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5 Ausblick

»Lean« und »agil« im Büro

5 Ausblick Zwischen »digitalem Fließband« und Aufbruch in eine neue »Humanisierung der Arbeitswelt« Mit der digitalen Transformation und dem Einzug neuer Formen der Arbeitsorganisation werden sehr grundlegende Veränderungen und Umbrüche in der Kopfarbeit angestoßen. Der Übertragung von Lean-Konzepten aus der Fertigung ins Büro und dem Einsatz agiler Methoden kommt dabei eine strategische Bedeutung zu: Komplementär zur informatorischen Durchdringung der Arbeit über digitale Informationssysteme liefern sie die adäquaten Konzepte, um die Arbeit der Angestellten neu zu organisieren. Hintergrund der Entwicklung ist die Herausbildung eines »neuen Typs der Industrialisierung« (Boes 2004), dessen Ausgangspunkt nicht mehr die klassischen Maschinensysteme der »großen Industrie« sind, sondern der »Informationsraum« (Baukrowitz/Boes 1996) ist. Lean-Konzepte und agile Methoden liefern hier Ansatzpunkte, um die Wertschöpfungsprozesse im Büro entlang des digitalen Informationsflusses zu organisieren. Davon ausgehend zielen die Unternehmen im Zuge gegenwärtiger Reorganisationen darauf, auch die Kopfarbeit systematisch und rational zu organisieren, um sie plan- und wiederholbar zu machen. Ähnlich wie bei der Industrialisierung der Handarbeit im 19. Jahrhundert werden nun auch geistige Tätigkeiten im Sinne eines objektiven Prozesses strukturiert, um die Arbeitsprozesse im Büro unabhängig vom individuellen Geschick des Einzelnen organisieren zu können (vgl. Boes/Kämpf 2012; Boes et al. 2014a). Die konkreten Formen dieser Industrialisierung von Kopfarbeit – ihre Strategien, Konzepte und Reifegrade – differieren zwischen den unterschiedlichen Bereichen: Während sich in den mittelqualifizierten Verwaltungsbereichen eine Art »digitale Taylorisierung« Bahn bricht, die mit Lean-Methoden kombiniert wird, ist auf Basis der Verknüpfung agiler Methoden mit den Prinzipien der Lean Production in den höherqualifizierten Bereichen ein neues industrialisiertes Entwicklungsmodell entstanden, das sich in der Software-Entwicklung flächen- 205 Unauthenticated Download Date | 7/26/18 10:26 PM Kapitel 5 deckend durchsetzt und zunehmend auch in den industriellen Forschungs- und Entwicklungsabteilungen zum Einsatz kommt. Im Zuge der Versuche der Unternehmen, die Kopfarbeit einer neuen Industrialisierung zu unterziehen, kommt insbesondere der Öffnung der Angestelltenbereiche durch den Einzug von Transparenz eine zentrale Bedeutung zu. Neue Meeting-Routinen im Rahmen von Scrum oder der Übertragung des Shopfloor-Managements ins Büro zielen sowohl auf die Stärkung des kommunikativen Austauschs und der Selbstorganisation der Beschäftigten als auch auf die Verbesserung der Eingriffs- und Steuerungsmöglichkeiten für das Management. Für die Beschäftigten bedeuten sie aber auch eine Zunahme von Kontrolle bis hin zu einer Renaissance von »peer group pressure« (vgl. Vormbusch 1999) im Büro. Insbesondere hochqualifizierte Beschäftigte verlieren damit bisherige Ungewissheitszonen und Primärmachtpotenziale. Somit zeigen unsere Untersuchungen auch, dass die disruptive Wucht der digitalen Transformation vor den privilegierten akademischen Experten in der Software-Entwicklung oder den klassischen Ingenieursbereichen nicht halt macht. Sie werden zunehmend aus ihren »Silos« herausgelöst und in kollaborative Arbeitszusammenhänge sowie Formen der Kollektivierung ihres Expertenwissens eingebunden, die schließlich auf eine Aufhebung des »Expertenmodus« (Boes et al. 2014a; Boes/Kämpf/Lühr 2016c) als der bisherigen Organisationsform insbesondere hochqualifizierter Kopfarbeit hinauslaufen. Mit Blick auf die Folgen für die Beschäftigten zeigt sich, dass der grundlegende Umbruch in der Organisation der Kopfarbeit durch Lean und agile Methoden mit einem erheblichen Anstieg von Belastungen einhergehen kann. Diese reichen von steigendem Rechtfertigungsdruck, Unsicherheitserfahrungen und Anerkennungsverlusten im Zuge der Kontrolle durch Transparenz bis hin zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen durch »Dauerstress« und »permanenten Zeitdruck« im Rahmen der kurzzyklischen Taktung des neuen industrialisierten Entwicklungsmodells etwa in der Software-Entwicklung. Dabei zeigt sich, dass die Nachhaltigkeit bei der Einführung neuer Lean-Konzepte – ähnlich wie schon in den unmittelbaren Produktionsbereichen (vgl. z. B. Gerst 2010, 2011) – kein Selbstläufer ist. Ohne ein wirkliches Empowerment der Teams können auch die gesundheitsförderlichen Potenziale z. B. der agilen Methoden nicht genutzt werden. Am Scheideweg: Für oder gegen die Menschen? Der skizzierte Umbruch der Kopfarbeit in der digitalen Transformation verbindet sich mit weitreichenden gesellschaftlichen Folgen, die von einer zunehmend »ausgebrannten Arbeitswelt« (Kämpf 2015) bis hin zu neuen Unsicherheiten für 206 Unauthenticated Download Date | 7/26/18 10:26 PM Ausblick die (lohnabhängigen) Mittelschichten im Zuge ihrer erodierenden betrieblichen Lage (vgl. Boes/Kämpf/Lühr 2016c) reichen. Vor diesem Hintergrund besteht in der Praxis dringender Handlungs- und Gestaltungsbedarf. Zugespitzt formuliert zeigen unsere Ergebnisse, dass sich die Entwicklung gegenwärtig an einem Scheideweg befindet: Auf der einen Seite zeichnet sich das Bild einer Arbeitswelt ab, in der auch Kopfarbeit »wie am Fließband« organisiert und zunehmend austauschbar wird. Diese verbindet sich mit einer neuen Qualität von Kontrolle im Zuge der informatorischen Durchdringung der Arbeit und des Einzugs von Transparenz sowie mit einem massiven Anstieg der Belastungen im Büro. Auf der anderen Seite lassen sich aber durchaus die Potenziale für einen Aufbruch in eine neue »Humanisierung der Arbeitswelt« erkennen. Diese bestehen in der Ausweitung der Autonomie- und Handlungsspielräume für wirklich empowerte Teams, in persönlichen Entwicklungs- und Entfaltungsmöglichkeiten im Zuge kollektiven Lernens und der Selbstorganisation des Teams sowie in den darin liegenden salutogenen Potenzialen für eine präventive Gesundheitsförderung. Die Grundlage für dieses positive Entwicklungsszenario besteht in der neuen Qualität der Nutzung geistiger Produktivkraft, die sich im Zuge des Produktivkraftsprungs auf der Basis des Informationsraums in Verbindung mit Lean und agilen Methoden abzeichnet. Sie bezieht sich vor allem auf die Etablierung kollaborativer Arbeitsformen sowie die Kollektivierung personal gebundenen Expertenwissens durch Informatisierung und kommunikativen Austausch. Unsere Empirie zeigt, dass die darin liegenden humanisierungspolitischen Potenziale in der Praxis immer wieder durchschimmern. So ist es gerade die Aufhebung des Expertenmodus, die es möglich macht, das Team als zentrale Ressource zur gegenseitigen Unterstützung und Entlastung etwa bei individuellen Belastungsspitzen oder als Korrektiv und Erfahrungspool bei fachlichen Fragen und Entscheidungen zu nutzen. Auch zeigt sich, dass eine stärkere Zusammenarbeit im Team und die gemeinsame Planung der Aufgaben eine wesentliche Quelle z. B. von »Spaß« an und Zufriedenheit in der Arbeit ist, mithin die Sinnperspektive der Beschäftigten stärkt. Und es sind nicht zuletzt das Aufbrechen individueller »Wissenssilos« und die Schaffung einer transparenten, kollektiven Wissensbasis, die die Voraussetzungen nicht nur für teamzentrierte, kollaborative Arbeitsformen schaffen, sondern auch für kollektive Lernschleifen und individuelle Entwicklungsmöglichkeiten. Als entscheidender Dreh- und Angelpunkt mit Blick auf eine neue Humanisierung von Arbeit erweist sich dabei das Empowerment der Teams. Je stärker es ausgeprägt ist, desto stärker empfinden die Beschäftigten das Vertrauen und auch die Sicherheit, die notwendig sind, um die Vorteile der neuen Transpa- 207 Unauthenticated Download Date | 7/26/18 10:26 PM Kapitel 5 renz produktiv für sich zu nutzen. So wird eine neue Qualität von Selbstorganisation möglich, in der eine kollektive Strategie- und Handlungsfähigkeit zur Grundlage der Steuerung der eigenen Arbeitsmenge wird. Damit kann nicht nur das Tempo in der Arbeit eigenverantwortlich reguliert und damit das Belastungsniveau reduziert werden. Mindestens genauso wichtig ist, dass empowerte Teams damit auch über jene Autonomie- und Entscheidungsfreiräume verfügen, die es möglich machen, die persönliche Entfaltung im Team und des Teams auf der einen Seite und die Steigerung der gemeinsamen Arbeitsproduktivität auf der anderen Seite als »zwei Seiten einer Medaille« zu behandeln. Dies zeigt sich in dem Maße, in dem der Fokus der kollektiven Lern- und kontinuierlichen Verbesserungsprozesse nicht lediglich auf der Steigerung der Geschwindigkeit in der Arbeit und der Qualität des Produkts liegt, sondern auch auf einem nachhaltigen, schonenden Umgang mit der eigenen Arbeitskraft und der Eröffnung völlig neuer Sinnpotenziale, etwa durch Etablierung von organisatorischem »Slack« und die Schaffung von Freiräumen für Kreativität und Innovativität. Gerade das Empowerment der Teams und die Stärkung ihrer Handlungsfähigkeit bilden deshalb aus unserer Perspektive die zentrale Leitorientierung für eine nachhaltige Gestaltung der Arbeitswelt. Hier bestehen humanisierungspolitische Potenziale, die allerdings in der Breite erst noch »zum Leben erweckt« werden müssen. So zeigt unsere Empirie, dass es in der Praxis der hochqualifizierten Bereiche – sowohl in der Software-Entwicklung als auch in der industriellen Forschung & Entwicklung – durchaus Ansatzpunkte für ein »echtes« Team-Empowerment gibt, von denen man lernen kann. Allerdings prägen diese Beispiele das Bild nicht in der Breite, sondern sind eher die Ausnahme von der Regel. Ihnen kommt der Charakter eines »Leuchtturms« zu. In den mittelqualifizierten Angestelltenfeldern der Verwaltung hingegen ist – angesichts der alles dominierenden Suche nach zu beseitigender »Verschwendung« – von Empowerment meist nicht einmal die Rede. Allerdings zeigen einzelne Beispiele, dass auch hier neue Möglichkeiten für die Selbstorganisation der Teams entstehen. Vor dem Hintergrund weniger ausgeprägten Spezialistentums und größerer Redundanzen in der Arbeit bestehen teilweise sogar bessere Bedingungen, das Team als flexible Ressource zur Entlastung und Unterstützung des Einzelnen erfahrbar zu machen (z. B. bei individuellen Belastungsspitzen oder im Zuge der Kompensation krankheitsbedingter Ausfälle). Und nicht zuletzt zeigt unsere Empirie auch, dass selbst die Rationalisierungseffekte im Zuge kontinuierlicher Prozessoptimierung nicht ausschließlich als Bedrohung im Hinblick auf die Sicherheit des eigenen Arbeitsplatzes entschlüsselt werden müssen. Sie können dann anders interpretiert werden, 208 Unauthenticated Download Date | 7/26/18 10:26 PM Ausblick wenn die Effizienzgewinne genutzt werden, um die frei werdenden Kapazitäten für die Anreicherung der Tätigkeitsprofile zu verwenden. Hier bestehen also ebenfalls Möglichkeiten, Produktivitätssteigerungen mit der persönlichen Entfaltung der Mitarbeiter zu verbinden und die Beschäftigten – wie z. B. in Fallunternehmen B, wo die Belegschaft selbst Vorschläge für die Erweiterung ihrer Kompetenzen entwickelt – beteiligungsorientiert in die Umgestaltung ihrer eigenen Arbeit und die Weiterentwicklung ihrer Kompetenzprofile einzubinden. Insbesondere mit Blick auf die weitere Entwicklung der »Arbeitswelt der Zukunft«, in der Kopfarbeit bzw. wissensintensive Wertschöpfungsprozesse zunehmend an Bedeutung gewinnen, bietet die neue Qualität der Nutzung geistiger Produktivkraft die Chance für einen arbeitspolitischen Paradigmenwechsel, wie er bereits die Aktivitäten zur »Humanisierung des Arbeitslebens« (HdA) in den 70er und 80er Jahren inspiriert hatte (vgl. Oehlke 2013). Dieser besteht in der Perspektive eines menschengerechten Produktivitätsfortschritts, der die Potenziale des Produktivkraftsprungs für die Menschen nutzt und nicht gegen sie wendet. Entsprechende Richtungsentscheidungen und eine gezielte gesellschaftliche und politische Gestaltung des Umbruchs in der Kopfarbeit sind deshalb dringend notwendig. Naiver Technizismus kann dies kaum ersetzen, denn ohne die Menschen und deren aktive Beteiligung wird die sich abzeichnende Neugestaltung der Arbeitswelt im Zuge der digitalen Transformation kaum erfolgreich sein. Gebraucht wird eine gesellschaftliche Leitorientierung, die die Menschen und ihre Rolle in der digitalen Transformation zentral stellt. Die Dynamik des Produktivkraftsprungs für einen Aufbruch in eine neue Humanisierung von Arbeit zu nutzen (vgl. Boes et al. 2016a) ist hier ein guter Ausgangspunkt. In diesem Sinne wird die Gestaltung des Umbruchs in der Kopfarbeit schließlich auch zu einem strategischen Thema für die betriebliche Interessenvertretung in den Angestelltenbereichen. Strategisches Thema für Betriebsräte Mit Blick auf die arbeitspolitische Gestaltung des Umbruchs in der Kopfarbeit gilt, dass die Umsetzung der neuen Methoden der Arbeitsorganisation im Büro nicht lediglich eine Frage der »technischen« Implementierung ist, sondern ein komplexer sozialer Veränderungsprozess. Unterschiedliche Faktoren spielen dabei eine Rolle und nehmen Einfluss auf die Bedingungen, unter denen die Leitorientierung einer neuen Humanisierung der Arbeitswelt konkret durchgesetzt werden muss. Diese reichen von der jeweiligen strategischen Ausgangssituation der Unternehmen – also z. B. ihrer wirtschaftlichen Lage und Position am Markt – über die unterschiedlichen Machtpotenziale und Interessen verschie- 209 Unauthenticated Download Date | 7/26/18 10:26 PM Kapitel 5 dener Beschäftigtengruppen bis hin zu der »ideologischen« Einbettung, die die Umsetzung der neuen Organisationskonzepte rahmt.1 Gerade weil die Implementierung von Lean-Konzepten in der Praxis häufig ein komplexer und mithin auch umkämpfter sozialer Veränderungsprozess ist, kommt es mit Blick auf die humanisierungspolitische Entwicklungsperspektive sehr auf eine autonome Arbeitsgestaltungspolitik der betrieblichen und gewerkschaftlichen Interessenvertretung an. Bereits die HdA-Bewegung im letzten Jahrhundert hatte gezeigt, dass die Realisierung des Humanisierungspotenzials neuer Arbeits- und Produktionskonzepte kein Selbstläufer ist (vgl. z. B. Sauer 2011). Heute zeigt sich dies nicht zuletzt darin, dass in der Praxis Lean und agile Methoden längst zu einem strategischen Thema für Betriebsräte geworden sind. Davon zeugen unter anderem entsprechende Initiativen für Betriebsvereinbarungen in den indirekten Bereichen. Ganz offensichtlich wächst hier der betriebliche Handlungs- und Regulierungsdruck (vgl. auch Bürkardt/Seibold 2015). Dabei betrachten viele Betriebsräte die Gestaltung der neuen Organisationskonzepte nicht zuletzt auch als eine Chance, ihre eigene Verankerung in den indirekten Bereichen auszubauen. Indem sie etwa bewusst als Vorreiter für eine beteiligungsorientierte Implementierung und Umsetzung auftreten, gelingt es ihnen, zu einem zentralen Akteur in der Auseinandersetzung um die Arbeitswelt der Zukunft zu werden. Dies lässt sich exemplarisch in Fallstudie B nachvollziehen. Hier zeigt sich zum einen, dass Betriebsräte gerade in industriellen Großbetrieben bei der Implementierung neuer Organisationskonzepte in den Büros der Angestellten auf ihre Erfahrungen bei der Einführung von Lean in der Produktion zurückgreifen können. So konnte der Betriebsrat eine innovative Gesamtbetriebsvereinbarung (GBV) für die indirekten Bereiche aushandeln, die auf den bestehenden Vereinbarungen zu Lean in den direkten Produktionsbereichen aufbaut, und so unter anderem wichtige Mitbestimmungsrechte sowie Schutzbestimmungen hinsichtlich der Arbeitsplatzsicherheit durchsetzen. Zum anderen veranschaulicht das Fallbeispiel auch, wie eine aktive Rolle des Betriebsrats bei der Implementierung 1 | So sind z. B. die agilen Methoden bei vielen Software-Entwicklern selbst oft sehr positiv konnotiert, weil sie aus der Kritik am bürokratischen »Wasserfallmodell« entstanden sind. Sie bieten damit aber auch die Möglichkeit, die »Künstlerkritik« (Boltanski/Chiapello 2003) der Beschäftigten zu inkorporieren und – wie anschaulich in Fallstudie C dargestellt – die Organisation der Software-Entwicklung in Verbindung mit dem Lean-Konzept zu einer Kopfarbeit »am Fließband« umzugestalten. Lean-Konzepte werden hingegen oft mit einem Fokus auf Kostensenkung und Vermeidung von »Verschwendung« eingeführt, was meist keine fruchtbare Ausgangslage für eine Beteiligung der Beschäftigten und eine Entwicklungsperspektive in Richtung Empowerment ist. 210 Unauthenticated Download Date | 7/26/18 10:26 PM Ausblick und Umsetzung von Lean im Büro aussehen kann. Hier zeigen die betrieblichen Interessenvertreter vor allem viel unmittelbare Präsenz, beteiligen sich an der Einführung von Lean-Projekten, um die Einhaltung der GBV zu überprüfen, nehmen unangekündigt an den Stehungen der Teams in den unterschiedlichen Bereichen teil und tauschen sich kontinuierlich mit den Beschäftigten selbst aus. Der Betriebsrat konnte in diesem Fall seinen Zugang zu den zuvor weniger betriebsratsaffinen Verwaltungsbereichen deutlich verbessern und die Vertrauensbeziehungen stärken.2 Während Betriebsräte hier sehr gut an ihre Erfahrungen mit den »Ganzheitlichen Produktionssystemen« anknüpfen können, erzeugen vor allem neue Konzepte, wie insbesondere Scrum als agile Methode der Projektorganisation, einen entsprechenden Qualifizierungsbedarf. Dies äußert sich nicht zuletzt auch in den entsprechenden Schulungsangeboten der Gewerkschaften. Insgesamt besteht in Bezug auf die Gestaltung der neuen Organisationskonzepte im Büro ein konkreter Ansatzpunkt vor allem darin, Vertrauen und Sicherheit für die Beschäftigten zu schaffen. Sie bilden die notwendige Voraussetzung dafür, dass die neuen Methoden auch tatsächlich »ins Fliegen kommen« (woran nicht zuletzt die Unternehmen selbst interessiert sind). Als wesentliche Spannungsfelder haben sich in der Praxis hingegen die Aspekte »Freiraum für Kreativität vs. Kopfarbeit am Fließband« sowie »Nachhaltigkeit und gesundes Tempo vs. Taktung und permanenter Zeitdruck« erwiesen. Darüber hinaus bietet insbesondere das Thema Empowerment viel Potenzial für die interessenpolitische Begleitung des Umbruchs in der Kopfarbeit: Es eröffnet den Beschäftigten einen wichtigen Raum, die Arbeitswelt der Zukunft im Zuge der digitalen Transformation selbstbewusst nach ihren Interessen und Bedürfnissen zu gestalten. Hier besteht somit auch der zentrale Ansatzpunkt für die Verankerung der gesellschaftspolitischen Leitorientierung der Humanisierung auf der betrieblichen Ebene. 2 | Weitere interessante Erfahrungen und Beispiele in Bezug auf konkrete Handlungsmöglichkeiten von Betriebsräten finden sich finden sich z. B. bei Böhm (2015) und Bürkardt/Seibold (2015). 211 Unauthenticated Download Date | 7/26/18 10:26 PM Unauthenticated Download Date | 7/26/18 10:26 PM