertrauten Mitarbeiter völlig gleichgültig scheinen und die nur an ihrer eigenen Karriere basteln. Auch in kirchlichen Bereichen begegnet man nicht selten Menschen, denen ihr Vorwärtskommen auf der hierarchischen Leiter der Kirche wichtiger scheint als der Auftrag Christi, im konkreten Hier und Jetzt sein Reich mitbauen zu helfen. Das zweite der erwähnten Kriterien berührt eine der sensibelsten Seiten der Führung von Institutionen und damit verbunden der Verantwortung für Menschen, ihre Work-LifeBalance, ihr Engagement, ihre Arbeitsleistung und ihre Weiterentwicklung: die Verpflichtung der Führungskraft, über die gemeinsamen Ziele und Erfordernisse mit allen Stake-Holders so viel Information wie möglich zu teilen und so wenig wie möglich davon in den eigenen Schubladen zu verschließen. Wo immer in der Kirche kommunikative Fähigkeiten ihrer Mitarbeiter angesprochen werden, werden diese einerseits vielfach als Machtinstrumentarien interpretiert oder aber auch gänzlich in Frage gestellt. Kommunikation beginnt mit dem ehrlichen Zuhören des Erzählten. Dafür gibt das Apostelkonzil im Jahr 48/49 n. Chr. ein erstes kirchliches Zeugnis. Paulus, Barnabas und einige ihrer Begleiter machten sich auf den Weg nach Jerusalem, um mit den Aposteln und den Gemeindeältesten die Streitfrage der Beschneidung der hellenistischen Christen zu klären. „Bei ihrer Ankunft in Jerusalem wurden sie von der Gemeinde und von den Aposteln und den Ältesten empfangen. Sie erzählten alles, was Gott mit ihnen zusammen getan hatte.“ (Apg 15,4) Ohne glaubhaftes Teilen von Information zwischen Führungskraft und Mitarbeiter kann auch keine glaubhafte, von beiden Seiten getragene Leistung erwachsen. Bleibt am Ende dieser Ausführungen über Management und Leadership noch eine essentielle Frage offen: Wird der Manager und der Leader schon als dieser geboren oder sind solche Fähigkeiten und Kompetenzen auch zu erwerben? Ist es möglich, die Kunst des Managens und die Kunst des Führens zu erlernen? Internationale Business Schools würden als solche nicht existieren, wären ihre Professoren aus Wissenschaft und Praxis nicht davon überzeugt, diese Fähigkeiten auch denen vermitteln zu können, die diese nicht unbedingt schon in der Kinderstube von Zuhause mitbekommen haben. In Familienbetrieben und in industriellen Dynastien werden so manche Management-Fertigkeiten und –Techniken von einer 36 Generation zur nächsten weitervererbt oder weitergegeben. Aber erst die Übung macht den Meister, auf dem Weg zum Spitzensportler genauso wie im Managen von komplexen Zusammenhängen. Kirchliche Bildungsinstitutionen haben das längst erkannt, erfahren jedoch noch immer Schwierigkeiten, auch geweihte Seelsorger davon zu überzeugen, dass ihre pastorale Professionalität nicht von alleine kommt. Stefan Kiechle bringt ins Feld, dass „von angehenden Pastoralreferenten und –referentinnen… heute in diesen Dingen mehr verlangt [wird] als von Priesteramtskandidaten.“79 Rainer Bucher findet hinsichtlich der Spannung zwischen Professionalität und Weihegnade noch klarere Worte: „Diese katholische Weiheamtstheologie […] hatte nicht zuerst pastorale Handlungskompetenz, sondern die Weihegnade und die priesterliche Überordnung über Laien in den Mittelpunkt der priesterlichen (Berufs-)Rolle gerückt und vom Priester persönliche Heiligkeit und Tugend, nicht aber unbedingt pastorale Professionalität gefordert. Weihe oder Professionalität geraten dann plötzlich in einen merkwürdigen Gegensatz, zumal wenn Professionalität für die angestellten LaientheologInnen leicht zum Ersatz für die fehlende Weihe und die Weihe für die Priester zum Ersatz für potentielle Professionalitätsdefizite wird. Anders gesagt: Der Kompetenzgewinn der Professionalität wird zum Rivalitätsort gegenüber der Sakramentalität des Priestertum: eine für beide Seiten ausgesprochen unglückliche Entwicklung.“80 Die bedrückende Priesternot, die nicht nur mehr Europa und Nordamerika, sondern in den letzten Jahrzehnten auch schon viele südamerikanische Bistümer vor Überlebensfragen und schwierige Restrukturierungsfragen gestellt hat, erlaubt geweihten pastoralen Mitarbeitern kaum, sich eine weiterbildende Auszeit zu nehmen. Das erinnert fatal an so manche Diskussion in der Industrie, in der sich wohl Angestellte in der Verwaltung zu Weiterbildungskursen frei machen können, nicht allerdings jene Mitarbeiter, zumeist Facharbeiter, die die Maschinen am Laufen und damit den Produktionsprozess aufrecht erhalten müssen. Mit anderen Worten: Fehlt der Priester in der Gemeinde, bricht auch schon der sakrale Dienst in sich zusammen. Vor allem in Zeiten der Veränderung, wie sie jetzt einige Diözesen an Angriff nehmen müssen oder schon begonnen haben, wird eine professionelle Begleitung aller Beteiligten, inklusive und vor allem der Priester, die ja nach wie vor dem Bischof gegenüber die Letztverantwortung tragen81, von großer Bedeutung sein. 79 Kiechle, Zuversicht im Niedergang?, 554. Bucher, Nicht Selbstzweck, 24. 81 Vgl. Leitlinien für den diözesanen Entwicklungsprozess Apg 2.1. 80 37 Zusammenfassend kann wohl gesagt werden, dass Management und Leadership, vielleicht könnte man diese beiden Größen auch „charismatische Lebenskünste“ nennen, bisweilen angeboren sind, viel öfter aber erworben, also hart erarbeitet werden müssen. Zumindest sind sie lehrbar, nicht jeder wird jedoch fähig und willens sein, sie auch zu erlernen. Auf jeden Fall werden sie nicht „automatisch“ mit der gnadenfließenden Handauflegung „mitgeliefert“. Als Christen trägt uns allerdings der unbändige Glaube, dass der Geist Gottes jeden Menschen beflügeln kann, auch Unmögliches möglich werden zu lassen, d.h. der Geist vermittelt Kraft und Energie, „charismatischen Lebenskünsten“ mit seiner Gnade Wachstum zu verleihen. Auf die Sprünge zu helfen. In den meisten, nicht jedoch in allen Diözesen, werden strukturelle Veränderungen und das damit verknüpfte pastorale Umfeld heute ehrlicher diskutiert und professioneller kommuniziert als noch vor ein paar Jahrzehnten. Der Zukauf professioneller Hilfe von außen bleibt heute kein Einzelfall mehr, wenn auch Vorurteile so mancher Bischöfe Beratern gegenüber nicht völlig unberechtigt sind. Über diese lokalen diözesanen Weiterbildungs- und Begleitinitiativen, die Erfolg oder Misserfolg, Leistung oder Scheitern, Vertrauen oder Ablehnung neuer Systeme, Strukturen und Programme beeinflussen, wird auch das Bemühen stehen müssen, etablierte und tradierte Formen der Aus- und Weiterbildung pastoraler Mitarbeiter in der Kirche kritisch zu hinterfragen. Colleges und Hochschulen in beiden Amerikas und in Asien, weniger jedoch noch in Europa, haben an ihren theologischen Fakultäten seit einigen Jahren begonnen, das Fach „Pastoral Management“ oder „Pastoral Leadership“ als post-graduales Curriculum anzubieten, im Rahmen dessen auf dem Fundament eines christlichen Menschenbildes Brücken gebaut werden zwischen dem pastoralen Auftrag der Kirche, persönlicher Weiterentwicklung, Führungskompetenzen und dem „weltlichen Handwerkzeug“ wie Finanzmanagement, Controlling, Marketing, Informationsmanagement etc., ohne die heute kaum mehr eine kirchliche oder kirchennahe Organisation oder Institution effizient geführt werden kann.82 Am Institute of Pastoral Management des „Jnana-Deepa Vidyapeeth of the Pontifical Institute of Philoso- 82 Röttig, Pastoral-Management, 30; siehe auch abschließendes Kapitel 6. 38 phy and Religion” der Jesuiten in Pune, Indien, studieren beispielsweise Priester, Ordensfrauen, kirchlich engagierte Männer und Frauen, die in ihren Diözesen, Ordensgemeinschaften, Schulen, Bildungshäusern und Spitälern Leitungsaufgaben übernommen haben oder dazu beauftragt werden.83 Die zunehmende Komplexität weicher und harter LeadershipKompetenzen84 verlangt nach einer systematischen Erarbeitung und nach einem kontinuierlich neuen Updating, was für weltliche und kirchliche Leitungspositionen in Zukunft immer lebens- und überlebensnotwendiger werden wird. Europa scheint weniger Bedürfnis an solchen praktisch-theologischen Ansätzen zu haben als speziell Asien und Amerika. Kenner des globalen akademischen Szenarios vermuten hinter dieser Zurückhaltung mancher europäischer Länder deren über Generationen hinweg gewachsene Arroganz, die davon überzeugt ist, dass Manager geboren werden und dieses „Handwerk“ gar nicht mehr erlernen müssten.85 Offensichtlich gilt das nicht nur im wirtschaftlichen und politischen Bereich, sondern auch im Umfeld der Kirche. Ist es vielleicht möglich, etwas von „jungen alten Kirchen“ (sogar Afrikas) für die „alte alte Kirche“ Europas im Bereich von Management und Leadership zu lernen? Nach dem Tod des koptischen Patriarchen von Alexandrien, Papst Schenuda III., im März 2012 wurde nach einer demokratischen Vorwahl dreier möglicher Kandidaten Anfang November 2012 Bischof Tawardos II. von einem Buben zum Nachfolger des heiligen Markus gelost. Heinz Gstrein zitiert dazu in der Wochenzeitung „Die Furche“ Michael Mounir, einen mutigen „Aktivisten für Menschen- und Christenrechte in Ägypten, [der dem neuen Patriarchen bestätigt,] ‚ein ebenso guter Manager‘ wie von ‚tief innerlicher Spiritualität‘ zu sein, ‚der beste unter den 83 Vgl. dazu die Homepage des Jnana-Deepa Vidyapeeth http://www.jdv.edu.in/web/index.php, abgerufen am 20.10.2012. 84 Unter weichen Führungskompetenzen werden vor allem organisationspsychologische Fähigkeiten (wie z.B. Delegation, Kommunikation, Menschenführung etc.) verstanden, während mit harten Kompetenzen eher betriebswirtschaftliches Wissen und Fähigkeiten bezeichnet werden. 85 Die renommiertesten Ausbildungsstätten von Führungskräften für die Wirtschaft befinden sich in den USA (z.B. Harvard, Stanford, Kellogg, Columbia, Cornell, Fordham etc.). In Europa etablierten sich Business Schools zunächst in nicht-deutschsprachigen Ländern (z.B. UK, Frankreich, Italien, Spanien, Schweiz, Niederlande etc.). Wirtschaftlich war der deutschsprachige Raum von großen alten Familiendynastien (wie Krupp, Thyssen, Porsche, Swarovski, Schmidheiny etc.) beherrscht, in denen vor allem Männer schon durch ihre Geburt für die Nachfolge in der obersten Spitze ihres Familienunternehmens prädestiniert waren. 39 drei Endkandidaten.‘“86 Eine mutige Meldung: einfach zum Nachdenken und zur Nachahmung für die katholische Kirche. Management und Leadership schließen einander nicht aus. Im Idealfall ergänzen sie einander. Manager sind nicht immer auch gute Führungskräfte. Gute Führungskräfte aber zeichnen sich dadurch aus, dass sie auch gute Managementqualitäten mitbringen. Allerdings wird in vielen weltlichen und kirchlichen Organisationen die Erfahrung bestätigt, dass diese over-managed und under-lead sind, d.h. zwar alles bis ins Kleinste dem Rechtskodex bzw. dem CIC entsprechend abläuft, es jedoch an glaubhaftem Vertrauen vieler Mitarbeiter ermangelt, dass die gemeinsame Reise in die richtige Richtung geht und somit auch am richtigen Ziel ankommen wird. 3.2 Für das Leben in der Welt und in der Kirche lernen Im alltäglichen Sprachgebrauch werden die Begriffe Bildung und Ausbildung oft synonym verwendet. Eine durchaus in der Theorie begründete Unterscheidung der beiden Begriffe wird von zwei Praktikern aus dem Unternehmensberatungsbereich anhand von fünf Thesen erläutert:87 „These 1: Bildung bedeutet Lernen, welches von den Entwicklungsinteressen des Individuums her strukturiert ist, Ausbildung bedeutet Lernen, welches vom Bestandsinteresse der Gesellschaft her strukturiert ist. These 2: Bildung zielt auf einen umfassenden, Ausbildung auf einen partikularen Zugang zur menschlichen Kultur. These 3: Bildung und Ausbildung können an den gleichen Wissensinhalten vollzogen werden. Diese werden nur nach unterschiedlichen Prinzipien ausgewählt und festgelegt. These 4: Bildung steht mit Ausbildung in keinem logischen Ausschließungsverhältnis, sondern bildet mit ihr eine spannungsvolle Einheit. These 5: Institutionen des organisierten Lernens müssen die Logiken von Bildung und Ausbildung respektieren.“ Auf den forschungsmethodischen Dreierschritt zurückgreifend, könnte dieser Thesenansatz folgendermaßen auf die unterschiedlichen Arbeitsformen und -bereiche der Kirche übertragen werden: Beiden Begriffen liegt Lernen zugrunde, wobei Ausbildung (und auch Weiter86 87 Gstrein, Der neue Papst in Ägypten, 8. Hackl / Spindler, Zum Verhältnis von Bildung und Ausbildung, 1-7. 40 bildung) für ein kirchliches Engagement der Erwerb fachlicher Kenntnisse bedeutet, wie beispielsweise Controlling oder Finanzmanagement für administrative Tätigkeiten und theologisches Wissen für pastorale Berufe im weitesten Sinn des Wortes; Bildung hingegen umschließt insofern beide Tätigkeitsbereiche und zielt auf ganzheitliche menschliche Reife aller kirchlicher Mitarbeiter, wie sie von Gesellschaft und Kirche zur Bewältigung des menschlichen Lebens als solches erwartet wird.88 3.2.1 Auferlegte Pflicht oder verbrieftes Recht Wozu sollte sich die Kirche, deren streng hierarchische Leitung sich zu Recht auf die apostolische Tradition und somit auf die Einsetzung durch Jesus Christus beruft, mit professioneller Bildung und Ausbildung für ihr pastorales Personal auseinandersetzen? Zuerst und zunächst gibt das Zweite Vatikanum eine klare Antwort auf diese Frage: Die Kirche ist Teil dieser Welt und hat somit auch die Verpflichtung, sich allen Wissens, aller Fertigkeiten, aller Kompetenzen und aller dem Evangelium nicht widersprechenden Entwicklungen zu öffnen und sich ihrer um der Verbreitung des Reiches Gottes willen auch zu bedienen.89 Denn der Herr hat seine Weisheit, die er „geschaffen und geschaut und gezählt“ (Sir 1,9) hat, über alle seine Werke ausgegossen. Zwar hat er keines seiner Werke von seiner Weisheit ausgenommen, den Menschen hat er sie allerdings unterschiedlich zugeteilt, denn „er spendet sie denen, die ihn fürchten.“(Sir 1,10) Mit dieser Zuversicht kann sich die Kirche auch in aller Demut der Frage der Bildung und Ausbildung ihres Personals und somit dessen Wissensmehrung nähern. Als zweiter Grund, der diese Fragestellung im Zusammenhang mit dem Spannungsfeld von Leitung und Leistung kirchlicher Mitarbeiter untermauert, kann die starke Wahrscheinlichkeit zukünftiger strategischer, struktureller und kultureller Veränderung der Kirche Jesu Christi genannt werden. Es werden nicht nur fundiertes theologisches und betriebswissenschaftliches Wissen und professionelle Begleitung dieser change processes von Nöten sein, 88 Dazu sei auf das Kapitel 3.3.3, Spezialist oder Führungskraft, dieser Arbeit hingewiesen, das die Interdependenz von Bildung und Ausbildung in der kirchlichen Mitarbeit aufgreift und die Notwendigkeit von gezielten Weiterbildungsmodellen analysiert. 89 Vgl. Lumen Gentium, insbesondere Kapitel 4 (Art. 40-45), in dem die Konzilsbischöfe näher auf die Aufgaben der Kirche in der Welt eingehen. 41 sondern die Bemühungen werden nur dann zum Erfolg führen, wenn sie auf einem felsenfesten spirituellen Fundament gegründet sind. Es geht also um eine ganzheitliche Sicht der wahrscheinlichen Veränderungsprozesse, die die Ortskirchen und die Weltkirche (hoffentlich gemeinsam) entweder selbst in Angriff nehmen oder aber – was schmerzlicher sein könnte – die ihnen von außen her, d.h. von der Welt her aufgedrängt werden. Vielfach meint der Mensch, dass sich sein sozio-ökonomisches Umfeld heute intensiver und radikaler verändere als es sich jemals in der bewussten Geschichte der Menschheit verändert hätte. Diese situative Interpretation mag für die einen voll zutreffen, für andere jedoch aufgrund der Möglichkeit des schärferen Hinsehens, das uns heute die postindustrialisierte Informations- und Kommunikationsgesellschaft bietet, lediglich eine Scheinrealität darstellen. Ein Element dieser Veränderungen ist jedoch statistisch dokumentiert und kann kaum geleugnet werden: die Schnelligkeit, in der Änderungen in allen Bereichen menschlichen Lebens auftreten und weitere Veränderungen auslösen.90 Diese Entwicklung erfordert vertieftes Wissen über essentielle Charakteristika von Veränderungsprozessen und die Befähigung, diese auch effizient und effektiv zu begleiten und zu Ende zu führen. In einem Wandelszenario sind beide Perspektiven von Wichtigkeit: die Effizienz meint das Verhältnis von Aufwand, Anstrengungen und Bemühungen zum Nutzen, den der Wandel herbeiführt oder beabsichtigt zu erbringen; die Effektivität kann als das Verhältnis zwischen angestrebtem und tatsächlich erreichtem Ziel definiert werden. Die herausfordernde Frage nach Effizienz und Effektivität stellt sich nicht nur in gesellschaftlichen, politischen und ökonomischen Prozessen der Welt, sondern auch in der kirchlich-pastoralen Sorge um den ganzen Menschen. Wie effizient ist die Arbeit eines Pastoralteams in einer Pfarre, wenn sie sich nicht in der aktiven sonntägigen Eucharistieteilnahme widerspiegelt? Darf, kann, soll hier die Frage nach Effizienz überhaupt ins Spiel kommen? 90 Vgl. die Theorie der wirtschaftlichen Konjunkturwellen, in: Leo A. Nefiodow, Der fünfte Kondratieff. Strate2 gien zum Strukturwandel in Wirtschaft und Gesellschaft, Frankfurt 1991; in seinem Werk schreibt Nefiodow der neuen Ressource „Information“ und damit der ganzen Menschheit eine nie dagewesene Dynamik zu. Nefiodow spricht inzwischen jedoch schon von einem 6. Wirtschaftszyklus, „in dem erstmals nichts Materielles, sondern die psychosoziale Kompetenz sowie das Gesundheitswesen im Vordergrund stehen.“, in: http://www.aerztezeitung.at/archiv/oeaez-2009/oeaez-2324-15122009/6-kondratieff-zyklen-gesundheit.html, abgerufen am 25.11.2012. 42 Hat sich dieses Pastoralteam für seine Bemühungen um die Herde, die ihr von Christus anvertraut ist, überhaupt ein Ziel gesetzt? Und wenn ja, wie nahe ist das gesetzte vom erreichten Ziel entfernt? Darf, kann, soll im pastoralen Tun auch der Erfolg gemessen werden? Triennal- und Quinquennalkurse, theologische Tage und Pfarrbefähigungsseminare können dann als geeignete Ansätze zum Dialog solcher Herausforderungen im Kreis geweihter und nicht-geweihter pastoraler Mitarbeiter dienen, wenn der Bischof diesen Dialog nicht einfach an den Pastoralen Dienst der Diözese oder den Generalvikar weiter delegiert, sich selbst jedoch davon entschuldigt. Effiziente und effektive Leitung im wirtschaftlichen Bereich bedeutet, dass der Vorgesetzte ein Viertel bis zu einem Drittel seiner verfügbaren Zeit im Unternehmen für seine Mitarbeiter verwendet und nicht Sachprobleme als seine primäre Führungsaufgabe sieht. Anstelle theologische Weiterbildungsangebote als Pflichtübungen zu absolvieren, wäre bei den pastoralen Mitarbeitern die Einstellung – sagen wir einmal: ihre Unternehmenskultur – zu nähren und zu fördern, Weiterbildungsmöglichkeiten als eine rechtliche Vertragsbedingung für ihre pastorale Arbeit jederzeit einfordern zu können. 3.2.2 Effiziente und effektive Veränderungsprozesse ermöglichen Herbert Beiglböck, Wirtschaftsdirektor der Diözese Graz-Seckau, skizziert die mangelnde kirchliche Erfahrung mit Organisationswandel mit folgenden Worten: „Die Kirche hat viel Erfahrung im Bewahren – es gibt uns seit 2000 Jahren – und wenig Erfahrung in Veränderungsprozessen, insbesondere in solchen, die sich in hoher Geschwindigkeit in unseren Gesellschaften vollziehen.“91 Dem gegenüber sehen sich heute wirtschaftliche Unternehmen aller Größenordnungen aufgrund vielgestaltiger sozio-ökonomischer Veränderungen in einem ständigen Zwang strategischer, struktureller und kultureller Umgestaltungsprozesse. Dieses Szenario verlangt von ihnen die Schaffung eines effizienten Change Managements, das in der Kirche und ihren Institutionen erst langsam im Aufbau begriffen ist. In der Businesswelt wird gerne ein Ausspruch des früheren Chief Executive Officer von General Electric, Jack Welch, zitiert, den heute ganze Wirtschaftsregionen und Branchen aufgegriffen haben: „Wenn das Tempo externer Veränderungen das Tempo innerer Verände91 Beiglböck, Finanzielle Bedingungen und pastorale Konzeptionen, 179. 43 rungen übersteigt, ist das Ende unseres Geschäfts in Sicht.“92 Auch wenn dieser Ausspruch selbstverständlich nicht direkt und fraglos auf die Kirche und ihre Institutionen angewandt werden kann und darf, mag er Anlass zu ernstlichen Überlegungen geben. Ohne beispielsweise dogmatisch-theologische, sondern rein grundrechtliche Genderaspekte und damit des Frau-seins in der heutigen Gesellschaft anzusprechen, muss wohl bemerkt werden, dass sich die Frau, anders als in so manchem Unternehmen, in kirchlichen Strukturen noch immer hinter dem Mann anstellen muss. So bleiben lebensnotwendige weibliche Ressourcen in der kirchlichen Arbeit, vor allem was Leitungsfunktionen betrifft, ungenützt. Wenn immer aber Wandel in der Kirche ins Auge gefasst wird, bedarf es eines professionellen Ansatzes, der lern- und erwerbbar ist und sich auch durch den Blick auf die Wirtschaft aneignen lässt. Der Effizienz und der Wirksamkeit von Veränderungsprozessen liegen vier elementare Voraussetzungen zugrunde, ohne die im Laufe der Restrukturierung sowohl das Procedere als auch das Endresultat des Bemühens um eine Neuorientierung oder einen Neuanfang ernstlich in Gefahr geraten können: einen Veränderungsdruck von innen oder außen (1); eine klare, von allen mitgetragene Vision (2); genügend Kapazitäten bzw. Ressourcen für den Veränderungsprozess (3); und umsetzbare und sichtbare erste Schritte (4). Diese vier Vorausbedingungen haben ein organisationspsychologisches Gesicht und tragen menschliche Züge, haben demnach wenig mit komplexen unternehmerischen Veränderungsprozessen zu tun, sind jedoch deren Erfolgsbasis: Erstens: Die menschliche Verhaltensweise, sich der Anstrengung eines Wandels solange zu entziehen, solange das Wasser nicht bis zum Hals steht, ist sowohl im individuellen Bereich als auch dort, wo Menschen gemeinsam ein Ziel anpeilen, nicht zu leugnen. Fehlt ein gewisser Druck, verläuft sich der Beginn eines vielleicht notwendigen Veränderungsprozesses im Leeren. Bisweilen ist der Druck zwar noch nicht unmittelbar ersichtlich, aber ein mutiger Blick in die Zukunft mag ihn wohl erahnen lassen. „Offene“ Institutionen tun sich mit einem solchen, innovationsorientierten Planungsprozess leichter als „geschlossene“, d.h. nach innen und auf sich selbst bezogene Organisationen. 92 Jack Welch, zitiert in der Präsentation „Managing the Human Side of Change“ von Hewitt Associates am 30. Juni 2002: “When the rate of external change exceeds the rate of internal change, the end of our business is in sight.” 44 In der Kirche Jesu Christi verspüren viele Glaubenden fünfzig Jahre nach dem Zweiten Vatikanum den enormen Druck von innen und außen und sprechen offen von einem Reformstau93, während für die anderen das Wesen einer ecclesia semper reformanda oft nur Lippenbekenntnis ist. Als Beispiele für die Artikulierung ernster Sorgen um die Verbreitung und Vertiefung des Reiches Gottes müssen in der österreichischen Kirche etwa die PfarrerInitiative, die Plattform ‚Wir sind Kirche‘ oder die Laieninitiative angesehen werden, die den notwendigen Veränderungsdruck sichtbar machen wollen, deren Visionen für eine Kirche von heute und morgen allerdings in der „offiziellen Kirche“ entweder nicht ernst genommen werden oder keine dialogbereite Resonanz finden. In diesem Szenario wird das zweite Element eines effizienten und effektiven Wandels sichtbar. Zweitens: Als weitere Voraussetzung eines optimal angesteuerten Veränderungsprozesses muss somit eine klare Definition der Vision des Endziels oder Endprodukts stehen, d.h. die Beantwortung der Frage, was am Ende des Prozesses erreicht werden soll. Bei Vorhandenseins des inneren oder äußeren Drucks, aber gleichzeitiger Abwesenheit einer solchen Vision wird nolens volens ein schneller Start nach kurzer Zeit zur Verwirrung führen, in dem sich Führungskräfte und Mitarbeiter nach der Richtung fragen, in die sie gemeinsam arbeiten sollen. Kirchlichen Veränderungsprozessen ergeht es nicht anders. Wenn keine Klarheit über den angestrebten Endzustand herrscht und die Ziele nicht eindeutig festgehalten sind, wohin die Reise eigentlich gehen soll, können sich gute Absichten schnell verlaufen. Die logischen Folgen des Fehlens einer Vision führen zu Enttäuschung und Verwirrung aller Involvierten, die an der Verwirklichung mitgestalten sollen. Vielfach mangelt es trotz Formulierung einer Vision auch an der Zustimmung des „Fußvolkes“: Eine Vision, die keine shared vision, keine gemeinsam getragene Vision ist, ist genauso wenig wert wie keine Vision. Ureigentlichste Aufgabe des Leaders wäre es, vor dem Beginn eines Veränderungsprozesses die oft ausschließlich in der hierarchischen Spitze einer Organisation definierte Vision zu einer Vision aller zu machen. 93 Vgl. Hirtenwort der Bischöfe Österreichs zum „Jahr des Glaubens“, in dem diese die Aussage vom Schlagwort ‚Reformstau‘ (stets unter Anführungszeichen) kritisch beleuchten und die „patt-Situation“ zwischen ihnen und der Pfarrer-Initiative beklagen, in: Die österreichischen Bischöfe, Heft 12, 2012, 8-10. 45 Die Kirchengeschichte dokumentiert zur Genüge, dass die Erkenntnis eines notwendigen Wandels und nicht selten auch der Vision des Ziels oft von ‚unten‘, d.h. vom Volk Gottes ausgegangen ist. Am Beispiel des II. Vatikanischen Konzils wird jedoch sichtbar, dass der Geist Gottes, der das Antlitz der Welt erneuern möchte, auch im Alleingang von „ganz oben“ Richtung und Ziel des Wandels vorgibt.94 Ohne eine klare Vision des zu Erreichenden wird es auch schwierig sein, das Endresultat und somit den Erfolg – auch eines Konzils – zu messen. Die Leistung der Konzilsväter hing nicht unwesentlich von der klaren Vision ab, die ihnen der Nachfolger des Apostels Petrus am Beginn des Veränderungsprozesses vorgegeben hat. Drittens: Die Klarheit der Vision nützt der Effizienz und Effektivität eines Veränderungsprozesses allerdings auch dann wenig oder nichts, wenn die nötigen Ressourcen für den beabsichtigten Wandel nicht oder nur teilweise vorhanden oder eingeplant sind. Das Fehlen von professionellen Kompetenzen, geeigneten Kapazitäten und genügend Ressourcen führt geradlinig zu Enttäuschung und Frustration aller Beteiligten. Diese Ponderabilien, zu denen der Mensch mit seinem Wissen und seiner Erfahrung, die ihm zur Verfügung stehende Zeit, die vorhandenen Finanzen oder Organisationsstrukturen zählen, spielen selbstverständlich auch im Prozess der Implementierung des Wandels eine entscheidende Rolle. Auch die optimale Erarbeitung und Durchführung von Veränderungsprozessen in der Kirche und in kirchlichen Institutionen hängen von der Planung und Verfügbarkeit dieser Ressourcen ganz wesentlich ab. Beispielsweise könnte und müsste im Diskurs um die viri probati in der Kirche, der seit vielen Jahren geführt und selbst von vielen Bischöfen in Sorge um ihren hirtlichen Auftrag glaubwürdig aufgegriffen wird, professionelle Vorarbeit in Bezug auf die notwendigen Ressourcen für die Realisierung einer entsprechenden und immer wahr- 94 Vgl. dazu Worte der Konzilseröffnungsrede von Papst Johannes XXIII. am 11. Oktober 1962 über das erste Ziel der Kirchenversammlung: „Die Hauptaufgabe des Konzils liegt darin, das heilige Überlieferungsgut (depositum) der christlichen Lehre mit wirksameren Methoden zu bewahren und zu erklären. Diese Lehre umfasst den ganzen Menschen, der aus Leib und Geist besteht, und sie heißt uns, die wir diese Erde bewohnen, als Pilger unserem himmlischen Vater entgegenzugehen. Das zeigt auch, warum dieses sterbliche Leben so zu führen ist, dass wir unsere Pflichten gegenüber dem irdischen wie gegenüber dem himmlischen Reich erfüllen müssen, um das uns von Gott gewiesene Ziel erreichen zu können. Das heißt, alle Menschen, die Einzelnen wie die zur Gesellschaft vereinten, haben die Pflicht, ohne Unterlass nach den himmlischen Gütern zu streben, solange dieses Leben währt, und die irdischen Güter nur für diesen Zweck zu gebrauchen, so dass ihr zeitlicher Nutzen den Menschen nicht an ihrer himmlischen Seligkeit Schaden zufügt.“ http://www.ub.uni-freiburg.de/fileadmin/ ub/referate/04/semapp/konzil.html, abgerufen am 8.11.2012. 46 scheinlich werdenden strukturellen Veränderung aufgegriffen werden. Dazu zählen Fragen wie die Vergütung der viri probati, ihre Sozialversicherung und die ihrer Familienmitglieder, die Verwendung von leerstehenden Pfarrhäusern, das Gehorsamsversprechen ihren Bischöfen gegenüber oder (wenn sie verheiratet sind) die Stellung ihrer Ehefrauen, um nur einige der ressourcen-bezogenen Herausforderungen zu nennen. Ein solcher Schritt würde auch der vierten Vorausbedingung eines effizienten und effektiven Veränderungsprozesses, den viele Glaubende als kommend ansehen, auf die Sprünge helfen. Viertens: Die meisten, vor allem fundamentalen Veränderungsprozesse, bedürfen kleinerer Schritte, die den angestrebten Erfolg der Bemühungen sicht- und für den einzelnen auch greifbar machen können. Das Fehlen und das bewusste oder unbewusste Nichtbeachten solcher kleiner Erfolgserlebnisse auf einem langen Weg vom Heute ins Morgen können bei den Beteiligten menschliche Ungeduld und Enttäuschung auslösen, die zu einem Stocken oder sogar zur Aufkündigung des persönlichen Engagements führen können. Nicht selten ist heute die Klage zu hören, dass der Umsetzungsprozess des konziliaren Auftrags, vor allem im liturgischen Bereich, einfach zu schnell, unüberlegt und vor allem zu wenig kommuniziert abgelaufen ist. Unter diesem Gesichtspunkt sollte der Grund für den heute in der Kirche spürbar eingeschlagenen Rückwärtsgang nicht zu leichtfertig von der Hand gewiesen werden. Dass viele Veränderungsprozesse in ihrer Gesamtheit einfach nicht vom Fleck kommen, hängt nicht selten auch vom „politischen Willen“ der Führungskräften ab, d.h. dass es wohl Situationen gibt, in denen „von oben her“ einfach keine Veränderung gewünscht wird. In einem solchen Fall wäre es nur schwerlich möglich, überhaupt einen Wandel ins Auge zu fassen, geschweige denn eine effiziente und effektive Veränderung anzustreben. In der Kirche entsteht bisweilen der Eindruck, dass die oberste Leitung in Rom gar nicht an strukturellen Veränderungen der Kirche Jesu Christi in der sich immer schneller verändernden Welt interessiert ist.95 95 Vgl. auch dazu die Konzilseröffnungsrede von Papst Johannes XXII.I am 11. Oktober 1962, in der er dieses Problem offen adressierte: „In der täglichen Ausübung Unseres apostolischen Hirtenamtes geschieht es oft, dass bisweilen Stimmen solcher Personen unser Ohr betrüben, die zwar von religiösem Eifer brennen, aber nicht genügend Sinn für die rechte Beurteilung der Dinge noch ein kluges Urteil walten lassen. Sie meinen nämlich, in den heutigen Verhältnissen der menschlichen Gesellschaft nur Untergang und Unheil zu erkennen. Sie reden unablässig davon, dass unsere Zeit im Vergleich zur Vergangenheit dauernd zum Schlechteren abgeglitten sei. Sie beneh- 47 Sowohl in profit-orientierten als auch in kirchlichen Organisationen machen sich immer wieder „Killer Phrasen“ breit, die notwendige Veränderungsprozesse im Keim ersticken und somit leistungshemmend wirken. Nicht selten werden von Führungskräften und ihren Mitarbeitern in der kirchlichen Verwaltung und in pastoralen und diakonalen Tätigkeitsbereichen Töne angeschlagen, die den Wandel bremsen wollen: • Wir haben es in unserer Diözese schon immer so gemacht. • Das mag in der Wirtschaft möglich sein, nicht aber in unserer kirchlichen Arbeit. • In der Administration könnte das schon funktionieren, aber in der Pastoral gelten andere Regeln. • Wenn das eine so gute Idee wäre, hätte sie jemand wohl schon längst vorgeschlagen und umgesetzt. • Wir haben keine budgetären Ressourcen dafür. • Um diesen Weg einzuschlagen, haben wir nicht genug richtige Leute auf dem richtigen Job. • In der Theorie klingt das ja ganz gut, aber in der Praxis? • Davon werden wir unseren Bischof und unseren Generalvikar niemals überzeugen. • Ähnliches haben wir schon einmal versucht und es hat nicht geklappt. • Dafür müssen wir eine Arbeitsgruppe aufstellen. • Alles graue Theorie. • Wir sehen keinen Zusammenhang mit dem, was wir eigentlich tun (sollen). • Die Heilige Schrift gibt uns für solche Veränderungen keinen Anhalt. • Letztlich sind wir nur pastorale Mitarbeiter, letztverantwortlich für unser pastorales Tun ist Christus selbst. • Die Zeit dafür ist noch nicht reif, dazu sind wir noch nicht in der Lage ... Für die Mehrzahl der Wirtschaftsunternehmen ist jedoch Change längst zum Gebot der Zeit geworden, um danach erfolgreicher operieren und somit größeren finanziellen Erfolg einbringen zu können. Glaubhafte Führungskräfte, die nicht nur an sich selbst glauben und den- men sich so, als hätten sie nichts aus der Geschichte gelernt, die eine Lehrmeisterin des Lebens ist, und als sei in den Zeiten früherer Konzilien, was die christliche Lehre, die Sitten und die Freiheit der Kirche betrifft, alles sauber und recht zugegangen.“ http://www.ub.uni-freiburg.de/fileadmin/ub/referate/04/semapp/konzil.html, abgerufen am 8.11.2012. 48 ken wollen, bauen vor, überlegen und planen in Zeiten, in denen es ihnen gut geht. Für sie ist Leistung kein Fremdwort, sondern schöpferischer Auftrag. Muss es die Kirche Jesu Christi immer fünf vor zwölf werden lassen, bevor sie sich in Bewegung setzt und an Change Management denkt, um ihrer Sendung in dieser Welt gerecht zu werden? 3.2.3 Ein pastorales Weiterbildungskonzept Die herkömmliche Lebenslaufplanung sowohl in Deutschland und grundsätzlich wahrscheinlich auch in allen westlichen Industrienationen ist auf drei Phasen aufgebaut: dem Lernen folgt das Arbeiten, das früher oder später vom Ruhen abgelöst wird.96 In anderen Worten: das Leben gestaltet sich seit vielen Jahrhunderten in einer institutionalisierten chronologischen Abfolge, die nur selten durchbrochen wird. Unternehmen, die für sich in Anspruch nehmen, eine Learning Organization97 zu sein, sehen für die Wissensgesellschaft des beginnenden dritten Jahrtausends in einer solchen Festlegung der Lebensphasen einen wesentlichen Hemmschuh notwendiger Innovationen, ohne die sie sich kaum in ihre nächste Lebensphase im Produktions- oder Dienstleistungsbereich hinüber retten mögen.98 Dieser weltlichen Selbstverständlichkeit in Wirtschaft und Management steht der ursprünglich aus der calvinistischen Theologie des beginnenden 17. Jh. stammende reformatorische Grundgedanke der ecclesia semper reformanda zwar heute nicht fern, lebt jedoch trotz der „vorsichtigen katholischen Rezeption“99 des Zweiten Vatikanums100, vielleicht gerade wegen ihr, noch immer in einem innerkirchlichen Spannungsfeld. Was schnelllebiges Management, Wirtschaft, die Gesellschaft als solche und die bedächtigere Kirche in der sich schnell wandelnden Welt von heute gemeinsam brauchen, ist die Einsicht situativer Lebensphasen, in denen sich Lernen, Arbeiten und Ruhen über das ganze menschliche Leben erstrecken, einander abwechseln und gegenseitig Nahrung geben. 96 Vgl. Kohli, Die Institutionalisierung des Lebenslaufes, 1-27 Vgl. Senge, The Fifth Discipline: Darin definiert Senge eine „lernende Organisation” als eine Organisation, die das Weiterlernen und somit die Fortbildung ihrer Mitarbeiter in dieser ermöglicht und positiv betreibt, um sich selbst ständig zu erneuern. 98 Vgl. ebd., insbesondere das Kapitel 2 mit der fragenden Überschrift „Does Your Organization Have a Learning Disability?, 17-26. 99 3 Kehl, Ecclesia…, in: LThK , Bd. 3, 437. 100 Vgl. Lumen Gentium, Art. 9, und Unitatis Redintegratio, Art. 6. 97 49 Die Lernphase erhält erst dann Glaubwürdigkeit, wenn ihre Erkenntnisse in der Arbeit erprobt und in einer geistigen Ruhephase vertieft werden können. Ebenso bedarf jede Tätigkeit der Bereitschaft, sich Kompetenzen für das Morgen zu erarbeiten und nach getaner Arbeit auch eine Sabbatruhe einlegen zu können. Last but not least wird die Ruhensphase, die ja aufgrund der wachsenden Lebenserwartung des Menschen immer länger wird, ohne Mut zum Dazulernen und ohne bewusste Muße des Alterns schnell einem passiven Ende entgegengehen. Auch die Lebensphasen eines pastoralen Mitarbeiters werden heute anders gesehen als vor einigen Generationen: Die seelsorgliche Grundschule kann in Gefahr geraten, pure Theorie zu bleiben, wenn sie während der akademischen Ausbildung ohne Praxisbezug und ohne spirituelle Vertiefung vorangetrieben wird. Und die Fälle psychischen Burnouts von Priestern durch administrative und seelsorgliche Tätigkeit ohne effektive spirituelle Regenerationsmöglichkeit nehmen in vielen Diözesen beängstigende Formen an. Vielfach sind altersgerechte Regelungen und professionelle Begleitung – sofern diese überhaupt angenommen werden – für so genannte Ruhestandspriester eher selten anzutreffen. Während aller dieser Lebensphasen ist kirchliche Führung gefordert, um das Bild hirtlicher Führung nicht bloßes Gleichnis bleiben zu belassen, sondern es zu einer authentischen pastoralen Lebenskomposition zu formen. In diesem Prozess ist vom Bischof und seinem diözesanen Leitungsteam vor allem Menschlichkeit verlangt, die von pastoral Hauptamtlichen bisweilen hintangestellt wird, wie ein verstorbener Priester der Diözese Eisenstadt es einmal ausdrückte. Er meinte, dass er keinen Grund hätte, am Glauben seiner Mitbrüder zu zweifeln, dass er aber wohl bisweilen an deren Menschlichkeit zweifeln müsse. Mit diesen Worten drückte er das doppelte Unvermögen seiner pastoralen Mitstreiter aus, nämlich ihr eigenes Leben zu gestalten als auch die Fähigkeit, andere als Pilger auf ihrem Pilgerweg zu begleiten. 3.3 Optimierung der Humanressourcen Um organisatorische und hier vor allem strukturelle Veränderungen einleiten und den Mitarbeitern für eine persönliche und fachliche Weiterbildung einen Anreiz zu bieten, bedarf es einer ehrlichen Vertrauensbasis über alle hierarchische Ebenen hinweg. Vertrauen des Vor50 gesetzten zum Mitarbeiter und des Mitarbeiters zum Vorgesetzten sind wesentliche Voraussetzung für eine „positive Unternehmenskultur“ in der Kirche. Ebenso essentiell ist das, was die Organisationspsychologie „intrinsischer Motivationsfaktor“101 nennt und was besagt, dass der Mitarbeiter um seiner Leistung Willen für die Organisation nicht bestochen oder erpresst werden muss, sondern Leistung als Selbstverständlichkeit des Arbeitsauftrags betrachtet wird. 3.3.1 Vertrauen baut nicht auf Paragraphen Vertrauensbildung zwischen Vorgesetztem und Mitarbeiter, sowohl im weltlichen als auch im kirchlichen Bereich beginnt bei der Verfügbarkeit, die freilich keine einseitige bleiben darf. Wie das Kind, das seine Mutter oder seinen Vater immer suchen und ihnen nachlaufen muss, braucht auch kirchliche Führung diese Durchlässigkeit von der einen zur anderen Person. Ein Bischof, der immer seinen Generalvikar oder seinen Kurienmoderator vorschiebt und für ein persönliches Gespräch mit seinen Mitarbeitern nur über Hürden zu erreichen ist und somit um sich eine hierarchische Firewall aufbaut, darf sich nicht wundern, wenn er zwar bei Visitationen feierlich von der ganzen Gemeinde empfangen, dann aber nur mit Äußerlichkeiten „gefüttert“ wird. Die Art des Zugangs und die Intensität des Kontakts eines Priesters, Diakons oder Pastoralassistenten mit seinem Bischof oder seinem Beauftragten setzen sich in Art und Intensität des Zugangs der gemeindlichen Herde zu ihrem Hirten fort, d.h. des Glaubenden, der in der Gemeinschaft mit feiert, und des Fernstehenden, der außerhalb der Gemeinschaft lebt, zu ihren Seelsorgern. Als zweites Fundament einer echten Atmosphäre des Vertrauens zwischen dem Hirten und seiner Herde kann die Offenheit genannt werden, mit der sich der Mitarbeiter an seinen Vorgesetzten wenden kann. Wie Eltern ihren Kindern gerne versichern, dass diese mit allen ihren Sorgen und Freuden, mit allen ihren Problemen und Ängsten zu ihnen kommen können, genauso profiliert müssten auch der Bischof und sein Leitungsteam ihren Mitarbeitern 101 Vgl. Herzberg, One more time: how do you motivate employees?, in: Harvard Business Review 46, 1968/1, 53 - 62. 51 gegenüber sprechen und vor allem handeln. Die einmalige bewusste oder unbewusste Verletzung eines solchen Versprechens hinterlässt Narben, die schwer verheilen. Die Arbeit in einer Pfarre oder einem Dekanat lässt nicht selten erkennen, dass Mitarbeiter gerne Dinge, die sie zwar selbst lösen sollten, auch könnten, aber in denen sie sich eher die Rückendeckung eines Vorgesetzten im Ordinariat erhoffen, diese Angelegenheit ganz einfach nach oben delegieren. Nicht wenige kirchliche Mitarbeiter verwechseln das Gebot selbständigen Handelns mit vorauseilendem hierarchischen Dünkel. Somit gründet eine glaubhafte Vertrauensatmosphäre zwischen Bischof und seinen Mitarbeitern auf einer ungebrochenen Ehrlichkeit, die weder verwaltungstechnische, pastorale oder theologische Barrieren setzen darf. Dafür sind Verfügbarkeit und Offenheit, wie oben erwähnt, wesentliche Vorausbedingungen. Der Bischof kann sich die Offenheit seiner Mitarbeiter nicht mit seiner Beauftragung, nur mit seiner eigenen Offenheit verdienen. Die vierte Vorausbedingung für ein vertrauensechtes Verhältnis zwischen Bischof und seinen haupt- und nebenamtlichen Mitarbeitern ist wohl die stärkste Herausforderung, die er in seiner Machtposition als oberster Hirte von Jesus Christus selbst überantwortet bekommen hat: die menschliche Fairness, die weder etwas mit kirchenpolitischem Kalkül zu tun hat, noch oder schon gar nichts mit der Macht, die ihm Kraft der Handauflegung vom Geist Gottes selbst verliehen ist. Fairness ist kein Kind eines Paragraphen des kirchlichen Gesetzbuches, sondern Tochter oder Sohn des gerechten, unerforschlich tiefen und barmherzigen Herzens des Herrn: „Der Himmel so hoch und die Erde so tief und das Herz des Königs: sie sind nicht zu erforschen.“ (Spr 25,3) Der Apostel Paulus spricht in dieser Beziehung Klartext: „Nehmt mich zum Vorbild, wie ich Christus zum Vorbild nehme.“ (1 Kor 11,1) Vorbild menschlicher Fairness ist Christus selbst. Damit ist das role model einer kirchlichen Führungskraft zweifelsfrei bestimmt: Es geht nicht um die Nachahmung eines weltlichen Vorbilds aus der Wirtschaft oder dem Management, sondern es geht um die Nachfolge Christi selbst. Der Maßstab menschlicher Leistungserfordernis in den verschiedenen Verwaltungs- sowie pastoralen Aufgabenbereichen der Kirche muss der sichtbaren Versammlung der irdischen Kirche in ihrer Wesensbeschaffenheit als geistliche Communio mit Gott und seinem heiligen Volk gerecht werden. Ein Auseinanderklaffen der menschlichen und jesuanischen Leistungskriterien oder sogar deren Wi52 derstreit kann nur zu fundamentalen Sprüngen in den Grundfesten der Kirche und letztlich zur Unglaubwürdigkeit ihrer selbst führen. Die von Karl Rahner aufgegriffene und durch sein Denken gefestigte anthropologische Wende des theologischen Sprechens über Gott und des menschlichen Lebens im Angesicht Gottes ist ganz wesentlich seinem Verständnis der Bedingtheit pastoralen Handelns entsprungen: „Der Mensch kommt nur wirklich in echtem Selbstvollzug zu sich, wenn er sich radikal an den anderen wegwagt. Tut er dies, ergreift er (unthematisch oder explizit) das, was mit Gott als Horizont, Garant und Radikalität solcher Liebe gemeint ist, der sich in Selbstmitteilung (existenziell und geschichtlich) zum Raum der Möglichkeit solcher Liebe macht. Diese Liebe ist intim und gesellschaftlich gemeint und ist in der radikalen Einheit dieser beiden Momente Grund und Wesen der Kirche.“102 Menschliches Bemühen für und in dieser Kirche mag vergleichbar sein mit der von Gott in der Geschichte immer neu komponierten und von seinen Geschöpfen aufgeführten Symphonie. Ohne irdisch sichtbar gewordene Spuren des Guten Hirten wäre sein pastoraler Mitarbeiter genauso irrend unterwegs wie der Musizierende, der die Musik seines Meisters von einem leeren Notenblatt erraten müsste. Von Gott zu sprechen ohne sein geschaffenes Ebenbild miteinzubeziehen und mitzudenken, wird notgedungen ein bruchstückhafter Lebensentwurf bleiben müssen; genauso wie alles Ihm Ebenbildliche nicht ohne dessen Ursprung gedacht und ausgesprochen werden kann. 3.3.2 Teamrollen in der kirchlichen Arbeit Die Restrukturierung von Diözesen und, verbunden damit, die Schaffung neuer pastoraler Modelle aufgrund der zurückgehenden Berufungen zum Priestertum und gleichzeitig der stetig kleiner werdenden Gemeinden, stellen die von den Bischöfen geforderte Kompetenz der Teamfähigkeit103 des haupt- und ehrenamtlichen pastoralen Mitarbeiter auf den Prüfstand. Immer wieder zerbrechen Teams, weil der Pfarrer mit dem ständigen Diakon oder dem Pastoralassistenten nicht zusammenarbeiten kann oder will oder umgekehrt. In solchen 102 Rahner, Grundkurs des Glaubens, 429. Vgl. Brief von Kardinal Christoph Schönborn an die Mitbrüder im diakonalen Dienst der Erzdiözese Wien, 22. Oktober 2012. 103 53 zunächst inneren Kündigungs-, folglich jedoch bewussten Trennungsprozessen wird meist mit vorhandenen menschlichen Schwächen argumentiert, professionelle Stärken jedoch bewusst oder unbewusst ins Abseits geschoben. Die Feststellung des Erzbischofs von Wien, Christoph Kardinal Schönborn, dass „die neue Rolle in der Tätigkeit für mehrere ‚Filialgemeinden‘ in Kooperation mit anderen Seelsorgern und Seelsorgerinnen [ … ] möglicherweise eine Umstellung bedeuten und erst neu zu lernen sein [wird]“104, scheint eine Abschwächung dessen zu sein, was auf die Gruppe der Leitungsverantwortlichen solcher „Großpfarren“ menschlich und pastoral unweigerlich zukommen wird: die absolute Notwendigkeit einer glaubhaften Teamarbeit. Rainer Bucher erinnert daran105, dass es in der pastoralen Arbeit der Pfarren zwischen dem „klassischen, nachtridentinischen und vor allem amtstheologisch-sakramental fundierten, also gerade nicht professionell-funktional geprägten Priesterbild“106 und dem neuen, professionell und oft akademisch ausgebildeten pastoralen, zumeist nicht geweihten Leitungsteam zu einem „pastoralen Professionalisierungsdruck“107 kommt. Bucher sieht „eine konkurrierende, nichtpriesterliche Personalstruktur neben der weiterhin in vielen Bereichen letztentscheidenden priesterlichen Hierarchie.“108 Die Frage des Osnabrücker Bischofs Franz-Josef Bode, ob nicht „Gemeinde, Fakultät, Seminar [ … ] mehr ein organischer Lebenszusammenhang, eine Lebensgemeinschaft werden“109 müsste, muss auch in Richtung einer intensiveren gemeinsamen pastoralen Aus- und Weiterbildung von Priestern, ständigen Diakonen und Pastoralassistenten weiter gedacht werden. In dieser atmosphärischen Spannung einer täglichen Sorge um den Menschen, wird ganz besonderes Augenmerk auf die professionelle, individuelle und gruppenmäßige Begleitung durch das Seelsorgeteam Bedacht genommen werden müssen. Den „gemeinschaftlich getragenen Dienst der Priester, Diakone und Laien im pastoralen Beruf in der Unterstützung der Gemeinden“110 überhaupt erst zu ermöglichen, wird es einer Neuorientierung der Personalentwicklung pastoraler Berufe in den Diözesen bedürfen. Die derzeit verfügbaren Mo104 Ebd. Bucher, Nicht Selbstzweck, 23. 106 Ebd. 107 Ebd. 108 Ebd. 109 Bode, Priester, 31. 110 Brief von Christoph Kardinal Schönborn an die Mitbrüder im diakonalen Dienst der Erzdiözese Wien, 22. Oktober 2012. 105 54 delle genügen kaum den Anforderungen der kirchlichen und somit pastoralen Strukturen von morgen.111 In der Wirtschaft gehört es heute zur vordringlichsten Aufgaben des Managements, junge Mitarbeiter, in denen Fähigkeit und Wille zur Übernahme von Führungsverantwortung geortet wird, durch Weiterbildung nicht nur in ihrem funktionalen Tätigkeitsbereich, sondern vor allem in der Menschenführung und auf ihre Rolle der Leitung von Teams oder Gruppen vorzubereiten. Dazu aber ist von Bedeutung, ihre verborgenen Stärken zu erkennen, zu entwickeln und zum Wohl des ganzen Unternehmens einzusetzen. In einem effektiven Team ist vor allem die Ausgewogenheit und Balance das ausschlaggebende Element. Zwei Personen mit sehr ähnlichen Charismen, Begabungen und Kompetenzen werden sich bald zumindest im Weg stehen, wenn nicht sogar auf die Füße treten, nicht nur physisch, vielmehr noch arbeits- und verhaltensmäßig. Konflikte auf dieser Ebene werden in der kirchlichen Arbeit nicht selten nach dem hierarchischen Prinzip entschieden und gelöst, das heißt der Geweihte hat immer Vorrang, Vorrecht und Recht vor dem Laien. Und dasselbe gilt vom hauptamtlichen dem ehrenamtlichen Mitarbeiter gegenüber. Das Kirchenbild des Zweiten Vatikanums spricht vom Glaubenden als Pilger im und mit dem Volk Gottes112, unterwegs in seiner konkreten Lebenszeit, aber auch eingebunden in die Geschichte der gesamten Menschheit. Die irdische Kirche ist nicht Endziel der Wanderschaft. Mit ihr als ecclesia semper reformanda ist jedes einzelne ihrer Glieder „korrekturbedürftig“ und in Erwartung der Erlösung durch Christus. MIt anderen Worten und speziell auf ein effizientes und effektives kirchliches Arbeitsteam hin bezogenen, heißt das, dass auch in der Kirche keine absolut ausgeglichenen Charaktere garantiert sind – auch nicht in den Reihen der Apostelnachfolger, sondern Vorgesetzte sich die Mühe machen müssen, die Kompetenzen der einzelnen Mitarbeiter zu kennen und Teams und Gruppen nach den Regeln des Gleichgewichts zusammenzustellen. Je größer und komplexer eine Institution ist und je zentraler und autokratischer sie geführt wird, desto schwieriger wird eine Balance – oft über Kontinent- und Landesgrenzen hinweg – erreicht werden. 111 Die Weiterbildungsbroschüre der Erzdiözese Wien (Herbst 2012 – Frühjahr 2013) für Priester, Diakone, Pastoralassistent/innen und Jugendleiter/innen enthält beispielsweise kein einziges Angebot, das die dringende Notwendigkeit verstärkter Teamarbeit in der Seelsorge aufgreifen würde. 112 Vgl. Lumen Gentium, Art. 9-17. 55 Organizational Behavior, in der Wirtschaft manchmal auch Management Psychology oder Business Management genannt, kennt viele unterschiedliche Modelle von Rollen innerhalb eines Teams. Der Autor selbst hat während seiner Tätigkeit im HumanressourcenManagement intensiv mit einem von dänischen Psychologen entwickelten Master Person Analysis-Modell113 (MPA-Modell) auf dem Gebiet der Personaldiagnostik gearbeitet, das in der Personalauswahl, für die Personal- und Managemententwicklung, bei Standortbestimmungen und Potenzialanalysen, für Manager-, Verkäufer- und Teamanalysen, in Development- und Assessment-Centers und im Leadership Coaching angewandt wird. Die acht Teamrollen sind sowohl in profit-orientierten als auch in sozial-orientierten Organisationen anzutreffen. Auch dem kirchlichen, administrativen und pastoralen Umfeld sind diese unterschiedlichen Persönlichkeitsprofile nicht fremd114, wobei jedes einzelne Teammitglied mit unterschiedlichem Rollenprofil die Leitung des Teams übernehmen kann. Optimale Prozesseffizienz und Effektivität des Resultats hängt jedoch ganz klar vom individuellen Rollenprofil des Teamführers für einen spezifischen Teamauftrag ab. Die acht Teamrollen und ihre Relation zur kirchlichen Mitarbeit können nach dem MPAModell folgendermaßen dargestellt werden: 1. Der Koordinator fasst die unterschiedlichsten Charaktere, Bemühungen und Aktivitä- ten zusammen, ohne dabei Dominanz an den Tag zu legen. Das zu erreichende Ziel, das er offen und vorurteilslos anstrebt, ist ihm stets vor Augen. Dadurch kann er Charismen und Kompetenzen seiner Mitarbeiter schnell erkennen und sie für die gemeinsame Arbeit einsetzen. Er schöpft alle Organisationsressourcen aus, wobei er in diesem Prozess auf die Herausforderung treffen kann, alle Ideen unter einen Hut zu bringen. In der Kirche begegnet man Koordinatoren oft als ruhige, besonnene, stark spirituell geformte Personen, denen Menschen zugehen und die sich in ihrer Sendung der ekklesialen Ganzheit gegenüber bewusst sind, d.h. die sowohl die physisch-materiellen, die psychischen als auch die geistigen sowie geistlichen Dimensionen der Sorge um den Menschen und seine 113 Vgl. Master HR Consulting GmbH, Wien auf http://www.master-hr.at/Default.aspx?ID=404, abgerufen am 14.11.2012. 114 Ebd. 56 Gemeinschaft115 aktiv wahrnehmen. Der Mensch in seiner Würde wird vom Koordinator dem Streben nach Output, Ergebnis oder Leistung des einzelnen oder der Gruppe nicht nachgeordnet. 2. Für gewöhnlich ist der enthusiastische Macher ein dominanter Typ, der schnelle Ent- scheidungen trifft und stets die Arbeitsgeschwindigkeit der Gruppe hoch hält. Obwohl er bisweilen seine eigenen Interessen betont, lässt er von der Verfolgung des gemeinsamen Ziels nicht ab. Dieser manchmal als persönliche Provokation empfundene Charakterzug mag manchen Mitarbeiter abstoßen. Der Macher lässt andere Mitglieder seiner Gruppe gelassen fallen, wenn sie nicht in sein System passen. In der kirchlichen Hierarchie zeichnen sich Macher als zielbewusste Durchsetzer aus, die stets den Auftrag von ganz oben, sei es von Rom oder der Generalität ihres Ordens, der Bischofskonferenz oder dem Ordinariat vor Augen und daher die Machtfülle auf ihrer Seite haben. 3. Eigene Ideen und Wege sind dem Umsetzer fremd, er verfolgt mit hoher Eigendiszip- lin und Zielstrebigkeit strikt die vorgegebenen Ziele und konzentriert sich auch auf deren Umsetzbarkeit. Richtlinien, Vorgaben, Pläne, Budgets und Anweisungen von oben sind ihm Richtschnur für sein Handeln. Unterschiedliche Meinungen im Team oder in der Gruppe werfen ihn nicht aus der Bahn, da er sich ja auf die aufgestellten Regeln und Zielsetzungen eingeschworen hat. Viele nicht-geweihte, kirchliche Mitarbeiter verkörpern wohl diese Rolle des Umsetzers, der sich nicht um eigene kreative Wege kümmert, sondern ohne Widerrede das ausführt, was von oben her geboten ist. Letztendlich hängt ja die Sicherheit seines Arbeitsplatzes von seiner absoluten Linientreue ab. Ohne Diskreditierung ist dieser Mitarbeitertypus sowohl im verwaltungstechnischen als auch im karitativen und pastoralen Bereich kirchlicher Arbeit zu finden. Zum Teil schwebt auch die Angst in der Luft, dass Illoyalität den Zielen des Bischofs, dem Generalvikar oder dem Bereichsleiter gegenüber einen Verlust des Arbeitsplatzes mit sich bringen könnte. 115 Vgl. Nauer, Seelsorge, 129-147. 57 4. Nicht immer ist der Ermittler in einer Gruppe willkommen, selbst dann nicht, wenn er in der Folge das Team mit seinen Entdeckungen einen enormen Schritt voranbringt. Extrovertiert und stets nach neuen Ideen und Eingebungen suchend, verwendet er diese dann als Sprungbrett für seinen eigenen Beitrag zur Teamarbeit. Als Ermittler, der ununterbrochen nach neuen Fakten Ausschau hält, hört er genau zu, nimmt Dinge, interne und externe Fakten und Faktoren schnell auf, ohne jedoch die Ausdauer zu haben, das Angerissene auch umzusetzen. Ermittler können im Alltag kirchlicher Arbeit erheblich stören. Wenn das Team nicht gerade in einem Veränderungsprozess gefangen ist, werden sie entweder völlig ignoriert oder als unrealistische Träumer abgetan. Ihr Blick in die Kirche von morgen wird ausgeblendet oder einer pastoralen Schizophrenie zugeschrieben. In einer Kirche, die Wandel als nicht akzeptabel abtut, erfahren Ermittler ein beschwerliches Leben. 5. Den Mehrwert, Entwickler in einem Team zu haben, wird oft von den Teammitglie- dern gröblich unterschätzt. Sie greifen Möglichkeiten und Chancen schnell auf, bringen Ideen zum Reifen, schwören dabei aber ihren eigen Überzeugungen und Zielen nicht ab. Die Entscheidungsfreudigkeit der Entwickler erhöht die geistige Mobilität des Teams und als „Stachel im Fleisch des Teams“ drängen sie auf die Erkundung neuer Alternativen, bei der sie selbst gerne als Coach Beistand anbieten. Dem Entwickler fällt es auch nicht schwer, andere Gruppenmitglieder zum selbständigen Weiterdenken anzuspornen. Entwickler in der Kirche sind Feinde einer einseitig gedachten Traditionsverbundenheit. Sie geben Anstoß zum Weiterdenken, was bei vielen als Abweichen von der von oben vorgegeben Stoßrichtung abgelehnt wird. Als Leiter eines Teams werden Entwickler dann wertvoll und geachtet, wenn sie ihre anregenden Fragestellungen auch selbst in Angriff nehmen und nicht nur nach unten hin weiterdelegieren. 6. Teammitglieder, die vor allem den Status eines Beobachters einnehmen oder als Kri- tiker agieren, werden nicht selten unterschätzt. Ihr Urteil über den gemeinsam eingeschlagenen Weg wird zwar gesehen, ob es auch von den Teammitgliedern akzeptiert wird, steht oft in Frage. Ihre Genauigkeit, mit der sie die Professionalität und Zielausrichtung der Arbeit hinterfragen, kann eine Gruppe vor größeren Fehleinschätzungen der Realität bewahren. 58 Arbeitsaufträge, die sich über längere Zeit hin ziehen und vielleicht das Ziel aus den Augen verloren haben, können von Kritikern wieder auf die richtigen Bahnen zurückgeholt werden. Die Motivation anderer Gruppenmitglieder bleibt jedoch bisweilen auf der Strecke. In Arbeitsabläufen, die die Kirche selbst oder kirchliche Organisationen betreffen, sind Beobachter und Kritiker nicht gerne gesehen. Wenn sie ihre korrigierende oder alarmierende Stimme erheben, werden sie oft ausgegrenzt und sogar ins Lächerliche gezogen. Als Nestbeschmutzer kritisiert, verlieren Kritiker damit auch das Anrecht auf eine gültige Stimme. Sie wollen gerne Teil der Kirche sein, was ihnen allerdings von ihren Kritikern zu schnell abgesprochen wird. Besorgte Kritiker in der Kirche gebären Kritik derer, die mit aller Kraft am Vergangenen festhalten wollen. 7. Die Notwendigkeit eines Unterstützers (Team Supporters), also eines aktiven Team- workers, wird wohl niemand einer Gruppe absprechen können und wollen. Er hält die Kommunikation innerhalb des Teams hoch und fungiert als Vermittler zwischen den einzelnen Meinungen und Richtungen. Der echte Teamworker kennt seine Kollegen und versucht entgegenlaufende Meinungen mit der aufgetragenen Zielsetzung in Einklang zu bringen. Beim Team Supporter steht die Gemeinsamkeit stets im Vordergrund. Als Teamleiter wird ihm allerdings immer wieder der Vorwurf gemacht werden können, dass er in seinen kommunikativen Bemühungen das eigentliche Ziel aus den Augen verlieren mag. Im kirchlichen Kontext sind Teamworker genauso wichtig wie alle anderen Teamrollen. Ohne ihren Input versanden viele Arbeitsaufträge. Nicht selten bewegen sie den Auftrag im Hintergrund, ohne selbst im Scheinwerferlicht zu stehen oder stehen zu wollen. Wenn sie die Rolle eines Teamleaders übernehmen sollen, geraten sie leicht in Gefahr, vor gefährlichen Barrieren zurückzuschrecken und damit die Schlagkraft des Teams aufs Spiel zu setzen. 8. Das Teammitglied, das die Sache zu Ende führt, erhält oft die Anerkennung für den gesamten Prozess. Ihm liegt es vor allem, Prioritäten zu fokussieren und Details nicht aus dem Auge zu verlieren. Der Start mag ihm schwerer fallen als anderen, allerdings wird er zum Garant für die angestrebte Leistung. Der Finisher, wie er genannt wird, ist an den einzelnen Schritten und am Endresultat interessiert. Nicht selten nimmt er die Aufgabe selbst in 59 die Hand, wenn ihm das Tempo der Arbeit zu langsam oder die Genauigkeit nicht garantiert erscheint. Delegation und Akzeptanz neuer Initiativen fallen ihm bisweilen schwer. Genauso wie die Wirtschaft und die Politik braucht auch kirchliche Tätigkeit Mitarbeiter und Führungskräfte, die Dinge zu Ende bringen. In diesem Fall ist Demut gefragt, die Paulus so treffend formuliert, wenn er über die Schwächen und die Stärken in seiner Gemeinde spricht: „Wir stehen als Toren da um Christi willen, ihr dagegen seid kluge Leute in Christus. Wir sind schwach, ihr seid stark; ihr seid angesehen, wir sind verachtet.“ (1 Kor 4,10) Wirtschaftsunternehmen bedienen sich gerne eines Rollenmodells, das ihnen hilft, „die Kompetenzen und Potentiale eines Teams aufzudecken, den Respekt und die Harmonie innerhalb eines Teams zu vergrößern, die Team- oder Gruppenzufriedenheit und Effizienz zu erhöhen, die Verknüpfung zwischen der Arbeitsaufgabe und der Person zu optimieren und eine sichtbare und akzeptierte Teamrolle zu fördern.“116 Es steht unzweifelhaft fest, dass alle diese acht Teamrollen in der Wirtschaft und in der Kirche existieren. Mehr oder weniger. Intensiver oder verschwommener. Expliziter oder impliziter. Auch wenn kirchliche Führungskräfte der Ansicht sind, dass ihre Organisation einige dieser Rollen entbehren könnte, sie sind vorhanden und bringen sich in den Teamprozess mit ein. Unterschiedliche Arbeitsaufträge, Zeiten und Szenarien brauchen unterschiedliche Teamzusammensetzungen. Solange in einem kirchlichen Bereich kulturell nur eine oder vielleicht eine zweite dieser acht Führungsrollen akzeptiert ist, die gegebenenfalls bis auf den Ordensgründer oder einen heiligen Diözesanvorfahren zurückzuführen ist, wird die Herausforderung der Zeichen der Zeit117 nicht bewältigt werden können. Gesellschaftliches Umfeld und zeitbedingter Wandel verlangen nach Flexibilität des Einsatzes von Mitarbeitern, die unterschiedliche Teamrollen repräsentieren. Zu viele gleichgestaltete Rollen in ein und demselben Team können dieses ineffizient und ineffektiv werden lassen. Die Einheit eines Teams, auch im kirchlichen Bereich, kann und darf nicht Einförmigkeit der involvierten Personen bedeuten. Einheit des Teams fördert seinen Erfolg und somit seine Leistung, Einförmigkeit blockiert sowohl seine Glaubwürdigkeit als 116 117 Master HR Consulting GmbH, unveröffentlichte Präsentation „MPA Team-Tool“, Wien (ohne Datum). Vgl. Gaudium et Spes, Art. 4. 60 auch seine Effizienz, auch wenn schlussendlich das Resultat den Zielvorstellungen entsprechen mag. 3.3.3 Spezialist oder Führungskraft Die Frage, wohin die berufliche Lebensreise nach der funktionalen Ausbildung an der Schule oder der Universität gehen soll, beschäftigt nicht nur den vornehmlich akademisch ausgebildeten Absolventen in weltlichen Wissensbereichen, sondern auch den jungen Menschen, der Theologie und somit den Dienst in und für und mit der Kirche zu seinem Lebensziel erwählt hat. Selbstverständlich wird in dieser Hinsicht beispielsweise zwischen Pastoralassistenten und Priester unterschieden werden müssen. Hier soll dieser Frage jedoch allgemein dahingehend auf den Grund gegangen werden, welche Möglichkeiten der Weiterbildung für eine bestimmte, erfolgreiche und leistungsorientierte kirchliche Arbeit adäquat ist. Jeder Arbeitgeber, auch die Kirche und ihre Institutionen, wird bemüht sein, potentielle Mitarbeiter nach der Qualität ihrer fachlichen Ausbildung für eine bestimmte Rolle in seiner Organisation auszuwählen und anzuheuern. Hier gilt es, den richtigen Mitarbeiter mit den richtigen Kompetenzen und der richtigen Einstellung zur richtigen Zeit für den richtigen Job zu finden, ihn weiterhin auszubilden und dabei auch auf seine menschliche Bildung nicht zu vergessen, und ihn zur erwarteten Leistung für das Unternehmen zu motivieren. Neben der fachlichen Ausbildung zählt für den Arbeitgeber jedoch auch die individuelle Bereitschaft des Arbeitnehmers zu fachlicher Weiterbildung, das Potential des Mitarbeiters kennen zu lernen und Führungsaufgaben zu überantworten, d.h. mehr Verantwortung für den Gesamterfolg des Unternehmens einzufordern. Dabei darf neben dem Potential niemals die Bereitschaft des Mitarbeiters außer Acht gelassen werden, auch mehr organisatorische Verantwortung übernehmen zu wollen. Motivation soll und darf in diesem Führungsprozess nicht mit Zwang zur Übernahme verantwortlicheren Handelns verwechselt werden. So mancher Mitarbeiter wird mit dem zufrieden sein wollen, was er für seinen Job mitgebracht hat. Das gilt gleichermaßen für weltliche und kirchliche Berufe. Die Herausforderung des Arbeitgebers liegt in der Kunst, jene Mitarbeiter zu fordern und zu fördern, die mehr sachliche Verantwortung und organisatorische Führungsaufgaben zu 61 übernehmen bereit sind, vorausgesetzt sie bringen die entsprechenden Fähigkeit mit sich. Das angestrebte Idealprofil wäre demnach das synchrone Wachsen des Mitarbeiters im sowohl fachlichen als auch führungsrelevanten Bereich. Für kirchliche Mitarbeit heißt das nichts anderes, als dass der Mitarbeiter im verwaltungstechnischer Hinsicht am Laufenden bleibt, denn die „Halbwertzeit“118 seines Wissens verkürzt sich in unserer Wissensgesellschaft rasant, sich gleichzeitig aber auch Schritt für Schritt das Werkzeug der Menschenführung in einer Organisation aneignet. Auch in der Theologie kann von einer „Halbwertzeit“ gesprochen werden. Theologische Tage, Seminare und Fortbildungskurse alleine genügen nicht, theologische Ansätze von gestern mit neuen Impulsen zu „verheutigen“.119 Professionelle theologische Weiterbildung zählt für alle pastoralen Berufungen, vor allem Priester und Diakone, zur selbstverständlich Grundfeste ihrer Glaubensexistenz. 3.3.4 Eine Charta Humana kirchlicher Arbeitseffizienz Auf Bitte des heute emeritierten Bischofs von Eisenstadt, Dr. Paul Iby, bemühte sich 2004 und in den folgenden Jahren ein Team von Mitgliedern des Pastoralrats der Diözese unter Leitung des Autors dieser Arbeit in einer Charta Humana120 um das vertiefte Verständnis des Menschen-und Führungsbildes der Kirche und ihrer Mitarbeiter im Burgenland. Um es gleich vorwegzunehmen: Wie vielfach in der Kirche ist mit dem Dokument auch die dahinterliegende Zielsetzung einer Professionalisierung menschlicher Zusammenarbeit in der Diözese einfach in den Schubladen verstaubt. 118 Als „Halbwertzeit“ wird die Zeit verstanden, in der sich ein exponentiell mit der Zeit abnehmender Wert halbiert hat. In den Naturwissenschaften bedeutet das, dass beim radioaktiven Zerfall die Halbwertszeit diejenige Zeitspanne ist, in der die Menge und damit auch die Aktivität eines gegebenen Radionuklids durch den Zerfall auf die Hälfte gesunken ist, was mit der C14-Methode gemessen werden kann. Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Halbwertszeit, abgerufen am 15.11.2012. Allgemein wird heute von einer „Halbwertzeit“ des erworbenen Wissens von durchschnittlich sieben Jahren gesprochen, in der Technik verringert sich diese Zeitspanne auf etwa sechs Monate. Auch in der Theologie kann von einer „Halbwertzeit“ gesprochen werden. 119 Vgl. Ankündigung des 2. Vatikanischen Konzils durch Papst Johannes XXIII. am 25.1.1959, in: http://www.ub.uni-freiburg.de/fileadmin/ub/referate/04/semapp/konzil.html, abgerufen am 8.11.2012. 120 Vgl. Charta Humana der Katholischen Kirche im Burgenland, Eisenstadt 2004. 62 Die im Pastoralrat der Diözese intensiv diskutierte und vom Bischof approbierte Charta Humana  betrachtet Mitarbeiter der Kirche im Burgenland, deren Qualifikationen und Fähigkeiten, deren Bedürfnisse und Aufgaben, deren Stärken und Schwächen, deren Hoffnungen und Entwicklungschancen;  beleuchtet aber auch die heute oft vernachlässigte und unbeachtete Herausforderung, wie kirchliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einander begegnen, mit einander umgehen, menschlicher und effizienter auf das gemeinsame Ziel hin arbeiten und Führungsverantwortung übernehmen, um Kirche Jesu Christi in der Welt des 21. Jahrhunderts zu sein und glaubhaft zu leben;  versteht sich sowohl als personalpolitische Richtlinie als auch als Anregung für deren praktische Umsetzung. Sie betrifft in gleicher Weise Führungskräfte und Mitarbeiter der katholischen Kirche im Burgenland: 1. Grundvoraussetzung für ein glaubhaftes Personalmanagement sind das Erkennen, die Definition und die Kommunikation jener Talente, die für die Arbeit in und an unserer Kirche hier und heute notwendig sind. 2. Die Kirche muss aber auch fähig und bereit sein, diese Talente zu suchen, anzusprechen, für die Arbeit in und an der Kirche zu begeistern und sie auch tatsächlich dafür zu gewinnen. 3. Es kann nicht nur Aufgabe auf Profit hin orientierter Unternehmen, sondern muss auch ureigene Verpflichtung unserer Kirche sein, Mitarbeiter auf kontinuierliche Veränderungen vorzubereiten und sie ganzheitlich weiterzuentwickeln. 4. Eine wesentliche Verpflichtung aller kirchlichen Führungskräfte muss es sein, aus berechtigten kirchlichen Angestellten und ehrenamtlichen Mitarbeitern voll engagierte Verantwortungsträger und Mitarbeiter zu machen. Um diese personalpolitische Anforderungen erfüllen zu können, definiert die Charta Humana die Notwendigkeit, unter anderem einen Katalog von Kompetenzkriterien, Anforderungsprofilen und Stellenbeschreibungen für alle Positionen, eine Interview-Anleitung für Stellen63 besetzungen, eine Orientierungs-Checkliste für neue Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen und Anleitungen für ein Mitarbeitergespräch zu entwickeln. Im 4. Kapitel der Charta Humana wird unter der Überschrift „Talente für die Arbeit in und für die Kirche engagieren“121 mit Hilfe eines von einem Professor der Harvard Business School und einem renommierten Unternehmensberater entwickelten Instrumentariums, des Balanced Scorecard-Ansatzes122, ein ganzheitliches System für den Mitarbeitereinsatz in der Diözese entwickelt. Grundlegende Idee war es, weder die administrative, karitative, diakonale oder seelsorgliche Arbeit dem Zufall zu überlassen, sondern einen ganzheitlichen Ansatz zu erproben. Abb. 1: Beispiel einer Balanced Scorecard für Planung und Steuerung eines Projekts „Das Schiff Kirche ist von Jesus Christus selbst gebaut, die Steuerung durch die Gewässer dieser Welt überantwortet er aber den Menschen. Um sicher ans Ziel zu kommen, beachten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter alle Instrumentarien, die auf diesem Schiff zur Verfügung stehen. Sie erarbeiten immer zuerst [die spirituell christlichen, pastoralen, finanziellen, Prozess- und Wachstums-orientierten Ziele], um dann daraus die notwendigen Schritte und Maßnahmen zu bestimmen, die sie an diese Ziele heranbringen: 1. Der spirituell christliche Aspekt – Was erwartet Jesus Christus von uns? Was würde er an unserer Stelle tun? 2. Der pastorale Aspekt – Was erwartet die Gemeinschaft der Christen von uns? 121 Ebd. 13. Vgl. Robert S. Kaplan / David P. Norton, The Balanced Scorecard. Translating Strategy Into Action, Boston, MA 1996. 122 64 3. Der finanzielle Aspekt – Was ist unser finanzielles Ziel? Was soll finanziell erreicht werden? 4. Der Aspekt des internen Prozesses – Was wollen wir administrativ erreichen? Welches administrative Ziel können wir mit unseren Ressourcen ohne innere „Reibereien“ erreichen? 5. Den Aspekt des Wachsens – Wohin wollen wir selbst, unser Team, unsere Pfarre, unser Dekanat und unsere Kirche im Burgenland, die Teil der weltweiten Kirche ist? Bei der Vorbereitung und Durchführung aller Aufgaben, Arbeiten und Projekte, in die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Kirche des Burgenlands involviert sind, werden alle diese Aspekte, die ineinander greifen und mit einander verbunden sind, berücksichtigt; zunächst die Zielsetzung, dann die Schritte und Maßnahmen.“ 123 Diese Gedanken über Talente und Kompetenzen der Mitarbeiter schließen mit den bis heute fein säuberlich zur Seite gelegten und in der Zwischenzeit schon vergessenen Worten: „Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden geschult, diese Aspekte in ihrer täglichen kirchlichen Arbeit zu berücksichtigen.“ 124 Die Charta Humana blieb bis heute ein unerfüllter Traum einiger engagierter haupt- und ehrenamtlicher Mitarbeiter des gewählten Gremiums zur Beratung des Bischofs in pastoralen Belangen der Diözese Eisenstadt. 3.4 Die unerreichbare Vision vom Empowerment Vor dem II. Vatikanischen Konzil dachten die meisten Glaubenden, Gott spreche direkt mit dem Papst, der die Botschaft dann über seine Kardinäle, Bischöfe und Priester pyramidenförmig, kaskadenförmig und gefiltert bis zum Volk Gottes herunterbricht. Dabei wurde zwar nicht negiert, allerdings unbeachtet gelassen, dass der hierarchische Überbau selbst ein Teil dieses Volks Gottes ist. Den Glaubenden wurde nicht zugetraut, die Heiligen Schriften der Bibel selbst zur Hand zu nehmen und zu lesen. Von Papst Johannes XXIII. wird berichtet, dass er zu seinem zweiundzwanzigsten Geburtstag im Priesterseminar mit großer Freude seine erste Bibel geschenkt bekam. Interpretiert man Absicht und Gedanken der Konzilsväter richtig, revidierte das Konzil zwar diese tradierte Sicht einer pyramidenförmigen Organisationsstruktur der Kirche, initiierte Anreize zur Entwicklung neuer Strukturmodelle, konnte diese jedoch kaum zum Leben 123 124 Charta Humana der Katholischen Kirche im Burgenland, 14-15. Ebd. 15. 65 erwecken, weil die institutionelle Kultur der Kirche einfach nicht Schritt halten konnte. Es scheint so, als würde die Kirche die Chiffre der integralen Organisationstriade – Strategie, Struktur und Kultur – schwer durchschauen. Die Erfahrung profit-orientierter Organisationen bestätigt wiederholt, dass Strategien und Strukturen sich viel schneller neuen Umfeldbedingungen anpassen können oder notgedrungen angepasst werden, Veränderungen ihrer Organisationskulturen allerdings viel schleppender vor sich gehen.125 Offensichtlich wird weder die mikro-ökonomische Prämisse des amerikanischen Historikers und Havard-Professors Alfred Chandler beachtet, wonach die Strukturen den Strategien (structures follow strategies126) folgen, noch wird der diesem Thema zugeordneten Antithese Beachtung geschenkt, dass Strategien vorgegebenen Strukturen nachgeordnet sind127. Die Kirche des 21. Jahrhunderts wäre gut beraten, würde sie für sich beide Ansätze auf Plausibilität prüfen, denn sie hat ja keinen Zweifel an ihrer strategischen Ausrichtung und hat zugleich durch zwei Jahrtausende eine Struktur – zumindest eine Organisationsstruktur – aufgebaut, von der so manches globale Unternehmen nur träumen kann und gerne Anleihe nehmen würde. Allerdings müsste eine solche kirchliche Analyse der strategischen Zielsetzungen der globalen Kirche und der kulturell gewachsenen Strukturen der Ortskirchen trotz ihrer Katholizität unterschiedlich angegangen werden und selbstverständlich distinguierte Antworten hervorbringen. Das strukturelle Stahlgerüst einer Großstadtdiözese wie etwa Mailand wird trotz aller vorgegebenen Direktiven aus Rom anders aussehen müssen als das Bambusgerüst einer Urwalddiözese in Südamerika. Besonders von der Konstitution über die Kirche Lumen Gentium und von der Pastoralkonstitution Gaudium et Spes ausgelösten Strukturdiskussionen wurden in den folgenden Jahren Organisationsstrukturmodelle entworfen, die allerdings wenig Eingang fanden in die kurialen Kreise diözesaner Ordinariate geschweige denn vatikanischer Behörden. Um den eigentlichen missionarischen Auftrag Christi in der Kirche von heute und morgen gerecht werden zu 125 In einem persönlichen Gespräch kommentierte eine amerikanische Diplomatin in Moskau den schleppenden Abschied der Russen von der kommunistischen Mentalität mit der Geschichte Mose, der das Volk Gottes vierzig Jahre durch die Wüste ins verheißene Land führte; vierzig Jahre deshalb, weil er nicht wollte, dass seine Landsleute mit ihrer aus Ägypten mitgebrachten Sklavenmentalität den Fuß über den Jordan ins „heilige Land“ setzen sollten. 126 Vgl. Alfred D. Jr. Chandler, Strategy and Structure. Chapters in the History of the American Industrial Enterprise, Cambridge, MA 1962. 127 Vgl. Hall / Saias, Strategy Follows Structure!, 149-163. 66 können, ist ein radikales strukturelles Umdenken der kirchlichen und kirchlich nahen Organisationen erforderlich. Dazu müssten alle haupt- und ehrenamtlichen kirchlichen Amtsträger vermeintliche Machtpositionen aufgeben und ihren Dienst am Volk Gottes wieder als ihre ureigene Sendungsaufgabe erkennen, d.h. die Machtpyramide müsste in eine invertierte Pyramide des Dienstes umgekehrt werden. Abb.2: Kirchliche Organisationsstruktur – Illusion oder Vision? Dieser radikalen Strukturveränderung liegt ein oft schmerzlich empfundener Abschied von den machtkonzentrierten Hierarchie-Strukturen einer vorkonziliaren Kirche zugrunde, die dem getauften und gefirmten Menschen viele seiner ekklesialen Rechte und Verpflichtungen vorenthalten hatte. An der Spitze dieser invertierten Pyramide steht das Volk Gottes, das zugleich Subjekt und Objekt der Kirche Jesu Christi hier auf Erden ist. Das Gebot der Zeit heißt Empowerment des Christen, d.h. das Ende der Bevormundung128 durch den Klerus, ein Zeichen der Zeit, das in wirtschaftlichen Bereichen aufgegriffen, aber in der Kirche noch nicht genügend erkannt und umgesetzt wurde. Ziel des Handelns der Kirche ist die Verbreitung und Konkretisierung des Reiches Gottes unter allen Menschen und somit für die Menschheit als Ganze. Diejenigen, die von Amtswegen kirchliche Führungsverantwortung tragen, sind gerufen, denen die Füße zu waschen (vgl. Joh 13,1-20), die ihnen um des Reiches Gottes willen anvertraut sind. 128 Als Bevormundung im kirchlichen Bereich kann bezeichnet werden, wenn sie mit Verboten bzw. Pflichten, Sanktionen oder sonstigen Erschwernissen die Eigenverantwortung, Eigeninitiative und das Verhalten der ihr anvertrauten Menschen beeinflusst und dabei das Recht mündiger Menschen auf freie Gewissensentscheidung in unangemessener Weise einschränkt. Vgl. dazu http://de.wikipedia.org/wiki/Staatliche_Bevormundung, abgerufen am 1.11.2012. 67 Vielleicht sollte hier auch der abgekürzten und beschnittenen Diskussion über nur einen einzigen Aspekt institutioneller Strukturen der Wind aus den Segeln genommen werden. Denn Struktur meint mehr als Organisationsstruktur, auf die der Begriff zu oft eingeengt wird. Die Rede über Strukturen muss auch Personalstruktur, Finanzstruktur, Bildungsstruktur, Kommunikationsstruktur, Gehaltsstruktur, Altersstruktur, „Kundenstruktur“, Rechtsstruktur etc. der kirchlichen Institutionen mit einschließen. Ohne Ausnahme bilden alle diese Strukturaspekte auch eine wesentliche Brücke zur Strategie, wie der Welt die Liebe Gottes plausibel gemacht und näher gebracht werden kann. Das Argument, dass in manchen kirchlichen Kreisen zu viel über Strukturen und zu wenig über Christi eigentlichen Sendungsauftrag gesprochen wird, verliert damit seine Stichhaltigkeit. Als sichtbare Organisation dieser Welt129 muss sich die Kirche den weltlichen Instrumentarien stellen, sie im Licht des Evangeliums prüfen130 und ist letztlich auch für deren Handhabung verantwortlich, was nichts anderes bedeuten kann, als ihr fruchtbringendes Reifen nicht aus den Augen zu verlieren. (vgl. Mt 7,16.20; Mt 12,33; Lk 6,44) Kirchliche Leitungsstruktur ohne Leistungsintention muss für die Welt, deren Teil die Kirche ist, unglaubwürdig bleiben. 3.5 „Dürfen Dürfen“ als Zeichen der Zeit Die Literatur analysiert das Zustandekommen individueller menschlicher Leistung, die ja als Vorbedingung des Erfolgs einer Organisation gilt, als Übereinstimmung von Können und Wollen.131 Ist ein Mitarbeiter aufgrund seiner Bildung, seiner Weiterbildung oder seiner Erfahrung fähig, die ihm aufgetragene Aufgabe durchzuführen, und dokumentiert er zugleich, dass er auch willens ist, diese zur Zufriedenheit der Organisation im Hinblick auf ihre strategische Zielvorgabe durch- und auch zu Ende zu führen, ist zumindest der erste wichtige Schritt zur Wahrscheinlichkeit des Erreichens dieses Leistungsziels getan. Der zweite Aspekt, der dann diese Leistung auch zu einem dauernden Erfolg werden lässt, ist die Übereinstimmung der Erfolgsbelohnung und der Motivation. Eine solche Belohnung muss nicht notwen129 Vgl. Lumen Gentium, Art. 8. Vgl. Gaudium et Spes, Art. 4. 131 Vgl. Heinemann / Schwab / Fossum / Dyer, Personnel/Human Resource Management, 90. 130 68 digerweise monetär gedacht sein, sie hat vielmehr etwas mit der grundsätzlichen Anerkennung nicht nur des erzielten Outputs, sondern vor allem mit der Wertschätzung des Mitarbeiters und seiner Fähigkeiten zu tun. Fehlt diese Anerkennung, wird auch die Motivation schwinden, die persönliche Leistung zu wiederholen. Soweit das Korrespondenzmodell zwischen dem individuellen Profil und der vom Individuum einzunehmenden Rolle oder Position, die im alltäglichen Sprachgebrauch auch Job genannt wird. Die Generation der älteren Arbeitnehmer gibt sich mit diesem systemisch formulierten Ansatz zufrieden, oder einfacher: sie produzieren oder leisten dann einen Dienst zu aller Zufriedenheit, wenn sie für ihre ordentlich getane Arbeit auch fair belohnt werden. Die Mehrzahl der jüngeren Mitarbeiter wollen aber neben dem Aspekt des Könnens und Wollens auf ihr Dürfen nicht verzichten, was nichts anderes bedeutet, als sich einen kreativen und innovativen Freiraum zu schaffen, in dem sie ihr Können und Wollen auch selbständig gestalten und umsetzen können. Dieses „Dürfen-dürfen“ hängt allerding wesentlich von Herkunft, Bildung und letztlich von der Einstellung dem Unternehmen gegenüber ab. Allerdings auch vom Menschenbild, das das Unternehmen und seine Führungskräfte prägt. Für diese Gruppe von Mitarbeitern, die eher den höheren Bildungsschichten angehören, sind diktatorische Arbeitsaufträge ein absolutes „no go“. Sieht der Arbeitgeber diese Gefahr nicht oder versteht er die Notwendigkeit einer Änderung seine Einstellung dem Mitarbeiter und dem Arbeitsprozess gegenüber nicht, sinkt die Motivation des Arbeitnehmers schnell bis hin zur inneren und dann auch rechtlich vollzogenen Kündigung. Mitarbeiterbefragungen, Erfahrungen und Analysen im Bereich kirchlicher Mitarbeiter132 sowohl in administrativen, karitativen und pastoralen Positionen lassen den eindeutigen Schluss zu, dass sie von ihrem Arbeitgeber, d.h. der Kirche oder kirchlicher Organisationen kaum einen Freiraum zugesprochen bekommen, der ihnen die Möglichkeit einer glaubhaften Persönlichkeitsentwicklung oder einer beglückenden Kreativitätsentfaltung in ihrer Arbeit zugesteht. Allerdings muss hier auch zugestanden werden, dass Mitarbeiter an „geschützten Arbeitsplätzen“133 vielfach keinen solchen Freiraum erwarten oder wünschen. In den Analy132 Vgl. unveröffentlichte Ergebnisse von Beratungsprojekten des Autors mit einer österreichischen Diözese und dem Catholic Relief Services of the United States of America (Amerikanische Caritas) in Südosteuropa und den Kaukasus-Staaten. 133 Vgl. dazu Fußnote 3. 69 sen, die vor allem eine Verbesserung der Organisationskultur für diözesane oder andere kirchlicher Mitarbeiter zum Ziel hatten, kristallisierten sich jedoch auch Gruppen von Mitarbeitern heraus, die bereits innerlich gekündigt hatten und von ihrem kirchlichen Arbeitgeber einfach in Ruhe gelassen werden wollten. Ob sie die erwartete Leistung erbrachten oder nicht, wurde mit ihnen niemals besprochen, zumal Mitarbeitergespräche in kirchlichen Organisationen sehr oft nur auf dem Papier stehen134, vor allem in pastoralen Arbeitsbereichen. Ein Forschungsprojekt, das von den amerikanischen Streitkräften kurz nach dem 2. Weltkrieg begonnen wurde und das in Business Schools um die ganze Welt weiter verfolgt wird, fragt nach der Motivation, weshalb vor allem junge Menschen in ihrem Leben Karriere machen wollen.135 Wohlgemerkt geht es dabei nicht um eine „Ellbogenkarriere“, sondern um persönliches Weiterkommen und Weiterentwicklung, ganz gemäß der Wurzel des Wortes „Karriere“, das aus dem Lateinischen kommt: currere bedeutet einfach laufen. Die damals definierten fünf unterschiedlichen Karriereorientierungen, von denen keine negativ interpretiert werden darf, die allerdings wesentlich vom gesellschaftlichen Umfeld jedes einzelnen abhängen, sind auch heute noch nachweisbar: 1. Streben nach Prestige und Anerkennung, 2. Streben nach finanzieller und Jobsicherheit, 3. Streben nach persönlicher Freiheit, 4. Streben nach Balance zwischen privatem und Arbeitsleben (work-life balance) und 5. Streben nach dem Mittelpunkt. Während der durchschnittliche Arbeitnehmer in Europa vor fünfzig Jahren das Streben nach Sicherheit im finanziellen Bereich und am Arbeitsmarkt an der Spitze seines Karrierestrebens sah, wird heute das Streben nach persönlicher Freiheit und einer Work-Life-Balance in den Vordergrund gestellt. Nicht unwesentlich geht es bei solchen Untersuchungen und Analysen 134 In der Diözese Eisenstadt wurde in den vergangenen Jahren beispielsweise zweimal ein Anlauf unternommen, ein Konzept für Mitarbeitergespräche einzuführen. In beiden Fällen ist das Projekt trotz Unterstützung des Ordinarius am Widerstand der meist geistlichen Vorgesetzten und des Betriebsrats gescheitert. 135 Vgl. C. Brooklyn Derr, Managing the New Careerists. The Diverse Career Success Orientations of Today’s 2 Workers, San Francisco 1988. 70 um die Offenheit und Bereitschaft des Arbeitgebers, den Mitarbeitern ihre Entwicklungschancen für das berufliche Leben nicht zu verbauen. Kirche und kirchliche Organisationen betrachten die Diskussion über Karriere vielfach als Tabu, das kaum angesprochen wird, aber umso mehr unter vorgehaltener Hand und fernab von jedem Vorgesetzten heiß erläutert wird. Wenn die Kirche ehrlich nach guten (nicht unbedingt nach den besten) Kandidaten für eine Mitarbeit Ausschau halten will, bedarf es eines radikalen Umdenkens hinsichtlich der Entwicklungsmöglichkeit innerhalb (oder auch außerhalb) der eigenen Organisation. Wirklich gute und engagierte Mitarbeiter suchen sich heute Jobs, in denen sie wachsen können, und nicht Jobs, in denen sie nicht „dürfen dürfen“. 71 4 DER MENSCH IM MITTELPUNKT „Der Mensch steht im Mittelpunkt dessen, was wir unternehmen, im Mittelpunkt unseres Tun und Handelns.“ Diese Worte haben viele Unternehmen zum Logo ihrer Humanressourcen-Strategie und -Programme erkoren. Steht er uns da im Weg? Hindert er uns in unserem Streben nach mehr Marktanteilen, positiverem Cash Flow, größerem Profit? Können sich Leitungsgremien einer kirchlichen Einheit, einer Diözese, eines Ordenshauses oder einer Pfarrgemeinde solche Leitlinien glaubhaft auch auf ihre Fahnen schreiben? Oder hindert sie vielleicht der eine oder die andere in ihrer pastoralen Arbeit und an der Durchsetzung ihrer angestrebten Ziele, weil sie weiter oder enger denken als sie selbst? 4.1 Mitarbeiterbedürfnisse kennen Genauso wie eine Führungskraft unglaubwürdig wird, wenn sie sich selbst nicht zu einer geistigen Selbstorganisation durchringen oder managen kann136, verliert sie dann an Vertrauen und Glaubwürdigkeit ihren Mitarbeitern gegenüber, wenn sie an deren Bedürfnissen, Wünschen und Sehnsüchten nicht interessiert ist. Bei einer Projektarbeit im Bereich der Mitarbeitervergütung in einer großen österreichischen Diözese haben Mitglieder einer gecoachten Fokusgruppe während eines bevorstehenden Veränderungsprozesses folgende Anliegen artikuliert137:  Organisatorischen Um- und Neustrukturierungen sollten sowohl von Führungskräften und Mitarbeitern ohne Ängste positiv begegnet werden können. Solche Veränderungsprozesse bedürfen aus Mitarbeitersicht einer höchst professionellen Vorbereitung und Durchführung. 136 Der Autor hat ein Konzept für Leadership-Training mit dem Titel „Managing Yourself and Leading Others“ entwickelt und in den letzten zehn Jahren Seminare für Führungskräfte globaler Konzerne und internationaler Non-Profit-Organisationen in Europa, Amerika, dem Nahen Osten und Asien geleitet. Die Betonung dieses Trainings lag auf dem notwendigen Kennenlernen der eigenen Stärken und Schwächen, aber auch dem Bewusstwerden der eigenen organisatorischen Barrieren und Herausforderungen, bevor Führungsverantwortung an den einzelnen Mitarbeiter delegiert werden konnte. 137 Die hier dargestellten Meinungen der Mitarbeiter enthüllen persönliche und organisatorische Ängste, deren Auflösung in der gemeinsamen Verantwortung der Führungskräfte und ihrer Mitarbeiter liegt. Aus Gründen der Vertraulichkeit dieser Daten, kann hier weder der Name der Diözese noch die schriftlichen Quellen genannt werden. 72  Ihre Identifikation mit ihrem Arbeitgeber Kirche drücken sie mit den Worten „Wir alle sind Kirche“ aus. Eine Überbetonung der Führungskräfte müsste unter allen Umständen vermieden werden.  Die sonst in der kirchlichen Arbeit betonte und in den Vordergrund gehobene Hierarchie sollte einem solidarischen Denken und Handeln weichen.  Im Zusammenspiel zwischen der Leitung und den Mitarbeitern wird die Notwendigkeit der Transparenz der gegenseitigen Beziehungen von entscheidender Bedeutung sein.  Der Verbesserung interner und externer Kommunikation muss Vorrang eingeräumt werden.  Im Planen, Erkennen, Messen und Bewerten von individueller Leistung liegt für die Mitarbeiter der Schlüssel zum Erfolg ihres Arbeitgebers Kirche.  Mit dem Blick auf personelle Restrukturierungsmaßnahmen in der Wirtschaft erwarten sich die kirchlichen Mitarbeiter im notwendigen Change-Prozess der kirchlichen Institutionen mehr Sicherheit, vor allem mehr Job-Sicherheit.  In ihren Arbeitsbereichen wird von ihren Vorgesetzten mehr menschlicher Respekt erwartet (und gefordert). Dass es in der externen Welt der Arbeit oft menschlicher zugeht als in der Kirche selbst und in kirchlichen Organisationen, löst tiefe Enttäuschung aus.  Über Motivation der Mitarbeiter wird kaum diskutiert, und wenn ja, wird eher auf die Selbstmotivation jedes einzelnen Arbeitnehmers verwiesen.  Die Mitarbeiterzufriedenheit ist sowohl in den administrativen als auch in den pastoralen Arbeitsbereichen extrem niedrig.  Persönliche Anerkennung oder auch finanzielle Anreize für außerordentliche Bemühungen und überdurchschnittliche Leistungen sind selten existent.  Die finanzielle Leistbarkeit eines fairen Vergütungssystems kann und darf nicht zu Lasten des Personals erzielt werden.  Weiterbildung der Mitarbeiter steht zwar auf dem Papier, aber wird kaum systematisch gefordert und gefördert, schon gar nicht bei den hauptamtlichen Seelsorgern.  Der Appell, den Mitarbeiter nicht zu überfordern, soll nicht von Angst getragen, sondern im Dialog zwischen den verschiedenen Hierarchien einer Lösung zugeführt werden. 73 Begrenzte personelle und finanzielle Ressourcen verhindern häufig die Erfüllung aller Mitarbeiterwünsche und Erwartungen. Aber der Gute Hirte wird in der Kirche nur dann gut genannt werden können, wenn er seine Schafe bei ihren Namen rufen kann und gleichzeitig auch um ihre persönlichen physischen und geistigen, auch geistlichen Bedingtheiten weiß. (vgl. Ez 34,11 und Joh 10,3) 4.2 Charismen verpflichten Glaubhafte kirchliche Organisationen hätten genauso wie profit-orientierte Unternehmen der Wirtschaft die ethische Verpflichtung, den richtigen Mitarbeiter zur richtigen Zeit und in der richtigen Gesinnung für den richtigen Platz zu finden, ihn oder sie dort mit der institutionellen Vision bekanntzumachen und für weitere Aufgaben ganzheitlich weiterzubilden. Ethisch kann dieses Bemühen deshalb genannt werden, weil es der Organisation selbst etwas Positives bringt, vielmehr aber noch weil es in diesem Prozess letztlich um den Menschen als Ebenbild seines Schöpfers geht. (Vgl. Gen 1,26-27; Ps 8) Es gibt kaum eine Organisation oder Institution, die nicht nach guten, ja sogar den besten Mitarbeitern Ausschau halten würde. Diese Maxime gilt auch für die Katholische Kirche, die ihre Personalauswahl ähnlich wie jede weltliche Institution auf Fach-, Leitungs- und Persönlichkeitskompetenzen aufbauen müsste, wobei zumindest in den pastoralen Bereichen der Aspekt der persönlichen Glaubensüberzeugung und die kirchliche Beauftragung das Fundament der Berufung bilden. In der Wirtschaft geht es vor allem darum, im potentiellen oder bereits engagierten Mitarbeiter natürliche Begabungen zu orten und diese mit den Bedürfnissen der Organisation in Einklang zu bringen, in anderen Worten: menschliche Begabung in Kompetenzen für konkrete Aufgaben des Unternehmens umzuwandeln. Fähigkeiten und Wissen beispielsweise, die eine Organisation zur Umsetzung und Verwirklichung ihrer Ziele nicht unbedingt benötigt, bilden zwar wertsteigernde Bausteine der persönlichen Existenz, werden aber kaum als kompetent für die Erfüllung organisatorischer Aufgaben bezeichnet werden können. Trotzdem können sie für das Unternehmen nicht als unbedeutend bezeichnet werden, denn per- 74 sönlicher geistiger Reichtum, in welchem Wissens- oder Erfahrungsgebiet auch immer, wird auch das Unternehmen bereichern, in dem der Mitarbeiter tätig ist. Der Öffentlichkeit gegenüber vermittelt die Kirche bisweilen ein ganz anderes Bild: Wenn es bei personellen Veränderungen um menschliche Qualitäten geht, ersetzt „die Weihegabe… im Zweifel [das], woran es der Natur gebricht“.138 Mit der Handauflegung und dem Weihegebet des Bischofs wird nicht automatisch auch Menschlichkeit und Führungsfähigkeit mitgeliefert. Die Weite und Tiefe der Kirche und kirchlicher Organisationen als integrale Bestandteile der menschlichen Gesellschaft brauchen alle Talente der einzelnen Mitglieder des Volkes Gottes, auch dann, wenn sie nicht unmittelbar auf den momentanen Tätigkeitsbereich oder die konkrete Rolle bezogen sind. Paulus möchte uns vom einen Geist und den vielen Gaben nicht in Unkenntnis lassen: „Dem einen wird vom Geist die Gabe geschenkt, Weisheit mitzuteilen, dem andern durch den gleichen Geist die Gabe, Erkenntnis zu vermitteln, dem dritten im gleichen Geist Glaubenskraft, einem andern - immer in dem einen Geist - die Gabe, Krankheiten zu heilen, einem andern Wunderkräfte, einem andern prophetisches Reden, einem andern die Fähigkeit, die Geister zu unterscheiden, wieder einem andern verschiedene Arten von Zungenrede, einem andern schließlich die Gabe, sie zu deuten. Das alles bewirkt ein und derselbe Geist; einem jeden teilt er seine besondere Gabe zu, wie er will.“ (1 Kor 12,8-12) Den Reichtum der unterschiedlichsten Begabungen, Talente und Charismen, von dem der Geist Gottes überströmt und den er mit seinen Töchtern und Söhnen teilt, soll ihnen dazu verhelfen, kompetent zu werden, ihr Leben in der Welt zu meistern und in und mit dieser Welt seine Kirche zu bauen. Reichtum aber verpflichtet; verpflichtet zur Gestaltung des gemeinsamen Weges, was letztlich Leitung meint; verpflichtet auch zum gemeinsamen Erreichen des Zieles, was nicht ohne Anstrengung geschehen kann, in anderen Worten: nicht oh- 138 Frank, Gerhard Ludwig Müller – Im roten Gewand, in: Frankfurter Rundschau, 3. Juli 2012, zeichnet den Berufungsprozess des Regensburger Bischofs, Gerhard Ludwig Müller, zum Präfekt der Glaubenskongregation mit folgenden Worten: „Die Personalie passt haargenau zur Art, wie Benedikt in seiner Umgebung die wichtigsten kurialen Posten besetzt: Männer seines Vertrauens müssen es sein, ihm ergeben, gut berechenbar. Menschliche Qualitäten? Nicht gar so wichtig – im Zweifel ersetzt die Weihegabe, woran es der Natur gebricht.“ 75 ne Leistung, die für jeden Menschen allerdings immer in einer Spannung zu der, aus dem freien Willen Gottes quellenden Gnade bedingt ist.139 Das alttestamentliche Buch Judit berichtet von einer faszinierenden Frau, die ganz auf Wunder verzichtet, gottesfürchtig lebt, im grenzenlosen Vertrauen auf den Gott Israels „eigenverantwortlich, klug abwägend und mutig“140 handelt. Judith legt ihren gesamten Beuteanteil „als Weihegabe im Jerusalemer Tempel“ nieder, denn sie ist der Überzeugung, „dass das Gelingen der Rettung im Letzten jedoch nicht dem hohen persönlichen Einsatz, der ganz unverzichtbar ist, sondern Gott allein verdankt wird.“141 Karriere in der Kirche kann grundsätzlich auch als Verpflichtung gedeutet werden, seine Charismen für ihr Wachstum in der Welt effizient und effektiv einzubringen. D.h. das Christus unter Karriere etwas ganz anderes versteht als manche Karrieristen in kirchlichen Ämtern oft verstehen wollen142: Er versteht die Erfüllung des Willens Gottes. Im Disput über den Anreiz und die Belohnung, die sie aus ihrer Nachfolge erhofften, gibt ihnen ihr Meister eine überraschende Antwort: „Ihr werdet meinen Kelch trinken; doch den Platz zu meiner Rechten und zu meiner Linken habe nicht ich zu vergeben; dort werden die sitzen, für die mein Vater diese Plätze bestimmt hat.“ (Mk 20,23) 4.3 Kompetenzen für den kirchlichen Dienst Im Organisationsmanagement gibt es heute kaum einen Begriff wie den der Kompetenz, der wohl erst vor etwa zwanzig Jahren in das Vokabular der Organisations- und Personalentwicklung Einzug gehalten hat, der jedoch auch heute noch eine schwammige Ungenauigkeit und begriffliche Unwissenheit an den Tag legt. Kompetenzen im Bereich der Tätigkeit in einem Unternehmen, einer Institution oder einer Organisation im Allgemeinen haben nichts mit Berechtigungen oder Pflichten einer Person zu tun, die Mitarbeitern Kraft einer bestimmten Position zugesprochen sind. Kompetenzen sind vielmehr Fähigkeiten, Talente, Erfahrungen, Fertigkeiten, Wissen, Verhaltensweisen etc., die eine Person und somit ein ganzes Team, 139 3 Vgl. Schramm, Leistung. 1.Theologisch-ethisch, in: LThK , Bd. 6, 799. Engel, Das Buch Judith, 299. 141 Ebd. 142 Von Papst Pius XI. wird im Zusammenhang mit Bischofsernennungen ein harsches Wort überliefert: „Die die wollen, wollen wir nicht, und die die nicht wollen, wollen wir.“ 140 76 eine Gruppe oder sogar eine gesamte Organisation nicht gestern gebraucht hat, sondern morgen braucht, um ihr sozio-ökonomisches Mandat erfolgreich ausführen zu können. Kompetenzen im organisationspsychologischen Sinn beziehen sich auf das persönliche oder team-mäßige Kompetent-Sein, eine überantwortete Aufgabe möglichst effizient und effektiv erfüllen zu können. Unabhängig von der Aufgabenstellung und der institutionellen Zielausrichtung wird heute im Management unter drei Arten von Kompetenzen unterschieden, die miteinander in enger Beziehung stehen: (1) fachliche Kompetenzen, (2) persönliche und soziale Kompetenzen und (3) Führungskompetenzen. Vielfach wird in diesem Zusammenhang von harten (fachlich professionellen) und weichen (psychologischen und verhaltensimmanenten) Kompetenzen gesprochen. In pastoralen Tätigkeitsbereichen sind die fachlichen Kompetenzen eindeutig definiert: fundierte systematische Theologie, die das Fundament für jedes pastorale Tun sein muss. Die Brücke aus dem systematischen Fach der Dogmatik zum Ufer der Pastoraltheologie sei hier erlaubt, auch deshalb, weil Karl Rahner immer betonte, dass die praktische Theologie eine „gleichberechtigte Gesprächspartnerin der systematischen Fächer und nicht nur deren nachträgliche Anwendung“ sein dürfe143. Regenten von Priesterseminaren und Bischöfe müssen jedoch auf der einen Seite ein kritisches Auge auf einer rein universitären Verakademisierung der Priesterausbildung haben, genauso wie sie eine Zulassung zur Weihe mit nicht abgeschlossenem Studium nur in ganz speziellen Fällen befürworten sollten. Wie in einem Unternehmen bilden fachliche Kompetenzen in allen nicht-pastoralen Tätigkeiten ein weites Spektrum von Betriebswirtschaft, Finanzen, Controlling, Organisationsentwicklung, Projektmanagement, Humanressourcenmanagement, Öffentlichkeits- und Medienarbeit bis hin zur Psychologie, Krankenpflege, Altenbetreuung und Sprachkenntnisse etc. Das breite Feld der Persönlichkeits- oder Sozialkompetenzen schließt beispielsweise eigene Persönlichkeitsentwicklung, Lern- und Anpassungsbereitschaft, Moderations- und Präsentationstechniken, Kommunikation, Networking, Zeit- und Krisenmanagement, Kreativität, Innovation und visionäres Denken mit ein. 143 Rouet, Aufbruch zum Miteinander, 16. 77 Persönlichkeits- und Sozialkompetenzen können nicht mit dem Seziermesser von Führungskompetenzen getrennt werden, zu denen vor allem die Förderung, d.h. Motivation, Führung und Entwicklung der anvertrauten Mitarbeiter, das Erkennen von Führungsfähigkeiten, die Optimierung aller zur Verfügung stehenden Ressourcen, das Agieren als Change Agent, Zielsetzung und Leistungskontrolle, soziales Gewissen etc. zählen. Abb. 3: Unterschiedliche, jedoch überlappende Kompetenzkategorien Am einfachsten und schnellsten sind wohl die fachlichen Kompetenzen eines Mitarbeiters oder eines potentiellen Mitarbeiters zu erkennen. Persönliche oder soziale, aber auch Führungskompetenzen brauchen jedoch oft längere Zeit, für ein geübtes Auge nicht weniger als zwölf Monate, bevor sie glaubhaft unter Beweis gestellt und erkannt werden können. Die Gepflogenheit, neu geweihte Priester zunächst für eine gewisse Zeit neben einem erfahrenen Pfarrer in derselben Gemeinde arbeiten zu lassen, kann in der heutigen Situation eines akuten Priestermangels nur mehr als Wunschdenken eingeordnet werden. Somit können kirchliche Karrierepfade heute steiler verlaufen als noch vor fünfzig Jahren. Diese Entwicklung wird von jungen Klerikern auf der einen Seite positiv gesehen, bringen jedoch zumindest genauso viel Herausforderungen zutage. Für die pastoralen (und im eingeschränkten Maß auch administrativen) Tätigkeiten in kirchlichen Institutionen könnten fünf Kernkompetenzen definiert werden, ohne die eine authentische Kirche aller Glaubenden kaum denkbar ist: (1) ein fundiertes theologisches Wissen, (2) ein ganzheitliches Interesse für alle gesellschaftlichen Lebensbereiche, (3) die 78 Fähigkeit, über lokale Zäune hinweg auch globale Kirche zu leben, (4) der Wille zum lebensbegleitenden Lernen in und mit der Kirche und (5) ein generelles soziales Bewusstsein (oft Sozialkompetenz genannt), das auf dem christlichen Menschenbild begründet ist. Tiefe und Intensität dieser Schlüsselkompetenzen sind allerdings immer vom überantworteten Dienstamt und dem geschenkten Charisma abhängig. Echte Spiritualität, Kompetenz des Leitens und des Führens so wie diakonisches und missionarisches Handeln als die vier Säulen pastoralen Denkens und Handelns 144 erweisen sich als anstrebenswertes Profil pastoraler Mitarbeiter. Wenn sich Priester, Diakone und Pastoralassistenten von ihrem Bischof verstanden und damit auch vertreten wissen, wird ein solches von ihm vermitteltes pastorales Leitbild über die persönliche Anforderung an ihr Dienstamt bereitwillig aufgegriffen und in der täglichen Seelsorge glaubhaft gelebt werden. Leitsprüche und -bilder aber sind geduldiger als Mitarbeiter, denen sie bisweilen vom System aufgedrängt sind. Existiert die Vertrauensbasis zwischen Hirten und seiner Herde jedoch nur auf dem mit einem bischöflichen Wappen geschmückten Briefpapier, bleibt der Anspruch eines wohlgemeinten Rollenprofils reines Lippenbekenntnis.145 Mitarbeiter erfassen sehr schnell, ob Leitbilder in Hochglanzbroschüren kopiert oder tatsächlich in der Unternehmenskultur verwurzelt sind. In Kreisen des Humanressourcen-Managements wird immer wieder ein Ausspruch von Jack Welch, dem ehemaligen Chief Executive Officer von General Electric, selbstkritisch auf die Waage der Personalrekrutierung gelegt [hier in eigener Übersetzung]: „Wir stellen Mitarbeiter aufgrund ihrer Fähigkeiten ein und feuern sie wegen ihrer Persönlichkeit.“146 Pauschalurteile haben hier keinen Platz. Aber müssen sich kirchliche Obere nicht die ernste Frage stellen lassen, ob diese Selbstanklage einer erfolgreichen Führungskraft so ohne weiteres für ihre eigene Organisation in den Wind geschlagen werden darf?147 144 Statement von Ägidius Zsifkovics, Bischof von Eisenstadt, am diözesanen Seelsorgetag in Eisenstadt, 6.9.2012 145 Vgl. Schmitz / Zwierlein, Management und Spiritualität, 185-221. 146 Original: “We hire people because of their skills und we fire them because of their personality.“ 147 Vgl. dazu z.B. die Entlassung von Helmut Schüller als Generalvikar der Erzdiözese Wien durch Christoph Kardinal Schönborn im Februar 1999. 79 4.4 Der richtige Schlüssel zum richtigen Schloss Die Effizienz einer Organisation beruht auf der Prämisse, dass der arbeitende Mensch dem Profil der Position so nahe wie möglich kommt, beziehungsweise durch Entwicklung seiner Kompetenzen dahin gebracht wird. Der fatale Fehler des Hineinpressen einer „runden Person in eine eckige Position“ (oder umgekehrt) wird nicht nur im profanen Bereich von professionalen Personalberatern beobachtet, sondern auch von Personalverantwortlichen in der Kirche. Nur geschieht dieses angestrebte Matching meistens ohne professionellen Background. In Gaudium et spes sprechen die Konzilsbischöfe von der Notwendigkeit, dass sich die Kirche alles Wissens und aller Kräfte dieser Welt bedienen müsse, um ihre „sichtbare Versammlung“148 in allen Lebensbereichen zu bereichern: „Zur Steigerung dieses Austauschs bedarf die Kirche vor allem in unserer Zeit mit ihrem schnellen Wandel der Verhältnisse und der Vielfalt ihrer Denkweisen der besonderen Hilfe der in der Welt Stehenden, die eine wirkliche Kenntnis der verschiedenen Institutionen und Fachgebiete haben und die Mentalität, die in diesen am Werk ist, wirklich verstehen, gleichgültig, ob es sich um Gläubige oder Ungläubige handeln“149. So beobachtet Andreas Heller richtig, dass ein wesentlicher Aufgabenbereich einer Führungskraft darin besteht, sowohl die Entwicklung der Organisation als solcher als auch die Entwicklung des Mitarbeiters, also die Personalentwicklung im Sinn zu haben150. Um das konkrete Zusammenspiel von Person und Rolle oder Position in einer Organisation verständlich zu machen, hilft das einfache Bild von Schlüssel und Schloss: der Schlüssel stellt die Person dar, die Organisation das Schloss. Beide müssen so gut wie möglich in- und zueinander passen, um öffnen oder schließen zu können. Ein Nicht-In- oder Zueinanderpassen von Schlüssel und Schloss führt unweigerlich zur Ineffektivität, zu einem Misserfolg. Um diese Situation zurechtzurücken, bedarf es demnach eines „Zurechtfeilens“ der Person oder einer Änderung der Organisation. Das erste Tun nennen die Betriebswirtschaftler Personalentwicklung, die andere Aktivität Organisationsentwicklung. Oft sind beide Schritte notwendig, um eine effektive Übereinstimmung zu erreichen. Die Herausforderung liegt manchmal darin, welcher der beiden Schritte zuerst gesetzt werden muss. 148 Lumen Gentium, Art. 8. Gaudium et Spes, Art. 44. 150 3 Vgl. Heller, Leitung, in: LThK , Bd. 6, 803. 149 80 Abb. 4: Prinzip der Personal- und Organisationsentwicklung An geschützten Arbeitsplätzen fallen nicht selten persönliche Kompetenzen und organisatorische Bedingungen des Arbeitsplatzes auseinander. Aus sozialen Überlegungen und Zielsetzungen heraus, wird in solchen Bereichen von einer Harmonierung Abstand genommen. In verwaltungstechnischen Bereichen kann sich die Kirche als im weitesten Sinn des Wortes sozial-orientierte Organisation der Notwendigkeit und Akzeptanz geschützter Arbeitsplätze nicht entziehen. Probleme entstehen meistens jedoch dort, wo pastorale Tätigkeiten kirchlicher Mitarbeiter von Verlangen nach geschützten Arbeitssphären überlagert werden. Das gilt gleichermaßen für Seelsorger mit oder ohne Weihestatus, sowohl als auch für hauptund nebenamtliche Mitarbeiter in der Pastoral. Wenn immer wieder die Forderung nach einer professionellen Seelsorge erhoben wird151, bedeutet das letztlich doch nichts anderes, als die pastoralen Werkzeuge ständig auf die „Nützlichkeit“ ihrer Anwendung in der Welt von heute zu überprüfen, sie sozusagen auf die jeweiligen Zeichen der Zeit abzustimmen, damit in der pastoralen Arbeit auf „auf der Höhe der Zeit [ … ] Bewährtes bewahrt und Neues gewagt und erprobt werden kann“.152 Die negativen, für viele aber noch immer nicht alarmierenden Vorzeichen der heute schrumpfenden Personalszenarien vieler Diözesen, Ordensgemeinschaften und kirchlicher Institutionen lassen es jedoch kaum zu, solche notwendigen, weil die Authentizität der christlichen Sendung gefährdenden Abgleichungen zwischen „Schlüssel und Schloss“, d.h. 151 152 Vgl. Nauer, Seelsorge, 15-18; und Bucher, Nicht Selbstzweck, 23-26. Nauer, Seelsorge, 15. 81 zwischen pastoralem Rollenprofil und persönlich mitgebrachten Kompetenzen, konsequent durchzuführen. Die Forderung nach der Quantität steht vielfach vor der Frage nach Qualität und Professionalität, zumal auch kaum ein Maßstab für pastorale Zielsetzungen gesetzt und noch weniger eingefordert wird. Die reine Versorgung einiger weniger älterer Frauen mit der Eucharistie in riesigen Seelsorgeräumen ländlicher Gebiete oder die noch immer angestrebte feierliche „Leich" und Seelenmesse im Großstadtbereich bleiben zwar auch heute Möglichkeiten eines pastoralen Brückenbaus, dessen Pfeiler im Strom der Zeit allerdings auch zusehends unterspült werden. Die Meinung von Glaubenden überrascht nicht, dass es manchmal für eine Gemeinde besser sei, für einige Jahre eher keinen Pfarrer zu haben, als einen Seelsorger, der sich nicht um die Menschen sorgt, und ist nicht in den Wind zu schlagen. Der Auftrag Jesu an seine Jünger, das zu tun, was er mit ihnen gelebt hat und dabei seinen Vater und Ihn nie aus den Augen zu verlieren, lässt sich nicht auf routinemäßig besuchte Messen einiger weniger begrenzen. Seine hirtliche Sorge erfasst den ganzen Menschen und verspricht ihm ein Leben in Fülle. (vgl. Joh 10,10) 82 5 LEADERSHIP UND SPIRITUALITÄT Neben dem Bild des Guten Hirten153 als biblische Grundlage erweisen sich wohl die Regeln des östlichen Mönchtums und die Regel des heiligen Benedikt in der westlichen Kirche als früheste christliche Quellen der Menschenführung, die sich gleicherweise den Erwerb der geistlichen Fülle und das leibliche Wohl zum Ziel setzt. Selbstverständlich verwendet die heutige Arbeitswelt andere Begriffe, wie etwa Zufriedenheit mit dem Blick auf unterschiedliche Aspekte der Arbeit und Engagement für die Sache. 5.1 Zufriedenheit und Engagement Kaum ein renommiertes Unternehmen in der Wirtschaft oder eine angesehene Institution im sozialen oder karitativen Bereich kann heute an einer professionellen Mitarbeiterbefragung vorbei. Wenn Organisationsziele auf der einen und Bedürfnisse und persönliche Mitarbeiterziele auf der anderen Seite unentwegt auseinanderklaffen und Gräben zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer aufreißen, muss der Erfolg – wie immer dieser auch definiert wird – auf der Strecke bleiben. Die meisten dieser Mitarbeiterbefragungen sowohl im profit- als auch sozialorientierten Bereich unserer Gesellschaft bleiben leider noch immer auf dem halben Weg stehen. Mit raffinierten und oft viel zu langen Fragebögen werden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus ihrer Reserve herauszulocken versucht, ihre Befindlichkeiten zumindest auf anonymer Basis aufzudecken. Dabei geht es fast immer um ihre Zufriedenheit mit Organisation, Arbeitsplatz und Arbeitsbelastung, Vorgesetzte, Vergütung, Aus- und Weiterentwicklung und ähnliches. So als würde Zufriedenheit schon den Erfolg einer Organisation garantieren können. Wirtschaftswissenschaftliche Untersuchungen haben ergeben, dass nicht Mitarbeiterzufriedenheit, sondern erst das persönliche Engagement von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine direkte Korrelation zum Erfolg einer Organisation entstehen lässt.154 Die in dieser Diplomarbeit aufgegriffene Frage, ob wirtschaftswissenschaftliche Erkenntnisse so ohne weiteres auch auf den kirchlichen, und hier insbesondere auf den pastoralen, 153 Vgl. dazu Kapitel 2.3. Vgl. Hewitt Associates LLC. (Ed.), Employee Engagement: Insights into Why It Matters and What You Can Do About It, Lincolnshire Ill. 2004. 154 83 Bereich, übersetzt werden können, muss auch für die Relation zwischen Zufriedenheit und Engagement gestellt werden. Auf persönlichen Erfahrungen basierend, scheint beispielsweise das Engagement (das bisweilen auch Motivation genannt wird, jedoch von der Definition her über die traditionelle Motivation hinausgeht) in der Gruppe der Ständigen Diakone erstaunlich hohe Werte zu erzielen, während die Zufriedenheit mit strukturellen, arbeitsbedingten, finanziellen, pastoralen und fundamentaltheologischen Belangen bisweilen hintan hinkt. Genauso wie in manchen Wirtschaftsunternehmen, fallen Zufriedenheit und Engagement auch bei haupt- und ehrenamtlichen pastoralen Mitarbeitern in der Kirche oft signifikant auseinander. Profit- und sozialorientierte Institutionen rühmen sich heute vielfach, mithilfe von mehr oder weniger regelmäßigen Befragungen die Zufriedenheit ihrer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in Hinsicht auf Arbeitsplatz und Aufgabenstellung, Zusammenarbeit und Kommunikation, Entwicklungschancen und Lebensqualität, Vergütung, Organisationsstrukturen und Unternehmensleitung zu erfassen. In den meisten Fällen bleibt es bei der statistischen Erfassung, ohne das eigentlich Wichtige, nämlich das Engagement der Mitarbeiter, tiefer zu hinterfragen. Wissenschaftliche Forschungsergebnisse weisen darauf hin, dass Mitarbeiterzufriedenheit wohl die Basis für den Erfolg einer Organisation zugrunde legt, jedoch erst engagierte Vorgesetzte und engagierte Arbeitnehmer einen erwünschten Erfolg nachhaltig erzielen können. Ein solcher wird nicht durch zufriedene Mitarbeiter gewährleistet, sondern durch engagierte Mitarbeiter. Wie schon oben erwähnt, weisen weltweite Organisationsanalysen auf eine direkte Beziehung zwischen Unternehmensleistung und Mitarbeiterengagement und nicht Mitarbeiterzufriedenheit hin.155 Sozial- und non-profitorientierte Institutionen unterscheiden sich in dieser Hinsicht erfahrungsgemäß nicht von profitorientierten Unternehmen. Dem Engagement von Führungskräften und Mitarbeitern liegt die Frage nach einer dreifachen vernetzten Verhaltensweise zugrunde. Erstens spricht ein engagierter Mitarbeiter positiv und kritisch, aber konstruktiv über die Organisation, in der er arbeitet. Zweitens bekundet er die Absicht, in ihr weiterhin tätig sein zu wollen. Und drittens stellt er individuelle Überlegungen an, wie er der Organisation, der er seine Arbeitskraft zur Verfügung stellt, zum 155 Ebd. 84 Erfolg verhelfen kann. Das globale Humanressourcen-Beratungsunternehmen Hewitt spricht von einem dreifachen „S“, die miteinander in enger Beziehung stehen: say, stay und strive (oder serve)156. Diese Erkenntnis kann ohne Schwierigkeit auch auf die Tätigkeit haupt- und ehrenamtlicher Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in der Kirche übertragen werden, gleichgültig ob diese im pastoralen oder administrativen Dienst stehen. Zufriedenheit am Arbeitsplatz alleine genügt nicht. Aber auch Engagement, das isoliert von der Zufriedenheit gelebt werden möchte, kann schnell in eine unerwünschte Richtung umschlagen. Abb. 5: Mitarbeiter zwischen Zufriedenheit und Engagement ede Institution wünscht sich zufriedene und zugleich engagierte Mitarbeiter, mit denen sie ihre Ziele am besten erreichen kann: diese sind mit Aposteln zu vergleichen, die ihre persönlichen Anstrengungen nicht auf die Waagschale legen, sondern „fröhlich“ ihr Alles geben und das gemeinsame Ziel im Auge halten. Paulus erinnert seine Gemeinde in Korinth an die Hingabe der Apostel und seiner eigenen Person um des gemeinsamen Zieles halber, das da ist Christus, der Herr: „Sie sind Diener Christi - jetzt rede ich ganz unvernünftig -, ich noch mehr: Ich ertrug mehr Mühsal, war häufiger im Gefängnis, wurde mehr geschlagen, war oft in Todesgefahr.“ (2 Kor 11,23) 156 Ebd. 85 Zufriedene und engagierte Mitarbeiter sind die eigentlichen Säulen eines Unternehmens. Nicht anders sieht es die urchristliche Kirche. Die Schriften des Neuen Testaments verwenden die Bezeichnung „Apostel“ sehr unterschiedlich. In den beiden lukanischen Büchern sind sie „mehr als ‚nur‘ die nachösterlichen Zeugen des auferstandenen Jesus“.157 Der Evangelist sieht in ihnen „die authentischen Zeugen des gesamten öffentlichen Wirkens Jesus sowie seine Leidens und Sterbens“.158 Die Apostel sind für ihn nicht nur Repräsentanten, sondern Fundament der Kirche. Anders als die Märtyrer geben die Geiseln zwar alles, aber äußern sich zugleich unzufrieden über Weg und Ziel der Organisation, der sie (noch) angehören. Die Herausforderung der Führungskräfte liegt in der Kunst, jene kulturellen und strukturellen Bereiche herauszukristallisieren, die das ohnehin schon hohe Engagementniveau durch gezielte Verbesserung des Zufriedenheitsindexes noch erhöhen könnte. Zur Kategorie der Geiseln zählen somit viele Mitarbeiter der heutigen Kirche, die mit der Entwicklung ihrer Institution Kirche nach dem Zweiten Vatikanum unzufrieden sind, ihr Engagement für sie aber nicht aufgekündigt haben. Jene Mitarbeiter, deren Zufriedenheit und Engagement weder extrem hoch noch extrem niedrig sind und sich eher die Waage halten, werden ihrem Arbeitgeber zwar Loyalität zeigen, aber mit Sicherheit kaum innovatives Vorwärtsstreben für sich selbst und ihren Arbeitsbereich an den Tag legen. Flüchtlinge, Söldner und Terroristen können leicht zu Desserteuren werden und sich nach einem anderen Arbeitsplatz umsehen, solange ihnen ein solcher auf dem Arbeitsmarkt zur Verfügung steht. In der Wirtschaft setzt bei solchen Mitarbeitern normalerweise der kontinuierliche Verbesserungsprozess (KVP) ein, d.h. ihnen wird mehr oder weniger diskret nahegelegt, das Unternehmen zu verlassen, oder sie werden hinausgemobbt. Anders als in kirchlichen Organisationen, die auf Grund ihres christlichen Menschenbildes viele geschützte Arbeitsplätze aufweisen. Allerdings berechtigt diese Kategorie von Mitarbeitern den Arbeitgeber auch nicht zu Mobbing oder Vernachlässigung. Je größer eine Organisation ist und je länger sie existiert, umso gewisser ist die Tatsache, dass sie von einem solchen bunten Gemisch von Mitarbeitertypen getragen wird. Der quan- 157 158 Gielen, Passionserzählungen, 71. Ebd. 86 titative Mix dieser Kategorien wird letztlich die Qualität der gesamten Organisationsleistung in positiver oder aber negativer Richtung beeinflussen. Pastorale und administrative Führungsverantwortung in der Kirche wird in der Zukunft mehr als in der Vergangenheit das Zusammenspiel von Mitarbeiterzufriedenheit und Mitarbeiterengagement zu beachten haben, damit kirchliche Institutionen nicht (nur) mit solchen Mitarbeitern Auslangen finden müssen, die gesellschaftlich geschützte Arbeitsplätze anstreben, bei denen persönliche Leistung wenig gefordert ist. 5.2 Der Mensch vom Kostenfaktor zum Erfolgsfaktor In vielen profit-orientierten Unternehmen ist heute neben dem fixen Grundgehalt auch eine leistungsorientierte Vergütungskomponente verbreitet. Damit soll nicht nur der finanzielle Unternehmenserfolg mit Mitarbeitern geteilt, sondern mithilfe individueller Ziele und Teamziele auch Leistung geplant werden. Grundsätzlich tun sich Produktionsunternehmen und Verkaufsorganisationen mit der Definition von quantitativen Zielen leichter als Dienstleistungsunternehmen. Non-profit Organisationen haben jedoch gesellschaftliche, karitative oder soziale, also eher qualitative Ziele im Auge, die oft schwerer als quantitativ Ziele messbar sind. In sozial- oder wertorientierten Institutionen über Leistung zu sprechen, kann und darf nicht tabuisiert oder verteufelt werden. Leistung wird nur dann zur unchristlichen und auch unmenschlichen Dimension unserer Arbeitswelt, wenn sie mit Egoismus, Ellbogentechnik und ungehemmten und rücksichtslosen Wachstum verwechselt wird, das lediglich den Shareholdern, nicht jedoch allen Stakeholdern zu Gute kommt. Um den Mitarbeiter nicht nur als Kostenfaktor zu sehen, sondern ihn zum Erfolgsfaktor für das Unternehmen zu machen, bedarf es einer ganzheitlichen Personalentwicklung, in der neben quantitativer und qualitativer Personalplanung auch professionelle Entwicklungsförderung, Vergütungsmanagement und Steuerung des einzelnen Mitarbeiters Platz haben müssen.159 Langjährige persönliche Erfahrung in der Beratung sozialorientierter Unternehmen und kirchlicher Institutionen haben gezeigt, dass bei diesen nicht-profitorientierten 159 Vgl. Röttig, Humanressourcen im Restrukturierungsprozess, 213-216. 87 Organisationen im Humanressourcen-Management zwar Personalplanung eine wichtige Position einnimmt, den anderen Elementen jedoch weniger Bedeutung zugemessen wird, was häufig auch auf deren Unternehmenskultur zurückzuführen ist. Als Beispiel kann hier das so genannte Mitarbeitergespräch als essentielles Instrumentarium der Steuerung des einzelnen Mitarbeiters genannt werden, in dem Erfolge und Ziele der Arbeit, aber seine Weiterentwicklung besprochen werden müssen. Der Großteil sozialorientierter Unternehmen weiß zwar um die Wichtigkeit dieses Führungsinstruments, zeigt jedoch nur wenig Konsequenz in der tatsächlichen Anwendung. Als Argument wird immer wieder die irrige Ansicht kolportiert, dass eben qualitative Mitarbeiterziele nicht messbar wären. Das gilt auch für die Kirche und kirchliche Organisationen, die Konzepte für Mitarbeitergespräche zwar entwickelt, aber kaum in die Praxis umgesetzt haben. Als ein weiterer Grund für dieses, nicht nur in der Kirche existente Defizit mag die Unfähigkeit und der Unwille von Führungskräften gelten, mit Mitarbeitern über Leistung zu sprechen. Das Gespräch über Mitarbeiterleistung kann die eigene Leistung des Vorgesetzten nicht ausblenden. Das Bild Jesu von den anvertrauten Geldern (vgl. Mt 25,14-18) ermahnt, uns überantwortete Talente weiter zu entwickeln. Das heißt nichts anderes als unsere persönlichen Fähigkeiten in Gottes schöpferische Hände zu legen. Damit werden wir zu Mitgestaltern unseres Schöpfers. Es geht um den vollen Einsatz unserer Kräfte. Christlich verstandene Leistung orientiert sich immer an unseren Fähigkeiten. (vgl. Mt 25,15) Verabsolutiertes Leistungsstreben hingegen verletzt den göttlichen Schöpfungsgedanken.160 Attraktive Arbeitgeber zeichnen sich unter anderem durch ein engagiertes TopManagement (inspired leadership), einzigartige Unternehmenskultur, aufeinander abgestimmte Humanressourcen-Programme und deren exzellente Umsetzung aus, des Weiteren durch Willen zur Entwicklung der Talente, Ermöglichung beruflicher Weiterentwicklung, Leistungsorientierung und Übertragung von Verantwortung, Anerkennung von Innovationsbereitschaft und Beteiligung aller Mitarbeiter am finanziellen Unternehmenserfolg.161 Bisweilen stellt sich die Frage, ob die Kirche tatsächlich ein attraktiver Arbeitgeber sein möchte. 160 3 Vgl. Schramm, Leistung, in: LThK , Bd. 6, 799. Vgl. Hewitt Associates LLC. (Ed.), What Makes a Best Employer? Insights and Findings From Hewitt’s Global Best Employer Study, Lincolnshire Ill. 2004. 161 88 Will sie und ihre Institutionen, vor allem in den nicht-pastoralen Berufen, diese Attraktivität am Arbeitsmarkt anstreben, müsste sie die Erfahrungswerte der Erfolgsfaktoren in der Wirtschaft für sich zumindest hinterfragen und gegebenenfalls für das pastorale Arbeitsumfeld adaptieren. 5.3 Der Mensch als Ebenbild Gottes im Arbeitsalltag Leiten und Führen von Organisationen ist niemals eine Tätigkeit im menschlichen Vakuum. Die Grundkomponente von Leadership ist und bleibt der einzelne Mensch in seiner Ganzheit und seinem sozialen Arbeitsumfeld. Anders als seelsorgliche Professionalität berührt wirtschaftliches Steuern üblicherweise nur gewisse Sphären des menschlichen Lebens und will und kann somit kaum in alle Schichten der menschlichen Seele vordringen. Manche Führungskräfte begrenzen ihre Kontakte mit Mitarbeiten auf rein berufliche Agenden, während andere auch ihr persönliches Leben in ihre Wechselbeziehungen einbinden können, ohne sofort in den Anschein moralischer Grenzüberschreitungen zu kommen. Erfahrungsgemäß kann wohl gesagt werden: Je offener ein Vorgesetzter mit seinem Mitarbeiter spricht, desto offener wird dessen Bereitschaft sein, auch eine andere, als nur die berufliche oder fachliche Türe seines Lebens zu öffnen. Das Verhältnis von Führungskraft und Mitarbeiter in administrativen Tätigkeitsbereichen der Kirche wird sich kaum von dem in Wirtschaftsunternehmen unterscheiden, jedoch immer im Bezug zu ihrer speziellen Unternehmenskultur stehen. Der menschliche Bezug im Beruf eines Seelsorgers zu dem, für den er Sorge trägt, wird jedoch weiter reichen dürfen, da ja in der Sorge um die Seele der ganze Mensch angedacht sein muss. So stellt sich die Frage, was denn eigentlich mit Seele gemeint ist, für die sich der Seelsorger sorgen soll und will. Doris Nauer stellt in ihrem Werk „Seelsorge“ treffend fest, dass sich „professionelle SeelsorgerInnen [ … ] per definitionem um die Seele ihrer Mitmenschen“ sorgen. 162 Es ist nicht Auftrag dieser Arbeit, den verschiedenen „Rezeptionslinien des Seelsorgeverständnisses in 162 Nauer, Seelsorge, Cover; vgl. auch Kirchner, Benedikt für Manager, 69-73, der gegenüber Nauer, die ja einen, den ganzen Menschen umgreifenden Seelenbegriff entwickelt, einen eher „engen“, d.h. nur auf die menschliche Seele betreffenden Seelenbegriff verwendet. 89 der abendländisch-christlichen Tradition“163 nachzugehen. Um die Reichweite pastoralen Auftrags und seelsorglicher Leistung jedoch wirklich verstehen zu können, bedarf es dennoch eines kurzen Blickes in das jüdisch-christliche Seelenverständnis, auf das Doris Nauer eingeht.164 Im Griechischen wird das deutsche Wort Seele als ψυχῆ und im Lateinischen als anima widergegeben. Die griechische Übersetzung geht auf die Septuaginta zurück, die das 754-mal in der hebräischen Bibel vorkommende Wort ‫( נפּׁש‬nephesch) mit ψυχῆ übersetzt. ‫ נפּׁש‬kann das konkrete menschliche Organ (Kehle, Schlund, Rachen) bedeuten oder mit Hunger, Begierde und Gier übersetzt werden. Die für die Seelsorge wichtige Bedeutung liegt aber in der Übersetzung als „der ganze lebendige Mensch“165: „Da formte Gott, der Herr, den Menschen aus Erde vom Ackerboden und blies in seine Nase den Lebensatem. So wurde der Mensch zu einem lebendigen ‫ נפּׁש‬.“ (Gen 2,7) Das heißt, zu einem lebendigen Wesen, wie die Einheitsübersetzung widergibt, oder besser, zu einer lebendigen Seele. Erst durch den Atem Gottes kann der Mensch als Mensch existieren. Teilhard de Chardin wird mit den Worten zitiert: „Wir sind keine menschlichen Wesen mit geistiger Erfahrung. Wir sind geistige Wesen mit menschlicher Erfahrung.“166 Der professionelle Seelsorger der sich dem ‫ נפּׁש‬zuwenden soll, um für ihn zu sorgen, steht demnach dem ganzen Menschen gegenüber, seinem aus Ackerboden geformten Leib, seiner Seele, die glücklich und traurig sein kann, und seinem Geist, den ihm Gott eingehaucht hat und den er in sich spüren und erfahren kann. Doris Nauer spricht von drei Dimensionen pastoraler Sorge: der diakonisch prophetischen Dimension, die sich auf die Körperlichkeit des Menschen bezieht, die pastoralpsychologisch ethische Dimension, die die psychosomatische Seite des Menschenbildes umfasst, und die mystagogisch spirituelle Dimension des Geistes.167 Mit dieser Erkenntnis der Ganzheitlichkeit des Menschen, die dem Profil eines pastoralen Mitarbeiters zugrunde liegt, verschmilzt sich auch das Bild eines jeden, im pastoralen Bereich 163 Ebd. 37. Ebd. 39-43. 165 Ebd. 40. 166 Original: “We are not human beings having a spiritual experience. We are spiritual beings having a human experience”, zitiert in: Covey, The Seven Habits of Highly Effective People, 319. 167 Nauer, Seelsorge, 150. 164 90 tätigen Vorgesetzten, der diese ‫ נפּׁש‬, diese „Seele“, dieses Wesen führen soll und will. Ein pastoraler Leader, der sich seiner eigenen Ganzheit nicht bewusst ist, wird auch seinen Mitarbeiter oder seinen, ihm seelsorglich anvertrauten Menschen nicht ganzheitlich begegnen, geschweige denn führen können. Nachdem der Psalmist in den Psalmen 3 bis 7 den Beter in seiner Bedrängnis durch Feinde, Krankheit, Verfolgung, Hass und in Todesnot einen Hilferuf zu seinem Gott schicken lässt, wendet sich der Ton des Beters in Psalm 8. Er erkennt, dass er selbst ein Teil der göttlichen Schöpfung und zum Herrscher über alles andere Geschaffen eingesetzt ist: „Was ist der Mensch, dass du an ihn denkst, des Menschen Kind, dass du dich seiner annimmst? Du hast ihn nur wenig geringer gemacht als Gott, hast ihn mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt. Du hast ihn als Herrscher eingesetzt über das Werk deiner Hände, hast ihm alles zu Füßen gelegt…“(Ps 8) Die Gestaltungs- und Verfügungsgewalt über alle Werke Gottes, die der Psalmist vor fast dreitausend Jahren besingt, braucht nicht einmal in unseren alltägigen heutigen Sprachgebrauch übersetzt werden. Sie wird verstanden, aber auch zunehmend missbraucht. 5.4 Der Gnade freien Raum lassen Der Abtprimas des Benediktinerordens, Notker Wolf, beginnt einen seiner Beiträge in dem Buch „Die Kunst, Menschen zu führen“168, das er gemeinsam mit der Vizesekretärin der vatikanischen Ordenskongregation, der Salesianerschwester Enrica Rosanna, geschrieben hat, mit der düsteren Beschreibung eines Journalisten in einem deutschen Medienunternehmen über das Arbeitsverhältnis von Führungskräften und Mitarbeitern: „In großen Unternehmen gibt es vielleicht fünf oder sechs Menschen, die dein Leben sehr stark bestimmen. Und diese Leute können dir unter Umständen jeden Funken Kreativität und Lebensfreude nehmen. Ich erlebe bei uns Vorgesetzte, die keinerlei Vision haben, ziemlich nichtssagende Menschen, ohne jede Leidenschaft für ihre Arbeit…“ 169 Aus seiner eigenen klösterlichen Erfahrung ergänzt der Abtprimas „wie beeinträchtigend sich schlechte Führung auf die Arbeitsfreude (und –ergebnisse) auswirkt…“170 168 WOLF, Notker und ROSANNA, Enrica, Die Kunst, Menschen zu führen, Reinbeck bei Hamburg 2007. Ebd. 19. 170 Ebd. 169 91 Benedikt von Nursia (480 – 547) hat vor eintausendfünfhundert Jahren in seiner Mönchsregel Wege vorgezeichnet, die heute noch gangbar sind, sowohl im säkularen als auch im kirchlichen Bereich. Mit seiner Richtlinie, die er jedem Mönch zum lebensbegleitenden Studium171 in die Hände legt, selbstverständlich auch dem Abt selbst, öffnet er für das von Gott Empfangene einen weiten Raum des Wachstums. Was Benedikt für sich und seine Mönche im Auge hat, ist am Schluss des Vorworts zu seiner Regel zu lesen: „So wollen wir uns seiner Leitung nie entziehen, [ … ] damit wir auch verdienen, Mitgenossen seines Reiches zu sein (vgl. 1 Petr 4,13). Amen.“172 In Benedikts Worten erkennt man einsichtige Erfahrung und weise Vorsorge für die Führungskultur seiner Klöster. Und so bestimmt er über die Positionsprofile der vier wichtigen klösterlichen Leitungsfunktionen, nämlich die der Dekane, des Cellerars, des Abtes und des Priors. So sollen nach Benedikt nur solche „zu Dekanen [ … ] ausgewählt werden, auf die der Abt ohne Bedenken einen Teil seiner Bürde legen kann… Und man wähle sie nicht der Rangordnung nach aus, sondern nach der Würdigkeit des Lebenswandels und der Befähigung, andere in Weisheit zu lehren…“173 Der Dekan in Benedikts Regel ist vielleicht am nächsten mit einem beauftragten Pfarrer von heute zu vergleichen. Es ist ihm administrative Koordination, aber vor allem pastorale Sorge für den ganzen Mitbruder überantwortet. Seinen Worten legt Benedikt Vertrauen in den Mann seiner Wahl zugrunde, ohne Angst haben zu müssen, dass seine Autorität als Abt durch die Delegation von materiellen und geistigen Aufgaben in Frage gestellt wird. Bischöfe verweisen heute gerne auf ihre vielen administrativen Verpflichtungen, die sie hindern, ihren hirtlichen Aufgaben nachzukommen. Unfähigkeit zu delegieren und somit Macht zu teilen scheint manchmal einfach zum Pflichtenheft von kurialen Mitarbeitern zu gehören. Benedikts Anweisungen für die Wahl des Cellerars, also des Wirtschaftsfachmanns des Klosters, sprechen klare Worte: Er soll lebenserfahren sein, „weise, [ … ] reif an Charakter, nüchtern, nicht essbegierig, nicht überheblich, nicht aufbrausend, nicht grob, nicht saumse171 Vgl. Die Regel des Heiligen Benedikt, Vorwort 45, in der der Ordensgründer davon spricht, „eine Schule für den Dienst des Herrn errichten“ zu wollen. 172 Die Regel des Heiligen Benedikt, Vorwort, 450. 173 Ebd. 21,3-4. 92 lig, nicht verschwenderisch…“174 Er soll vielmehr Gott fürchten „und für die ganze Klostergemeinde wie ein Vater“175 sein. Seine Arbeitsweise wird ihm vom Abt vorgegeben: „Für alles, was ihm der Abt aufträgt, sei er besorgt; was er ihm aber vorenthält, das nehme er sich nicht heraus.“176 Damit hat der Cellerar eine klare Zielsetzung in seiner Rolle, über die er auch seinem Vorgesetzten Rechenschaft geben muss. Gegen Ende seiner Regel spricht Benedikt auch von der Einsetzung des Abtes, also seines Nachfolgers. Eine absolute oder Zweidrittelmehrheit liegt Benedikt fern. Er möchte den Abt entweder von allen Mönchen „einmütig“ gewählt wissen oder aber von einem „noch so kleinen Teil der Klostergemeinde nach besserer Einsicht“.177 Benedikt weist entschieden darauf hin, dass der Abt „Rechenschaft für seine Verwaltung ablegen muss. Und er wisse, dass es seine Aufgabe ist, mehr vorzusehen als vorzustehen.“178 Benedikt ist also überzeugt, und seiner Überzeugung wird in seinen Klöstern bis heute gefolgt, dass Leitung ohne Leistung undenkbar ist. Vorzusehen – heute würden wir vielleicht von strategischem Planen sprechen – ohne dann auch für seine Leistung gerade zu stehen, also Rechenschaft für das Erreichte abzulegen, passt nicht in Benedikts Konzept, das inzwischen eineinhalb Jahrtausende überstanden hat. Das 65. Kapitel der Benediktusregel vom Prior des Klosters ist noch eindringlicher, deshalb auch etwas länger als sein Kapitel über den Abt. Es müssen schon sehr negative Erfahrungen und Schwierigkeiten gewesen sein, die Benedikt folgende warnende Worte eingegeben haben: „Leider geschieht es oft, dass die Einsetzung eines Priors in Klöstern zu schweren Ärgernissen führt. Gewisse Leute, vom bösen Geist des Stolzes aufgebläht, bilden sich nämlich ein, sie seien zweite Äbte und maßen sich willkürliche Herrschaft an und schüren so Ärgernisse und stiften Zwietracht in den Klostergemeinden…“179 174 Ebd. 31, 1. Ebd. 31, 2. 176 Ebd. 31, 15. 177 Ebd. 64, 1. 178 Ebd. 64, 7. 179 Ebd. 65, 1-2. 175 93 Wieder spricht er von der Verantwortlichkeit derer, „die an einer solchen Unordnung schuld sind.“180 Und er nennt wörtlich Bischöfe und Äbte. Diesen eindeutigen und etwas harten Ausführungen über die Rolle des Priors in einem Kloster fügt Benedikt noch einmal die Letztverantwortung des Abtes selbst hinzu: „Doch bedenke der Abt, dass er über alle seine Entscheidungen vor Gott Rechenschaft ablegen muss, damit nicht etwa die Flamme des Neides und der Eifersucht seine Seele brenne.“181 In diesen Worten Benedikts scheint auch schon die zweifache Struktur, die göttliche und weltliche, zur Sprache zu kommen, die das II. Vatikanische Konzil dann im Dekret über die Kirche Jesu Christi als komplexe Wirklichkeit bezeichnet, deren Wesensbedingtheit sich auf den Elementen der irdischen Welt und des Reiches Gottes gründet: „Die mit hierarchischen Organen ausgestattete Gesellschaft und der geheimnisvolle Leib Christi, die sichtbare Versammlung und die geistliche Gemeinschaft, die irdische Kirche und die mit himmlischen Gaben beschenkte Kirche sind nicht als zwei verschiedene Größen zu betrachten, sondern bilden eine einzige komplexe Wirklichkeit, die aus menschlichem und göttlichem Element zusammenwächst.“182 Schon Benedikt von Nursia gab den Hinweis, dass, erstens, in der Kirche und in kirchlichen Institutionen Leadership in so genannten weltlichen Dingen nicht wesentlich von pastoraler Leadership von Menschen getrennt werden kann und, zweitens, dass Leadership und Leistung im Leben des Volkes Gottes keine Gegensätze bilden, sondern göttliche Gnade und menschliche Kompetenz in Gottes Geschöpf zu einem demütigen Einklang verschmelzen müssen. Ansonsten würde dieses Wesen, diese eine Seele „Mensch“, die in der Genesis ‫נפּׁש‬ genannt wird, zerbrechen. Mit dem Atemhauch Gottes hat der Mensch auch die ihm von seinem Schöpfer geschenkte Freiheit eingeatmet. Einer Beschränkung dieses göttlichen Freiraums tritt Jesus vehement entgegen. Eine Führungskraft, die diesen göttlichen Freiheitsraum einer der Töchter oder Söhne Gottes einschränkt, „für den wäre es besser, wenn er mit einem Mühlstein um den Hals ins Meer geworfen würde.“ (Mk 9,42) Menschen führen und sie dazu anleiten, durch ihre Arbeit an der Schöpfung Gottes mitzuwirken, kommt in unterschiedlichem Grad allen Kindern Gottes zu. Reichere Leitungsgaben des Geistes Gottes verpflichten jedoch auch zu größerer Verantwortung. Der Zisterzien180 Ebd. 65,10. Ebd. 65. 22. 182 Lumen Gentium, Art. 8. 181 94 serabt Bernhard von Clairvaux (1090 – 1153) erinnert seinen Ordensbruder, Papst Eugen III., an seine Verpflichtung, „solche Menschen in die Leitung der Kirche einzubeziehen, die ‚Eifer im Gebet haben, es treu üben, und ihr Vertrauen immer mehr auf dieses als ihre Mühe und Arbeit setzen‘“.183 183 Bernhard von Clairvaux, Sämtliche Werke, Bd. I-X, Gerhard B. Winkler (Hg.), Innsbruck 1990-1999, zitiert in: Traugott Ohse, Voll Güte bist Du, Herr. Beten mit Bernhard von Clairvaux, Willhering, OÖ, 2011, Nachwort (ohne Seitenangabe). 95 6 RESUME UND AUSBLICK Spannungsszenario Es steht außer Zweifel, das viele kirchliche Mitarbeiter ein Spannungsfeld zwischen Leitung und Leistung erfahren, sowohl in administrativen, jedoch vor allem in pastoralen, karitativen und diakonalen Arbeitsbereichen. Auf der einen Seite des Spektrums stehen jene Mitarbeiter, die ihre gesamten Bemühungen in die Hand des Guten Hirten legen und dadurch ihrer eigenen Leistung weniger Bedeutung zumessen oder sogar Professionalität in Abrede stellen. Andrerseits werden Menschen nicht nur in Wirtschaftsunternehmen, sondern zunehmend auch in der Kirche und in kirchlichen Institutionen gezwungen, ihrer Arbeit „wie am Fließband“ und in Verachtung des gottgewollten Menschenbildes nachzugehen und damit zu workaholics zu werden. Das Profil des kirchlichen Mitarbeiters, das von Ignatius von Loyola nicht nur seinen Gefährten, sondern allen arbeitenden Menschen ans Herz gelegt wurde, entspannt das Verhältnis von göttlicher Gnade und menschlichen Talenten und Kompetenzen: „Vertraue so auf Gott, als hinge der gesamte Erfolg der Dinge von dir, nichts von Gott ab; wende ihnen jedoch alle Mühe so zu, als würdest du nichts, Gott allein alles tun.“184 Ignatius mag Worte von Paulus von Tarsos adaptiert haben, der die Mitglieder seiner Gemeinde in Korinth daran erinnerte, dass sie ihn zum Vorbild nehmen sollten, wie er selbst Christus zum Vorbild genommen hat (vgl. 1 Kor 11,1). Paulus arbeitete hart, ließ sich nichts schenken und machte daraus auch kein Hehl: „Denn als wir bei euch waren, haben wir euch die Regel eingeprägt: Wer nicht arbeiten will, soll auch nicht essen.“ (2 Thess 3,10) Professionelle Leitung trägt als positiver, schwache Leitung als negativer Katalysator zur menschlichen Leistung bei. Deshalb gilt der Frage nach Leitung und Führung besondere Aufmerksamkeit, was auch ein pointiertes und geflügeltes Wort in der Wirtschaft zum Ausdruck bringt: „Ein erstklassiger Manager hat erstklassige Mitarbeiter, ein zweitklassiger Manager drittklassige Mitarbeiter“. Das Bekenntnis einer Top-Führungskraft auf dem „Kongress christlicher Führungskräfte“185, dass er sein Leben lang stets Mitarbeiter angestellt hätte, die er für besser als sich selbst gehalten hat, löste 2011 bei den fast 4.000 Kongressteilnehmern 184 http://www.jesuiten.org/fileadmin/Redaktion/Downloads/Ignatius-Impuls.pdf, abgerufen am 5.11.2012. Beim siebten Kongress christlicher Führungskräfte vom 24.-26. Februar 2011 in Nürnberg waren knapp 3.800 Teilnehmer anwesend, vgl. http://www.fuehrungskraeftekongress.de/rueckblick/kongress-2011/, abgerufen am 19.11.2012. 185 96 in Nürnberg eine standing ovation aus. Ein positives Beispiel, das für kirchliche Führungskräfte Anreiz bieten könnte, diese Rekrutierungsmaßnahmen auch für ihre Organisationen zu kopieren. Profit- und sozial-orientierte Organisationen Nicht selten wird die Argumentation gehört, dass die gewiss existierenden Unterschiede zwischen profit- und sozial-orientierten Institutionen, zumindest was die Kirche betrifft, keinen wie immer gearteten Vergleich zulassen. Allerdings wird dabei außer Acht gelassen, dass die Kirche gemäß dem Zweiten Vatikanum hier auf Erden sowohl „als sichtbares Gefüge verfasst“ 186, aber auch eine geistliche, das heißt von Gott gewollte und gegründete Gemeinschaft, also eine „Gemeinschaft des Glaubens“187 ist. Genau dieser Disput über Vergleichbarkeit oder Unvergleichbarkeit zwischen weltlichen und kirchlichen Institutionen liegt auch die Spannung zwischen Leitung und Leistung für Mitarbeiter in der Kirche zugrunde. Die Sendung der Kirche durch Jesus Christus besagt nicht, dass sich die von ihm Gesendeten außerhalb der Welt bewegen sollen, für die er seine Kirche ja „in die Welt gesetzt hat“. In den nicht-pastoralen Aufgabenbereichen ist es sichtbar leichter, professionelle Instrumentarien der Organisationsleitung einzusetzen. Die Erfahrung jedoch hat gezeigt, dass die Adaption solcher Leitungsinstrumentarien einer Institution wie der Kirche auch in ihren pastoralen Aufgabenbereichen mehr Glaubwürdigkeit schaffen könnte. Erinnern vielleicht auch Jesu Worte an diese menschliche Verpflichtung, dem Charisma des Herrn mit eigenem Engagement zu begegnen? „Wer hat, dem wird gegeben werden; wer aber nicht hat, dem wird auch noch weggenommen, was er hat.“ (Lk 19,26) Manager und Leader Der Begriff „Manager“ löst in kirchlichen Kreisen vielfach – oft nicht zu Unrecht –negative Assoziationen aus. Die Unterscheidung zwischen dem Manager als jemanden, der die Dinge richtig tut, und dem Leader, der die richtigen Dinge tun, soll über ein solches Ressentiment hinweghelfen. Somit sind beide Rollen auch in der Kirche und ihren Institutionen von absoluter Wichtigkeit. Das Fehlen einer dieser beiden Rollen würde in der Wirtschaft sogar die Überlebenschance eines Unternehmens in Gefahr bringen. Die Dinge nicht richtig zu tun und 186 187 Lumen Gentium, Art. 8. Ebd. 97 zu Ende zu bringen, würde schnell Gesetzgeber und Kunden auf den Plan rufen. Nicht die richtigen Dinge zu verfolgen, würde dem Unternehmen noch viel schneller auf dem Markt jede Wettbewerbschance nehmen. Der Befund kirchlicher Organisationen lässt viel Raum für Verbesserungsmöglichkeiten. So manches Ordinariat oder Diözese ist „over-manged“, aber „under-lead“, d.h. über das Notwendige hinaus administriert, verwaltet, kontrolliert und geregelt, aber kaum überzeugend und glaubwürdig in die Zukunft geführt. Rechenschaft für das Geleistete Der Letztverantwortliche in der Kirche ist und bleibt bis zu Seiner Wiederkunft der Herr selbst, der seinen väterlichen Auftrag den Seinen, geleitet von den Aposteln, weitergereicht hat. Seine Erwartungen an die Seinen definiert er klar: die Menschen auf ihrem Weg ins Reich Gottes zu begleiten. Jesus muss seinem Vater gegenüber Rechenschaft ablegen für sein Tun, er sagt es ihnen auch: „Ich muss auch den anderen Städten das Evangelium vom Reich Gottes verkünden; denn dazu bin ich gesandt worden.“ (Lk 4,43) Genauso müssen seine Apostel ihm gegenüber Rechenschaft ablegen. Sie haben sich nicht selbst kontrolliert, und so dürfen sich auch ihre Nachfolger nicht selbst kontrollieren. „Wem viel gegeben wurde, von dem wird viel zurückgefordert werden, und wem man viel anvertraut hat, von dem wird man umso mehr verlangen.“ (Lk 12,48) Leiten kann nicht ohne Leistung gedacht werden. Somit ist die Kirche gefordert, den Leistungsbegriff zu entrümpeln und ihn auf das jesuanische Verständnis zurückzuführen, das zwei offensichtlich widerstreitende Fokusse in sich birgt, deren Abstimmung jedoch den Exegeten überlassen bleiben soll: „Nimm dein Geld und geh! Ich will dem letzten ebenso viel geben wie dir. Darf ich mit dem, was mir gehört, nicht tun, was ich will? Oder bist du neidisch, weil ich gütig bin? So werden die Letzten die Ersten sein und die Ersten die Letzten.“ (Mt 20.14-16) „Hättest du mein Geld wenigstens auf die Bank gebracht, dann hätte ich es bei meiner Rückkehr mit Zinsen zurückerhalten.“ (Mt 25,27) Leitung ohne Leistung und Leistungskontrolle entmenschlicht die kirchlichen Arbeitsprozesse in derselben Weise wie Leistung und Leistungserwartung ohne Leitung. So übersieht „Leitung ohne Leistung“ die Verantwortlichkeit aller Beteiligten und beraubt gleichzeitig den Menschen und seine Gemeinschaft der gemeinsamen Sicht ihres eigentlichen Ziels. Denn wo kein Ziel, da auch keine Anstrengung, es zu erreichen und daher auch keine Leistung. And98 rerseits kann auch „Leistung ohne Leitung“ nicht unbedingt menschlich genannt werden, weil die Individualität des Menschen in der komplexen Arbeitswelt von heute missachtet und der Mitarbeiter dadurch zum reinen Werkzeug der Zielerreichung werden kann. In der vielgestaltigen Arbeitswelt von heute hat der Mitarbeiter ein Recht auf Orientierung, d.h. ein Recht auf eine verständliche Zusammenschau komplexer Zusammenhänge. Zudem zeitigt menschliche Leistung ohne Anerkennung „von oben“ kaum Nachhaltigkeit. Das vielfach gehörte Gegenargument, weshalb die Kirche heute plötzlich über Management und Führungsfähigkeiten, Rollenprofile und Zielsetzungen, Kompetenzen und Leistung nachdenken sollte, wenn es doch schon 2000 Jahre ohne all diese Modewörter gut gegangen ist, hat sicher etwas an sich. Schließlich und endlich spricht man ja heute von einer durchschnittlichen Lebensdauer eines Unternehmens von nur etwa vierzig Jahren. Was seien diese paar Jahre gegenüber den zwei Jahrtausenden der Kirche? Zwar kann Kirche als Gemeinschaft göttlichen Geistes nicht eins zu eins mit einem Wirtschaftsunternehmen verglichen werden, aber der weltliche Teil des göttlichen Aktes Kirche ist heute in Gefahr, vielen weltlichen Unternehmen in ihrer Erkenntnis zu unterliegen, den Menschen als ihr höchstes Gut zu betrachten und ihn in seiner Würde und seinen Bedürfnissen wirklich ernst zu nehmen. Pastoral Leadership Wenn die Kirche und ihre Institutionen dem Menschen, der in und mit und für sie arbeitet, nicht den Freiraum der von Gott gewollten und bedingungslos geschenkten Gnade einräumt, wird sie dennoch viele, durch Gottes Geist engagierte Mitarbeiter in ihren Reihen halten können, denen allerdings menschliche Zufriedenheit abgehen wird. Bleibt ernstlich zu hinterfragen, ob Jesus eine solche Zerrissenheit des Menschen mit der für uns ersehnten „Fülle des Lebens“ (vgl. Joh 10,10) in Einklang gebracht hätte. Die Schlussfolgerungen aus dieser Arbeit weisen auf ein Manko hin gegenüber der Ernsthaftigkeit der Verwendung „weltlicher“ Instrumentarien in kirchlichen Arbeitsbereichen, wobei die Diskrepanz in pastoralen Tätigkeiten nach wie vor viel weiter ist als in betriebswirtschaftlich nahen Aufgaben. Die Leitung großer Pastoralräume oder Diözesen, die Leitung kirchlicher Schulen und Krankenhäuser, die Leitung von Ordenshäusern und kirchlichen Besitzungen ist heute nicht mehr ohne klare geistige und materielle Zielsetzung und Leistungsplanung möglich. Um Leistung solcher kirchlicher Institutionen oder Teilorganisationen nicht 99 nur dem Zufall zu überlassen, sondern deren Leistung auch zu planen, bedarf es einer professionellen Ausbildung, die in Pastoral Leadership-Curricula schon an manchen katholischen Fakultäten initiiert wurden. Die Vision eines solchen ganzheitlichen, wahrscheinlich post-gradualen Lehrgangmodells müsste auf drei Säulen ruhen: 1. auf dem christlichen Menschenbild, 2. auf dem pastoralen Grundszenario der Ortskirchen und der Weltkirche, 3. auf den organisationspsychologischen Grundlagen und 4. auf den wichtigsten betriebswirtschaftlichen Bausteinen. Abb.6: Modell eines möglichen Pastoral Leadership Curriculums Denn: So wie die Weihegnade den kirchlichen Mitarbeiter, in welcher hierarchischen Ebene auch immer, nicht von der Menschlichkeit dispensiert, so ersetzt sie auch nicht die fachliche Professionalität, die zur Erfüllung einer bestimmten Rolle in der Kirche Jesus Christi erforderlich ist. 100 Abstrakt Das Spannungsszenario zwischen Leitung und Leistung, in dem Mitarbeiter der Kirche sowohl in Bereichen der Administration, der Caritas und Diakonie und der allgemeinen Dienstleistung als auch in der Pastoral aller hierarchischen Ebenen arbeiten, wurzelt in der dualen Wesenseinheit der Kirche Jesu Christi, die in Lumen Gentium, der Kirchenkonstitution des Zweiten Vatikanums, von den Konzilsvätern als „sichtbare Versammlung und die geistliche Gemeinschaft“, also als „irdische Kirche“ und als „mit himmlischen Gaben beschenkte Kirche“ beschrieben und eingefordert wird. Sie „bilden eine einzige komplexe Wirklichkeit, die aus menschlichem und göttlichem Element zusammenwächst“. Ähnlich den Wirtschaftsunternehmen wird in der Kirche als sichtbare Communio der Menschen der dringende Ruf nach wirtschaftlichen und führungstechnischen Maßstäben immer lauter, während die von Jesus selbst konstituierte geistliche Gemeinschaft auf der frei geschenkten Gnade Gottes baut. Kirche und kirchliche Institutionen brauchen beide, ihr Fundament begründende Elemente: professionelle menschliche Kompetenzen und göttliche Gnade. Kirchliche Leadership, die nicht auf den Prinzipien menschlichen Zusammenarbeitens und –lebens aufbaut, wird den Herausforderungen der Gesellschaft auf lange Sicht nicht standhalten können. Genauso könnte eine Negation der göttlichen Gnade in der Arbeit in und für und mit der Kirche zur Aushöhlung ihrer göttlichen Sendung führen. Das Zusammenspiel von professionellen Kompetenzen und Leistungsorientierung der Führungskräfte und ihrer Mitarbeiter, die nicht voneinander zu trennen sind, bilden die Grundlage für eine „kirchlichen Kultur“ für morgen. Ein visionärer Blick in die kirchliche Zukunft fokussiert auf der Notwendigkeit einer ganzheitlichen Aus- und Weiterbildung der administrativ und pastoral tätigen Humanressourcen in der Kirche und die Möglichkeit, an theologischen Fakultäten Pastoral Leadership als akademisches Studium zu etablieren. Die Weisheit als verständige Einsicht (vgl. Sir 1,4), die Ignatius von Loyola seinen Gefährten mit auf den Weg gibt, bündelt die These dieser Arbeit in markanten Worten: „Vertraue so auf Gott, als hinge der gesamte Erfolg der Dinge von dir, nichts von Gott ab; wende ihnen jedoch alle Mühe so zu, als würdest du nichts, Gott allein alles tun.“ 101 Abstract The tense relationship between leadership and performance in which Church employees in administrative, caritas, diaconate and general social services as well as in pastoral activities at all hierarchical church levels are engaged, is based on the dual consubstantiality of the Church of Jesus Christ, which in the Second Vatican Council constitution Lumen Gentium is described and called for by the Council Fathers as “the visible assembly and spiritual community” and as “the earthly Church and the Church enriched with heavenly things”. Hence the Church is “one complex reality which coalesces from a divine and a human element”. Similar to economic enterprises, the calls for economic and managerial benchmarks is getting louder and louder in the Church as the visible communio of human beings, while the Church constituted by Jesus Himself as his spiritual community builds on freely bestowed grace. The Church and ecclesiastical institutions need both elements of the basis on which they were founded: professional human competences as well as the Lord’s Grace. Church leadership which is not founded on the principles of human cooperation and coexistence, will, in the long run, not be able to withstand the challenges of society. In the same way, negating God’s grace in work for and with the Church could lead to a substantial undermining of her divine mission. The interaction of professional competencies and the performance orientation of Church leaders and their co-workers to whom they are inextricably linked, constitute the foundation for tomorrow’s “Church culture”. A visionary insight into the future of the Church focuses on the necessity of holistic education and ongoing further training of the Church’s human resources engaged in administrative and pastoral work, as well as on the possibility of establishing the subject of Pastoral Leadership in the academic curriculum at the theological faculties of universities. Wisdom as prudent understanding (cf. Sir 1,4), which Ignatius of Loyola gives his companions to take away with them, packs the thesis of this work into the following forceful words: “Act as if everything depended on you; trust as if everything depended on God.” 102 Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Beispiel einer Balanced Scorecard für Planung und Steuerung eines Projekts ……... 64 Abb. 2: Kirchliche Organisationsstruktur – Illusion oder Vision? …………………….…………………. 67 Abb. 3: Unterschiedliche, jedoch überlappende Kompetenzkategorien …..……………..……….. 78 Abb. 4: Prinzip der Personal- und Organisationsentwicklung ……………………………………………. 81 Abb. 5: Mitarbeiter zwischen Zufriedenheit und Engagement ………………………………………….. 85 Abb. 6: Modell eines möglichen Pastoral Leadership Curriculums …………………….……………. 100 103 Bibliographie Quellen DEMEL, Sabine, Handbuch Kirchenrecht. Grundbegriffe für Studium und Praxis, Freiburg 2010. DIE REGEL DES HL. BENEDIKT, Erzabtei Beuron (Hg.), Beuron 91959. 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Oktober 1942 in Wien Verheiratet seit 1968, zwei Kinder Seit 2005 Diakon der Diözese Eisenstadt T: 0043 664 7310 5860; E: paul.roettig@tele2.at Bisherige Studien 1962 - 1967 1966 1967 1967 – 1968 Berufliche Erfahrung 1965 – 1967 1970 – 1986 1987 – 1993 1994 – 2008 Studium der Philosophie, Theologie und Kunstgeschichte an den Universitäten Wien und Innsbruck Lizentiat der Philosophie an der Universität Innsbruck Promotion zum Dr. phil. theol. an der Universität Innsbruck und Nostrifikation zum Dr. phil. Post-graduale Studien der Theologie und der französischen Sprache an der Universität Straßburg, Frankreich Wissenschaftliche Hilfskraft am Institut für Pastoraltheologie an der Universität Innsbruck Tätigkeit in den Bereichen Humanressourcen, Public Relations Marketing und Sales im Esso/Exxon-Konzern in Europa (Österreich und Großbritannien), Afrika und Amerika Konzernpersonaldirektor der ÖIAG („Verstaatlichte“) Geschäftsführender Gesellschafter und Regionalmanager von Hewitt Associates (internationaler Human Resources Consultant) in Österreich und Osteuropa Lehrtätigkeit an Hochschulen Seit 1991 Lehrtätigkeit (Humanressourcen-Management, Organizational Behavior und Wirtschafts- und Arbeitsethik) an der Montanuniversität Leoben, der Wirtschaftsuniversität Wien, der Webster University Vienna, der Privatuniversität Imadec, der California State University Hayward, USA, der Katholischen Universität Košice und an den Fachhochschulen in Eisenstadt, Wien und Steyr Derzeit Montanuniversität Leoben und Fachhochschule Steyr Wien, 26. 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