Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege · Deutsche Limeskommission
C. Sebastian Sommer, Suzana Matešić (Hrsg.)
Limes XXIII
Proceedings of the 23rd International Congress of Roman
Frontier Studies Ingolstadt 2015
Akten des 23. Internationalen Limeskongresses in Ingolstadt 2015
B E I T R Ä G E Z U M W E LT E R B E L I M E S
Sonderband 4 / I
2018 · In Kommission: Nünnerich-Asmus Verlag · Mainz
ALEXANDRA SCHUBERT
Die Müllentsorgung an römischen Militärstandorten – Ein Überblick
ALEXANDRA SCHUBERT
Die Müllentsorgung an römischen
Militärstandorten – Ein Überblick
SUMMARY
Waste is a very common finds category for archaeological data
analysis. When dealing with Roman settlements, whether military
or civilian, lots of finds can usually be obtained from the vicinity.
As there is a diverse picture of waste accumulation, the paper tries
to give an overview of the different models of waste accumulation
inside and outside Roman forts and the different approaches in
their interpretation. The suggestions are that in general the main
part of the waste was dumped outside the fort and that accumulations within are the result of specific situations.
EINLEITUNG
Abfallansammlungen gehören zu den reichhaltigsten
Fundkomplexen und ermöglichen über eine Darstellung
und chronologische Einordnung hinaus ein weites Feld an
Auswertungsmöglichkeiten . Gerade in römischen Militäranlagen und in deren Umfeld wurden bei Grabungen etliche solcher Müllkippen aufgefunden .
Da Müll bzw . dessen Entsorgung und Vermeidung aktuell
mehr in den Fokus des Interesses rücken, bietet es sich an,
auch im Zusammenhang mit militärischen Fundplätzen
der römischen Zeit einen genaueren Blick auf die Entstehung von und den Umgang mit Müll zu werfen . Bei einer
Analyse von Abfallansammlungen, die mit römischen Militäranlagen zusammenhängen, muss zwischen unterschiedlichen Entstehungsprozessen unterschieden werden . Sind diese während der Benutzung des Kastells oder
während Umbauphasen entstanden? Stehen sie in Zusammenhang mit Zerstörungshorizonten? Möglich ist sowohl
eine Abfallsammlung als primäre Deponierung an dem
Ort, an dem der Abfall entstanden ist, als auch eine sekundäre Deponierung . In letzterem Fall werden Abfälle an dafür vorgesehenen Punkten gesammelt und an einen Deponierungsort verbracht . In dieser Befundlage können sich
zusätzliche Gegenstände finden, die eher als persönlicher
Verlust zu werten sind, wie zum Beispiel Münzen . Ein weiterer Eingriff in die abgelegten Materialien durch dritte
Personen, die den Abfall nach noch Brauchbarem durchsuchen, ist möglich und lässt sich in größeren Befundkomplexen gelegentlich an einer Störung der bereits abgelagerten Schichten auch archäologisch belegen .
MÜLLENTSORGUNG BEI DER RÖMISCHEN ARMEE –
DIE BEFUNDE
Über den langen Zeitraum der archäologischen Erforschung des römischen Militärs und seiner Stützpunkte
sind Archäologen sowohl innerhalb als auch außerhalb
militärischer Einrichtungen immer wieder auf Spuren der
Müllentsorgung gestoßen .
Wenn man davon ausgeht, dass der gesamte Abfall einer
fest stationierten Einheit an einer Stelle gesammelt und
entsorgt wird, dann sollte er folgende Komponenten enthalten: Essensreste, menschliche und tierische Ausscheidungen oder Spuren von deren Entsorgung, wie z. B. Reste
von Kalkeinstreuungen, Produktionsabfälle handwerklicher Tätigkeiten, beschädigte Ausrüstung, Bauschutt, Verpackungen (Keramik und organisches Material) und persönliche Gegenstände – sowohl in gebrauchsfähigem
Zustand als auch beschädigt . Nicht alle der erwähnten Elemente bleiben bis zur Ausgrabung erhalten und können
analysiert werden, jedoch sollten sie bei einer längeren
Nutzungsdauer des Garnisonsortes jeweils in größerer
Menge anfallen .
Möglich ist sowohl, dass alle Sorten Abfall an einer Stelle
gemeinsam vorkommen als auch, dass Abfall aus unterschiedlichen Prozessen an verschiedenen Stellen abgelegt
wird .
Wenn man die theoretischen Überlegungen zu Müllentstehung, -vermeidung und -ablagerung auf den archäologischen Befund anwendet und einen Blick in die verfügbare Literatur zu römischen Standorten wirft, so
begegnen unterschiedliche Szenarien des Fundaufkommens, die alle in den Kontext der Abfallentsorgung gestellt werden . Nachweisbar ist ebenfalls ein fast völliger
Mangel an Funden innerhalb römischer Lager, der eine
gezielte Entsorgung an einem Ort nahelegt, welcher jedoch nicht bei der Ausgrabung und Erforschung erfasst
wurde .
Belegbare Deponierungen von Abfall finden sich in den
Lagergräben römischer Kastelle . Dabei gibt es sowohl
Nachweise für Abfall in den Grabenköpfen direkt im Bereich der Tore als auch für Ansammlungen, die von der
Umwehrung aus in den Gräben und vermutlich auch im
Bereich der Berme gelandet sind . Außerhalb von Lagern
wurden größere Abfallhalden angelegt . Dabei gibt es sowohl die Variante einer Müllhalde in direkter Nachbarschaft zum Lager als auch einer Deponierung in größerer
Entfernung . In Fällen von Militärlagern auf einer Erhöhung kann die Entsorgung über die steilste Stelle erfolgen . An den Wall angelagert wurden Ansammlungen von
Abfall in Form von Haufen auch innerhalb der Lagerumwehrung dokumentiert .
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Limes XXIII · Kapitel 5 · Session 4 – Waste Not, Want Not? Rubbish Disposal and the Roman Army
Abb. 1: Umzeichnung des Südprofils der Krefelder Grube (Museum Burg Linn, Krefeld. Umzeichnung A. Schubert).
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Große Gruben außerhalb der Militärlager dienten in einigen Fällen nachweislich als Sammelstelle der Müllentsorgung . Ein Zusammenhang ausschließlich mit der Besatzung des Kastells bzw . ein Ausschluss der Nutzung durch
die Einwohner des jeweiligen zivilen vicus sind nicht für alle
Gegenstände in der Deponie herstellbar .
Innerhalb von Kastellen wurden an verschiedenen Stellen
Abfallsammlungen angetroffen . Zu nennen sind sowohl
großräumige als auch kleinere Gruben in den Straßen, größere Deponierungen innerhalb nicht mehr genutzter Räume oder Gebäude ebenso wie kleinräumige, aber langfristig
angesammelte Schmutzschichten in den schmalen Gassen
zwischen eng beieinanderstehenden Gebäuden . Angelagert
an den Wall konnten Ansammlungen von Abfall in Form
von Haufen und kumulierenden, zum Teil die Breite der via
sagularis verkleinernden Schichten gelegentlich dokumentiert werden1 .
Nach diesem ersten Blick auf Abfalldeponierungen in und
um römische Kastelle wäre somit ein diversifizierter Umgang mit der Abfallentsorgung zu vermuten . Dieser Rückschluss scheint sich zu bestätigen, wenn man die Daten für
die Hauptstadt Rom zurate zieht . Dort existierte nachweisbar keine spezialisierte, durch eine Stadtverwaltung organisierte Müllabfuhr wie in heutigen Städten und Gemeinden . Die wenigen Hinweise auf die Ausfuhr von Karren mit
Abfall aus der Stadt beziehen sich vermutlich auf organische (Garten?)Abfälle und Fäkalien zur Düngung sowie auf
den Abtransport von Bauschutt bei öffentlichen Bauaufträgen 2 .
Für den militärischen Bereich existiert ein Papyrus des
späten 1. Jahrhunderts n. Chr., der die Tätigkeiten des
„Ausfegers“ (scoparius) und „Unratbeseitigers“ (ad stercus centuriae) anführt 3 . Ob mit „Unrat“ lediglich Fäkalien
aus Latrinen oder auch anderer Abfall gemeint sind,
bleibt unklar .
Daher lohnt es sich, einen etwas genaueren Blick auf militärische Stützpunkte zu werfen, einige Beispiele herauszugreifen und die Umstände zu beleuchten, in denen sich Abfallansammlungen beobachten lassen . Der Fokus liegt
hierbei auf den Nordwestprovinzen .
Die bekannteste Abfallhalde des römischen Militärs erstreckt sich unzweifelhaft in Vindonissa . Sie liegt direkt
außerhalb des Legionslagers am Ufer der Aare. Ein signifikanter Teil der Müllhalde ist bis heute erhalten und nicht
ausgegraben, wird aber durch aktuellere Untersuchungen
weiter erforscht4 . Ans Tageslicht kamen die Funde hier
Ende des 19. Jahrhunderts beim Bau einer Eisenbahnverbindung . Es wurden zahlreiche Funde geborgen und publiziert . Deutlich ist, dass der Abfall über einen längeren Zeitraum dort abgelagert wurde; es gibt eine Vielzahl von
kleineren Deponierungen in unterschiedlichen Schichtungen . Es ist keine Trennung der Ablagerungen nach Materialien erkennbar. Zusätzlich zu den häufig in größerer
Stückzahl anzutreffenden Fundgattungen haben auch organische Materialien wie Holz, Leder oder Stoffreste bis
zur Ausgrabung überdauert 5 .
Gleichzeitig wurde vor wenigen Jahren eine deutlich kleinere Sammlung von Abfall im Inneren des Legionslagers
aufgedeckt . Entlang einer der Lagerstraßen konnte eine
Reihe von tabernae freigelegt werden . Eine Stichstraße
führt zu einem größeren Haus, das als Tribunenhaus ange-
ALEXANDRA SCHUBERT
Die Müllentsorgung an römischen Militärstandorten – Ein Überblick
Abb. 2: Dormagen. Gruben unterhalb der Stallungen: vorne und hinten der anstehende Boden, in der Mitte die
Grubenfüllungen (A. Schubert, archaeologie.de).
sprochen wird . Das Haus ist über einen schmalen Weg zugänglich, der von der Hauptstraße rechtwinklig abzweigt .
Hinter den tabernae führt ein weiterer Weg zum Küchentrakt des Hauses, der durch einen glücklichen Umstand gut
erhalten blieb6 . Direkt vor einem Fenster und neben dem
Hintereingang zur Küche konnte eine wenige Zentimeter
starke Schicht von Küchenabfällen dokumentiert werden7 .
Das Legionslager von Vindonissa wurde um 100 n. Chr. aufgegeben . Gerade durch den großräumigen sog . Schutthügel direkt vor dem Legionslager wird im Vergleich mit der
kleinen Abfallschicht vor der Küchentür deutlich, dass diese eben nicht über die gesamte Nutzung des Lagers sukzessive dort entstanden ist, sondern dass der enge Zugang vor
der Hintertür vielmehr der Ort für eine temporäre Deponierung bis zum Transport auf die Halde war . Wäre über
den gesamten Nutzungszeitraum von Haus und Küche
der gesamte Küchen- und Hausabfall dort entsorgt worden, müsste die Menge an archäologischem Material dort
deutlich größer sein . Es erscheint daher wahrscheinlicher, dass dieser Zwischenraum in gewissen Abständen
gereinigt wurde und die übrigen Abfälle außerhalb auf
dem Schutthügel anzutreffen sind . Gerade solche Restschichten dürften vor allem dann erhalten bleiben, wenn
ein Standort geplant aufgegeben wird und sich die Reinigung kleinerer Ansammlungen von Abfall nicht mehr
lohnte .
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Limes XXIII · Kapitel 5 · Session 4 – Waste Not, Want Not? Rubbish Disposal and the Roman Army
Im Lager von Vindolanda konnten mehrere übereinanderliegende Kastelle ausgegraben werden . Bereits während
der Ausgrabungen ergaben sich immer wieder zum Teil
gravierende Probleme mit dem Grundwasser, das von unten in die Schnitte drückte . Diese Probleme haben anscheinend bereits in der Antike existiert . Die Phasen in Vindolanda sind gut voneinander zu trennen, weil beim Neubau
der Baugrund durch eine verdichtete Packung aus Bauschutt und Müll erhöht wurde . Diese Packung wurde mit
einer Lehmschicht zusätzlich versiegelt8 . Aus diesem
Grund ist die Erhaltung organischer Materialien sehr gut .
Neben den berühmten Schreibtäfelchen aus Vindolanda
befand sich auch eine variantenreiche Kollektion von
Schuhtypen9 . Der Mix aus Bauschutt und Abfall weist darauf hin, dass möglichst viel Material zusammengetragen
wurde, um den Baufortschritt zu gewährleisten . Eine
Sammlung des täglichen Abfalls in der Nähe des Kastells
ist daher denkbar .
Direkt neben dem Alenlager von Krefeld-Gellep wurde im
Jahr 2004 eine große Grube entdeckt und untersucht
(Abb. 1). Da in den unteren Bereichen der Grubenfüllung
noch mit Sand vermischtes lehmiges Material erfasst werden konnte, diente die Grube vermutlich ursprünglich als
Lehmentnahmegrube zum Bau des ersten Kastells, das
nach dem Bataver-Aufstand in Krefeld errichtet wurde .
Der größte Teil des Rheinufers besteht dort noch heute aus
einer Kies-Sand-Mischung; lehmiger Boden kommt nur in
kleineren Linsen vor10 . Nach der Lehmentnahme erfolgte
eine Wiederverfüllung mit Abfall, welcher aufgrund seiner Zusammensetzung wahrscheinlich aus dem Kastell
stammt11 . Auch wenn das Gefüge der zahlreichen, zum
Teil recht schmalen und bandförmigen Schichten hauptsächlich in den Randbereichen der Grube dokumentiert
werden konnte, ist eher von einer schrittweisen Häufung
der Schichten und nicht von einem schnellen Verfüllungsprozess auszugehen . Die Datierung der frühesten Funde
korrespondiert mit der ersten Phase des Kastells in neronischer Zeit; der Hauptteil der Funde lässt sich in die zweite
Hälfte des 1. Jahrhunderts n. Chr. datieren. Nur wenige Stücke lassen sich in die zweite Hälfte des 2. Jahrhunderts setzen . Das Kastell selbst existierte sicher bis in die Spätantike12 . Somit liegt die Vermutung nahe, dass nach der
kompletten Verfüllung der Grube der Abfall woanders entsorgt wurde . Es ist möglich, dass nicht der gesamte Lagerabfall in die Grube gelangte . Im Hinblick auf die Zusammensetzung der Funde ist das Fehlen von Metall sehr
auffällig13 .
Zwei weitere Beispiele für Abfallhalden außerhalb von Auxiliarlagern stammen mit Gomadingen und Donnstetten
von der Schwäbischen Alb . Beide liegen direkt an einem
Abhang, der sich als einfachster Weg zur Entsorgung anbot14 . Für die Legionslager von Mainz und vom Kops Plateau in Nijmegen existieren ebenfalls Hinweise zu einer
Entsorgung auf Halden15 . In Carnuntum wurde zumindest
ein Teil des Abfalls fast 700 m vom Kastell entfernt auf einer Halde deponiert16 .
Eine andere, vermutlich eher unorganisierte Form der
Müllentsorgung zeigt sich innerhalb des Lagers von Caister-on-Sea . In der Nähe einiger Gebäude wurde am Fuß der
Wallböschung eine kleine Menge Abfall angeschüttet . Ein
Schnitt durch den Wall an dieser Stelle zeigte deutlich,
dass hier nicht nur einmal, sondern mehrfach kleinere
Mengen Abfall deponiert wurden . Die insgesamt recht
kleinräumigen Schichten wurden nicht entfernt, sondern
der Abfall wurde mit neuem, sauberem Erdmaterial überdeckt17 . Dieser Vorgang des Überdeckens zeigt, dass zumindest zu bestimmten Zeitpunkten die Sichtbarkeit dieses Abfalls einen Störfaktor darstellte . Ein ähnliches
Vorgehen konnte in Portchester dokumentiert werden18 .
Abfall in den Gräben trat im Lager von Barburgh Mill auf .
Dort wurde eine kleinere Menge Keramik in den Grabenköpfen nahe des Eingangs geborgen . Im Kastell Osterburken wurde ein Graben mit Abfall aufgefüllt, nachdem der
Annex errichtet worden war und der betreffende Grabenabschnitt hierdurch seine Funktion verloren hatte19 . Eine
ähnliche Situation ließ sich in Haltern nachweisen . Auch
hier wurde das Kastell erweitert und ein Großteil des Abfalls danach in den offenstehenden, nicht mehr genutzten
Graben gefüllt 20 . In Barburgh Mill wird der Abfall in den
Grabenköpfen so interpretiert, dass bei der endgültigen
Aufgabe des Kastells Ausrüstungsgegenstände und Inventarteile, die nicht mehr genutzt oder mitgenommen
werden konnten, ohne Aufwand entsorgt wurden 21 .
In Oberstimm wurde das Kastell gegen Ende des 1. Jahrhunderts n. Chr. nahezu komplett umgestaltet 22 . Innerhalb
des Lagers entstand eine große Grube, die möglicherweise
der Materialentnahme diente . Da das Gelände um die Grube zum Zeitpunkt der eigentlichen Umgestaltung nicht
dicht bebaut war, wurde die Senke hauptsächlich als Sammelstelle für Bauschutt genutzt und so wieder aufgefüllt 23 .
Reiterkastelle sind in den letzten Jahrzehnten gründlich
untersucht und erforscht worden . In den Stallungen wurden unterhalb des Fußbodens Rinnen nachgewiesen, in
denen die flüssigen Bestandteile der Fäkalien nach außen
geleitet wurden. In Heidenheim finden sich direkt vor den
Baracken größere rechteckige Gruben, die möglicherweise als temporärer Entsorgungsplatz dienten 24 . Möglich
sind auch eine Entwässerung in einen Kanal unter der Lagerstraße oder ein einfaches Versickern der Fäkalien im
Boden . Dass die genannten Rinnen in den Gebäuden tatsächlich Urin ableiteten, lässt sich anhand deutlicher grünlicher oder rostroter Verfärbungen des Bodens und durch
Analysen der Phosphatwerte nachweisen 25 . Gelegentlich
kann noch vorhandene Kalkstreu in den Rinnen dokumentiert werden 26 . In Dormagen hatte bereits G . Müller herausgefunden, dass vor der ersten Bauphase der Ställe unterhalb des späteren Laufniveaus tiefe Gruben ausgehoben
worden waren, die eine fast sterile Füllung enthielten, die
sich vom anstehenden hellbraunen Löss kaum in der Farbe
unterschied (Abb. 2)27 . Allerdings enthielten die Gruben
deutlich mehr Sand und gelegentlich Tuffabschläge . Vergleichbare Befunde konnten bei neueren Ausgrabungen
2014 erneut aufgedeckt werden 28 . G . Müller vermutete zunächst eine Art erster Soldatenunterkunft in Grubenhäusern, die dann später durch Ställe in gleicher Größe und
Ausrichtung ersetzt wurden 29 . Aus der jetzigen Sicht der
Dinge erscheint es plausibler, dass der Boden unter den
Stallungen und den Rinnen bewusst entfeuchtet und hierdurch saugfähiger gemacht wurde, um den Urin durch den
sandigen Untergrund leichter in den Boden abführen zu
können .
In Kastellen augusteischer Zeit lässt sich vor allem im
ALEXANDRA SCHUBERT
Die Müllentsorgung an römischen Militärstandorten – Ein Überblick
Bereich der via sagularis eine Vielzahl kleiner, relativ flacher Gruben nachweisen30 . Die Grubenfüllungen enthalten zum Teil Fundmaterial . Da die Beschreibungen regelmäßig Sand und Asche als Bestandteile der Füllung
erwähnen, ist zu vermuten, dass der Inhalt dieser Gruben
mit Reinigungsarbeiten an Herdstellen in Verbindung zu
bringen ist . Für die Entsorgung des gesamten Abfalls ist
die Menge an Müll in den Gruben zu gering – im Fall von
Haltern ermöglicht die oben erwähnte Füllung des Grabens aber einen guten Hinweis auf den Verbleib der restlichen Abfallmengen .
Bei Kastellen, die an einem Fluss liegen, ergibt sich die zusätzliche Möglichkeit der Entsorgung des Abfalls im Fluss .
Während in Vindonissa trotz der Nähe zum Fluss die Abfallhalde davor angelegt wurde, lässt sich im Kastell von
Oberstimm eine Anschüttung von Abfall im Flussbett der
Brautlach archäologisch nachweisen31 . In Krefeld ist eine
solche Lösung ebenfalls wahrscheinlich32 .
Selten tendiert das Fundaufkommen an römischen Militärplätzen gegen null. Mit Nersingen und Burlafingen an
der Donau aber wurden zwei Fundplätze ergraben, an denen nur sehr wenige Kleinfunde angetroffen wurden 33 .
Ein Grund dafür könnte sein, dass beide Plätze in claudischer Zeit nur für relativ kurze Kampagnen genutzt
wurden . Ein zweiter Ansatz dürfte aber darin zu sehen
sein, dass beide Kastelle in den Kiesterrassen der Donau
liegen . Somit fehlt lehmiger Boden, der für den Bau von
Unterkünften hätte dienen können . Die Zweitverwendung von Materialentnahmegruben zur Abfallsammlung
entfällt somit . Der während der Nutzung entstandene
Abfall muss daher aus dem Lager gebracht worden sein .
Offenbar wurde auch sorgfältig darauf geachtet, beim Abzug der Truppen möglichst wenig zurückzulassen .
ZUSAMMENFASSUNG
Ein Blick auf die bisher vorgestellten Beispiele lässt annehmen, dass eine Systematik im Umgang mit Abfall nicht direkt zu erkennen ist . Aber trifft das wirklich zu?
Es erscheint eher wahrscheinlich, dass ein größerer Anteil
des Abfalls, der in kleineren Sammlungen innerhalb der
Kastelle angetroffen wird, erst dann entsteht, wenn das
Kastell kurz vor der Auflassung steht – und somit gerade
dann, wenn möglicherweise ein Teil der Truppen bereits
auf dem Marsch ist, das Kastell geordnet aufgegeben werden soll und ohnehin alle Gegenstände aussortiert werden,
die nicht mitgenommen werden sollen . Das würde – wie bereits von den Ausgräbern vermutet – auch die Fundansammlungen in den Grabenköpfen erklären .
Innerhalb von Kastellen gäbe es dann nur wenige Szenarien, bei denen sich größere Mengen Abfall innerhalb der
Mauern ansammeln . Zum einen wären dies Zerstörungshorizonte . Falls das Kastell nach einer Zerstörung wieder
aufgebaut wird, würden diese Schichten vor der Erneuerung der Gebäude nivelliert und verblieben vor Ort im Boden . Eine zweite Möglichkeit ist die Auffüllung von Materialentnahmegruben mit Bauschutt . Auch normale
Umbauten innerhalb der Kastellzeit können ähnliche Befundsituationen erzeugen .
Fundkonzentrationen außerhalb von römischen Kastellen,
die direkt mit den Militäreinrichtungen in Verbindung gebracht werden können, treten deutlich häufiger auf als sol-
che innerhalb der Kastelle . Ausnahmen sind Planierschichten, die von Umbaumaßnahmen herrühren . Es entsteht der
Eindruck, dass trotz zahlreicher Befunde, die für eine Müllentsorgung innerhalb des Militärlagers sprechen, dennoch
der Großteil des Abfalls außen entsorgt wurde . Entstanden
durch Materialentnahme passende Hohlräume, wurden sie
sukzessive mit Abfall verfüllt . Ließ es die Geländesituation
zu, wurde der Müll über die Mauern den Hang hinuntergeworfen oder direkt in oder neben dem nächsten Fluss entsorgt .
Betrachtet man die großen Abfallmengen bekannter Halden außerhalb der Kastelle, dann ist wahrscheinlich, dass
eine geregelte Müllentsorgung innerhalb eines römischen
Kastells eine gängige Praxis war – spätestens ab dem Zeitpunkt, zu dem dauerhafte, längerfristig bewohnte Gebäude und feste Dienstzeiten zur allgemeinen Routine gehörten . Dazu passt die zum Teil aufwendige und sorgfältige
Vorbereitung bei der Anlage von Latrinen, Ställen und einer Frischwasserversorgung . Somit sind archäologische
Nachweise von Müllansammlungen innerhalb römischer
Lager als Abweichung von der Routine zu werten, deren
Ursachen ebenfalls untersucht werden sollten . Die Suche
nach den Müllabladeplätzen außerhalb der Kastelle sollte
ebenfalls in die Erforschung eines römischen Militärplatzes miteinbezogen werden, um den Standort in seiner Gesamtheit besser erfassen zu können .
Alexandra Schubert M. A.
Blücherstraße 18
50733 Köln
Deutschland
Alex.Richt@gmx.de
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Thüry 2001, 43.
Thüry 2001, 5–8.
Thüry 2001, 43 Anm. 66. Dort Verweis auf Pap. Gen. Lat. 1 verso V (Chartae latinae antiquiores 1,1954, 7).
S. hierzu den Beitrag von J. Trumm im vorliegenden Band, 239–248.
Thüry 2001, 40.
Unter dem Tribunenhaus lag der Graben der Vorgängersiedlung. Die Füllung des Grabens sackte nach und die Mauern des Tribunenhauses versanken zum Teil darin. In der Küche konnte deren Aufteilung komplett ergraben werden. Pauli-Gabi 2005, 595–608.
Pauli-Gabi 2005, 595–608. Details des Küchenfundes wurden auf dem
Limeskongress in Ingolstadt von St. Reuter in der Session 3 „Food and
Drink“ im Rahmen des Vortrages: „‘Non satis est ars sola coco…‘ – Die
Untersuchungen zur sog. Offiziersküche im Legionslager von Vindonissa/
Windisch“ vorgestellt.
Birley 1994, 10–14.
van Driel-Murray 2001, 185–195.
Reichmann 2004, 84–86.
Ein Hinweis darauf sind zum Beispiel etliche Terra sigillata-Teller mit Namensgraffiti, außerdem wenige kleinformatige militärische Ausrüstungsgegenstände. Bei der Grobkeramik konnten nur wenige große Dolien und Amphorenbruchstücke identifiziert werden; es überwiegen mittelgroße und
kleinere Kochtöpfe, kleine Dolien und Reibschüsseln. Die Bearbeitung der
Funde erfolgte durch die Verf. (unpubl.).
Reichmann 1998, 153–173.
Bei den Arbeiten an der Erweiterung des Krefelder Hafens Ende der 1970er-
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Jahre wurde ein Teil des Kastells entfernt. Im Zuge der Arbeiten wurden von
Sammlern unzählige Metallobjekte geborgen und später teilweise publiziert (Stüben o. J.). Somit ist auch in Krefeld eine Abfallhalde zum Flussufer
hin denkbar. Da jedoch nicht alle Schichten in den Profilen der beschriebenen Grube ungestört sind, ist ebenso denkbar, dass nach der Abfallablagerung von weiteren Personen gezielt nach Brauchbarem gesucht wurde.
Heiligmann 1990, 71–79 (Gomadingen), 80–87 (Donnstetten).
Thüry 2001, 42, tab. 3 (Mainz). Für Nijmegen erfolgte ein mündlicher Hinweis von J. Thijssen.
Grünewald 1983, 6–9.
Darling 1993, 13.
Cunliffe 1975, 423, Abb. 19.
Schallmeyer 1991, 120–123.
von Schnurbein 1974, 50.
Breeze 1974, 130–162.
Schönberger 1989, 248.
Schönberger 1978, 73–76, Abb. 33. Zwischen dem Bauschutt wurden holzkohlehaltige Schichten dokumentiert.
Scholz 2009, 49.
Scholz 2009, 61; Müller 1979, 129 (Beitrag von O. Schröder).
Müller 1979, 28.
Müller 1979, 27.
OV 2014/1042 (A. Schubert) und OV 2014/1023 (I. Grohmann-Troll). Beide
Grabungsberichte im Ortsarchiv des LVR.
Müller 1979, 27.
Kühlborn 1992, 32 für Oberaden; dort auch der Verweis auf Haltern und
Dangstetten. Außerdem Hofheim im Taunus: Ritterling 1913, 22.
Schönberger 1989, 248.
Vgl. Anm. 13.
Mackensen 1987, 47 (Nersingen), 103–104 (Burlafingen).
LITERATURVERZEICHNIS
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writing tablets, inscriptions, brands and graffiti. Vindolanda Research Reports
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Cunliffe 1975 · B. Cunliffe, Excavations at Portchester Castle 1 (London 1975).
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1951–55. East Anglian Archaeology 60 (Norfolk 1993).
Grünewald 1983 · M. Grünewald, Die Funde aus dem Schutthügel des Legionslagers von Carnuntum. Die Baugrube Pingitzer. Der römische Limes in Österreich 32 (Wien 1983).
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