Gregor Geiger
Die Revision der Einheitsübersetzung:
Eine kritische Würdigung
„Herr, dein Wort bleibt auf ewig, es steht fest wie der Himmel.“ Wem die
Psalmen nach der Einheitsübersetzung von 1980 geläufig sind, der kennt Ps
119,89 in diesem Wortlaut. Schlägt man denselben Psalmvers in der Neuausgabe der Einheitsübersetzung (erschienen Ende 2016)1 auf, liest man dort: „O
HERR, in Ewigkeit * steht aufrecht dein Wort am Himmel.“ Eine ungewohnte,
ָ ְ ְלע וֹ ָ ֥לם י. Steht auch
aber treuere Widergabe des hebräischen הו֑ה ְ ֝דּ ָב ְר ָ֗ נִ ָ ֥צּב ַבּ ָשּׁ ָ ֽמיִ ם׃
des HERREN Wort am Himmel aufrecht, so sind doch die Sprachen und Gedanken der Menschen, an die dieses Wort gerichtet ist, Veränderungen unterworfen. Und natürlich trägt auch die Erforschung des biblischen Textes, der biblischen Sprachen und der biblischen Umwelt Früchte, so daß eine Überarbeitung
der Einheitsübersetzung nach über 35 Jahren sinnvoll ist.
Wem, wie dem Autor dieser Zeilen, die Einheitsübersetzung von Kindheit
an aus Spiritualität, Liturgie und Studium vertraut ist, der mag bei dem Gedanken an eine Neufassung zunächst erschrecken. Wer sich dagegen mit der Bibel
nicht nur in Übersetzung, sondern auch in den biblischen Sprachen Hebräisch
und Griechisch, beschäftigt, der wird eine solche begrüßen. Mein Eindruck ist,
es wurden in weiten Teilen der Bibel keine umwälzenden und vor allem keine
sinnlosen Veränderungen vorgenommen, sondern hier und da meist sinnvolle Verbesserungen. An einigen Stellen ist die Sprache „biblischer“ geworden
und dadurch weniger flüssig. Größere Umwälzungen gibt es dagegen in den
Psalmen.
Viele, aber nicht zu viele, Stellen wurden umformuliert, so daß man im allgemeinen nicht den Eindruck hat, eine ganz neue, ungewohnte Übersetzung
vor sich zu haben. Manche liebgewordenen oder sprichwörtlichen Formulierungen gab es ja schon in der bisherigen Fassung nicht mehr, wie den „Schächer“ am Kreuz (z. B. Lk 23,39, alt wie neu: „Verbrecher“) oder das „Scherflein“ der Witwe (Mt 5,25, alt wie neu: „Pfennig“), andere sind zurückgekehrt
(z. B. Mt 5,15 alt: „Man zündet auch nicht ein Licht an und stülpt ein Gefäß
1
„Die Bibel: Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift: Gesamtausgabe“, Stuttgart: Katholische Bibelanstalt, Katholisches Bibelwerk 2016. Inzwischen (September 2017) ist ein Neudruck
erschienen, der mir nicht zugänglich ist.
Liber Annuus 67 (2017) 299-327
1
300
Gregor Geiger
darüber“, neu: „Man zündet auch nicht eine Leuchte an und stellt sie unter den
Scheffel“; Lk 4,4 alt: „Der Mensch lebt nicht nur von Brot“, neu: „Der Mensch
lebt nicht vom Brot allein“). An einigen Stellen ist die Neufassung näher an
der Sprache der katholischen Liturgie (z. B. Lk 1,38 alt: „Da sagte Maria: Ich
bin die Magd des Herrn“, neu: „Da sagte Maria: Siehe, ich bin die Magd des
Herrn“; Lk 2,14 alt: „Verherrlicht ist Gott in der Höhe“, neu: „Ehre sei Gott in
der Höhe“; Lk 7,6-7 alt: „Denn ich bin es nicht wert, daß du mein Haus betrittst […]. Sprich nur ein Wort, dann muß mein Diener gesund werden“, neu:
„Denn ich bin es nicht wert, dass du unter mein Dach einkehrst […]. Aber
sprich nur ein Wort, dann wird mein Diener gesund“). Magnificat, Benedictus
und Nunc dimittis sind unverändert; für das Vater unser (Mt 6,9-13) gibt es,
wie bisher, eine Übersetzung im Fließtext, eine weitere, ökumenische, für die
Liturgie, in einer Fußnote.
Dieser Rezensionsartikel erhebt nicht den Anspruch, eine vollständige Bewertung der immensen Arbeit vorzulegen, die eine solche Neuausgabe bedeutet hat. Er macht einige allgemeine und eine Reihe spezifischer Bemerkungen,
die mir bei der Beschäftigung mit ihr aufgefallen sind. Ich beschränke mich
auf Bemerkungen zum Text; auf die Einleitungen zu den Büchern, die Zwischenüberschriften, die zahlreichen Querverweise, die (relativ wenigen) erklärenden Fußnoten oder die Anhänge gehe ich nicht ein.
1. Wiedergabe des Gottesnamens
Der alttestamentliche Gottesname יהוה, der nach jüdischer Überlieferung
nicht als solcher ausgesprochen wird, war in der bisherigen Einheitsübersetzung bald mit „der Herr“ (z. B. Ex 15,3), bald mit „Jahwe“ (z. B. ebenfalls Ex
15,3) wiedergegeben worden. Die Neufassung schreibt stattdessen „der HERR“,
bisweilen nur „HERR“ (beides z. B. in Ex 15,3). Diese Wiedergabe, die im
deutschsprachigen Bereich bereits aus der Lutherbibel geläufig ist, ist aus mehreren Gründen zu begrüßen: Sie entspricht der jüdisch-hebräischen Aussprachetradition des Gottesnamens als ( ֲאד ֹנָ יwörtlich: „meine Herren“). Sie gibt die
hebräische Bezeichnung einheitlich wieder. Sie vermeidet manche Eigentümlichkeiten im mündlichen Vortrag, die bisher bisweilen zu hören sind, da ein
silbenschließendes h im deutschen Lautsystem nicht vorkommt. Sie steht im
Einklang mit der kirchlichen Tradition: Das griechische Neue Testament gibt
den Gottesnamen in Zitaten aus dem Alten Testament, wie die LXX, als
κ , „Herr“, wieder (z. B. Lk 4,19, Zitat aus Jes 61,2); die Vulgata übertrug
ihn in der Regel mit
, an einigen Stellen umschrieb sie ihn (z. B.
nipotens, Ex 15,3). Sie ist von der Kongregation für den Gottesdienst und die
2
Die Revision der Einheitsübersetzung: Eine kritische Würdigung
301
Sakramentenordung gefordert.2 Nicht zuletzt ist sie aus
und
Gründen zu begrüßen, steht sie doch im Einklang mit jüdischer
und lutherischer Tradition.
Wo im hebräischen Alten Testament der Gottesname neben dem Wort ֲאד ֹנָ י
steht, sieht die jüdisch-hebräische Aussprachetradition vor, diesen als ֹהים
ִ ֱא,
„Gott“, auszusprechen. Auch darin folgt ihr die Neufassung und schreibt
„GOTT“, worin sie sich von der lutherischen Tradition unterscheidet. ֲאד ֹנָ י יְ הוִ הist
also als „Herr und GOTT“ übertragen (z. B. Dtn 3,24). Woher das „und“ kommt,
ist mir nicht klar; möglicherweise soll so der Anklang an das umgangssprachliche „Herrgott“ vermieden werden.
2. Brüder und Söhne
In den letzten Jahrzehnten ist im deutschen Sprachraum eine geschlechtsinklusive Sprache stark ins Bewußtsein gerückt. Diesem Anliegen trägt die
Neufassung in m. E. gelungener Weise Rechnung, ohne zu übertreiben: Es finden sich kein großes Binnen-I und keine umständlichen Doppeltnennungen.
Werden in den paulinischen Briefen die Adressaten angeredet, ist das Wort
verwendet. Dies ist der Plural von ἀδελφός, „Bruder“, und wurde in
der bisherigen Fassung auch so übersetzt: „Brüder“ (z. B. Röm 1,13), wogegen
die Neufassung meistens „Brüder und Schwestern“ schreibt. Diese Veränderung trägt der Tatsache Rechnung, daß im Griechischen, wie auch beispielsweise in den romanischen Sprachen, der Plural vom (männlichen) „Bruder“
sowohl (männliche) „Brüder“ meinen kann als auch Personen beiderlei Geschlechts, also „Geschwister“ (es gibt in den genannten Sprachen kein eigenes
Wort dafür) oder eben „Brüder und Schwestern“. Es ist Geschmacksache, ob
man für die Wiedergabe von ἀδελφοί „Geschwister“, „Brüder und Schwestern“ oder „Schwestern und Brüder“ wählt. Das Wortpaar der Neufassung
suggeriert, daß im griechischen Text auch die Schwestern genannt seien, was
sie aber nicht ausdrücklich sind. Freilich, eine Anrede mit „Geschwister“ ist
im Deutschen nicht üblich. Trotzdem hätte ich sie dem Wortpaar vorgezogen,
schließlich hat die Neufassung auch sonst den Mut zu „biblischerer“ Sprache,
auch wenn sie deutschem Sprachempfinden ungewohnt ist.
Vergleichbar ist der Plural von ֵבּןund υἱός. Beides bedeutet „Sohn“; der
Plural wird sowohl im Hebräischen als auch im Griechischen auch für Personen beiderlei Geschlechts verwendet, wofür es im Deutschen das Wort
„Kinder“ gibt (z. B. Dtn 6,7 alt: „Du sollst sie deinen Söhnen wiederholen“,
neu: „Du sollst sie deinen Kindern wiederholen“; Mt 5,9 alt: „denn sie werden
2
Brief von Kard. F. Arinze an die Bischofskonferenzen, “On ‘The Name of God’ ”, vom
29. 6. 2008.
3
302
Gregor Geiger
Gottes genannt werden“, neu: „denn sie werden Kinder Gottes genannt
werden“).
3. Stilistische Veränderungen
Unvermeidlich war wohl die Umstellung auf die neue deutsche Rechtschreibung, die auch schon in den jüngeren Ausgaben der bisherigen Einheitsübersetzung oder in online-Ausgaben wie der des Katholischen Bibelwerks3
verwendet wurde.
In der bisherigen Fassung war der erste Bestandteil des Wortes „Hoherpriester“ flektiert, die Neufassung hat stets „Hohepriester“ (z. B. Lk 24,20 alt:
„Doch unsere Hohenpriester“, neu: „Doch unsere Hohepriester“). Das mag
durch die neuen Rechtschreibungsregeln begründet sein, wonach „bei Beugung des ersten Bestandteils getrennt geschrieben“4 werde. Für mich klingt das
ungewohnt, um nicht zu sagen falsch.
Die Pronomina „jemand“ und „niemand“ waren in der bisherigen Fassung
unflektiert, die neue beugt sie meistens (z. B. Lk 19,8 alt: „wenn ich von jemand zu viel gefordert habe“, neu: „wenn ich von jemandem zu viel gefordert
habe“; Mt 16,20 alt: „Dann befahl er den Jüngern, niemand zu sagen, daß er
der Messias sei“, neu: „Dann befahl er den Jüngern, niemandem zu sagen, dass
er der Christus sei“; dagegen „Wenn du jemand begegnest“ (2 Kön 4,29, alt
wie neu). Die flektierten Formen der Neufassung entsprechen m. E. besser der
angestrebten „gehobene[n] Gegenwartssprache“.5
Manche sprachliche Glättung wurde zurückgenommen:
Die bisherige Fassung hatte die Tendenz, kurze parataktische Satzpaare zusammenzuziehen, die neue übersetzt wörtlicher (z. B. 1 Kön 21,19 alt: „Durch
einen Mord bist du Erbe geworden?“, neu: „Hast du gemordet und auch in Besitz genommen?“; Mt 27,19 alt: „ließ ihm seine Frau sagen“, neu: „sandte seine Frau zu ihm und ließ ihm sagen“; Joh 19,1 alt: „Darauf ließ Pilatus Jesus
geißeln“, neu: „Darauf nahm Pilatus Jesus und ließ ihn geißeln“).
Die Wörter ִהנֵּ הund ἰδοὺ (beide: „siehe“) sind in der biblischen Sprache
sehr häufig. Die bisherige Fassung hat sie oft ausgelassen, in die Neufassung
sind sie zurückgekehrt (z. B. Gen 37,15 alt: „Ein Mann traf ihn, wie er auf dem
Feld umherirrte“, neu: „Ein Mann traf ihn und siehe, Josef irrte auf dem Feld
umher; Lk 1,38 alt: „Da sagte Maria: Ich bin die Magd des Herrn“, neu: „Da
3
https://www.bibelwerk.de/shop/erweiterte_suche/einheitsuebersetzung
Ich konnte in letzter Zeit (Anfang Januar 2018) diesen elektronischen Text nicht mehr aufrufen. Ob es sich dabei um ein technisches Problem handelt oder ob er aus dem Netz genommen
wurde (evtl. um der Neufassung Platz zu machen?), entzieht sich meiner Kenntnis.
4
So der Duden von 2011.
5
Anhang, S. 1449.
4
Die Revision der Einheitsübersetzung: Eine kritische Würdigung
303
sagte Maria: Siehe, ich bin die Magd des Herrn“; Joh 4,35 alt: „Ich aber sage
euch“, neu: „Sieh [!, nicht „siehe“], ich sage euch“).
es war“) und καὶ ἐγένετο
es
Oft finden sich in der Bibel וַ יְ ִהי
wurde“). Beide Ausdrücke sind typisch für erzählende Texte. Der griechische
Ausdruck, der im außerbiblischen Griechisch selten ist, scheint von der Sprache des Alten Testaments beeinflußt; offenbar haben einige der neutestamentlichen Autoren (v. a. Lukas, aber auch Matthäus, Markus, die Apostelgeschichte
und die Offenbarung, nicht dagegen das Johannesevangelium) damit einen „biblischen“ Schreibstil gewählt. Die Neufassung übergeht meistens, wie schon
die bisherige, das hebräische Wort (z. B. Gen 4,3; 6,1), übersetzt aber häufig
das neutestamentliche (z. B. Lk 1,59 alt: „Am achten Tag“, neu: „Und es geschah: Am achten Tag“; Apg 9,37 alt: „In jenen Tagen aber“, neu: „Es geschah
aber: In jenen Tagen“).
Im hebräischen Alten Testamenten ist bei Dialogen eine jeweils neue direkֶ ֹ וַ יּ, „und er sagte“, eingeleitet. Wer spricht, geht
te Rede häufig nur durch אמר
aus dem Kontext hervor und braucht nicht eigens zu erwähnt werden. Die
Neufassung folgt der Vorlage darin, z. B. Gen 32,27-29 alt: „Der Mann sagte:
Laß mich los; denn die Morgenröte ist aufgestiegen. Jakob aber entgegnete:
Ich lasse dich nicht los, wenn du mich nicht segnest. Jener fragte: Wie heißt
du? Jakob, antwortete er. Da sprach der Mann: Nicht mehr Jakob wird man
dich nennen, sondern Israel (Gottesstreiter)“, neu: „Er sagte: Lass mich los;
denn die Morgenröte ist aufgestiegen. Er entgegnete: Ich lasse dich nicht los,
wenn du mich nicht segnest. Er fragte ihn: Wie ist dein Name? Jakob, antwortete er. Er sagte: Nicht mehr Jakob wird man dich nennen, sondern Israel –
ֶ ֹ וַ יּmit unterschiedlichen deutschen
Gottesstreiter“. – Zur Wiedergabe von אמר
Verben s. u., 12.
Die bisherige Fassung hatte die Tendenz, bei sich wiederholenden gleichen
Ausdrücken in der Übersetzung zu variieren. Die Neufassung bleibt wörtlicher, z. B. 1 Makk 2,2-5 alt: „Johanan, den man auch Gaddi nannte, Simeon
mit dem Beinamen Tassi, Judas, der als der Makkabäer bekannt wurde, Eleasar, dem man den Namen Awaran gab, und Jonatan, der auch Apphus hieß“,
neu: „Johanan mit dem Beinamen Gaddi, Simeon mit dem Beinamen Tassi,
Judas mit dem Beinamen Makkabäer, Eleasar mit dem Beinamen Awaran und
Jonatan mit dem Beinamen Apphus“. Allerdings ist man hier mit der Angleichung weiter gegangen als der griechische Text. Beim ersten der Brüder, Johanan, steht ὁ ἐπικαλούμενος, was passend mit „mit dem Beinamen“ übersetzt
ist. Bei den anderen vieren heißt es dagegen ὁ καλούμενος, was genauer mit
„der … genannte“ wiedergegeben worden wäre.
Das Ausrufezeichen nach Imperativsätzen ist konsequenter gesetzt (z.B. Mt
14,28).
Weitere rein stilistische Veränderungen fin
den sich nur vereinzelt. Einige
davon gehen in die Richtung der gehobenen Gegenwartssprache (z. B. Mk 2,17
5
304
Gregor Geiger
alt: „Nicht die Gesunden brauchen den Arzt, sondern die Kranken“, neu:
„Nicht die Gesunden bedürfen des Arztes, sondern die Kranken“; Lk 23,25 alt:
„wegen Aufruhr und Mord“, neu: „wegen Aufruhrs und Mordes“; Joh 19,23
alt: „von oben her ganz durchgewebt“, neu: „von oben ganz durchgewoben“).
In einigen Fällen wurde die Wortstellung verändert oder sind Genitivverbindungen unterschiedlich wiedergegeben (z. B. Gen 18,22 alt: „Die Männer
wandten sich von dort ab“, neu: „Die Männer wandten sich ab von dort“; Gen
18,2 alt: „vom Zelteingang aus“, neu: „vom Eingang des Zeltes aus“). Wodurch diese Veränderungen begründet sind, ist mir nicht klar.
4. Namen
Bei der Umschrift von Namen gibt es, wohl auch aus ökumenischen Gründen, wenige Veränderungen.
Das griechische Κ (kappa) vor offenem Vokal (in der Vulgata ist dieser
Konsonant als C wiedergegeben, das in der deutschen Aussprachtradition des
Lateinischen als z ausgesprochen wird), war bisher teils mit , teils mit Z wiedergegeben, die Neufassung schreibt meistens , z. B. „Kephas“ (Joh 1,42, alt
wie neu); „Kenchreä“ (Röm 16,1, alt wie neu); „Kyrene“ (Mk 15,21 neu; alt:
„Zyrene“), „Kyrenäer“ (Apg 6,9 neu; alt: „Zyrenäer)“; „Kilikien“ (Apg 6,9
neu; alt: „Zilizien“). Dagegen ist die Schreibung „Zypern“ beibehalten (z. B.
Apg 11,20 alt: „Zypern und Zyrene“, neu: „Zypern und Kyrene“).
Eine weitere Veränderung ist der Name des Festes ( ֶפּ ַסחz. B. Ex 12,43). Anstelle vom bisherigen „Pascha“ liest man jetzt „Pessach“. Diese Schreibung ist
näher an der hebräischen Form, während das bisherige „Pascha“ näher an der
aramäischen oder der aus dieser entlehnten griechischen Form war. Außerdem
hat die Neufassung den Vorteil, daß sie beim Vortrag durch weniger geschulte
Lektoren die Aussprache der beiden Konsonanten s und ch als sch (trotz Fußnote in Lektionaren) vermeidet, was sich dann eher als türkischer Beamtentitel
denn als jüdisches Fest anhörte. Woher allerdings das Doppel-s in „Pessach“
stammt, ist mir nicht klar. Innervokalisches stimmloses s nach kurzem Vokal
wird zwar im Deutschen in der Regel mit Doppel-s geschrieben, allerdings
sonst nicht in biblischen Namen, in denen dieser Konsonant im Hebräischen
nicht verdoppelt ist (z. B. „Hasadja und Juschab-Hesed“, 1 Chr 3,20, alt wie
neu).
Mehr Veränderungen gibt es dagegen bei Namen, die ins Deutsche übersetzt sind. An einigen Stellen übersetzt die Neufassung nicht mehr, sondern
gibt die hebräische oder griechische Form wieder, z. B. „El Schaddai“ (Gen
35,11; 49,25; alt: „Gott, der Allmächtige“ – nicht dagegen in Num 24,4, alt
wie neu: „des Allmächtigen“); „Zinnor“ (2 Sam 5,8; alt: „Schacht“); „Du bist
der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes!“ (Mt 16,16; alt: „Du bist der
6
Die Revision der Einheitsübersetzung: Eine kritische Würdigung
305
Messias, der Sohn des lebendigen Gottes!“,
z. B. in Lk 24,26, nicht daχριστέ).
Die
der
Selbstvorstellung im brennenden Dornein;
busch
3,14: „ )“ ֶא ְהיֶ ה ֲא ֶשׁר ֶא ְהיֶ הgreift nicht mehr deutend in den
alt: „Ich bin der ,Ich-bin-da‘
Der ,Ich-bin-da‘ hat mich zu euch gesandt“,
Der hebräische Ausdruck יְ הוָ ה ְצ ָבא וֹתbedeutet „Heere-HERR“, in geläufigerem Deutsch „HERR der Heere“, unter Hinzufügung des Artikels, den es in der
hebräischen Vorlage nicht gibt. Die letztere Formulierung war, abgesehen von
den Kapitälchen, die der bisherigen Fassung. Analog ist die erweiterte Form
ֹהי ְצ ָבא וֹת
ֵ יְ הוָ ה ֱא, „Herr, Heere-GOTT“. Die Neufassung ersetzt dagegen in diesen
Ausdrücken das Wort „Heere“ durch „Heerscharen“ (z.B. Mal 1,10 alt: „der
Herr der Heere“, neu: „der HERR der Heerscharen“; Jer, 5,14 alt: „der Herr, der
Gott der Heere“, neu: „der HERR, der Gott der Heerscharen“). Außerhalb dieses
Titels übersetzen beide Fassungen den Plural ְצ ָבא וֹתals „Scharen“ (z. B. Ex
12,41, alt wie neu), als „Heer“ (z. B. Num 10,22, alt wie neu), oder als „Heeresverbände“ (z. B. Num 1,3, alt wie neu). Dazu kommen weitere Wiedergaben
für den Singular (z. B. 2 Sam 3,23, alt wie neu: „Mannschaft“). Die Neufassung hat also die verschiedenen Widergaben des Wortes noch vermehrt. Dies
widerspricht dem Prinzip der „konkordanten Übersetzung“, das die Neufassung als Übersetzungsgrundlage anführt.6 Mag sein, daß die Neufassung einen
militant klingenden Gottestitel vermeiden wollte, aber es ist nicht Aufgabe einer treuen Übersetzung, Anstößiges abzumildern7 (in der Regel hat die Neufassung eher die Tendenz, solche Abmilderungen aus der bisherigen Version
rückgängig zu machen).
6
Anhang, S. 1450: „Häufig verwendete biblische Begriffe hat die Revision, nach Möglichkeit und unter Berücksichtigung der wechselnden Kontexte, auch tatsächlich gleichlautend
(„konkordant“) übersetzt.“
7
Vgl. das nachsynodale apostolische Schreiben „Verbum Domini“ von Papst Benedikt XVI
vom 30. September 2010 (Abschnitt 42): „Im Zusammenhang mit der Beziehung zwischen dem
Alten und dem Neuen Testament hat sich die Synode auch mit dem Thema der Bibelstellen auseinandergesetzt, die aufgrund der darin gelegentlich enthaltenen Gewalt und Unsittlichkeit dunkel und schwierig erscheinen. Diesbezüglich muß man sich vor Augen führen, daß die biblische
Offenbarung tief in der Geschichte verwurzelt ist. Der Plan Gottes wird darin allmählich offenbar und wird erst langsam etappenweise umgesetzt, trotz des Widerstands der Menschen. Gott
erwählt ein Volk und erzieht es mit Geduld. Die Offenbarung paßt sich dem kulturellen und sittlichen Niveau weit zurückliegender Zeiten an und berichtet daher von Tatsachen und Bräuchen
wie zum Beispiel Betrugsmanövern, Gewalttaten, Völkermord, ohne deren Unsittlichkeit ausdrücklich anzuprangern. Das läßt sich aus dem historischen Umfeld heraus erklären, kann jedoch den modernen Leser überraschen, vor allem dann, wenn man die vielen »dunklen« Seiten
menschlichen Verhaltens vergißt, die es in allen Jahrhunderten immer gegeben hat, auch in unseren Tagen. Im Alten Testament erheben die Propheten kraftvoll ihre Stimme gegen jede Art
von kollektiver oder individueller Ungerechtigkeit und Gewalt. Dadurch erzieht Gott sein Volk
in Vorbereitung auf das Evangelium. Es wäre daher falsch, jene Abschnitte der Schrift, die uns
problematisch erscheinen, nicht zu berücksichtigen.“
7
306
Gregor Geiger
Das
Gen 14,17 alt) heißt in der revidierten Fassung
ְ) ֵע ֶמק ַה ֶמּ ֶל. Die Wiedergabe mit Artikel entspricht zwar
des
eher der hebräischen Namensform, dann hätte man aber „das
des
„das
schreiben müssen. In 2 Sam 18,18 steht in der alten wie
in der neuen Fassung „Königstal“ zur Wiedergabe desselben hebräischen Namens. Wenn man schon umformuliert, hätte man es wenigstens konsequent
machen sollen.
Dasselbe Problem der inkonsequenten Wiedergabe gibt es auch bei der
„Walkerfeldstraße“ (so Jes 7,3 alt), die dort jetzt, weniger wörtlich, „Straße am
Walkerfeld“ heißt (hebr. ) ְמ ִס ַלּת ְשׂ ֵדה כ ֵוֹבס. In 2 Kön 18,17 steht weiterhin
„Walkerfeldstraße“.
( ַמ ֲע ֵלה ַע ְק ַר ִבּיםz. B. Num 34,4) ist jetzt nicht mehr als „Skorpionenpaß“, sondern als „Skorpionensteige“ übertragen, was lexikalisch wie geographisch
richtiger ist.
Deutend greift dagegen die Wiedergabe von ( יַם־סוּףz. B. Num 21,4, 1 Kön
9,26) in den Text ein. In der bisherigen Version war der Name wörtlich als
„Schilfmeer“ übertragen, die Revision deutet ihn als „Rotes Meer“.
Bei Eigennamen, die auch eine wörtliche Bedeutung haben, die für den
Textzusammenhang relevant ist, steht häufig, wie bisher, nach der Wiedergabe
des Namens deren Übersetzung (zur veränderten Zeichensetzung s. u., 5). Vereinzelt wurden solche Zusätze neu hinzugefügt, z. B. „eine Jüngerin namens
Tabita, das heißt übersetzt: Gazelle“, Apg 9,36 alt; neu: „eine Jüngerin namens
Tabita, das heißt übersetzt: Dorkas – Gazelle“; an einigen Stellen werden sie
jetzt weggelassen, z. B. „Immanuel (Gott mit uns)“, Jes 7,14 alt; neu nur noch:
„Immanuel“.
Röm 16,7 alt: „Junias“, neu: „Junia“: Hier handelt es sich nicht um eine orthographische Änderung, sondern eine Uminterpretation des Geschlechts einer
Person, die „unter den Aposteln“ herausragt. Die griechische Form Ιουνιαν
(Akkusativ) ist ohne die Akzente, die sich in den ältesten Handschriften nicht
finden (und die im kritischen Apparat von Nestle-Aland keine Beachtung finden), zweideutig. Ἰουνιᾶν (so Nestle-Aland28) ist der Akkusativ eines sonst
nirgends belegten männlichen Namens Ἰουνιᾶς; seit dem 13. Jh. ist diese
Deutung in der Westkirche üblich und war in die bisherige Fassung übernommen. Ἰουνίαν ist der Akkusativ eines auch außerbiblisch belegten weiblichen
Namens Ἰουνία; diese Deutung ist die der Kirchenväter, der ostkirchlichen
Tradition und auch der Neufassung.
Zwei m. E. fragwürdige Übersetzungstechniken bei Namen wurden beibehalten:
Zum einen wird ein identischer Name, der verschiedene Personen bezeichnet, zuweilen unterschiedlich wiedergegeben, wie „Ismael“, der Sohn Abrahams (z. B. Gen 16,15), dagegen „Jischmael“ für die fünf weiteren alttestamentlichen Träger des Namens ( יִ ְשׁ ָמ ֵעאלz. B. 2 Kön 25,23), oder „Sacharja“
Die Revision der Einheitsübersetzung: Eine kritische Würdigung
307
)זְ ַכ ְריָ ה, der Sohn Berechjas
B. Sach 1,1), dagegen „Secharja“, der Sohn Jerobeams B. 2
oder „Secharja“, der Sohn Jojadas Chr 24,20);
noch einmal anders: „Zacharias,
Sohn“
23,35), was die griechische Form desselben Names Ζαχαρίας) wiedergibt. Letzteres Vorgehen, unterschiedliche Wiedergaben für hebräische und griechische Vorlagen, halte ich
für gerechtfertigt, auch wenn es die Bezüge zwischen Altem und Neuem Testament schwerer erkennen läßt. Ganz unvermeidlich ist dies wohl bei prominenten Namen wie Josua (hebr. יְ ה וֹ ֻשׁ ַע, LXX: Ἰησοῦς)/ Jesus (Ἰησοῦς) oder
oder
)/ Maria.
Mirjam (hebr. ִמ ְריָם, Vulgata:
Zum anderen sind vereinzelt unterschiedliche Namen der Vorlage gleich
wiedergegeben und suggerieren so eine beider, z. B. Emmaus
1 Makk 3,40 (griech. Αμμαους)/ Lk 24,13 (griech. Ἐμμαοῦς).
5. Klammern
Die Revision verzichtet fast ganz auf eingeklammerte Zusätze. Dies ist zu
begrüßen, da Klammern der Überlieferung des biblischen Textes und der antiken Übersetzungen fremd sind.
In der bisherigen Fassung waren Übersetzungen von Namen eingeklammert. In der Revision sind sie entweder mit Gedankenstrich abgehoben (z. B.
Gen 28,19 alt: „Bet-El (Gotteshaus)“, neu: „Bet-El – Haus Gottes“) oder durch
Komma abgetrennt (z. B. Gen 19,22 alt: „Zoar (Kleine)“, neu: „Zoar, die Kleine“. Auch hier wäre Einheitlichkeit wünschenswert gewesen.
In der bisherigen Version gab es nicht selten eingeklammerte erklärende
Zusätze, z. B. Mk 1,22 alt: „denn er lehrte sie wie einer, der (göttliche) Vollmacht hat“, in der Revision ohne diesen Zusatz. Das ist zu begrüßen, da Erklärungen in Kommentare oder Predigten oder in Fußnoten von Bibelausgaben
gehören, nicht aber in den biblischen Text.
In der Ausgabe von 1980 waren Textteile, die man nicht als Teil eines ursprünglichen Textes, sondern als spätere Zusätze ansah, in eckige Klammern
gesetzt, z. B. die Titel der Psalmen, der letzte Satz von Jes 6,13, Mk 16,9-20
oder Joh 7,53 – 8,11.8 Diese eckigen Klammern entfallen nun. Auch das halte
ich für eine Verbesserung. Textkritische Entscheidungen sind oft diskutabel
und können sich mit dem Fortgang der Forschung ändern. In den katholischen
liturgischen Büchern waren solche „Zusätze“, abgesehen von den Psalmenüberschriften, auch bisher enthalten, die katholische Liturgie sieht sie also als
8
Bei den beiden letzgenannten Stellen fehlte, zumindest in einigen Ausgaben der bisherigen
Fassung, die öffnende Klammer (z. B. in der Taschenausgabe, Stuttgart: Katholisches Bibelwerk
7
, Freiburg: Herder 1985), so daß nicht klar war,
1994, oder in der
was genau als Zusatz anzusehen war.
9
308
Gregor Geiger
kanonisch an. Und auch zu den Psalmenüberschriften gibt es innerbiblische
Bezüge (vgl. Apg 2,29.31 und Ps 16,1.10).
Dagegen ist, wie bisher, das unübersetzt gelassene „Sela“, ein musikalischer Begriff, dessen Bedeutung nicht sicher geklärt ist, in eckigen Klammern
eingeschlossen (z. B. Ps 24,6).
6. Übersetzung durch andere Begriffe
Häufig sind einzelne Begriffe durch mehr oder weniger synonyme Wörter
ersetzt. Dies ist vor allem dann zu begrüßen, wenn die Übersetzung dadurch
konkordanter (s. o., Anm. 6) ist. Dies umfassend zu überprüfen, würde den
Rahmen dieses Artikels sprengen, aber einige seien genannt.
ָא ָדםwird sowohl als Substantiv „Mensch“ als auch als Eigenname „Adam“
gebraucht. Hat dieses Wort den Artikel, so macht dieser deutlich, das es sich
um das Substantiv handelt und nicht um den Namen (der taucht in der Bibel
erstmals in Gen 4,25 auf). Entsprechend ist in Gen 4,1 übersetzt „Der Mensch
erkannte Eva“ (alt: „Adam erkannte Eva“).
ִמ ְשׁ ַכּןwar in der bisherigen Fassung mit „Wohnstätte“ übersetzt, wenn es
sich auf die Wohnung Gottes (das Bundeszelt oder den Tempel) bezog (z. B.
Ex 25,9), dagegen als „Wohnung“, wenn Menschen dort wohnen (z. B. Jer
9,18). Die Neufassung vereinheitlicht und schreibt „Wohnung“.
ְבּ ִריתwar bisher als „Bund“ wiedergegeben, wenn er zwischen Gott und
Menschen geschlossen wurde (z. B. Gen 6,18), Menschen untereinander dagegen schlossen einen „Vertrag“ (z. B. Jos 9,11). Die Neufassung schreibt auch
hier „Bund“.
Das Griechische unterscheidet, wie das Deutsche, aber im Gegensatz zu
den romanischen Sprachen, „Mann“ (ἀνήρ) und „Mensch“ (). Die
Neufassung folgt der Vorlage darin treuer als die bisherige und übersetzt
ἄνθρωπος als „Mensch“, auch wenn aus dem Kontext hervorgeht, daß es sich
dabei um einen männlichen Menschen handelt (z. B. Mk 1,23; 5,2.8).
Konsequent wurde das Prinzip nicht durchgehalten, auch dann nicht, wenn
es, ohne der deutschen Sprache oder dem Kontext Gewalt anzutun, möglich
gewesen wäre:
צֹאןheißt „Kleinvieh“, also Schafe und Ziegen. Es wird übersetzt mit
„Schaf“ (kollektiv) (z. B. Gen 4,2, alt wie neu), mit „Schafe“ (z. B. Gen 21,27,
alt wie neu), mit „Herde“ (z. B. Gen 4,4, alt wie neu) oder mit „Schafe und
Ziegen“ (z. B. Gen 12,16, alt wie neu). In Gen 37,12 steht in der Neufassung
„Schafe und Ziegen“, statt der bisherigen Übersetzung mit „ Vieh“. Man hätte
weiter vereinheitlichen können.
10
Die Revision der Einheitsübersetzung: Eine kritische Würdigung
Gen
alt: „am Rand seines Grundstücks“, neu: „am Rand seines Feldes“
(ähnlich in den Versen 11.13.17.20 desselben Kapitels). Die Übersetzung von
ָשׂ ֶדהmit „Feld“ ist wörtlicher. Unverständlich ist, warum in V. 19 das „Grundstück“ stehengeblieben ist.
Etwas ratlos läßt mich die Übertragung des griechischen Wortes γραφή,
wo es im Neuen Testament auf „die Schrift“, also auf unser Altes Testament,
Bezug nimmt. Auch wenn vereinzelte Stellen umformuliert wurden, bleibt die
Wiedergabe inkonsistent. Das griechische Wort wird in diesem Sinn sowohl
im Singular als auch im Plural verwendet. Die alte wie die neue Fassung übersetzen den Singular bald mit „Schriftwort“ (z. B. Joh 19,24.36.37), bald mit
„Schrift“ (z. B. Joh 19,28; 20,9). Der Plural ist in der alten Version meist mit
dem Singular „Schrift“ übersetzt (z. B. Mt 21,42; 22,29; 26,54, Mk 12,24;
14,49, Lk 24,27.32.45), vereinzelt mit „Schriften“ (z. B. Mt 26,56, Joh 5,39).
Die Neufassung ändert einige dieser Singulare in Plurale (Mt 26,54, Mk 14,49,
Lk 24,32.45), an anderen Stellen behält sie aber den Singular bei (Mt 21,42;
22,29, Mk 12,24, Lk 24,27). In halte diese Inkonsistenz für störend, gerade wenn verschiedene Wiedergaben nahe beieinanderliegen (wie in der Emmausperikope). M. E. wäre eine konsequente Wiedergabe des Singulars mit
„Schrift“ und des Plurals mit „Schriften“ problemlos möglich gewesen.
Ἐπίσκοπος heißt „Aufseher“, διάκονος „Helfer“ oder auch „Diener“.
Aus diesen Bezeichnungen haben sich die Amtsbezeichnungen „Bischof“ und
„Diakon“ entwickelt. Die bisherige Fassung übersetzte so in Apg 20,28 („Bischöfe“), Phil 1,1 („Bischöfe und Diakone“), 1 Tim 3,2 („Bischof“), 1 Tim
3,8.12 („Diakone“), Tit 1,7 („Bischof“) und 1 Petr 2,25 („Bischof“). Die Neufassung ändert in Apg 20,28 („Vorsteher“), Phil 1,1 („Vorsteher und Helfer“)
und 1 Petr 2,25 („Hüter“), sonst behält sie die Amtsbezeichnungen bei. Mag
sein, daß Einsichten der Forschung über die Ämter in den verschiedenen urchristlichen Gemeinden diese Übertragungen begründen; konkordant sind sie
nicht. In Röm 16,1 hätte man Phöbe, die „Dienerin (διάκονος) der Gemeinde
von Kenchreä“ (alt wie neu), wenn nicht zu einer „Diakonin“ oder „Diakonissin“, so doch wenigstens zu einer „Helferin“ machen können.
7. Einzelne wörtlichere Übersetzungen
Die Neufassung ist im allgemeinen wörtlicher. Deutende, umdeutende, erklärende oder wertende Umformulierungen oder das Auflösen von Bildern der
bisherigen Fassung sind häufig rückgängig gemacht worden. Einige Beispiele:
Gen 23,2 alt: „Kirjat-Arba, das jetzt Hebron heißt“, neu (wörtlicher): „Kirjat-Arba, das ist Hebron“. Unverständlich ist, warum in V. 19, in derselben hebräischen Konstruktion, nicht ebenfalls entsprechend geändert wurde: „Mamre, das jetzt Hebron heißt“ (alt wie neu).
11
310
Gregor Geiger
Gen 28,14 alt: „Du wirst dich unaufhaltsam ausbreiten“; in der Neufassung
ist „unaufhaltsam“ weggelassen, das sich auch im hebräischen
nicht
findet.
Gen 37,22 alt: „Er wollte ihn nämlich aus ihrer Hand retten“, neu
cher): „Das sagte er, um ihn aus ihrer Hand zu retten“.
alt: „Ein
Volk ist es“, neu: „und siehe, es ist ein hartְ ) ַעbleibt erhalten.
näckiges Volk“. Das Bild ם־ק ֵשׁה־ע ֶֹרף
alt: „Deine Knechte kommen aus einem weit entfernten Land, angeJos
zogen vom Ruhm des Herrn, deines Gottes“, neu: „Deine Knechte kommen
aus einem sehr weit entfernten Land, wegen des Namens des HERRN, deines
als auch die Umformulierung des
Gottes“. Sowohl das „sehr“ im ersten
zweiten Teils sind wörtlicher.
Jos
alt: „Doch das Gebiet wurde den Danitern zu eng“, neu: „Doch
das Gebiet ging den Danitern verloren“. Die Neufassung ist zwar nicht ganz
י־דן ֵמ ֶהם
ָ ֵבוּל־בּנ
ְ
ְוַ יֵּ ֵצא ג: „das Gebiet der
Kinder Dans ging von ihnen weg“), aber näher am hebräischen Text.
alt: „Samuel wuchs heran, und der Herr war mit ihm und ließ
1 Sam
keines von all seinen Worten unerfüllt“, neu: „Samuel wuchs heran und der
HERR war mit ihm und ließ keines von all seinen Worten zu Boden fallen“. Die
Neufassung ist wörtlicher und behält die bildhafte Sprache bei.
1Kön 18,26 alt: „den Altar, den sie gebaut hatten“, neu: „den Altar, den
man gemacht hatte“. Die Neufassung ist sowohl mit dem Verb „machen“ als
auch mit dem Singular wörtlicher.
1 Kön 21,10 alt: „Du hast Gott und den König gelästert“, neu: „Du hast
Gott und den König gesegnet“ (ähnlich Ij 1,5.11; !"#$%# Die Deutung oder
Vereinfachung des in diesem Kontext schwierigen Wortes ( ברך, „segnen“)
wurde zurückgenommen. Unverständlich ist dagegen, warum drei Verse später
(1 Kön 21,13) das Wort „lästern“ in gleichem Kontext und bei gleicher hebräischer Vorlage beibehalten ist.
1 Makk 2,16 alt: „Viele Männer aus Israel kamen zu ihnen“, neu: „Und viele aus Israel kamen zu ihnen“. Im griechischen Text findet sich kein Wort für
„Männer“.
Fortsetzung desselben Verses, alt: „auch Mattatias und seine Söhne mußten
erscheinen“, neu: „auch Mattatias und seine Söhne versammelten sich dort“.
Die &'()*(+,-./ ist wörtlicher, abgesehen vom Wort „dort“, das nicht in der
Vorlage steht.
1 Makk 2,24 alt: „er bebte vor Erregung“, neu: „seine Nieren erzitterten“.
Das Bild ist beibehalten.
1 Makk 10,61 alt: „Aber ehrlose Männer aus Israel, Verräter, traten gemeinsam auf“, neu (wörtlicher): „Aber ehrlose Männer aus Israel, Übertreter des
Gesetzes, traten gemeinsam gegen ihn auf“.
12
Die Revision der Einheitsübersetzung: Eine kritische Würdigung
311
Hld 4,12 alt: „Ein verschlossener Garten ist meine Schwester Braut, ein
verschlossener Garten“, neu: „Ein verschlossener Garten ist meine Schwester Braut, ein verschlossener Born“. Auch im Hebräischen stehen zwei verschiedene
für das Verschlossene, גַּ ןund גַּ ל. Die Wiedergabe des in diesem Kontext ungewöhnlichen Wortes ( גַּ לeigentlich heißt es „Woge“) durch
das ebenfalls ungewöhnliche deutsche „Born“ halte ich für eine glückliche
Lösung.9
Jes 7,14 alt: „Seht, die Jungfrau wird ein Kind empfangen, sie wird einen
Sohn gebären und sie wird ihm den Namen Immanuel (Gott mit uns) geben“,
neu: „Siehe, die Jungfrau hat empfangen, sie gebiert einen Sohn und wird ihm
den Namen Immanuel geben“. Die oft leidenschaftlich geführte Diskussion, ob
ַע ְל ָמהmit „Jungfrau“ oder mit „Mädchen“/ „junge Frau“ zu übersetzen sei,
kann hier nur angedeutet werden: Das Wort bedeutet „mannbares Mädchen“/
„Mädchen, das verheiratet sein kann“.10 Für „Jungfrau“ gibt es zwar ein andeָ ) ְבּ, aber die Heiratsfähigkeit einer jungen Frau beres hebräisches Wort (תוּלה
schränkt sich in der biblischen Welt nicht nur auf das Alter, sondern schließt
auch ihre Unberührtheit mit ein. Eine Übersetzung von ַע ְל ָמהmit „Jungfrau“
(alt wie neu) ist also zwar deutend, aber in Anbetracht der antiken Übersetzungen und der Wirkungsgeschichte dieses Verses wohl gerechtfertigt. Das einleitende „siehe“ ist die auch sonst in der Neufassung übliche Wiedergabe für ִהנֵּ ה.
Daß ִע ָמּנוּ ֵאלnurmehr transkribiert und nicht mehr übersetzt ist, bedauere ich
(s. o., 4). Eine klare Verbesserung sind die veränderten Verbtempora: Das Prädikat des ersten Satzes, ָה ָרה, ist nicht das Perfekt des Verbs הרה, „empfangen“
(dann wäre die feminine Form ָה ְר ָתהzu erwarten), sondern das Adjektiv ָה ֶרה,
„schwanger“. Eine wörtliche Übersetzung wäre also „die Jungfrau/ junge Frau
ist schwanger“. Die Neufassung „die Jungfrau hat empfangen“ ist zwar deutend, aber eine Verbesserung im Vergleich zur bisherigen Übersetzung im Futur „die Jungfrau wird ein Kind empfangen“, das nach dem hebräischen Text
nicht möglich ist und offenbar das Futur der LXX (ἐν γαστρὶ ἕξει), des neutestamentlichen Zitats Mt 1,23 (ebenso) oder der Vulgata (concipiet; Mt 1,23:
in utero habebit) wiedergegeben hat. Das Prädikat des zweiten Satzes ist das
Partizip י ֶֹל ֶדת, das im Hebräischen ebenso zeitlos sein kann wie das deutsche
Präsens: „sie gebiert einen Sohn“ kann in diesem Kontext problemlos eine
künftige Handlung ausdrücken.
Jes 9,1 alt: „das Volk, das im Dunkel lebt, sieht ein helles Licht“, neu: „das
Volk, das in der Finsternis ging, sah ein helles Licht“. Bei „Dunkel“ und „Finsternis“ handelt es sich um zwei Synonyme, wohl eher eine stilistische Änderung (ich habe nicht überprüft, wie das Wort ְ ח ֶֹשׁsonst übersetzt ist). Das
9
Auch M. Buber (
mit diesem Wort.
10
So HALAT 790.
Schriftwerke, Stuttgart: Deutsche Bibelgesellschaft 61992) übersetzt
13
312
Gregor Geiger
veränderte erste Verb
„gehen“, neu: „leben“) übersetzt wörtlicher das hebräische Partizip ה ְֹל ִכים. Das Präsens der bisherigen Fassung und das Präteritum
der neuen sind beide möglich, das Präsens als zeitloses Tempus, das Präteritum als Ausdruck der Gleichzeitigkeit zum Vergangenheitskontext. Das Präteritum „sah“ ist die wörtlichere Übersetzung des Perfekts ָראוּ. In beiden Fassungen ist ( אוֹר גָּ ד וֹלwörtlich „großes Licht“) als „helles Licht“ gedeutet.
Jer 7,13f alt: „Nun denn, ihr habt genau das gleiche getan – Spruch des
Herrn. Als ich immer wieder zu euch redete, habt ihr nicht gehört; als ich euch
rief, habt ihr nicht geantwortet. Deshalb werde ich …“, neu: „Nun denn, weil
ihr alle diese Taten getan habt – Spruch des HERRN – und ich zu euch redete,
eifrig redete, ihr aber nicht hörtet, und ich euch rief, ihr aber nicht antwortetet –, so werde ich …“ Dieser Vers ist umfassend umformuliert. Die bisherige
Fassung gab ihn mit einem Hauptsatz, der Zitationsformel, zwei Gefügen
Temporalsatz – Hauptsatz und (V. 14) einem neuen Hauptsatz wieder. Die
Neufassung hat einen Kausalsatz, die Zitationsformel, vier Sätze, die den Kausalsatz fortsetzen, und schließlich (V. 14) den Hauptsatz. Diese Übersetzung
mag weniger flüssig sein, aber sie gibt die hebräische Konstruktion und die
Logik des Textes treuer wieder.
Mt 11,23 alt: „Nein, in die Unterwelt wirst du hinabgeworfen“, neu (wörtlicher): „Bis zur Unterwelt wirst du hinabsteigen“.
Mt 13,57 alt: „Nirgends hat ein Prophet so wenig Ansehen wie in seiner
Heimat und in seiner Familie“, neu (wörtlicher): „Nirgends ist ein Prophet ohne Ansehen außer in seiner Heimat und in seiner Familie“.
Mt 14,22 alt: „Gleich darauf forderte er die Jünger auf“, neu: „Gleich darauf drängte er die Jünger“. Die bisherige Fassung vermied es wohl als anstößig, zu schreiben, Jesus „drängte“, aber ἀναγκάζω heißt „drängen“ oder
gar „zwingen“.
Mt 26,70 alt: „Doch er leugnete es vor allen Leuten“, neu: „Doch er leugnete es vor allen“. Die Neufassung ist wörtlicher und kommt ohne eine Ergänzung des Wortes „Leute“ aus. Unverständlich ist dagegen, warum wenige Verse später (V. 73, alt wie neu: „Wenig später kamen die Leute, die dort standen“) diese Ergänzung beibehalten wurde.
Mt 27,19 alt: „Laß die Hände von diesem Mann, er ist unschuldig“, neu:
„Habe du nichts zu schaffen mit jenem Gerechten“. Die Neufassung ist zwar
nicht wörtlich (etwa „Nicht ist dir und jenem Gerechten“), aber aufgrund der
Verständlichkeit gerechtfertigt.
Mt 27,25 alt: „Sein Blut komme über uns und unsere Kinder!“, neu: „Sein
Blut – über uns und unsere Kinder!“. Ich halte diese sehr wörtliche, im Deutschen ungewohnt klingende Übersetzung für hervorragend.
Mk 1,17 alt: „Kommt her, folgt mir nach!“, neu: „Kommt her, mir nach!“.
Die Neufassung ist zwar nicht ganz wörtlich („Hierher mir nach“), aber sie ist
14
Die Revision der Einheitsübersetzung: Eine kritische Würdigung
313
besser, da sich im griechischen
kein Verb findet, das ausdrücklich „nachfolgen“ meint.
Mk 1,31 alt: „Da wich das Fieber von ihr, und sie sorgte für sie“, neu: „Da
wich das Fieber von ihr und sie diente ihnen“. Die Neufassung mag weniger
sein, aber sie übersetzt treu den griechischen Text.
Mk 2,16 alt: „die Schriftgelehrten, die zur Partei der Pharisäer gehörten“,
neu (wörtlicher): „die Schriftgelehrten der Pharisäer“.
Mk 2,17 alt: „Ich bin gekommen, um die Sünder zu rufen, nicht die Gerechten“, neu (wörtlicher): „Ich bin nicht gekommen, um Gerechte zu rufen,
sondern Sünder“.
Mk 2,27 alt: „Der Sabbat ist für den Menschen da, nicht der Mensch für
den Sabbat“, neu (wörtlicher): „Der Sabbat wurde für den Menschen gemacht,
nicht der Mensch für den Sabbat“.
Mk 16,7 alt: „Nun aber geht und sagt seinen Jüngern, vor allem Petrus“,
neu: „Nun aber geht und sagt seinen Jüngern und dem Petrus“. Im griechischen Text wie in der Neufassung ist Petrus durch seine namentliche Erwähnung hervorgehoben, es gibt keinen Grund, das noch durch „vor allem“ zu unterstreichen.
Lk 1,42 alt: „Gesegnet bist du mehr als alle anderen Frauen“, neu: „Gesegnet bist du unter den Frauen“. Die Neufassung ist wörtlicher und, nebenbei,
dem Wortlaut des Ave Maria näher.
Lk 2,14 alt: „auf Erden ist Friede bei den Menschen seiner Gnade“, neu:
„Friede auf Erden den Menschen seines Wohlgefallens“. Die Wortstellung der
bisherigen Fassung war näher am griechischen Text, die der Neufassung
scheint sich am deutschen Text des Glorias der Messe zu inspirieren. „Wohlgefallen“ übersetzt treuer das griechische εὐδοκία als das bisherige „Gnade“.
Das beibehaltene Possessivpronomen „seines“ findet sich dagegen nicht im
griechischen Evangelientext (und auch nicht in der Vulgata), wohl aber im
deutschen Gloria (jedoch nicht im lateinischen).
Lk 2,35 alt: „Dir selbst aber wird ein Schwert durch die Seele dringen“,
neu: „und deine Seele wird ein Schwert durchdringen“. Die Neufassung ist
wörtlicher (griech: καὶ σοῦ αὐτῆς τὴν ψυχὴν διελεύσεται ῥομφαία), da das
„Schwert“ das grammatische Subjekt des Satzes ist und die „Seele“ des griechischen Textes beibehalten ist. Andererseits fehlt in der Neufassung die Hervorhebung der Seele (wörtlich: „die Seele deiner selbst“). Ein Problem der
Neufassung ist, daß sie schwerer verständlich ist, da die grammatischen Bezüge unklar sind: Im Deutschen sind (im Gegensatz zum Griechischen) „deine
Seele“ formal nicht als Akkusativ und „ein Schwert“ nicht als Nominativ markiert, so daß grammatisch zweideutig ist, was was durchdringt.
Lk 2,51 alt: „Seine Mutter bewahrte alles, was geschehen war, in ihrem
Herzen“, neu (wörtlicher): „Seine Mutter bewahrte all die Worte in ihrem
Herzen“.
15
314
Gregor Geiger
Lk 10,27 alt: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen
und ganzer Seele, mit all deiner Kraft und all deinen Gedanken, und: Deinen
Nächsten sollst du lieben wie dich selbst“, neu: „Du sollst den Herrn, deinen
Gott, lieben mit deinem ganzem Herzen und deiner ganzer Seele, mit deiner
ganzen Kraft und deinem ganzen Denken, und deinen Nächsten wie dich
selbst“. Es gibt vor allem zwei
Zum einen wurden die Possessivpronomen in „mit deinem ganzem Herzen und deiner ganzer Seele“ nach dem
ergänzt. Ich frage mich, warum man sie nicht auch im hier
griechischen
zitierten Dtn 6,5
wie neu: „mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit
ganzer Kraft“) nach dem hebräischen
ergänzt hat. Zum anderen war in
der bisherigen Fassung der letzte Satz durch die Zeichensetzung und die Wiederholung des Wortes „lieben“ vom Rest des Zitates abgehoben. Das mag dadurch begründet sein, daß es sich nicht um ein Zitat aus demselben alttestamentlichen Text handelt (sondern aus Lev 19,18), aber im griechischen Text
gibt es eine solche Abgrenzung ebenfalls nicht. Die Neufassung ist hier also
wörtlicher und greift nicht mehr deutend in den Text ein.
Lk 11,41 alt: „Gebt lieber, was in den Schüsseln ist, den Armen“, neu:
„Gebt lieber als Almosen, was ihr habt“. Die bisherige Fassung suggerierte einen Bezug auf die „Becher und Teller“ aus V. 39, den es aber im Evangelientext nicht gibt.
Lk 24,16 alt: „Doch sie waren wie mit Blindheit geschlagen“, neu: „Doch
ihre Augen waren gehalten“. Das Bild ist beibehalten.
Lk 24,19 alt: „Er war ein Prophet, mächtig in Wort und Tat“, neu: „Er war
ein Prophet, mächtig in Tat und Wort“. Im Deutschen ist „Wort und Tat“ zwar
eine stehende Wendung, aber die Neufassung ist wörtlicher.
Lk 24,25 alt: „Begreift ihr denn nicht? Wie schwer fällt es euch, alles zu
glauben, was die Propheten gesagt haben“, neu: „Ihr Unverständigen, deren
Herz zu träge ist, um alles zu glauben, was die Propheten gesagt haben“. Die
Neufassung ist zwar nicht ganz wörtlich (etwa „O Unverständige und im Herzen Träge, zu glauben …“), aber sie ist dem griechischen Text treuer.
Lk 24,31 alt: „Da gingen ihnen die Augen auf und sie erkannten ihn; dann
sahen sie ihn nicht mehr“, neu (wörtlicher): „Da wurden ihre Augen aufgetan
und sie erkannten ihn; und er entschwand ihren Blicken“.
Lk 24,32 alt: „Brannte uns nicht das Herz in der Brust, als er unterwegs mit
uns redete und uns den Sinn der Schrift erschloß?“, neu (wörtlicher): „Brannte
nicht unser Herz in uns, als er unterwegs mit uns redete und uns den Sinn der
Schriften eröffnete?“
Joh 19,6 alt: „Ans Kreuz mit ihm, ans Kreuz mit ihm!“, neu: „Kreuzige ihn,
kreuzige ihn!“. Die Neufassung ist wörtlicher, und ich frage mich, warum man
nicht auch Mt 27,22.23 (alt wie neu: „Ans Kreuz mit ihm!“, wörtlich: „Er werde gekreuzigt!“) entsprechend geändert hat.
16
Die Revision der Einheitsübersetzung: Eine kritische Würdigung
315
Joh
alt: „Und er neigte das Haupt und gab seinen Geist auf“, neu
(wörtlicher): „Und er neigte das Haupt und übergab den Geist“.
Joh 21,17 alt: „Zum drittenmal fragte er ihn: Simon, Sohn des Johannes,
liebst du mich? Da wurde Petrus traurig, weil Jesus ihn zum drittenmal gefragt
hatte: Hast du mich lieb?“, neu: „Zum dritten Mal fragte er ihn: Simon, Sohn
des Johannes, liebst du mich? Da wurde Petrus traurig, weil Jesus ihn zum
dritten Mal gefragt hatte: Liebst du mich?“. In der bisherigen Fassung wurden
in der Frage Jesu und in ihrer Zitierung verschiedene Konstruktionen verwendet. Im griechischen Text steht beides Mal dasselbe Verb (φιλέω). Allerdings:
In den beiden vorausgehenden Versen sind die ersten beiden Fragen Jesu mit
einem anderen Verb konstruiert (ἀγαπάω), während die Antworten das Verb
φιλέω haben. Die alte wie die neue Fassung übersetzen all diese Verben mit
demselben Wort „lieben“. Eine Unterscheidung wäre wünschenswert gewesen.
Apg 8,33 alt: „Seine Nachkommen, wer kann sie zählen?“, neu: „Seine
Nachkommen, wer wird von ihnen berichten?“ Die Neufassung ist zwar nicht
ganz wörtlich (etwa „seine Generation/ Nachkommenschaft, wer wird berichten?“), aber näher am griechischen Text. In beiden Fassungen ist der Bezug
zum zitierten Jes 53,8 nicht zu erkennen – in diesem Teil des Verses übersetzt
die in der Apostelgeschichte zitierte LXX den Masoretischen Text wörtlich,
die EÜ (alt wie neu) überträgt dagegen sehr frei: „doch wen kümmerte sein
Geschick?“
2 Kor 8,9 alt: „Denn ihr wißt, was Jesus Christus, unser Herr, in seiner Liebe getan hat“, neu (viel wörtlicher): „Denn ihr kennt die Gnade unseres Herrn
Jesus Christus“.
8. Übersetzung der Vorlage
Als Grundlage der Übersetzung des hebräischen Alten Testaments ist konsequenter der Masoretische Text herangezogen, manche textkritische Änderung der bisherigen Fassung wurde nicht übernommen, z. B.:
Gen 49,10 alt: „bis der kommt, dem er gehört, dem der Gehorsam der Völker gebührt“, neu: „bis Schilo kommt, dem der Gehorsam der Völker gebührt“.
Während die bisherige Fassung den Masoretischen Text änderte (oder die
LXX übersetzte), entscheidet sich die Neufassung dafür, den unverständlichen
hebräischen Text11 wörtlich, also unverständlich, zu übersetzen. Ich halte dies
für eine glückliche Entscheidung.
11
Vgl. J. Ebach, Genesis 37 – 50 (HThKAT), Freiburg u. a.: Herder 2007, der eine über
fünfseitige Zusammenfassung von Erklärungsversuchen so zusammenfaßt (S. 604): „Als Ergebnis der Erörterung der שׁילו-Frage in V 10 lässt sich wohl nur deren Ungeklärtheit konstatieren.“
17
316
Gregor Geiger
Dtn 27,4 alt: „auf dem Berg Garizim“
der samaritanische Pentateuch
oder die Vetus Latina), neu: „auf dem Berg Ebal“.
1
8,12 alt: „Der Herr hat die Sonne an den Himmel gesetzt; er selbst
wollte im Dunkel wohnen“
einige LXX-Handschriften), neu: „Der HERR
hat gesagt, er werde im Wolkendunkel wohnen“.
18,18 alt: „weil ihr die Gebote des Herrn übertreten habt und den
Baalen nachgelaufen seid“, neu: „weil ihr die Gebote des HERRN übertreten
habt und du den Baalen nachgelaufen bist“. Die Neufassung übersetzt nicht
mehr antike Übersetzungen oder glättet den Text, sondern bleibt beim Masoretischen Text.
Jes 1,7 alt: „verödet wie das zerstörte Sodom ist euer Land“ (so der Emendationsvorschlag in der BHS, ohne Textzeugen), neu: „eine Verwüstung wie
bei der Zerstörung durch Fremde“.
Jer 13,11 alt: „so wollte ich, daß sich das ganze Haus Juda mir anschmiegte“, neu: „so wollte ich, dass sich das ganze Haus Israel und das ganze Haus
Juda mir anschmiegen“. Der Ausdruck „das ganze Haus Israel“, der in der bisherigen Fassung fehlte, steht im Masoretischen Text und auch in den antiken
Übersetzungen.12
Am 6,2 alt: „Ist euer Gebiet größer als ihr Gebiet?“, neu: „Ist ihr Gebiet
größer als euer Gebiet?“. Die bisherige Fassung mag der angenommenen Logik des Texts besser entsprechen, sie steht aber nicht im hebräischen Text13
(בוּלם ִמגְּ ֻב ְל ֶכם
ָ ְם־רב גּ
ַ ) ִאund auch nicht in den antiken Übersetzungen.
Das Buch Tobit ist jetzt nicht mehr nach der kürzeren griechischen Fassung
übersetzt, sondern nach der längeren.
Für das Neue Testament gibt es keine dem Masoretischen Text vergleichbare Tradition. Die kritische Ausgabe von Nestle-Aland bietet einen eklektischen Text. Vereinzelt entscheidet sich die Neufassung für eine andere Version als die bisherige, z. B.:
Mt 27,16 alt: „ein berüchtigter Mann namens Barabbas“, neu: „ein berüchtigter Mann namens Jesus Barabbas“ (und ähnlich im folgenden Vers). Die
Neufassung fügt den (in Nestle-Aland28 eingeklammerten) Namen in den Text
ein.
Apg 10,19 alt: „Da sind zwei Männer und suchen dich“, neu: „Siehe, da
sind drei Männer und suchen dich“, Die Neufassung übersetzt nicht mehr eine
Textvariante, sondern den Text von Nestle-Aland28 (und steht damit nicht
mehr im Widerspruch zu V. 7).
12
13
Im Apparat der BHS wird er (ohne Belege) als Zusatz („add“) gedeutet.
Im Apparat der BHS ist sie (ohne Belege) als Änderung vorgeschlagen.
Die Revision der Einheitsübersetzung: Eine kritische Würdigung
317
9. Alternativübersetzungen
Manchmal wählt bei verschiedenen
die Neufassung eine andere als die bisherige, ohne daß eine eindeutig vorzuziehen wäre. Einige Beispiele:
Gen 28,20-22 alt: „Wenn Gott mit mir ist und mich auf diesem Weg, den
ich eingeschlagen habe, behütet, wenn er mir Brot zum Essen und Kleider zum
Anziehen gibt, wenn ich wohlbehalten heimkehre in das Haus meines Vaters
und der Herr sich mir als Gott erweist, dann soll der Stein, den ich als Steinmal
aufgestellt habe, ein Gotteshaus werden“, neu: „Wenn Gott mit mir ist und
mich auf diesem Weg, den ich gehe, behütet, wenn er mir Brot zum Essen und
Kleider zum Anziehen gibt, wenn ich wohlbehalten heimkehre in das Haus
meines Vaters, dann wird der HERR für mich Gott sein und dieser Stein, den ich
als Steinmal aufgestellt habe, soll ein Gotteshaus werden“. Die Grenze zwischen Konditionalsätzen und Hauptsatz (Apodosis) ist unterschiedlich; in der
bisherigen Fassung beginnt der Hauptsatz mit „dann soll der Stein“, in der
Neufassung schon eher, mit „dann wird der HERR für mich Gott sein“. Beide
(und weitere) Interpretationen sind nach dem hebräischen Text möglich (die
Vulgata oder die Lutherbibel interpretieren wie die Neufassung, die LXX ist,
wie der hebräische Text, mehrdeutig).
Ex 17,3 alt: „Warum hast du uns überhaupt aus Ägypten hierher geführt?
Um uns, unsere Söhne und unser Vieh verdursten zu lassen?“, neu: Wozu hast
du uns überhaupt aus Ägypten heraufgeführt, um mich, meine Söhne und mein
Vieh vor Durst sterben zu lassen?“ Neben der stilistischen Änderung von „warum“ zu „wozu“, dem Wechsel von „hierher“ zu „herauf“ und vom Plural zum
Singular der Pronomen im zweiten Teil (beide Wechsel entsprechen dem hebräischen Text) ist das Fragezeichen nur noch am Ende des Verses gesetzt. Es
handelt sich also nicht mehr um zwei Fragen, sondern nur noch um eine. Das
biblische Hebräisch kennt kein Fragezeichen (die LXX-Ausgabe von Rahlfs
setzt es wie die Neufassung), so daß beide Interpretationen möglich sind.
Ex 20,5 alt: „Denn ich, der Herr, dein Gott, bin ein eifersüchtiger Gott“,
neu: „Denn ich bin der HERR, dein Gott, ein eifersüchtiger Gott“. Der hebräische Nominalsatz ermöglicht beide Interpretationen.
Mt 1,23 alt: „man wird ihm den Namen Immanuel geben“, neu: „sie werden ihm den Namen Immanuel geben“. Die Neufassung übersetzt wörtlicher
den Plural καλέσουσιν. Die Interpretation der bisherigen Fassung als impersonal („man“) ist ebenfalls möglich, zumal im Kontext kein Plural-Subjekt genannt ist.
Joh 1,50 alt: „Du glaubst, weil ich dir sagte, daß ich dich unter dem Feigenbaum sah? Du wirst noch Größeres sehen“, neu: „Du glaubst, weil ich dir sagte, dass ich dich unter dem Feigenbaum sah; du wirst noch Größeres sehen“.
Der einzige Unterschied ist das Fragezeichen, das in der Neufassung durch ei19
318
Gregor Geiger
nen Semikolon ersetzt ist. Der Satz ist also nicht mehr als Frage, sondern als
Feststellung gedeutet. Im Griechischen ist, wie im Deutschen, ein Frage nicht
obligatorisch grammatikalisch markiert, sondern (mündlich) durch die Intonation oder (schriftlich) durch die Interpunktion; allerdings ist das griechische
Fragezeichen in biblischen Handschriften erst ab dem 9. Jh. zu belegen.14 Nestle-Aland28 hat hier das griechische Fragezeichen; da sich der kritische Apparat nicht für die Interpunktion interessiert, ist aber nicht festzustellen, worauf
sich diese Interpunktion gründet.
10. Vom Regen in die Traufe
An einigen Stellen ist die Neufassung zwar verändert, aber nicht wirklich
wörtlicher oder besser, oder sie bleibt auf halbem Weg stehen. Auf einige Stellen wurde bereits hingewiesen. Weitere Beispiele:
Gen 18,21 alt: „Ich will hinabgehen und sehen, ob ihr Tun wirklich dem
Klagegeschrei entspricht, das zu mir gedrungen ist. Ich will es wissen“, neu:
„Ich will hinabsteigen und sehen, ob ihr verderbliches Tun wirklich dem Klagegeschrei entspricht, das zu mir gedrungen ist, oder nicht. Ich will es wissen.“
Die Neufassung ist eine Verbesserung, da der Ausdruck וְ ִאם־לֹאnicht mehr
übergangen ist. Eine wörtlichere Übersetzung des letzten Teils des Verses wäre gewesen: „Und wenn nicht, will ich (es) wissen“.
Gen 21,31 alt: „denn dort leisteten beide einen Eid“, neu: „denn dort leisteten beide einen Schwur“. „Einen Eid/ Schwur leisten“ übersetzt das hebräische
Verb שׁבעni. In den beiden weiteren Belegen für dieses Verb in dieser Perikope (V. 23.24) ist dieses Verb in der Neufassung mit dem Verb „schwören“
übersetzt, in der alten in V. 23 mit „schwören“, in V. 24 mit „den Eid leisten“.
Das Wort ist eine der beiden Erklärungen dieser Perikope für den Ortsnamen
Beerscheba (V. 31 alt: „Eidbrunn“, neu: „Schwurbrunn“). In beiden Fassungen
ist also die Namensherleitung klar, aber in beiden auf Kosten der konkordanten Übersetzung des Verbs. Meines Erachtens ist sie sogar zu sehr hervorgehoben, denn auch im hebräischen Text findet sich nicht das Substantiv „Eid/
Schwur“, sondern die Namensherleitung wird mit der Verbform (V. 31: )נִ ְשׁ ְבּעוּ
ausgedrückt, was mit einer Form des Verbs „schwören“ problemlos zu imitieren gewesen wäre.
Ex 19,19: „der Hörnerschall wurde immer lauter. Mose redete, und Gott
antwortete im Donner“, neu: „der Hörnerschall wurde immer lauter. Mose redete und Gott antwortete ihm mit verstehbarer Stimme“. Das Adjektiv „verstehbar“ findet sich nicht im hebräischen Text (und auch nicht in den antiken
Übersetzungen). קוֹלheißt „Stimme“ oder auch „Schall“ (so übersetzt im ersten
14
Blass-Debrunner-Rehkopf14, § 16.1.
20
Die Revision der Einheitsübersetzung: Eine kritische Würdigung
des Verses). Eine Übersetzung mit „Gott antwortete ihm mit Schall“ wäre
konkordanter gewesen.
32,11 alt: „Warum, Herr, ist dein Zorn gegen dein Volk
Du
hast es doch mit großer Macht und starker Hand aus
herausgeführt.“
neu: „Wozu, HERR, soll dein Zorn gegen dein Volk entbrennen, das du mit großer Macht und starker Hand aus Ägypten herausgeführt hast.“ Die Übersetzung ist wörtlicher, aber am Ende des Verses wäre ein Fragezeichen zu erwarten (vgl. die ähnliche Konstruktion im folgenden Vers, mit Fragezeichen).
Oder handelt es sich dabei um einen einfachen Druckfehler? (Es wäre der einzige im ganzen Buch, der mir aufgefallen ist.)
Ex 32,15 alt: „die zwei Tafeln der Bundesurkunde“, neu: „die zwei Tafeln
des Bundeszeugnisses“. „Bundeszeugnis“ ist zwar eine bessere Übertragung
als „Bundesurkunde“, aber im Hebräischen heißt es nur ָה ֵע ֻדת, „das Zeugnis“,
von Bund ist hier nicht ausdrücklich die Rede.
Jos 14,7 alt: „wie ich es mir vorgenommen hatte“, neu: „nach bestem Wisְ ַכּ ֲא ֶשׁר ִע, „wie
sen und Gewissen“. Beide Übersetzungen lösen das Bild ם־ל ָב ִבי
mit meinem Herzen“ oder freier „nach meinem Herzen“, verschieden auf.
1 Sam 13,1 alt: „Saul war … Jahre alt, als er König wurde, und er regierte
zwei … Jahre über Israel“, neu: „Saul war … Jahre alt, als er König wurde,
und er regierte zwei Jahre über Israel“. Die wörtliche Übersetzung des Anfangs des Verses nach dem Masoretischen Text wäre: „Saul war (ein) Jahr alt“
(so auch nach der Vulgata oder dem Targum). Es ist klar, daß im Masoretischen Text eine Störung vorliegt; weder die Altersangabe noch die Regierungsjahre ergeben einen Sinn. Es wäre konsequenter gewesen, den Vers wörtlich zu übersetzen und in einer Fußnote auf das Problem und evtl. auf verschiedene Zahlenangaben aus den antiken Übersetzungen oder aus anderen
Quellen hinzuweisen, wie das auch in V. 5 geschehen ist.
1Makk 2,21 alt: „Der Himmel bewahre uns davor“, neu: „Gott bewahre uns
davor“. Im griechischen Text ist weder von „Himmel“ noch von „Gott“ die
Rede. Eine wörtlichere Übersetzung von ἵλεως ἡμῖν wäre gewesen „Gnade
uns“, ohne ausgedrücktes Subjekt.
1Makk 10,50 alt: „An jenem Tag fiel Demetrius in der Schlacht“, neu: „An
jenem Tag fand Demetrius den Tod“. Das griechische Verb πίπτω heißt „fallen“ und hätte so übersetzt werden können, da dieses Verb auch im Deutschen
im Sinn von „im Krieg sterben“ verwendet wird, also einfach: „An jenem Tag
fiel Demetrius“.
Jes 2,4 alt: „Dann schmieden sie Pflugscharen aus ihren Schwertern“, neu:
„Dann werden sie ihre Schwerter zu Pflugscharen umschmieden“. Das Futur
und die Wortstellung entsprechen dem hebräischen Text. „Umschmieden“ statt
„schmieden“ ist dagegen eine Deutung. Außerdem ist die neue Formulierung
weniger prägnant als die alte.
21
320
Gregor Geiger
Ez 47,1-12: Das hebräische Wort ַמיִ םsteht immer im Plural; es kann mit
„das Wasser“ oder auch mit „die Wasser“ übersetzt werden. In der Erzählung
der Tempelquelle hatte die alte Fassung immer den Singular, die neue wechselt einige Male in den Plural (V. 8 [2x], V. 12), ansonsten behält sie den Singular. Einheitlichkeit innerhalb der Perikope wäre wünschenswert gewesen.
Lk 19,44 alt: „denn du hast die Zeit der Gnade nicht erkannt“, neu: „weil
du die Zeit deiner Heimsuchung nicht erkannt hast“. Das griechische Wort
ἐπισκοπή bedeutet nicht „Gnade“, sondern „Heimsuchung“ im Sinn von „Besuch daheim“. „Heimsuchung“ hat allerdings im modernen Deutsch diese Bedeutung kaum mehr,15 so daß „Besuch“ (vgl. die Vulgata: visitatio) oder ein
anderes Substantiv (wie „Aufsuchung“) sinnvoller gewesen wäre.
Kol 1,24 alt: „Für den Leib Christi, die Kirche, ergänze ich in meinem irdischen Leben das, was an den Leiden Christi noch fehlt“, neu: „Ich ergänze in
meinem irdischen Leben, was an den Bedrängnissen Christi noch fehlt an seinem Leib, der die Kirche ist.“ Die Neufassung ist zwar umständlicher (das ist
der griechische Text auch), aber wörtlicher. Die (um)deutende Übertragung
von ἐν τῇ σαρκί μου (wörtlich „in meinem Fleisch“) durch „in meinem irdischen Leben“ wurde jedoch beibehalten.
11. Rückschritte
Vereinzelt entfernt sich die Neufassung sogar von der Vorlage, z. B.:
Gen 19,8 alt: „Seht, ich habe zwei Töchter, die noch keinen Mann erkannt
haben“, neu: „Seht doch, ich habe zwei Töchter, die noch nicht mit einem
Mann verkehrt haben“. Das hebräische Verb ידעheißt „(er)kennen“ und wird
auch im Sinn von „(geschlechtlich) verkehren“ verwendet. An anderen Stellen
(z. B. Gen 4,1) übersetzt die EÜ (alt wie neu) dieses Wort mit „erkennen“. Warum nicht auch hier? Wenige Verse vorher, 19,5, übersetzen beide Fassungen
„wir wollen mit ihnen verkehren“. Diese Übersetzung verschleiert die Doppeldeutigkeit von וְ נֵ ְד ָעה א ָֹתם, „wir wollen sie erkennen“. Erst die erwähnte Antwort Lots (V. 8) interpretiert die Einwohner Sodoms als Sodomiten.
Gen 28,13 alt: „Und siehe, der Herr stand oben“, neu: „Und siehe, der HERR
stand vor ihm“. Die bisherige Fassung hat zwar das Pronominalsuffix von ָע ָליו
weggelassen, das die Neufassung ergänzt. Dieser Ausdruck heißt aber nicht
einfach „vor ihm“, sondern „über ihm“.
Ex 20,11: „Darum hat der Herr den Sabbattag gesegnet“, neu: „Darum hat
der HERR den Sabbat gesegnet“. Der bisherige „Sabbattag“ war eine wörtliche
Übertragung des יוֹם ַה ַשּׁ ָבּת.
15
G. Wahrig, Deutsches Wörterbuch, Gütersloh: Bertelsmann 61997, 614, definiert es als
„schweres, großes Unglück, Plage“.
22
Die Revision der Einheitsübersetzung: Eine kritische Würdigung
321
24,8 alt: „des Bundes, den der Herr aufgrund all dieser Worte mit euch
geschlossen hat“, neu: „des Bundes, den der HERR aufgrund all dieser Worte
mit euch schließt“. Die bisherige Fassung übertrug das Perfekt ָכּ ַרתkorrekt mit
einem deutschen Vergangenheitstempus (auch die LXX und die Vulgata übersetzen in der Vergangenheit). Beim Präsens der Neufassung handelt es sich um
einen deutenden Eingriff in den Text.
2 Sam 5,8 alt: „auch die Lahmen und Blinden, die David in der Seele verhaßt sind“, neu: „mit den Lahmen und den Blinden, die David verhasst sind“.
Das „mit“ der Neufassung ist wörtlicher als „auch“, aber die „Seele“ fehlt. Eine wörtliche Übertragung des (schwierigen) hebräischen Textes wäre etwa
„seelen-verhasst“ gewesen.
12. Versäumte Veränderungen
Einige Stellen schließlich sind unverändert, eine Möglichkeit der Verbesserung oder Vereinheitlichung wurde nicht genutzt. Auf einige Wendungen, die
an manchen Stellen geändert wurden, an anderen nicht, habe ich bereits hingewiesen. Einige Beispiele für weitere Fälle, wo ich mir eine Veränderung gewünscht hätte:
ֶ ֹ ( וַ יּallein in der 3. PerDas im hebräischen Alten Testament sehr häufige אמר
son Maskulin Singular fast 1900 Belege) heißt „er sagte“. Wohl um Monotonie zu vermeiden, ist es immer wieder durch andere verba dicendi wiedergegeben, wie „antwortete“ (z. B. Gen 21,26, alt wie neu) oder „fragte“ (z. B. Gen
21,29, alt wie neu). Man hätte hier biblischem Stil entsprechender und konkordanter übersetzten können.
Ex 20,18: „Das ganze Volk erlebte, wie es donnerte und blitzte, wie Hörner
erklangen und der Berg rauchte“ (alt wie neu). Wörtlicher wäre etwa zu übersetzen: „Und das ganze Volk sah die Stimmen (oder: die Donner) und die Blitze und die Stimme des Horns und den Berg rauchen“. Das ist zwar nicht unproblematisch, da man Stimmen nicht sieht, sondern hört, aber so steht es im
hebräischen Text.
Num 21,2: „Wenn du mir dieses Volk in meine Gewalt gibst“ (alt wie neu).
„Gewalt“ ist eine Interpretation; im hebräischen Text steht „meine Hand“
() ְבּיָ ִדי.
Dtn 34,3: „den Talgraben von Jericho, der Palmenstadt, bis Zoar“ (alt wie
neu). Diese Übersetzung deutet die „Palmenstadt“ ( ) ִעיר ַה ְתּ ָמ ִריםals Apposition
von Jericho. Das ist sprachlich möglich, und auch in 2 Chr 28,15 hat Jericho
diese Apposition. Es gibt aber südlich vom Toten Meer den Ort „( ָתּ ָמרTamar“), der in Ri 1,16 wohl ebenfalls als „Palmenstadt“ bezeichnet ist. Hinter
der Interpretation der EÜ steckt die (richtige) Beobachtung, daß eine so weit
im Süden gelegene Palmenstadt vom Berg Nebo aus nicht zu sehen wäre. Aber
23
322
Gregor Geiger
diese Beschreibung des verheißenen Landes geht über das Sichtbare hinaus;
auch Dan oder das Mittelmeer (V. 1.2) sind vom Berg Nebo aus nicht zu sehen. Deshalb handelt es sich eventuell bei Jericho und der Palmenstadt um
zwei verschiedene Orte; man könnte auch übersetzen: „den Talgraben von Jericho, die Palmenstadt, bis Zoar“.
In der Erzählung von der Einnahme Jerichos (Jos 6) sind im hebräischen
Text bald שׁ ְוֹפר וֹת ַהיּ וֹ ְב ִלים, „Widderhörner“, bald שׁ ְוֹפר וֹת, „Hörner“, bald kollektiv
שׁ ָוֹפר, „Horn“, genannt. Meistens übersetzen Alt- wie Neufassung entsprechend. Die Übersetzungen „Widderhorn“ (שׁ ָוֹפר, V. 5), „Widderhörner“ (שׁ ְוֹפר וֹת,
V. 20, erstes Vorkommen) und „Hörner“ (שׁ ָוֹפר, V. 20, zweites Vorkommen),
jeweils alt wie neu, hätte man der hebräischen Vorlage anpassen können. In
V. 8 (zweites Vorkommen) hat die Neufassung sogar die שׁ ְוֹפר וֹתvon „Hörner“
in „Widderhörner“ geändert.
Rut 1,1: „Zu der Zeit, als die Richter regierten“ (alt wie neu). Im Hebräischen steht וַ יְ ִהי ִבּ ֵימי ְשׁפֹט ַהשּׁ ְֹפ ִטים. Das Übergehen des einleitenden וַ יְ ִהיist verbreitete Übersetzungstechnik (s. o., 3), aber das Verb ist von derselben Wurzel
wie die der „Richter“, also wäre wörtlicher gewesen: „Zu der Zeit, als die
Richter richteten“.
ַר ַעשׁheißt „Erdbeben“ oder auch „Beben“ oder „Dröhnen“. In 1Kön
19,11-12 ist das Wort zweimal mit „Erdbeben“ übersetzt, einmal mit „Beben“.
Jer 13,4-7: Der Ort, zu dem Jeremia im „Zeichen vom verdorbenen Schurz“
zweimal geschickt wird, hebräisch ְפּ ָרת, ist alt wie neu mit „Euphrat“ übersetzt.
Philologisch ist dagegen nichts einzuwenden, ְפּ ָרתist die hebräische Form des
Namens „Euphrat“, und auch LXX und Vulgata übersetzen so. Danach hätte
sich Jeremia zweimal zum fast 1000 km entfernten Euphrat aufgemacht. Zumindest eine Fußnote wäre aber die Tatsache wert gewesen, daß es eine Wegstunde von Jeremias Heimat Anatot ein Tal mit demselben Namen „( ְפּ ָרתPrat“)
gibt, dessen Identifizierung mit dem ְפּ ָרת16 aus Jer 13 zumindest seit dem 2. Jh.
n. Chr. vorgeschlagen wird und das möglicherweise in 1 Makk 9,50 („Faraton“,
alt wie neu, mit der Ortsangabe „in Judäa“) erwähnt ist.
Mt 27,24: „Das ist eure Sache!“ (alt wie neu). Das ist sehr frei, im Griechischen steht ὑμεῖς ὄψεσθε. „Seht ihr zu“ (so die revidierte Lutherbibel) wäre
wörtlicher gewesen.
13. Die Psalmen
Größere Veränderungen gibt es bei den Psalmen. Hier hat man durchaus
den Eindruck, eine Neuübersetzung vor sich zu haben. Für die Übersetzung biblischer poetischer Texte sind andere Techniken anzuwenden als bei Prosa, so16
Diese 0123456752893: ;2<34 7= B. ab: HALAT, 920.
24
Die Revision der Einheitsübersetzung: Eine kritische Würdigung
323
fern nicht nur eine Übersetzung angestrebt ist, die dem Verständnis dient, sondern die
auch in Übersetzung das sein sollen, was sie in der Bibel sind:
Gebete oder Gesänge, die sowohl von einzelnen Betern als auch von Gemeinden gesprochen oder gesungen werden
Das ist stets ein Kompromiß.
Es ist oft abzuwägen, wie
einerseits und wie poetisch andererseits eine Wendung sein soll. Ich halte die Psalmen der bisherigen Fassung der Einheitsübersetzung für einen gelungenen Kompromiß, was natürlich dadurch begründet sein kann, daß mir die Psalmen auch vom liturgischen Vollzug geläufig sind. Für die Neufassung erlaube ich mir dahingehend kein Urteil.
Eine eingehende Untersuchung des Psalters würde den Rahmen dieser Rezension sprengen. Ich beschränke mich auf die Präsentation zweier Psalmen,
bei der ich Vers für Vers den hebräischen Text, die bisherige und die neue Fassung gegenüberstelle.
Ps 23
1 MT
alt
neu
2 MT
alt
neu
3 MT
alt
neu
4 MT
alt
neu
הו֥ה ֝ר ֹ ִ֗עי ֣ל ֹא ֶא ְח ָ ֽסר׃
ָ ְִמזְ ֥מ וֹר ְל ָדִו֑ד י
[Ein Psalm Davids.]
Der Herr ist mein Hirte, / nichts wird mir fehlen.
Ein Psalm Davids.
Der HERR ist mein Hirt, * nichts wird mir fehlen.
ִבּנְ ֣א וֹת ֶ֭דּ ֶשׁא יַ ְר ִבּ ֵיצ֑נִ י
֖ ֵ ַע
ל־מי ְמנֻ ֣ח וֹת יְ נַ ֲה ֵ ֽלנִ י׃
Er läßt mich lagern auf grünen Auen /
und führt mich zum Ruheplatz am Wasser.
Er lässt mich lagern auf grünen Auen *
und führt mich zum Ruheplatz am Wasser.
נַ ְפ ִ ֥שׁי יְ שׁ וֹ ֵ ֑בב
י־צ ֶדק ְל ַ ֣מ ַען ְשׁ ֽמ ׃וֹ
ֶ֝֗ ַיֽנְ ֵ ֥חנִ י ְב ַמ ְעגְּ ֵל
Er stillt mein Verlangen; /
er leitet mich auf rechten Pfaden, treu seinem Namen.
Meine Lebenskraft bringt er zurück. /
er führt mich auf Pfaden der Gerechtigkeit, *
getreu seinem Namen.
ירא ָ ֗רע
֤ ָ א־א
ִ֘ ֹ י־א ֨ ֵלְ ְבּ ֵג֪יא ַצ ְל ָ֡מוֶ ת ל
ֵ ַגּ֤ם ִ ֽכּ
ַ ִכּ
י־א ָ ֥תּה ִע ָמּ ִ ֑די ִשׁ ְב ְטָ֥ וּ ִ֝מ ְשׁ ַענְ ֶ֗תָּ ֵ ֣ה ָמּה יְ ַנ ֲֽח ֻ ֽמנִ י׃
Muß ich auch wandern in finsterer Schlucht, /
ich fürchte kein Unheil;
denn du bist bei mir, /
dein Stock und dein Stab geben mir Zuversicht.
Auch wenn ich gehe im finsteren Tal, * ich fürchte kein Unheil;
denn du bist bei mir, * dein Stock und dein Stab, sie trösten mich.
25
324
Gregor Geiger
ַתּ ֲע ֬ר ְֹ ְל ָפ ַ֨ני ׀ ֻשׁ ְל ָ֗חן ֶנ֥גֶ ד צ ְֹר ָ ֑רי
אשׁי כּ וֹ ִ ֥סי ְרוָ ָיֽה׃
ִ֗ ֹ ִדּ ַ ֖שּׁנְ ָתּ ַב ֶ ֥שּׁ ֶמן ֝ר
5
alt
neu
6 MT
alt
neu
Du salbst mein Haupt mit Öl, / du füllst mir reichlich den Becher.
Du deckst mir den Tisch * vor den Augen meiner Feinde.
Du hast mein Haupt mit Öl gesalbt, * übervoll ist mein Becher.
ַ ֤אְ ׀ ֤ט וֹב וָ ֶ ֣ח ֶסד ִי ְ֭ר ְדּפוּנִ י ָכּל־יְ ֵ ֣מי ַח ָיּ֑י
יָמים׃
ֽ ִ ְא ֶר
ֹ ֣ ֝הוה ְל
֗ ָ ית־י
ְ וְ ַשׁ ְב ִ ֥תּי ְבּ ֵב
Lauter Güte und Huld werden mir folgen mein Leben lang, /
und im Haus des HERRN darf ich wohnen für lange Zeit.
Ja, Güte und Huld werden mir folgen mein Leben lang, /
und heimkehren werde ich ins Haus des HERRN * für lange Zeiten.
Ps 122:
1 MT
alt
neu
2 MT
alt
neu
3 MT
alt
neu
4 MT
alt
neu
5 MT
alt
neu
ִ ֥שׁיר ַ ֽה ַמּ ֲע ֗ל וֹת ְל ָ ֫דִ ֥וד
הו֣ה נֵ ֵ ֽלְ׃
ָ ְָ ֭שׂ ַמ ְח ִתּי ְבּא ְֹמ ִ ֣רים ִ ֑לי ֵ ֖בּית י
[Ein Wallfahrtslied Davids.]
Ich freute mich, als man mir sagte:
»Zum Haus des Herrn wollen wir pilgern.«
Ein Wallfahrtslied. Von David.
Ich freute mich, als man mir sagte: *
Zum Haus des HERRN wollen wir gehen.
רוּשׁ ִָלֽם׃
ָ ְֹ֭ע ְמד וֹת ָהי֣ וּ ַרגְ ֵל֑ינוּ ִ֝בּ ְשׁ ָע ַ ֗ריִ ְ י
Schon stehen wir in deinen Toren, Jerusalem: /
Schon stehen unsere Füße in deinen Toren, Jerusalem: *
ה־לּהּ יַ ְח ָ ֽדּו׃
֥ ָ נוּי֑ה ְ֝כּ ִ֗עיר ֶשׁ ֻח ְבּ ָר
ָ רוּשׁ ִַ ֥לם ַה ְבּ
ָ ְי
Jerusalem, du starke Stadt, dicht gebaut und fest gefügt. /
Jerusalem, als Stadt erbaut, die fest in sich gefügt ist.
י־י֭הּ
ָ ֶשׁ ָ֨שּׁם ָע ֪לוּ ְשׁ ָב ִ֡טים ִשׁ ְב ֵט
הוה׃
ֽ ָ ְשׁם י
֣ ֵ ֵע ֣דוּת ְליִ ְשׂ ָר ֵ ֑אל ְ֝לה ֹ֗ד וֹת ְל
Dorthin ziehen die Stämme hinauf, die Stämme des Herrn, /
wie es Israel geboten ist, / den Namen des Herrn zu preisen.
Dorthin zogen die Stämme hinauf, die Stämme des HERRN, /
wie es Gebot ist für Israel, * den Namen des HERRN zu preisen.
ִ ֤כּי ָ֨שׁ ָמּה ׀ יָ ְשׁ ֣בוּ ִכ ְס ֣א וֹת ְל ִמ ְשׁ ָ ֑פּט
ִ֝כּ ְס ֗א וֹת ְל ֵב֣ית ָדִּ ֽויד׃
Denn dort stehen Throne bereit für das Gericht, /
die Throne des Hauses David.
Denn dort standen Throne für das Gericht, *
die Throne des Hauses David.
Die Revision der Einheitsübersetzung: Eine kritische Würdigung
325
רוּשׁ ָ ִל֑ם
ָ ְַ ֭שׁ ֲאלוּ ְשׁ ֣ל וֹם י
ִי ְ֝שׁ ֗ ָליוּ א ֲֹה ָ ֽביִ ְ׃
6
alt
neu
7 MT
alt
neu
8 MT
alt
neu
9 MT
alt
neu
Erbittet für Jerusalem Frieden! /
Wer dich liebt, sei in dir geborgen.
Erbittet Frieden für Jerusalem! *
Geborgen seien, die dich lieben.
ְ֑י־שׁ ֥ל וֹם ְבּ ֵח ֵיל
ָ יְ ִ ֽה
נוֹתיִ ְ׃
ֽ ָ ַ֝שׁ ְל ָ ֗וה ְבּ ַא ְר ְמ
Friede wohne in deinen Mauern, /
in deinen Häusern Geborgenheit.
Friede sei in deinen Mauern, *
Geborgenheit in deinen Häusern!
ְל ַ֭מ ַען ַא ַ ֣חי וְ ֵר ָ ֑עי
ָ ֲא ַד ְבּ ָר
ה־נּ֖א ָשׁ ֣ל וֹם ָ ֽבְּ׃
Wegen meiner Brüder und Freunde /
will ich sagen: In dir sei Friede.
Wegen meiner Brüder und meiner Freunde *
will ich sagen: In dir sei Friede.
ֹהינוּ
֑ ֵ הו֣ה ֱא
ָ ְְל ַ֭מ ַען ֵבּית־י
ֲא ַב ְק ָ ֖שׁה ֣ט וֹב ָ ֽלְ׃
Wegen des Hauses des Herrn, unseres Gottes, /
will ich dir Glück erflehen.
Wegen des Hauses des HERRN, unseres Gottes, *
will ich dir Glück erflehen.
Die Versmitte ist jetzt, wie in den liturgischen Büchern, mit einem Asteriskus markiert, eine weitere Untergliederung der ersten Vershälfte durch einen
Schrägstrich (wie im Gotteslob, aber im Gegensatz zum ✝︎ aus Stundenbuch
oder Lektionar). M. E. ist diese Anpassung an die liturgischen Bücher sinnvoll.
Wie bisher entspricht diese Versgliederung nicht immer der Verseinteilung
und -gliederung des Masoretischen Texts (z. B. 23,4; 122,4).
An einigen Stellen ist die Neufassung wörtlicher (z. B. 23,3a, „zurückbringen“ statt „stillen“; 23,5b, Perfekt statt Präsens), an anderen Stellen ist man bei
freieren Übersetzungen geblieben (z. B. 23,5a: „vor den Augen“ statt dem
wörtlicheren „gegenüber“; 122,7b: „Häuser“ statt „Paläste“). Eine Reihe von
Änderungen sind stilistisch (z. B. 23,1: „Hirt“ statt „Hirte“; 23,3b: „getreu“
statt „treu“). Manchmal ist die Wortstellung der hebräischen angepaßt (z. B.
122,7b), manchmal nicht (z. B. 23,2b).
Ob die neue Fassung der Psalmen besseres, schöneres, gehobeneres, poetischeres oder besser singbares Deutsch ist als die alte, kann ich nicht beurteilen.
Wo die Neufassung wörtlicher ist als die bisherige, halte ich sie für besser. Ob
die vielen stilistischen Änderungen eine Verbesserung darstellen, sei dahingestellt. Sie werden sicher die Rezeption der Neufassung erschweren.
326
Gregor Geiger
14. Wertung und Wünsche
Jede Übersetzung ist eine Deutung. Aber es gibt Abstufungen. Die Neufassung greift weniger und weniger häufig in den
ein, als das bisher der Fall
war. Jede Übersetzung ist ein Kompromiß. Die hebräische und die griechische
übersetzt
Sprachstruktur unterscheiden sich von der deutschen. Je
wird, desto mehr Kompromisse mit der deutschen Sprache sind nötig. Die Einheitsübersetzung ist keine Interlinearübersetzung und keine freie Nachdichtung, sondern hat meiner Meinung nach einen guten Mittelweg dazwischen
gefunden.
Auch wenn ich viele Einzelstellen kritisiert habe, mein Eindruck der Neufassung der Einheitsübersetzung ist sehr positiv. Ich bin kein Germanist, kein
Liturgiewissenschaftler und kein Pastoraltheologe, sondern biblischer Linguist. Als solcher halte ich sie nicht für perfekt, aber in weiten Teilen für eine
gelungene Verbesserung der bisherigen Fassung. Sie ist wörtlicher, ihre Sprache vielleicht holpriger, aber die Bibel ist an manchen Stellen holprig.
Besonders in divulgativen Veröffentlichungen wurde die Neufassung teils
heftig kritisiert. Soweit ich das überblicken kann, bestehen die meisten Kritikpunkte darin, daß nicht mehr in der Bibel steht, was bisher dort gestanden hat
(oder was man sich wünschen würde, daß dort stünde). Es ist verständlich, daß
einem nach fast vier Jahrzehnten viele Formulierungen geläufig sind. Wenn
jetzt nicht mehr dort steht, was bisher dort gestanden hat, so liegt das aber häufig daran, daß bisher nicht dort gestanden hat, was eigentlich dort hätte stehen
sollen. Erklärungen, Glättungen und Umdeutungen gehören nicht in den biblischen Text. Manche Kritik der Neufassung ist also eher als Kritik an der bisherigen Fassung als an der neuen zu werten.
Einige Kritiker schießen über das Ziel hinaus, nämlich wenn sie den Vorwurf machen, die Übersetzer hätten die Bibel verändert oder gar manipuliert.
Sie scheinen die Einheitsübersetzung als eigenständiges literarisches Werk zu
verstehen, nicht als das, was sie ist (und was ihr Name deutlich macht), eine
Übersetzung. Man kann eine Übersetzung nicht adäquat beurteilen, ohne den
zu übersetzenden Text einzubeziehen. Natürlich kann man vom gläubigen
Gottesvolk, von pastoralen Mitarbeitern oder von Journalisten nicht erwarten,
daß ihnen die Bibel in Griechisch oder gar Hebräisch zugänglich ist. Von
Theologen könnte man das eigentlich schon. Man darf gewiß die Neufassung
kritisieren, aber ich wünschte mir dabei mehr Objektivität.
Das Echo, das die Neufassung in der Öffentlichkeit gefunden hat, scheint
mir relativ gering. Das dürfte sich ändern, wenn sie in die Liturgie eingeführt
wird, wenn also neue Lektionare und Stundenbücher erscheinen. Es entzieht
sich meiner Kenntnis, ob es dafür einen konkreten Plan gibt. Vor allem die
Umstellung des Stundengebets auf die neue Psalmenübersetzung dürfte nicht
unproblematisch werden.
Die Revision der Einheitsübersetzung: Eine kritische Würdigung
327
Im 2013 neu erschienenen Gotteslob sind die
vor allem die
Psalmen, in der Fassung von
erhalten. Das wird die Einführung der Neufassung nicht gerade erleichtern. Falls die Neufassung in die Liturgie eingeführt wird und falls nicht schon bald wieder eine Überarbeitung des Gotteslobes vorgesehen ist, wird das über längere Zeit ein ärgerliches Nebeneinander
verschiedener Textfassungen in Wortgottesdienst und Stundengebet bedeuten.
Hätte man im Gotteslob nicht schon die Neufassung verwenden können, so
wie man für die eucharistischen Hochgebete eine Neufassung verwendet hat,
die bisher nicht eingeführt worden ist? Hätten die Gremien, die für das neue
Gotteslob und für die Neufassung der Einheitsübersetzung verantwortlich sind,
nicht zusammenarbeiten können?
Ein dringender Wunsch ist, daß die neue Einheitsübersetzung möglichst
bald im Netz frei zugänglich ist. Die gedruckten Ausgaben sind, im Vergleich
zu anderen Büchern, relativ erschwinglich. Trotzdem sollte das Wort Gottes
auch über moderne Medien wie das Internet jedem zur Verfügung stehen.
Ein weiterer Wunsch wäre, daß man die Revision vor der Einführung in die
Liturgie noch einmal revidiert und einige der Ungereimtheiten beseitigt.
Ich hoffe, daß, zumindest längerfristig, die Neufassung positiv oder zumindest fair aufgenommen wird und daß sich die Wogen, die ihre Einführung in
die Liturgie aufwerfen wird, bald wieder legen werden.
Gregor Geiger, ofm
Studium Biblicum Franciscanum, Jerusalem
29