[go: up one dir, main page]

Academia.eduAcademia.edu
VPOD | Geschichtsserie Die Spaltung der Arbeiterbewegung, Teil 3 von 3: Kalter Krieg im VPOD Die Zeit der Eiferer Ein Ost-Spion im VPOD? 1956/57 blies die bürgerliche Presse eine Bagatelle zum «Fall Max Arnold» auf. Der geschäftsleitende VPOD-Sekretär musste sich aber auch intern gegen bösartige Anwürfe wehren. | Text: Adrian Zimmermann, Historiker (Foto: Ernst Koehli/Schweizerisches Sozialarchiv) Im Dezember 1956 wurde VPOD-Sekretär Victor Schiwoff verhaftet. Er hatte 1952 für einen ungarischen Diplomaten einen Artikel verfasst, der die Wirtschaftsbeziehungen zwischen der Schweiz und Deutschland kritisch analysierte. Die Bundesanwaltschaft betrachtete dies als verbotenen Nachrichtendienst. 1958 wurde Schiwoff vom Bezirksgericht Zürich aber lediglich nach Art. 266bis des Strafgesetzbuchs verurteilt, der «unwahre oder entstellende Behauptungen» gegenüber ausländischen Vertretungen verbietet. Die bedingte Strafe von einem Monat zeigt die Geringfügigkeit des Falles. Hetze der bürgerlichen Presse Unmittelbar nach der Verhaftung war dieser unspektakuläre Ausgang der «Schiwoff-Affäre» allerdings Max Arnold hatte 1956/57 mit bürgerlichen und verbandsinternen Eiferern zu kämpfen. noch nicht absehbar. Auf einem der Höhepunkte des Kalten Kriegs – die blutige Niederschlagung des Ungarnaufstands durch sowjetische Truppen im Herbst 1956 stiess auch in der Schweiz auf breite Empörung – geriet der VPOD wochenlang in die Schlagzeilen der ihm ohnehin nicht freundlich gesinnten bürgerlichen Medien. Dabei ging es nicht allein – und nicht einmal in erster Linie – um Schiwoff: «‹Affäre Schiwoff› wird zum ‹Fall Arnold›», titelte der freisinnige Bund Anfang 1957. Das Ganze wuchs sich aus zu einer regelrechten Hetzkampagne gegen den geschäftsleitenden VPOD-Sekretär und Zürcher SPNationalrat Max Arnold (1909–1998). Arnold war eine der markantesten Figuren der schweizerischen Gewerkschaftsbewegung der Nachkriegszeit. Auch in den von Wirtschaftsboom, Kaltem Krieg und Kompromisspolitik geprägten Nachkriegsjahren verstand Arnold die Gewerkschaften klar als Kampforganisationen, deren Ziel letztlich «eine neue Wirtschaftsordnung» sei, welche «die Ausbeutung der menschlichen Arbeitskraft beseitigt». Mit solchen Positionen eckte er auch in den eigenen Reihen an. So meinte der SGB Anfang Januar 1957 klarstellen zu müssen, dass Arnold allein für die 1955 erfolgte Anstellung Schiwoffs beim VPOD die Verantwortung trage – obschon der SGB zuvor den Druck von Schiwoffs Dissertation finanziell unterstützt hatte. Beschuss aus Basel Auch innerhalb des VPOD geriet Arnold unter Beschuss. An einer Verbandsvorstandssitzung im Januar 1957 beantragte die Sektion Basel nicht nur den Ausschluss von Schiwoff aus der Gewerkschaft (dieser war zuvor selbst als VPODSekretär zurückgetreten), sondern gleich auch die Absetzung Arnolds. Zwar wurde Schiwoff ausgeschlossen, aber dem geschäftsleitenden Sekretär Arnold sprach 16 Juni 2021 der Verbandsvorstand deutlich sein Vertrauen aus. Der Konflikt zwischen Arnold und der Sektion Basel schwelte bereits seit Jahren: Im Frühling 1952 hatte die SP Basel-Stadt im dortigen Grossen Rat unter der Parole «Die Söldner Stalins gehören nicht in den Staatsdienst» eine Motion eingereicht, die auf ein Berufsverbot für PdA-Mitglieder im öffentlichen Dienst abzielte. Der Basler VPOD unterstützte den Vorstoss und wurde dafür von Arnold gerügt. Fritz Blocher, Präsident des VPOD Basel und Oberrichter (ein Onkel zweiten Grades des bekannten SVP-Politikers), wurde danach zum Kopf einer eigentlichen Rechtsopposition im VPOD. So warf er Arnold vor, im Verbandsorgan Der öffentliche Dienst pro-kommunistische Beiträge zu publizieren. Ins Visier geriet dabei etwa ein vom Zürcher Berufsschullehrer Ignaz Gold verfasster Nachruf auf Bertolt Brecht. Ebenfalls angeprangert wurde ein Artikel zu technischen Fortschritten in der Sowjetunion, der mit «tm.» gezeichnet war. Ironischerweise verbarg sich hinter dem Kürzel ausgerechnet Robert Grimm, der, wie er selbst klarstellte, «schon vor vielen Jahren, als es noch recht unpopulär gewesen ist, gegen die bolschewistischen Methoden angekämpft» habe. Diese Replik war an den Basler VPODSekretär Helmut Hubacher adressiert; Grimm betonte, er habe seine «Meinung nicht geändert, wie so viele andere» – eine Anspielung auf Hubachers politischen Lehrmeister Fritz Schneider, der einst selbst der KPS angehört hatte, 1952 aber den genannten antikommunistischen Vorstoss im Grossen Rat von Basel-Stadt lanciert hatte. Die traurige Affäre zeigt: Auch auf sozialdemokratischer Seite griff man in jenen Jahren im Bruderkampf der Arbeiterbewegung bisweilen zu sehr fragwürdigen Methoden.