Wolfgang Pircher
Freud als Konstrukteur
Im ominösen Jahr 1984 hatte ich die Ehre und die Freude für die
EULE, Diskussionsforum für rationalitätsgenealogische, insbesondere feministische Theorie, herausgegeben von Heide Heinz, einen
Beitrag zu schreiben, in dem ich Die Besessenheit des Ingenieurs
behandelte. Dieser zentralen Figur der technischen Welt möchte ich
treu bleiben und Ihnen eine kleine Überlegung vorführen, wie man
Sigmund Freud in diesen Strudel ziehen könnte, nicht als behandelnden Psychoanalytiker, der die hysterischen Ingenieure von ihren
großen Attacken befreien soll, sondern als jemanden, der selbst von
dieser Welt zumindest marginal berührt ist.
Vom Ingenieur zu reden, erlaubt das große und darum schon
wieder nichtssagende Vokabel Technik zu vermeiden. Es erlaubt
auch vom Ingenieur-werden zu sprechen und damit nicht nur ein
spezifisches Denken, sondern auch eine bestimmte Redeweise anzuzeigen. Die Sprache des Ingenieurs, um es gleich vorwegzunehmen,
ist die Zeichnung, die technische Zeichnung, also die Zeichnung, die
selbst wiederum nach Regeln konstruiert wird.1
Über diese Sprache des Ingenieurs, die allerdings auch von Naturwissenschaftlern verwendet wird, möchte ich einen kleinen Steg
zwischen Ingenieurskunst und Psychoanalyse errichten, eine Brücke
wird es nicht sein. Man kann dabei an Henning Schmidgen erinnern,
der eingangs seines bemerkenswerten Buches Das Unbewußte der
Maschinen sagt: „Die Metapsychologie der Psychoanalyse ist durch
mechanische, elektronische und hydrodynamische Modellvorstellungen nachhaltig angeregt und geprägt worden. Diese Modelle sind
in der psychoanalytischen Theorie so geläufig geworden, daß Aus1
54
Dazu Wolfgang Pircher, Die Sprache des Ingenieurs, in: David Gugerli et
al. (Hg.), Nach Feierabend, Zürich/Berlin: diaphanes 2006, 83 – 108.
drücke wie ‚psychischer Mechanismus’ oder ‚seelischer Apparat’ als
selbstverständlich akzeptiert werden. Solche zentralen Begriffen wie
‚Widerstand’ oder ‚Projektion’ wird die ursprünglich energetische
bzw. optische Metaphorik kaum mehr angemerkt.“1 Von Henning
Schmidgen sei nun noch eine andere Anregung aufgegriffen, die er
in einem Aufsatz über Gilles Deleuze geäußert und ausgeführt hat:
„Die Zeichnung ist das Medium, mit dem das Hirn in den philosophischen Diskurs von Deleuze Einzug hält.“2 Allerdings handelt es
sich dabei eher um Skizzen, Schmidgen spricht denn auch von „Linien, die Deleuze mit zittriger Hand in seine Texte platziert“3. Eine
zittrige Hand darf sich der Ingenieur eben nur bei der Skizze erlauben, also bei einem Stadium der Zeichnung, wo sie gleichsam just
dem Hirn entspringt.
Bevor ich auf diese Transformation von Hirn zu Zeichnung beim Ingenieur eingehe, möchte ich Ihnen eine
Maschine vorstellen, die von
einer jungen Frau Anfang
des 19. Jahrhunderts entworfen wurde.
Man findet die Konstruktionszeichnung in einem Berichte, nämlich der Ausführlichen historischen Darstellung einer höchst merkwürdigen Somnambule nebst
dem Versuche einer philosophischen Würdigung des
Magnetismus, verfasst von
einem Doktor der Philosophie E. Römer, erschienen in Stuttgart 1821. Schon am Titelblatt
1
2
3
Henning Schmidgen, Das Unbewusste der Maschinen. Konzeptionen des
Psychischen bei Guattari, Deleuze und Lacan, München: Fink 1997, 12.
Henning Schmidgen, Figuren des Zerebralen in der Philosophie von Gilles Deleuze, in: Michael Hagner (Hg.), Ecce Cortex! Zur Geschichte des
modernen Gehirns, Göttingen: Wallstein 1999, 317 – 349, hier 320.
Schmidgen, Figuren, 321.
55
sind drei Abbildungen annonciert, „der von der Somnambule in ihrem magnetischen Schlafe angegebenen Magnetisir-Maschine und
deren Abänderung beym Gebrauche für verschiedene Krankheiten“.
Bei der jungen Somnambulen handelt es sich nach dem späteren
Sprachgebrauch um eine Hysterika, die sich zur eigenen Therapie
eben diese Maschine entwarf, die sie, wie ihr Vater berichtete, „sehr
streng geometrisch“ konstruierte. Ein „Mechanikus“ baute schließlich diese Maschine und realisierte damit die Arbeitsteilung, die den
Ingenieur hervorgebracht hat, indem dieser, gleichsam zur Selbstschöpfung, sie, die technische Zeichnung, begründet hatte. Die
Somnambule nimmt also die Position des Ingenieurs ein. Darüber
hinaus aber ist sie auch deren Benutzerin. Und, was nicht unwichtig
ist, sie entwirft diese Zeichnung im magnetischen Schlaf, sie halluziniert sie also. Inwiefern ihr das Grundprinzip der Maschine, die
den Baquetkonstruktionen von Franz Anton Mesmer zu folgen
scheint, vom „Zeitgeist“ oder von sonst wem eingegeben wurde, ist
im Detail nicht nachzuvollziehen.
Man kann daran die Überlegung oder Vermutung anschließen,
dass die Konstruktion von Apparaten und Maschinen immer etwas
mit dem Halluzinieren zu tun hat. Es werden ja Dinge gedacht und
entworfen, die es nicht gibt, die erst werden sollen, und somit muss
man im ersten Akt etwas entwerfen, was man auch nicht sehen kann,
wobei aber eine Art Sehen durchaus im Spiel ist. Eugene Ferguson
spricht hier von einem „inneren Auge“, vor das der Verstand seine
Konstruktion bringt, ohne dass diese noch den Raum des Gehirns
überschritten hat.1 Eigenartige Annahmen bestimmen diese Theorie
des Erfindens, denn es muss eine Instanz angenommen werden, eine
Art technische Einbildungskraft, welche die ersten Konstruktionen
vornimmt und sie zur Prüfung vor das „innere Auge“ bringt, dem
gewissermaßen eine Urteilsfunktion zugeschrieben wird. Denn im
„Sehen“ der Konstruktion erweist sich ihre erste prinzipielle technische Möglichkeit. Die technische Einbildungskraft würde also halluzinatorisch maschinelle Konstrukte ausspinnen, die dann vor dem
inneren Auge bewertet werden, wobei nur wenige davon schließlich
über die Schaltstelle zur zeichnenden Hand den Raum des Gehirns
1
56
Eugene S. Ferguson, Das innere Auge. Von der Kunst des Ingenieurs,
Basel: Birkhäuser 1993.
verlassen. Als erste Skizze kann die Zeichnung kommuniziert und
mit anderen diskutiert werden, das sind die „sprechenden Skizzen“,
wie sie vorzugsweise die Unterhaltung von Ingenieuren begleiten.
Die Vorläufigkeit und Revidierbarkeit der Zeichnung ist dabei eine
grundlegende Eigenschaft und darum ist der Bleistift das einzig
taugliche Mittel dafür.1
Ferguson führt einige Beispiele aus der Technikgeschichte an,
die nicht nur die Existenz eines inneren Auges beweisen, sondern
auch dessen Wirkungsweise erhellen sollen. „Bei der Beschreibung
des Ursprungs seiner Dampframme sagte James Nasmyth, ein englischer Ingenieur Mitte des neunzehnten Jahrhunderts, dass die Maschine ‚in meinem Kopf war, lange bevor ich sie in Betrieb sah’. Er
erklärte, er könne ‚im Kopf mechanische Gebilde bauen, sie in der
Vorstellung in Betrieb setzen und vorweg die Einzelheiten beobachten, die die jeweiligen Funktionen ausführen, als ob sie ihrer Form
und Wirkungsweise nach wirklich wären.’“2
Solche Maschinen im Kopf erzeugen allerdings auch körperliche
Symptome: John Fitch berichtet in seiner Autobiographie, dass er zu
humpeln begann, als die Dampfmaschine in seinem Kopf Gestalt annahm.3 Fitch baute 1787 das erste amerikanische Dampfboot. Von
Elmer Sperry, dem Gründer der Sperry Gyroscope Company, die berühmte Kreiselkompasse baute, wurde von Mitarbeitern gesagt, dass
er „einfach nur in die Luft schaute, dann plötzlich einen Schreibblock nahm, ihn auf Armeslänge hielt und mit einem Bleistift in der
anderen Hand zu zeichnen begann ‚Das ist es! Sehen sie es nicht?
Man braucht nur eine Linie um das herum zu ziehen, was man
sieht.’“4
1
2
3
4
Man hat Versuche gemacht, Ingenieure mit Füllhaltern skizzieren zu lassen. Das hat den Kommunikationsprozess empfindlich gestört.
Ferguson, Auge, 53 (Zitat: James Nasmyth, Autobiography, hg. von Samuel Smiles, London 1883, 272).
John Fitch, The Autobiography, hg. von Frank D. Prager, Philadelphia
1976, 113, zitiert nach Elaine Scarry, Der Körper im Schmerz. Die Chiffren der Verletzlichkeit und die Erfindung der Kultur, Frankfurt: Fischer
1992, 413.
Ferguson, Auge, 56 (Zitat: Thomas Parke Hughes, Elmer Sperry, Inventor and Engineer, Baltimore 1971, 51f.)
57
Zwischen der in die Luft halluzinierten Maschine und der materiell realisierten, spannt sich ein Papierbogen von Serien von Zeichnungen, beginnend mit den besagten sprechenden Skizzen, die eine
erste Kommunikation erlauben, fortgesetzt in Entwürfen, Konstruktionszeichnungen von Maschinenteilen, Gesamtzeichnungen und
schließlich den Werkstattzeichnungen, die als Befehle fungieren, das
dargestellte Konstrukt mit den angegebenen Maßen und den bezeichneten Werkstoffen tatsächlich auszuführen.
Manchmal wird schon bei der Skizze klar, dass die Halluzination
in die Irre geführt hat und keine funktionierende Maschine daraus
entstehen kann. Die Zeichnung kann also – und das ist natürlich
ökonomisch günstig – Urteile über die Konstruktion fällen, sozusagen die reale Wahrheit der Maschine beginnen auszusagen. Das äußere Auge bekräftigt oder verwirft dann das erste vorgängige Urteil
des inneren Auges.
Freud hat mit all dem nun so direkt nichts zu tun, vielleicht aber
indirekt. Der besagte Steg zwischen Ingenieurskunst und Psychoanalyse ist natürlich auch wiederum aus Papier und auf ihm erscheinen
Zeichnungen von mikroskopischen Beobachtungen. Freud hat in seiner naturwissenschaftlichen Zeit viel mit einem Apparat gearbeitet,
einem Instrument, das gleichsam das Halluzinieren fast erzwingt:
dem Mikroskop. Durch ein kleines Loch in eine andere Welt sehen,
heißt auch, alle visuelle Erfahrung des Diesseits zu verlieren. Man
sieht in ein Jenseits, dessen erscheinende Phänomene nicht so ohne
weiteres zu deuten sind, denn es kann von dem Instrument selbst erzeugt sein. Selbst wenn das nicht so ist, dann bleibt immer noch offen, was für ein Objekt es ist, das im Mikroskop erscheint. Damit
macht sich im Sehen mikroskopischer Bilder etwas Halluzinatorisches breit, zumal die Beobachtung notwendig subjektiv bleibt.
Auch beim Mikroskopieren stellt man schließlich eine Zeichnung
von dem Gesehenen oder vermeintlich Gesehenem her, um es kommunizierbar zu machen. Insofern hat es durchaus Ähnlichkeit mit
dem ingenieurhaften Konstruieren. Das Auge, das durch das Mikroskop sieht, ist in seiner Wahrnehmung alles andere als von der Evidenz des Gesehenen beeindruckt, dieses wird erst verstehbar mit Hilfe des besagten inneren Auges, das allerdings nunmehr eines ist, das
in die Natur gleichsam maschinenhaft Zweckvolles einbringt. Anders gesagt, ein mikroskopisches Bild ist immer schon einer Ausle-
58
gung unterworfen, um überhaupt zu einer Gestalt kommen zu können. Dieses innere Auge hat auch dem äußeren Auge mitzuteilen,
dass bestimmte Dinge oder bestimmte Weisen des Sehens dem technischen Medium Mikroskop selbst geschuldet sind. Alle optischen
Apparate haben die Neigung, selbst zu halluzinieren, das heißt Bilder hervorzubringen, die nicht übermittelt sind, sondern selbst generiert. Die Zeichnung zusammen mit dem Präparat tritt eine Art Zeugenschaft für das tatsächlich gesehene Objekt an, verallgemeinert die
Beobachtung, indem sie am Präparat wiederholt und mit der Zeichnung verglichen werden kann.
Zu Freuds Zeiten war ein optischer Apparat im Gebrauch, der
ausdrücklich selbst als Zeichenmaschine betrachtet wurde (pencil of
nature), dem aber gleichwohl Unbestechlichkeit und Objektivität zugeschrieben wurden: der Fotoapparat. Diesem war es ebenfalls möglich durch die Linse des Mikroskops zu sehen und aufzuzeichnen
was es da zu sehen gab. Lynn Gamwell hat anlässlich der Ausstellung von Freuds Zeichnungen mikroskopischer Untersuchungen angeführt, dass die Handzeichnungen von mikroskopischen Beobachtungen bei den Forschern des 19. Jahrhunderts deswegen den Fotografien vorgezogen wurden, weil sie es ermöglichen, den Blick auf
bestimmte ausgewählte Details zu lenken.1 Zeichnungen dokumentieren somit das Interesse des Beobachters, der dem Gesehenen ja
nicht mit gleichschwebender Aufmerksamkeit gegenüber steht, denn
er hofft stets etwas Bestimmtes zu finden. In den ersten Beobachtungen Freuds war dies das Geschlechtsorgan des Aals.2 Aber selbst
wenn Freud es gefunden hätte, würde seine Erscheinungsform noch
nicht seine Funktionsweise verraten, denn „weder die präzise Beschreibung noch die Interpretation führen zum funktionellen Verste-
1
2
Lynn Gamwell, Mark Solms, From Neurology to Psychoanalysis. Sigmund Freud’s neurological drawings and the diagrams of the mind, Binghamton University Art Museum, State University of New York 2006, 6.
[http://artmuseum.binghamton.edu/freudbook]
Das Scheitern dieser Suche gibt Mark Solms Anlass zu folgendem Kommentar: „Is it not remarkable that the future discoverer of the castration
complex began his scientific career by searching, without success, for the
missing testicles of the eel?” (Gamwell, Solms, Neurology, 28)
59
hen der sichtbaren Formen.“1 Dieses Verstehen speist sich aus einer
Quelle, die im Erscheinungsbild zwar nicht zu entdecken ist, das
aber eine eigene Darstellungsform annehmen kann: das Diagramm.
„Purely speculative, Freud used his diagrams to guide his research
and to predict an effect that could be observed. ... he began making
schematic images of hypothetical psychological structures.”2
Freud beginnt die Serie seiner Zeichnungen ganz im normalen
Bereich der mikroskopischen Forschungen und der üblichen Darstellungen. Die erste Gruppe seiner einschlägigen Zeichnungen aus dem
Jahr 1876 zeigt peinlich genaue Details spezifischer anatomischer
Strukturen. Seine letzten Zeichnungen aus dem Jahr 1933 dagegen
sind diagrammatische Darstellungen abstrakter Entitäten, wie Ich,
Über-Ich und Es, die keine greifbare Existenz in der physikalischen
Welt besitzen. Den Übergang machen mikroskopische Zeichnungen,
denen Funktionsdiagramme zugeordnet sind.
Über die Beziehung des Strickkörpers zum Hinterstrang und Hinterstrangskern, nebst Bemerkungen über zwei Felder der Oblongata, Neurologisches
Zentralblatt, Band 5, 1886; Mikroskopische Zeichnung und Schema.
1
2
60
Susanne Deicher, Mikroskopische Bilder der Nervensysteme in Sigmund
Freuds Publikationen der 70er und 80er Jahre, in: Bildwelten des Sehens.
Kunsthistorisches Jahrbuch für Bildkritik, Band 2,2: Instrumente des Sehens, Berlin: Akademie 2004, 29 – 36, hier 32.
Gamwell, Solms, Neurology, 6.
In der funktionalen Neuroanatomie, wo man wissen will, wie verschiedene Teile des Gehirns funktionieren, ist man dem Problem
ausgesetzt, dass man Funktionen nicht sehen kann, man muss sie deduzieren. Das macht Funktionen nicht weniger real als Strukturen.
Man kann sie nicht direkt beobachten, weil sie dynamisch sind, sie
existieren nur in der Zeit, sie sind prozesshaft, oder anders gesagt, es
handelt sich um Bewegungen. Bewegungen stellen seit je eine unangenehme Hürde für das Zeichnen dar. Sie rufen nämlich noch einmal
eine vorstellende Kraft des Betrachters auf, der aus seiner Erfahrung
und seiner Kenntnis in die stillstehende Zeichnung die Bewegung
einlesen muss. Bei Diagrammen ist es oft eine einfache Lesebewegung, links beginnend verfolgt man die Linien, die entweder Kraftwirkungen oder Energieflüsse andeuten sollen. Die Zeichnungen
Freuds aus dem Entwurf einer Psychologie von 1895 haben ja durchaus Ähnlichkeit mit einem elektrischen Schaltplan, der wiederum
nichts mehr Illustratives an sich hat.
Hier werden Energieflüsse abgebildet, die im Netz der Neuronen auf
Widerstände treffen, Verzweigungen folgen, Bahnungen einrichten,
die durch oftmaligen Gebrauch ihren Widerstand verringern und
schließlich werden irgendwo Energiequanten gespeichert (auf Dauer
veränderte Neuronen). Es ist klar, dass es sich hier um eine Umschrift realer physischer Vorgänge handelt, eine technische Codierung. Der Schaltplan als Darstellung der „Verdrahtung“ der Neuro-
61
nen folgt der diagrammatischen Darstellungsmöglichkeit, Schrift
und Zahl in die Zeichnung einzubeziehen, also Qualifizierungen und
Quantifizierungen zu notieren. Er suggeriert dazu über die Verbindungslinien eine Realität der gezeichneten Topologie, weil Linien im
Schaltbild immer reale elektrische Verbindungen repräsentieren. In
der Folge wird sich bei Freud die diagrammatische Darstellung von
einem solchen Realitätsbezug des Schaltbildes lösen, um rein psychologische Zusammenhänge anzudeuten. Dergleichen hatte sich
schon im Übergang von neurologischen Strukturen zu neurologischen Funktionen angedeutet.
Freud als Konstrukteur bedient sich technischer Darstellungsformen, zunächst als Schaltbild, später schematischer Darstellungen,
Blockschaltbilder, wenn man so will, um einen Apparat zu rekonstruieren, den er nicht konstruiert hat. Darin folgt er der alten Empfehlung, die Natur nach dem Schema der Technik zu begreifen.
Freud bleibt seinem Selbstverständnis nach Naturwissenschaftler,
der nichts Neues konstruiert, sondern das bereits Gegebene neu interpretiert. Wäre das Unternehmen Psychoanalyse nämlich bloße Ingenieurskunst, dann hätte sie es mit erfundenen, neu konstruierten
Seelenapparaten zu tun. Das unterstellen ja die Gegner der Psychoanalyse. In dieser Hinsicht also sollte man weiterhin, wie Jean Martin Charcot, vom Doktor Freud sprechen und nicht vom Ingenieur
Freud.
62