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125 Jahre SP Bern-Süd

2019, Links Regiobern

Regiobern 125 Jahre SP Bern-Süd Dieses Jahr feiert die SP-Sektion Bern-Süd ihr 125-jähriges Jubiläum. Ein Blick in die frühe Geschichte der Sektion zeigt auch, wie sich der Stadtteil Mattenhof-Weissenbühl damals entwickelt hat. Adrian Zimmermann, Historiker, Präsident SP Bern Süd 2005–2009 Im Restaurant «Zum Schlössli» an der Effingerstrasse (später «Victoriahall», heute «Maharadja Palace») fand am 8. Oktober 1894 die Gründungsversammlung des «Sozialdemokratischen Vereins Mattenhof-WeissenbühlLinde» statt. Die Versammlung eröffnete Nikolaus Wassilieff (1857–1920), einer der wichtigsten Pioniere der Berner Arbeiterbewegung. Der aus Russland stammende Arzt war seit 1890 städtischer Arbeitersekretär. Seine Präsenz zeigt, dass die Initiative für die Gründung neuer Quartiersektionen – gleichzeitig entstand auch die Sektion Länggasse, schon länger bestanden Sektionen in der Lorraine und der Matte – von der Arbeiterunion ausging. Über diese 1890 gegründete und 1932 in den städtischen Gewerkschaftsbund und die sozialdemokratische Stadtpartei aufgeteilte Dachorganisation waren Gewerkschafts- und Parteiarbeit eng verbunden. Oder wie in einem Bericht über eine Versammlung der neuen Sektion einige Monate später in der «Berner Tagwacht» zu lesen war: «Jeder Arbeiter gleichzeitig im Fachverein seines Berufes und im politischen Verein 1890 empty text seines Quartiers das ist das Ziel unserer Organisation!» Die NZZ behauptete kürzlich, Bern sei heute die «linkeste Grossstadt» der Schweiz. Das sei überraschend, weil Bern kaum je eine «klassische Arbeiterschaft (…) beherbergt» habe. Wie schon ein oberflächlicher Blick auf die Geschichte der Bundesstadt zeigt, ist dies schlicht falsch: Die Arbeiterschaft war in der Stadt Bern mindestens ebenso verankert wie in den anderen städtischen Zentren des Landes, und die Sozialdemokratie als bis heute mit Abstand stärkste linke Kraft entstand hier genauso wie anderswo als politisches Sprachrohr dieser Klasse. Bern wurde um die Jahrhundertwende zu einem Industrieund Dienstleistungszentrum, dessen Bevölkerung rasant wuchs. Zwischen 1880 und 1910 verdoppelte sich die Einwohnerzahl von 44 087 auf 90 937 Köpfe. Die neuentstandenen Aussenquartiere waren zugleich Wohnund Arbeitsorte und in der Regel stark von der Industriearbeiterschaft geprägt. Das galt auch für das Südquartier. Zwischen 1884 und 1900 liessen sich hier grössere Fabriken wie der Telekommunikationsgerätehersteller Hasler, der Liftbauer Emch, die Parkettfabrik Rüfli, die Nahrungsmittelfabrik Wander und die Strickerei Ryff nieder. Dazu kamen mit dem Tramdepot Eigerplatz und dem Gaswerk städtische sowie mit der Konsumbäckerei und der Unionsdruckerei von der Arbeiterbewegung selbst geschaffene genossenschaftliche Betriebe. Neue Verkehrsnetze verbanden die neuen Quartiere untereinander und mit LINKS 183∙ 2019 15 dem Stadtzentrum: 1894 – im Entstehungsjahr der SP-Sektionen in der Länggasse und im Mattenhof – nahm auch die zweite Berner Tramlinie Länggasse – Bahnhof – Eigerplatz – Weissenbühl – Wabern ihren Betrieb auf. In ihrem von der Arbeiterschaft geprägten Quartier gewann die neue Parteisektion rasch Mitglieder. Zudem entstanden in ihrem ursprünglichen Einzugsgebiet mit den Arbeitervereinen Holligen-Linde (1897) und Schönau (1901) zwei weitere Sektionen. Während der AV Schönau nur kurzlebig war und 1916 wieder in der nun in «Sozialdemokratische Partei Bern-Südquartier» umbenannten Muttersektion aufging, besteht die SP Holligen bis heute. Nach einer grossen Beitrittswelle in den Jahren rund um den Landesstreik von 1918 zählte die SP Bern-Süd noch jahrzehntelang weit über 500 Mitglieder. Erst als im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts das traditionelle Arbeitermilieu an Bedeutung verlor, begann sie stark zu schrumpfen. Hoffnungsvoll stimmt, dass in den letzten Jahren wieder ein leicht positiver Trend zu verzeichnen ist. Mitgliederentwicklung der SP Bern-Süd Jahr Mitglieder 1911 160 1921 655 1961 566 1971 520 1981 295 1991 172 2001 161 2011 183 2019 184 1900 empty text Der heutige Stadtteil III in den Jahren 1890 und 1900. Die Entstehung von Quartiersektionen stand im Kontext eines rasanten Wachstums der Stadt Bern. Bild: Swisstopo Eröffnete die Gründungsversammlung und hielt das Hauptreferat: Arbeitersekretär Bild: Berner Tagwacht, 29.4.1893 Nikolaus Wassilieff