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Oliver Ibert: Projekte und Innovation Oliver Ibert Projekte und Innovation* Projektorientierung in der Entwicklungsplanung als Antwort auf das Problem der Organisation von Innovation Projects and Innovation Project-oriented planning as an answer to the problem of the organisation of innovations Kurzfassung Projekte haben in der Stadt- und Regionalplanung an Bedeutung gewonnen. Der Beitrag beschaftigt sieh mit der Frage, inwieweit das Auftreten der neuen offentlichen Aufgabe, die Organisation von Innovationen, als Ursaehe fiir den konstatierten Bedeutungsgewinn von projektorientierter Planung angesehen werden kann. Projekte bieten sieh fiir die Innovationserzeugung besonders an, weil sie kreative mit umsetzungsorientierten Verfahren kombinieren konnen. Der neue Planungsmodus steht nieht nur fur den Riiekzug offentlieher Planung, sondern beinhaltet aueh Chaneen. Abstract Projects have gained importance for town and regional planning. The question is, in how far can the emerging new task for public planning, the organisation of innouations, explain the rise of the importance of project-oriented planning. It is argued that projects are well suited for the creation of innovation, since they provide an apt organisational framework in which planning is capable to combine creative processes with strong implementation practices. This new mode ofplanning is not only a sign for the decline ofpublic planning, it also offers some chances. Der Projektbegriff hat Eingang gefunden in die Planungsdebatte. Diese Planungsform hat naeh iibereinstimmender Einschatzung in den letzten Iahren an Bedeutung gewonnen. Wer genauer hinsehaut, welche stadtentwieklungspolitisehen Vorhaben als Projekt bezeiehnet werden, dem fallt zuerst groBe Heterogenitat auf: der Bau riesiger Einkaufszentren am Stadtrand, die Umwandlung kompletter Hafenareale in neue innenstadtnahe Dienstleistungszentren, autofreie Siedlungen oder die Restaurierung historiseher Gebaude. Wird hier ein Begriff zur beliebigen Worthiilse, etwa weil es modiseh geworden ist, ihn im Munde zu fiihren? Ein Teil der Karriere des Begriffs kann sieher so interpretiert werden, doeh im Kern benennt er einen grundlegenden Wandel in der Planung. RuR 1-2/2003 Die Spezifika projektorientierter Planung lassen sieh auf einer formalen, organisatorisehen Ebene naher definieren, die von den im Projekt bearbeiteten Gegenstanden abstrahiert. Aus der empiriseh vorzufindenden Praxis lassen sieh Kennzeiehen ableiten, mit der die Planung im Projekt idealtypisierend umrissen werden kann (vgl. Mayer 2003): - Umsetzungsorientierung: In Projekten erweitert Planung ihren Einfluss von der Rahmensetzung ftir Aktivitaten privater Akteure auf die Umsetzung. Im Gegensatz zu traditioneller Planung kann Planung im Projekt Vorhaben aueh zu Ende bringen. 3 Oliver Ibert: Projekte und Innovation - Reduktion in der Aufgabenstellung: Im Gegensatz zum umfassenden und flachendeckenden Anspruch traditioneller Planwerke beschaftigen sich Projekte bewusst nur mit thematischen und raumlichen Ausschnitten. Aus dem kompletten Aufgabenspektrum von Planung werden Einzelfalle herausgeschnitten, die dann isoliert und unter erhohter Aufmerksamkeit bearbeitet werden. - Anspruchsvolle Ziele: Fur ein Projekt werden eigene, projektspezifische Ziele vorgegeben, die besonders ambitioniert sind. 1m Gegensatz zu traditioneller Planung sind sie haufig nicht als prazise Planzeichen fixiert, sondern in blumiger Sprache umschrieben oder in symboltrachtigen Bildern festgehalten. - Anderer Umgang mit Zeit: Im Gegensatz zum langfristig konstanten Wirken traditioneller Planung ist ein Projekt die zeitlich befristete Intensivierung der Anstrengungen. Der Termin fur das Auslaufen des Projekts wird zu Beginn festgelegt. Der davon ausgehende Zeitdruck wird eingesetzt, urn Umsetzungsprozesse zu beschleunigen und gewunschte Ziele effektiver durchzusetzen. Im Gegensatz zur Alltagsplanung vermag Planung im Projekt den Zeitpunkt von Umsetzungsprozessen zu steuern. - Schaffung von "Orten": Ein Projekt bearbeitet nicht blofs einen Ausschnitt des Raums, es kreiert einen neuen Ort. Typisch ist der Bezug zur Geschichte der Lokalitat und die architektonisch wie ktinstlerisch gestaltete symbolische Dberhohung der Besonderheit des Ortes. - Organisatorische Abspaltung: Das Management von Projekten wird organisatorisch mehr oder weniger weit aufserhalb der planenden Administration platziert. Es werden eigenstandige Organisationsstrukturen eingerichtet, die sich von der Verwaltung durch Flexibilitat, flache Hierarchien, Bundelung von Zustandigkeiten und ressorttibergreifende Arbeitsweise unterscheiden. - Neues Yerhaltnis zwischen Staat und Gesellschaft: Im Projekt agieren Reprasentanten des Staates und private Akteure gemeinsam. Anstelle eines hoheitsstaatlichen Verhaltnisses, wie es fur die klassische Bauleitplanung typisch ist, tritt eine kooperative Zusammenarbeit. Privaten Akteuren werden Mitbestimmungsmoglichkeiten tiber die Planungsziele eroffnet, im Gegenzug erlangen offentliche Akteure Einfluss auf die Umsetzung von Vorhaben. - Neue Planungsinstrumente: Die formellen Steuerungsinstrumente der klassischen Bauleitplanung verlieren an Bedeutung oder sind in ihrer Steuerungswirkung eingeschrankt, an ihre Stelle treten .weiche", diskursive Steuerungsformen, die tiber Verhandlungen und gegenseitige Uberzeugung das Verhalten von Akteuren beeinflussen. Absprachen in privatrechtlichen Vertragen ersetzen Entscheidungen durch hoheitliche Akte. Mit Wettbewerben werden Verfahren zur Schaffung von Konkurrenzsituationen eingesetzt. Gemeinsames Ziel der neuen Instrumente ist, hohere Qualitaten besser durchzusetzen. Die Fragestellung lautet: Welche Ursachen gibt es fiir die Bedeutungszunahme und zunehmende Verbreitung von Projekten in der Planung? Im gegenwartigen Planungsdiskurs werden eine Reihe von Ursachen dafur diskutiert. Auf diese Diskussion wird nur kurz eingegangen, der Schwerpunkt wird auf eine bisher selten thematisierte Erklarung gelegt. Die These lautet: Der Bedeutungszuwachs von Projekten in der Planung kann zusatzlich auch als organisatorischer Anpassungsprozess des Planungssystems an die Anforderungen einer qualitativ neuen Aufgabe, die Organisation von Innovationen, verstanden werden. Die Argumentation verlauft wie folgt: Zunachst werden Erklarungen referiert, die in der Planungsliteratur schon seit langerem diskutiert werden. Die keineswegs selbstverstandliche Vorannahme, offentliche Planung sei fur die Schaffung von Innovationen zustandig, wird erlautert, Der in seiner alltaglichen Anwendung sehr schwammige Begriff "Innovation" wird definiert, urn darauf aufbauend Verfahren, mit denen in der Planungspraxis Innovationen erzeugt werden konnen, vorzustellen. Dann wird diskutiert, inwieweit Projekte einen angemessenen organisatorischen Rahmen fiir die Innovationserzeugung darstellen. Abschliefsend werden Probleme dieser Planungsform reflektiert und Konsequenzen dieser Analyse auf die Bewertung projektorientierter Planung diskutiert. 1 Erklarungen Der Wandel der Planung kann mindestens auf zwei Arten erklart werden, als Lernen innerhalb der Profession oder als Anpassung auf veranderte aufsere Rahmenbedingungen (vgl. Keller u.a. 1998, S. 158). Beide Triebfedern fur Wandel werden gegenwartig als ursachlich fur das verstarkte Auftreten von Projekten in der Raumentwicklung diskutiert. Praxiserfahrungen und theoretische Reflexionen haben zu einer Ausdifferenzierung und Erweiterung des planerischen Handlungsrepertoires gefuhrt (vgl. Selle 4 RuR 1-2/2003 Oliver Ibert: Projekte und Innovation 1995, S. 239). Die beiden klassischen Planungsmodelle, das geschlossene Modell von Planung als umfassendem, zielgerichtetem Handeln und das offene Modell von Planung als pragmatischem, inkrementalistischem Reagieren haben im Zuge dieser Lernprozesse an Erklarungskraft und normativer Giiltigkeit verloren. Planung durch Projekte definiert die Mitte zwischen beiden Modellen neu und sucht anspruchsvollere Losungen zwischen dem unrealistischen Steuerungsanspruch des geschlossenen Modells und dem Verzicht auf planerische Zielvorgaben, wie es der Inkrementalismus nahe legt (vgl. Siebel u.a. 1999, S. 163 f.). Aus der steuerungstheoretischen Debatte in den Politikwissenschaften wurde der Befund einer abnehmenden politischen Steuerungsfiihigkeit in den Planungsdiskurs iibertragen (z.B, von Selle 1996, S. 29ff.; Furst 1998, S. 57 ff.; Simons 2002, S. 34 ff.). Die Gestaltungsmoglichkeiten von Planung werden in dem MaBe eingegrenzt, in dem die Optionen politischer Steuerung generell abnehmen. Die klassischen staatlichen Steuerungsmedien Geld und Recht greifen nicht mehr wie gewohnt: Geld steht den offentlichen Haushalten immer weniger zur Verfiigung (vgl. Zope11990), Steuerung tiber Recht wird im Kontext von Deregulierungstendenzen zunehmend delegitimiert und stoBt bei komplexen Ausgabenstellungen an funktionale Grenzen (vgl. Offe 1990). Steuerungserfolge lassen sich unter dies en Bedingungen vorwiegend als Kooperation zwischen offentlichen und privaten Akteuren organisieren. Der traditionelle Politikmodus wird zusehends durch diskursive Politikformen in Verhandlungssystemen und offentlich-private Kooperationen ersetzt. Wenn sich die offentliche Hand an Stadtentwicklungsprojekten beteiligt oder sie gar initiiert, gelingt es ihr zumindest teilweise, aus der Not eine Tugend zu machen. Durch die Einbindung von Privaten konnen zusatzliche Mittel mobilisiert werden, durch die Konzentration offentllcher Mittel und planerischer Aufmerksamkeit auf ein kleines Zeitfenster und einen engen Raumausschnitt kann der Steuerungsanspruch, der nicht mehr umfassend aufrechtzuerhalten ist, im Einzelfall gehalten werden. Hier wird die Ursache ftir den Bedeutungszuwachs von Projekten in der Planung in einer dritten Art der Erklarung gesucht. Neue Aufgaben waren in der Planungsgeschichte immer wieder Anlass fur Wandlungen des Planungsverstandnisses (vgl. Albers 1993). Die organisatorischen Anforderungen der neuen Aufgabe der Organisation von Innovation sind mitverantwortlich fur die Neuorientierung in der Planung. RuR 1-2/2003 2 Die Organisation von Innovation als neue Aufgabe in der Stadt- und Regionalplanung Innovation ist ein Begriff aus der Okonomie. Pur die Organisation von Innovationen sind normalerweise Unternehmer zustandig und nicht der Staat. Wie kommt es, dass Innovationen ausgerechnet durch staatliche Planung, die ja gewissermaBen das glatte Gegenteil der privaten Wirtschaft darstellt, organisiert werden sollen? Darauf gibt es zwei Antworten: Marktversagen und Marktblockade. Karl W. Deutsch zufolge greift der Markt vor allem Gelegenheiten auf, die auf nachfragestarken Bedurfnissen basieren. Die Interessen okonomisch schwacher Gruppen an neuen Losungen bleiben systematisch unberiicksichtigt (vgl. Deutsch 1985, S. 30). Wenn der Markt fur erforderlich gehaltene Losungen nicht produziert oder politisch fur notwendig erachtete Veranderungen zu langsam vonstatten gehen, wird der Staat als Initiator von Innovationen gebraucht. Derartige Anlasse haben sich auf dem Gebiet der Stadtentwicklungspolitik in den letzten Jahren mehrfach geboten. So haben soziale Konflikte ein anderes Qualitatsniveau erreicht. Ging es zuvor darum, dass der arme Teil der Bevolkerung, die Arbeiterschaft, durch den besitzenden Teil ausgebeutet wurde, so lautet "die neue Botschaft ... , daB man die Ausgeschlossenen uberhaupt nie mehr brauchen wird, daB sie uberflussig und nur noch eine Last sind" (Haufserrnann 1998, S. 137). In den Stadten massiert sich die neuartige Problemstellung in einzelnen Quartieren, so dass die soziale Spaltung der Gesellschaft nicht selten durch eine raumlich manifeste Spaltung der Stadte noch uberhoht wird. Diese Problematik verlangt nach Losungen in der Quartiersentwicklung, die bisher nicht gefunden werden konnten. Der okologische Umbau der Stadte ist ein weiteres Beispiel daftir, dass auf der einen Seite die Notwendigkeit, zu handeln, offensichtlich ist, auf der anderen Seite jedoch allein von Marktakteuren nicht geniigend Veranderungsimpulse gesetzt werden. Mit dem Leitbild der nachhaltigen Entwicklung zeichnet sich eine Richtung ab, in die Veranderungen forciert werden konnten, Doch die praktische Umsetzung des Prinzips scheitert oft daran, dass sie allein mit heute bekannten Losungen nicht zu bewerkstelligen ist (vgl. Innes/Booher 2001, S. 239). Der Staat ist als Innovator zudem gefordert, wenn Marktmechanismen sich selbst blockieren. Den Anforderungen des okonomischen Strukturwandels von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft sind nlcht aIle Branchen und Regionen gewachsen. Auf der einen 5 Oliver Ibert: Projekte und Innovation Seite gibt es Wirtschaftzweige und Regionen, die den Wandel selbst mitbestimmen und von den neuen Entwieklungen profitieren. Auf der anderen Seite gibt es auch okonomische Strukturen, die auf gewandelte Anforderungen mit veralteten Rezepten reagieren und dabei lediglich eine .Perfektionierung von Unzulanglichkeiten" (Grabher 1994, S. 105) zustande bringen. In altindustriellen Regionen lasst sieh seit langerern beobachten, wie eine derartige Fehlanpassung an neuartige Rahmenbedingungen langfristig in eine Strukturkrise miindet, aus der dann Marktkrafte alleine nicht mehr herausfuhren. Dieser Befund hat Konsequenzen fur die strategische Ausriehtung der regionalen Strukturpolitik. Eine auf WachstumsfOrderung und Starkung der vorhandenen Strukturen setzende Strategie kann Probleme des strukturellen Wandels nieht adaquat angehen. Sie lauft sogar Gefahr, die strukturellen Defizite weiter zu verfestigen. In Fallen der Marktblockade wird es zur staatlichen Aufgabe, den Wandel der Strukturen zu forcieren und alternative Entwicklungspfade zu eroffnen. Diese noch relativ jungen Herausforderungen an Planung weisen eine Gemeinsamkeit auf. Das Ziel staatlicher Strukturpolitik ist nieht mehr, die Bewegung auf der bekannten Bahn zu beschleunigen, sondern das zu initiieren, was Schumpeter als Innovation definiert hat, die "Veranderung der Bahn" (1964, S. 98). 3 Wie organisiert man Innovation? Innovation ist heute ein Modewort, das nieht nur in der Reklame oder den Selbstdarstellungen von Unternehmen massiert auftaucht, sondern auch von offentlichen Einriehtungen und der Politik in Beschlag genommen worden ist. Der inflationare Gebrauch macht es immer schwieriger, genau zu fassen, was damit eigentlich gemeint ist. Es ist daher notwendig, den Begriff zuerst prazise zu definieren. .Das Definitionsmerkmal besteht einfach darin, Neues zu tun oder etwas, was bereits gemacht wird, auf eine neue Weise zu machen (Innovation)" (Schumpeter 1987, S. 185). Demnach zeiehnen sich Innovationen vor allem durch zwei Merkmale aus: Das Neue: Es kommt darauf an, einen qualitativen Sprung zu schaffen. Innovationen unterscheiden sieh in ihren Eigenschaften strukturell von dem, was unter den gewohnten Bedingungen moglich und ublich ist. Sie sind "spontane und diskontinuierliche ... Verschiebungen des Gleiehgewichtszentrums" (Schumpeter 1964, S. 99) im Vergleich zu Veranderungen nach einem bestehenden Gleiehgewiehtszustand. Innovation ist Handeln nach eigenen, neugeschaffenen Regeln. 6 Das Tun: Es kommt auf das Handeln an. Eine gute Idee aile in ist noch keine Innovation, erst ihre Durchsetzung in die Praxis macht sie dazu. Innovation als Aufgabe offentlicher Planung unterscheidet sieh von Innovationen in der Okonomie: Die Organisation von Innovation durch offentllche Planung ist derVersuch, das Unplanbare planend herstellen zu wollen, und zwar unter widrigen Urnstanden durch einen unbegabten Akteur (vgl. Siebel u.a. 2001, S. 527 ff.). Planung ist ein Typus von sozialem Handeln, der sich durch stringente Zielorientierung und formalisierte Verfahren auszeichnet. Innovation hingegen lebt von Kreativitat, dem spontanen Einfall, eventuell sogar von der zufalligen Entdeckung. Aufserdem setzt Planung lediglich einen Rahmen fur die Aktivitaten privater Akteure. Innovationsprozesse hingegen durfen sieh nicht inder Handlungsvorbereitung erschopfen, sie mussen zur Umsetzung vorstclsen. Die .Planung von Innovation ... scheint auf ein sieh selbst dementierendes Vorhaben hinauszulaufen: 1st die Planung als Planung erfolgreieh, dann liegt der Verdacht nahe, dass letztlich niehts wirklich Neues entstanden ist" (Kocyba 2000, S.28). Schumpeter bezeiehnet Innovation als "schopferische Zerstorung", Neue Strukturen setzen sich auf Kosten bestehender Strukturen durch, der "soziale Auftrieb" mithilfe einer neuen Idee setzt auf seiner Schattenseite auch einen Prozess der "sozialen Deklassierung" (Schumpeter 1964, S. 101) in Gang. Deshalb ist die Innovationserzeugung selten konfliktfrei. Es bauen sieh gesellschaftliche und psychische Widerstande gegen das Neue auf. Investitionen in bestehende Strukturen und Qualifikationen werden gegen die drohende Entwertung verteidigt. Gewohnheiten und institutionelle Routinen entwiekeln eine 'Iragheit, gegen die das Neue sich erst durchsetzen muss. Unter Bedingungen von Marktversagen oder Marktblockade, und nur dann, wird Innovationserzeugung zur offentlichen Aufgabe, potenzieren sieh diese Widerstande, Staatliche Administration gilt als Inbegriff des Unflexiblen und Innovationsunfahigen, Der wahre Kern dieses weit verbreiteten Vorurteils liegt sieherlieh im organisatorischen Aufbau staatlicher Administrationen. Hierarchisch aufgebaute, stark ausdifferenzierte und nach strikter Arbeitsteilung agierende Biirokratien konnen Neuerungen nur schwer finden und durchsetzen. Innovation als das Noch -Nieht-Bekannte entzieht sieh der biirokratischen Arbeitsteilung, Kreativitat lasst sich nieht hierarchisch anordnen und in feste Zustandigkeiten aufgliedern. Der Staat neigt daruber hinaus dazu, ebenjene Widerstande, gegen die RuR 1-2/2003 Oliver Ibert: Projekte und Innovation das strukturell Neue eigentlich durchgesetzt werden muss, zu inkorporieren. Staatliche Administration bezieht ihre politische Legitimation aus demokratischen Mehrheiten und gesellschaftlich ausgehandeltem Konsens. Innovationen sind aber zum Zeitpunkt ihres Entstehens selten konsensfahig, weil Verteilungskonflikte und kartellartiges Verhalten Konsensbildung allzu oft zu Ungunsten innovativer Losungen belasten (vgl. Ftirst/Knieling 2002, S. 3 u. 6). Wie lasst sich die Aufgabe trotz dieser Paradoxien Iosen? In der gegenwartigen Praxis lassen sich dazu drei Prinzipien finden: Durch die Organisation von Prozessen mit offenem Ausgang wird der Widerstand durch bestehende Planungsformen und -instrumente minimiert. Mit Verfahren der Organisation von Aufseralltaglichkeit und der Organisation von Lernprozessen halten zudem organisatorische Prinzipien Einzug in die Planungspraxis, mit deren Hilfe das Innovationspotenzial systematisch erhoht werden kann (vgl. im Folgenden Siebel u.a. 2001; Ibert 2002, S. 76 ff.). 3.1 Prozesse mit offenem Ausgang Planung kann als soziales Handeln verstanden werden, das sich vom Alltagshandeln durch seinen erhohten Anspruch auf Rationalitat abhebt. Die Zukunft betreffende Entscheidungen werden nicht spontan oder intuitiv getroffen, sondern zuvor in ihren Wirkungen und Rtickwirkungen durchdacht und durch systematisch erhobene und ausgewertete Informationen abgesichert. Planung agiert umso rationaler, je vollstandiger die Informationen sind, die sie erhebt. Zudem gilt Planung als zielverwirklichendes Handeln. Planungsprozesse beginnen damit, eine anzustrebende Realitat vorwegzudenken und in konkrete Planungsziele zu operationalisieren, die zu Beginn des Prozesses vorgegeben werden. Innovationsorientierte Planung weicht von dieser idealtypisierenden Beschreibung von Planungsprozessen ab: - Die richtigen Ziele konnen nur dann zu Beginn eindeutig festgelegt werden, wenn sie in ihren Wirkungen und Nebenwirkungen voll bekannt sind. Innovationen im Sinne des qualitativ Neuen sind aber so gerade nicht spezifizierbar. Daher ist es fur innovationsorientierte Verfahren typisch, dass sie zu Beginn lediglich die Richtung der Zielsuche vorgeben, die Formulierung des "richtigen" Ziels aber bis zum Ende als revidierbare GroEe ansehen. Ie tiefer das Verstandnis des eigentlichen Problems greift, desto eher wird es moglich, Planungsziele einzuengen. Die eindeutige Operationalisierung ist das Ergebnis des Verfahrens, nicht sein Ausgangspunkt. RuR 1-2/2003 - Auch der Anspruch an eine rationale Planung nach moglichst vollstandiger Informationsaufnahme erweist sich bei der Suche nach innovativen Ergebnissen als kontraproduktiv. Solange das richtige Ziel noch zur Disposition steht, kann nicht zwischen unwichtigen und wichtigen Informationen unterschieden werden, und der Informationsbedarf steigt ins Unendliche. Der ernsthafte Versuch, Informationen vollstandig zu erheben, verbessert nicht die Entscheidungsgrundlage, sondern lahmt das Verfahren. Typisch fiir innovationsorientierte Planung ist daher, dass sie zu Beginn auf tief greifende Situationsanalysen verzichtet und sich zuerst lediglich auf der Basis oberflachlicher Informationen orientiert. Welche Informationen letztlich benotigt werden, kristallisiert sich wahrend des Prozesses der Zielfindung heraus. Detaillierte Informationen werden erst gegen Ende des Prozesses benotigt, wenn die Handlungsoptionen bereits eingrenzbar sind und die Kornplexitat der Aufgabe durch Reduktion bewaltigt werden kann. Anstelle eines stringent durchorganisierten Prozesses nach dem Muster Problemanalyse- ZieldefinitionMittelwahl- Umsetzung mtissen innovationsorientierte Verfahren ergebnisoffene Prozesse bleiben. Sie gleichen einem iterativen Vorgehen, bei dem jede dieser Prozessphasen immer wieder aufs Neue durchlaufen wird und bis zum Ende von Bedeutung bleibt. Ziel und Zweck des Prozesses miissen "in einem nicht-trivialen Sinne schrittweise eruiert werden. Insofern meint Innovation einen komplexen Lernprozess, tiber den Ziele, Nutzungsformen, Bedtirfnisse und Wtinsche ans Licht gebracht, spezifiziert und revidiert werden. Neue Ziele lassen neue Mittel aufscheinen, neue Mittel neue Ziele hervortreten" (Kocyba 2000, S. 29 f.). 3.2 Charisma: Die Organisation von Aulseralltaglichkett "Charisma" ist ein Ansatz zur Porderung von Innovationen, der aus der Schumpeterschen Theorie und aus der Herrschaftssoziologie Max Webers (2002) gewonnen werden kann. Die Grundidee besteht darin, dass strukturelle Veranderungen allein aus den bestehenden Strukturen und Regeln nicht befriedigend abgeleitet werden konnen, Erst durch die Annahme eines aulseralltaglichen Moments, das von aulsen Dynamik in die Strukturen hineintragt, wird der Wandel wahrscheinlich. Bei Schumpeter ist dieses exogene Moment der soziale Typus des Unternehmers mit seinen tiberragenden Pahigkeiten und starkem Fuhrungsanspruch. Bei Weber ist es der .charismatische Fuhrer", dessen Autoritat sich dadurch konstituiert, 7 Oliver Ibert: Projekte und Innovation dass es eine Anhangerschaft gibt, die glaubt, er besitze aufseralltagliche Pahigkeiten. Dadurch kann er seine Anhanger dazu bringen, auch ungewohnliche, aus der hergebrachten Perspektive irrationale, nicht regelkonforme Handlungen zu vollbringen. Diese personengebundene Argumentation ist fur komplexe moderne Gesellschaften veraltet. Es hat sich allerdings gezeigt, dass institutionelle Arrangements anstelle des Schumpeterschen Unternehmers die Funktion, Aufseralltaglichkeit zu erzeugen, erfullen konnen. beiter und Mitstreiter des Vorhabens. Die Akteure wissen, dass sie auf einer Biihne stehen und dass Ergebnisse ihrer Arbeit von einer kritischen Offentlichkeit beaugt werden. Voller Arbeitseinsatz und hohe Motivation sind unter solchen Bedingungen viel selbstverstandlicher als im Alltag. Das Bewusstsein, auf einer Btihne zu stehen, lost Qualitatsdruck aus und starkt die Bereitschaft, sich auf ungewohnliche Losungen einzulassen. - Neugegriindete Sonderorganisationen: Innovationsprozesse werden oft an kleine Neugrtindungen neben den bestehenden Strukturen delegiert, z.B. an Sonderarbeitsgruppen, die innerhalb der Administration von den Alltagsaufgaben befreit werden, oder an privatrechtlich organisierte Planungs- oder Entwicklungsgesellschaften. Neugrtindungen wirken auf zweierlei Weise innovationsfordernd. Erstens gibt es dort weniger Widerstande gegen das Neue. Anstatt an institutionelle Routinen/und langjahrig etablierte Organisationsstrukturen angepasst zu werden, kann die neue Aufgabe eigene Strukturen ausbilden. Zweitens wirkt eine Neugrtindung motivierend auf die beteiligten Akteure. Der noch frei zu gestaltende Arbeitsraum fordert im Vergleich zum Alltag das personliche Engagement heraus. Und die Arbeitsbedingungen konnen - befreit von den im offentlichen Dienst tiblichen Restriktionen, was die Ausstattung der Arbeitsplatze, den Lohn oder die Abhangigkeit von Weisungen aus der Hierarchie angeht - deutlich motivierender und attraktiver gestaltet werden. 3.3 Innovative Netzwerke: Die Organisation von Lernprozessen - Biihneneffekt: Offentliche Aufmerksamkeit wird auf innovative Vorhaben gelenkt. Die Besonderheit des zu gestaltenden Raums wird durch Kunstwerke sowie aufwandige architektonische und landschaftsplanerische Gestaltung hervorgehoben. Der Anfang des Vorhabens wird inszeniert, sein Abschluss durch einen Prasentationstermin symbolisch uberhoht. Derartige Elemente erftillen prozessuale Funktionen zur Steigerung der Innovationsfahigkeit. Sie entfalten eine Mobilisierungskraft nach aulsen und nach innen. Durch ihre AuEenwirkung erleichtern sie die Durchsetzung des Neuen. Die aufwandige Gestaltung hat eine simple Werbefunktion; wenn das Neue auch noch schon ist und sich nett verpacken lasst, dann wird es eher akzeptiert. Die Attraktivitat des Vorhabens ist aber mehr als reine PR, sie hat auch eine Vermittlungsfunktion. Die innovative Idee muss nach aulsen hin sichtbar und im doppelten Sinne des Wortes auch begreifbar gemacht werden. Nach innen wirken Landschaftsbauwerke und spektakulare Architektur mobilisierend auf die Mitar- 8 1m Netzwerkansatz wird auf geradezu entgegengesetzte Weise versucht, das Zustandekommen von Innovationen moglich zu machen. Innovationen werden als Ergebnisse kollektiver Lernprozesse verstanden. Angenommen wird, dass Elemente, aus denen das Neue zusammengesetzt werden kann, aufverschiedene Akteure verteilt sind. Innovation entsteht, wenn Akteure die heterogenen Komponenten zu strukturellen Neuerungen "zusammenbasteln". Dazu bedarf es innovativer Vernetzungen zwischen ihnen, die sich durch einen paradoxen Zug auszeichnen. Auf der einen Seite werden enge Kooperationsbeziehungen im haufigen Face-to-face-Kontakt benotigt. Das setzt raumliche und soziale Nahe zwischen den Akteuren voraus sowie gegenseitiges Vertrauen, wie es normalerweise nur unter guten Bekannten ublich ist. Auf der anderen Seite mussen die Akteure heterogene, moglichst weit auseinander liegende Kompetenzen reprasentieren. Diese Kompetenzen finden sich gerade nicht bei .vertrauten Bekannten", sondern vor allem bei Akteuren, die in ganzlich andere Zusammenhange integriert sind. In der Planungspraxis finden sich Beispiele dieses Prinzips: - Integration von Fremdheit: Das Zustandekommen kreativer Handlungen kann aus dem Zusammenspiel zwischen einem fremden, tiberraschenden Impuls und darauf antwortender individueller Phantasie verstanden werden (vgl. Waldenfels 1999, S. 258). Diese Grundidee machen sich Planungsverfahren zu Nutzen, die auf einer Integration von Fremdheit basieren. In unterschiedlichen organisatorischen Arrangements (runde Tische, Planungsworkshops, Projektarbeitsgruppen) werden Akteure zusammengebracht, die einander in einer, manchmal auch in mehreren Dimensionen fremd sind: Auswartige und Einheimische, Praktiker und Theoretiker, Angehorige unterschiedlicher wissenschaftlicher Disziplinen usw. Die Rekrutierung der Fremden wird oft tiber Wettbewerbsverfahren organisiert. Doch reicht es nicht, derartige Konstellationen einmalig herzustellen. Der RuR 1-2/2003 Oliver Ibert: Projekte und Innovation Fremde ist jener, .der he ute kommt und morgen bleibt" (SimmeI1992, S. 764). Fremden Akteuren mussen feste Rollen in den Verfahren eingeraumt werden, in denen sie gemeinsam mit den Eingesessenen, eventuell durchaus in Konflikt zu ihnen, an der Herstellung des Neuen arbeiten. - Vorgehen nach Schrotschusslogik: Innovation braucht Redundanz. Neue Losungen entstehen, wenn es gelingt, immer wieder ein Oberangebot unterschiedlicher Losungsoptionen zu erzeugen, aus dem ausgewahlt werden kann. Entscheidend ist nicht, dass ein Vorschlag ftir sich betrachtet perfekt ist, wichtig ist, welche Losungen sich aus der Gesamtheit aller vorhandenen Optionen zusammenbasteln lassen. Innovationsprozesse gleichen nicht einem wohlgezielten Schuss, sondern folgen einer Schrotschusslogik. Es werden viele unabhangige Suchbewegungen in die Richtung organisiert, in der eine Losung vermutet werden darf. Wettbewerbe und Parallelbeauftragungen, bei denen mehrere Akteure unabhangig voneinander an derselben Problematik arbeiten, sind organisatorische Antworten auf diese Anforderungen. 4 Projekte als organisatorische Vehikel zur Erzeugung von Innovationen Warum sind Projekte eine geeignete Bearbeitungsform zur gezielten Erzeugung von Innovationen? Darauf gibt es zwei Antworten: Erstens bieten sie den fur die Erzeugung von Innovationen typischen Verfahrensprinzipien einen geeigneten organisatorisch-institutionellen Rahmen, zweitens starken sie die Umsetzungsorientierung von Planung. Beinahe alle typischen Merkmale von Projekten sind mit den Organisationsprinzipien zur Erzeugung von Innovationen kompatibel: Projekte verfolgen eigene, anspruchsvolle, aber zumeist nur grob ausformulierte Ziele. Analog dazu konnen auch innovative Ergebnisse nicht bereits zu Beginn des Prozesses detailgetreu vorgegeben werden. Projekte erzeugen Orte. Identifikationsstiftende, attraktiv gestaltete Orte konnen einen Biihneneffekt entfalten. Das zentral verantwortliche Projektmanagement wird oft in Form von Projektarbeitsgruppen aus den Verwaltungshierarchien ausgelagert. Damit gleicht fast jedes Projekt der Aufbruchsituation in neu gegriindeten Sonderorganisationen. Das fur Projekte typische Planungsinstrument des Wettbewerbs hat auch Funktionen bei der Organisation von Lernprozessen, etwa als Instrument zur Erzeugung von Interaktionen zwischen Fremden oder als Mittel zur Steigerung der .Verhaltensvarianz" (vgl. Erdmann 1993) der Akteure. RuR 1-2/2003 Projekte bieten demzufolge organisatorische Bedingungen, unter denen kreative Lernprozesse sich leichter als im Planungsalltag entfalten konnen. Neue Ideen allein sind allerdings noch keine Innovationen. Dazu miissen sie auch praktisch verwirklicht werden. Projekte sind ein probates Mittel zur Organisation von Umsetzungsprozessen. Erstens erlangt die offentliche Hand in der Kooperation mit Privaten, etwa als Teilhaber einer in PPP betriebenen Entwicklungsgesellschaft erweiterten Einfluss auf Umsetzungsprozesse. Zweitens eroffnet die Konzentration von Ressourcen auf einen Punkt und die Reduzierung der Komplexitat des Vorhabens durch die bewusste Bearbeitung von raumlichen wie thematischen Ausschnitten Chancen ftir eine reibungslosere Realisierung von Planungen. Drittens schlieBlich bietet der fiir Projekte charakteristische bewusstere Urngang mit Zeit zusatzliche Instrumente, urn die Umsetzung zu beschleunigen. Projekte starken die Umsetzungsorientierung aber auch, weil sie einen rationalen Umgang mit den Risiken innovativer Vorhaben erlauben. Erfahrungswerte aus der Industrie zeigen, .dass aus ca. 60 Produktideen nur ein erfolgreiches Erzeugnis verbleibt, alle iibrigen scheitern" (Milling zit. nach Halfmann 1997, S. 93). Ohne das Risiko, zu scheitern, gibt es keine Chance, Neues zu entdecken. In Projekten konnen, dank ihrer strikt definierten Grenzen hinsichtlich der eingesetzten finanziellen wie personellen Ressourcen und ihrer raumlich klar abgegrenzten Wirkung, grofsere experimentelle Wagnisse eingegangen werden. Die Konsequenzen eines moglichen Scheiterns bleiben kontrollierbar. Projekte konnen nicht verhindern, dass knappe Ressourcen ftir ein experimentelles Vorhaben auch einmal nutzlos verpuffen, aber sie machen den Umfang an Ressourcen, der im Falle eines Scheiterns verloren ginge, berechenbar. 5 Innovation im Projekt - Risiken und Nebenwirkungen Die Bedeutungszunahme von Projekten in der Stadtund Regionalplanung kann zumindest zum Teil durch ihre Qualitaten, die sie fur die Losung einer neuen Aufgabe der Entwicklungsplanung, der Organisation von Innovation einbringen, erklart werden. Die Aufgabe hat in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen. Es ist plausibel, anzunehmen, dass analog dazu auch Projekte an Bedeutung und Verbreitung gewinnen. Das produktive Potenzial von Projekten bei der Organisation von Innovation lost allerdings die tiefgreifenden Ambivalenzen, die diesem Planungsmodus inharent sind, nicht auf (vgl. Mayer 2003): 9 Oliver Ibert: Projekte und Innovation - Demokratiedefizit: Projekte stellen einen Schutzraum fur die labilen, auf Kreativitat ausgerichteten Verfahren innovationsorientierter Planung dar. Ideenfindungsprozesse konnen vor fruhzeitiger offentlicher Kritik abgeschirmt werden, Suchprozesse, die auch vor eingesessenen Interessen nicht Halt machen, sind vor fruhzeitigem Verschleifs im parteipolitischen Streit geschtitzt. Doch diese Schutzwalle werfen ein Legitimationsproblem auf, weil sie eine nur geringe offentliche und politische Kontrolle der Planungsprozesse im Projekt zulassen. An kreativen Prozessen werden nur Akteure beteiligt, von denen erwartet werden kann, dass sie fur das Verfahren produktiv sind. Das ist eine andere Logik der Akteursrekrutierung, als sie demokratische Reprasentanzregeln nahe legen. - Mangelnde Einbettung: Projekte sind auf der organisatorischen, der raumlichen und der strategischen Ebene nur schlecht in ihre Umgebung eingebettet. Die Produktivitat innovativer Projekte hangt davon ab, ob sie aus den Verwaltungsstrukturen organisatorisch entkoppelt werden konnen. Dadurch mag die Wahrscheinlichkeit, auf Neues zu stofsen, erhoht werden, zugleich wird aber ein konflikttrachtiges Spannungsverhaltnis zwischen den privilegiert arbeitenden Akteuren im Projekt und den weiter fur den grauen Alltag zustandigen in den Administrationen angelegt. Innovationen lassen sich Ieichter durchsetzen, wenn die planerische Aufmerksamkeit auf einen raumlichen Ausschnitt konzentriert wird. Doch es droht, dass das innovative Ergebnis des Projekts sich zu einem Fremdkorper entwickelt, der unzureichend auf die Anforderungen der Nachbarschaft abgestimmt ist. Innovative Lernprozesse im Projekt entfalten eine starke, nicht vorhersehbare Eigendynamik. Damit leisten sie der ohnehin in Projekten angelegten Eigenschaft Vorschub, sich inhaltlich gegenuber ubergeordneten Strategien, etwa der Stadtentwicklungsplanung, zu verselbststandigen. - Inhaltliche Selektiuitdt: Die Organisation von Innovation basiert auf Kooperation im Projekt. Dazu mussen antagonistische Interessengegensatze zwischen den Akteuren ausgeschlossen werden. Die Bearbeitungsform eignet sich nur zum "Bohren dunner Bretter", also zur Durchfuhrung von Vorhaben, bei denen eine Losung ohnehin wahrscheinlich ist und die Akteure sich von vornherein kooperationsbereit zeigen. Konfliktfalle werden unabhangig von ihrer Relevanz und ihrem Innovationsbedarf elegant umgangen. Grundsatzliche Konsensfahigkeit bei den Zielen wird es dartiber hinaus nur dort geben, wo das Planungsziel mit okonomischen Interessen kompatibel ist. Es droht eine Selektivitat zu 10 Gunsten privater Interessen, die ohnehin besonders durchsetzungsstark sind. Auch der Hang zu gestalterisch attraktiven Losungen beinhaltet eine inhaltliche Selektivitat, Bei der Ausgestaltung der Projekte werden ausstellungsfahige, sichtbare und vorzeigbare Produkte bevorzugt. Aber nicht jede anstrebenswerte Losung eignet sich fur eine offentliche Prasentation, im Gegenteil, vielfach sind die eigentlich planerisch anzustrebenden Innovationen unsichtbar oder nicht ausstellungsfahig. - Ungewisse Verstetigung: Projekte sind vor allem Vehikel zur einmaligen Durchsetzung neuer Ideen, Innovationen hingegen mussen sich langfristig bewahren, Ob die in die Welt gesetzten Ideen langfristig iiberleben und als Modelle betrachtet und von anderen aufgegriffen werden, ist nicht mehr Gegenstand der Planung im Projekt. Die Chancen fur eine Ubertragbarkeit verschlechtern sich dariiber hinaus noch, weil die Sonderbedingungen, die in Projekten herrschen, nicht ohne weiteres reproduzierbar sind. Das Dilemma ist, dass Innovationen im Projekt unter Bedingungen entstehen, die kontrar sind zu den Bedingungen, unter denen sie sich im Alltag langfristig bewahren mussen. Neben diesen projektspezifischen Ambivalenzen muss auch bedacht werden, dass die Reichweite innovationsorientierter Planung begrenzt ist (vgl. Ibert 2002, S. 140 ff.): - Die Organisation von Aufseralltaglichkeit ist umso wirkungsvoller, je seltener sie praktiziert wird. Besondere Orte mussen in Kontrast stehen zur Normalitat, Das tun sie nur, wenn sie tendenziell einzigartig bleiben. Aufwandige Architektur und grofsraumige Landschaftsgestaltung diirfen nicht beliebig wiederholt werden. Abgesehen davon, dass dies nicht bezahlbar ware, wurde das ihre Besonderheit zerstoren und sie zu austauschbaren Versatzstiicken machen. Charismatische Effekte diirfen nicht inflationar eingesetzt werden, sonst errnuden sie, anstatt zu mobilisieren oder zu irritieren. Zugleich ist aber der Bedarf an Innovationen noch lange nicht erschopft, - Lernprozesse in Netzwerken sind kontext- und personenabhangig. Kreative Adaptionen aus spannungsreichen Personenkonstellationen ergeben sich nicht automatisch. Zum einen braucht man dazu begabte, fremden Ideen gegenuber offene und phantasievolle Personen. Zum anderen sind begtinstigende Rahmenbedingungen wichtig. Strukturveranderndes Lernen ist vor allem dann wahrscheinlich, wenn man die Irritation - etwa durch Fremde - als Bereicherung eines gesicherten Status RuR 1-2/2003 Oliver Ibert: Projekte und Innovation sehen kann und nicht als Verscharfung einer bedrohten Situation sehen muss. Diese giinstige Konstellation wird sich dort, wo Innovationen am notigsten gebraucht werden, am seltensten von alleine einstellen. 6 Voraussetzungen fiir Projektorientierung in der Entwicklungsplanung Projekte stehen nicht nur fur den Riickzug der Planung. Mithilfe von Projekten wird Planung in den Stand versetzt, .kreative Prozesse zu organisieren und dabei von der Rahmensetzung in die Umsetzung vorzustofsen, So kann auf einige aktuelle Herausforderungen der Entwicklungsplanung angemessener reagiert und das planerische Aufgabenspektrum erweitert werden. Projekte bereichern den "Werkzeugkasten" (die Metapher stammt von Klaus Selle) des planerischen Instrumentariums urn neue Optionen und konnen einen Beitrag liefern fiir eine Ausweitung des planerischen Steuerungsanspruchs. Allerdings ist projektorientierte Planung kein Passepartout fur jedes Innovationsanliegen. Zudem sind die Chancen von Projekten unauflosbar mit Risiken verflochten. Nur unter bestimmten Bedingungen ist es moglich, trotzdem von den Chancen dieses Planungsmodus zu profitieren (vgl. Mayer 2002). Erstens miissen Projekte eingebunden sein in eine iibergeordnete regionale Entwicklungspolitik. Ihre Aufgabe ist es, den Innovationsbedarf zu definieren und einen Freiraum fiir innovative Projekte zugleich zu eroffnen und einzugrenzen. Dariiber hinaus ist es notwendig, eine inhaltliche Richtung fur Innovationsprozesse vorzugeben. Innovative Projekte bediirfen grundsatzlicher, grober Zielsetzungen. Die gilt es zuvor politisch auszuhandeln und mit demokratisch legitimierten Machtakten durchzusetzen. Zweitens miissen die funktionalen Grenzen einer projektorientierten Herangehensweise beriicksichtigt werden. Projekte eignen sich nur zur Bearbeitung bestimmter Aufgabenstellungen. Die Innovationserzeugung ist ein Beispiel- neb en anderen - fur eine Aufgabe, die eine projektfOrmige Herangehensweise besonders nahe legt. Die Aktualitat einer neuen Aufgabe bedeutet aber nicht, dass die klassischen ordnungsplanerischen Leistungen des Planungssystems tiberfliissig wiirden. Zur Bearbeitung dieser Aufgaben wird weiterhin ein handlungsfahiger, mit obrigkeitlichen Machtressourcen ausgestatteter Staat benotigt (vgl. Miiller 2001, S. 834) und die bewahrten Planungsinstrumente und -verfahren. RuR 1-2/2003 Drittens hangt auch die Funktionsweise der im Projekt zum Einsatz gekommenen diskursiven Planungsinstrumente davon ab, dass im Hintergrund eine funktionsfahige hierarchische Planung bestehen bleibt. Die Position der Offentlichen Akteure in den informellen Verhandlungsrunden ist umso gefestigter, je handlungsfahiger die Verwaltung in ihrem Riicken ist. Informelle Verhandlungen im Projekt finden idealerweise im .Schatten der Hierarchie" (Mayntz/Scharpf1995, S. 28) statt. Die Androhung, den kooperativ zu regelnden Sachverhalt im Zweifelsfall von der offentlichen Hand mit ihren angestammten Instrumenten allein bearbeiten zu lassen, bildet die Basis fur offentliche Verhandlungsmacht in den Aushandlungsprozessen mit privaten Akteuren. Viertens schlieBlich setzt der produktive Einsatz von Projekten eine strategiefahige Entwicklungsplanung voraus, die Fragen wie folgende beantworten kann: Wann ist der richtige Zeitpunkt, urn ein Projekt zu initiieren (vgl. dazu Sieverts 200l)? Welche stadtischen Flachen und welche Problematiken bieten sich fur ein derartiges Vorgehen an? Welche moglichen Gewinne rechtfertigen das Eingehen von Risiken? Wie weit sollte der innovative Anspruch reichen? Welche Funktion hat das Projekt in iibergeordneten Konzepten der Stadtentwicklungsplanung? Projekte sollten sorgfaltig ausgewahlt sein, das gilt umso mehr, als sie zum Zweck der Innovationserzeugung - erinnert sei an die Erkenntnis, dass Charisma auf Dauer eher ermiidet als mobilisiert - ohnehin nur aulserst sparsam eingesetzt werden diirfen. Nur wenn es eine Ebene gibt, auf der derartige strategische Entscheidungen gefallt werden konnen, birgt der Einsatz von Projekten mehr Chancen als Risiken. Anmerkung * Der Beitrag basiert auf empirischen Ergebnissen des DFGForschungsprojekts "Die Organisation von Innovationen - Neue Formen der Stadt- und Regionalplanung. Bin Vergleich von EXPO 2000 Hannover und Internationaler Bauausstellung Emscher Park" (vgl. Ibert/Mayer/Siebel 2002), das in der AG Stadtforschung, Carl von Ossietzky Universitat Oldenburg durchgefiihrt worden ist. Der Autor hat im Rahmen dieses Forschungsprojekts seine Dissertation zum Thema .Jnnovationsorientierte Planung" (vgl. Ibert 2002) verfasst. Fur Anregungen und Kritik zu diesem Beitrag dankt der Autor den Herren Hans-Norbert Mayer und Walter Siebel. 11 Oliver Ibert: Projekte und Innovation Literatur Petrowsky, Werner; Pohlan, Iurgen (Hrsg.): Jahrbuch StadtRegion 2003. Opladen: Leske-Budrich (im Erscheinen) Albers, Gerd (1993): Uber den Wandel des Planungsverstandnisses.ln: RaumPlanung 61, S. 97-103 Mayntz, Renate; Scharpf, Fritz W. (1995): Steuerung und Selbstorganisation in staatsnahen Sektoren. In: dies (Hrsg.): Gesellschaftliche Selbstregelung und politische Steuerung. Frankfurt a.M., New York: Campus, S. 9-38 Deutsch, Karl W. (1985): On Theory and Research in Innovation. In: Merrit, Richard L.; Merrit, Anna J. (eds.): Innovation in the Public Sector. Beverly Hills: Sage, S. 17-35 Erdmann, Georg (1993): Elemente einer evolutorischen Innovationstheorie. Ttibingen: J.C.B. Mohr Ftirst, Dietrich (1998): Wandel des Staates - Wandel der Planung. 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