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Geo-Sensor Web Echtzeitmessungen für Monitoring- und Informationssysteme Abstract Bisher wurden Geo-Sensor Netzwerke meist in geschlossenen monolithischen Systemen aufgebaut, wodurch die Nutzung von Sensordaten über System- und Domänengrenzen hinweg im Sinne einer „digitalen Haut“ für die Erde verhindert wurde. Deshalb werden zunehmend neue Geo-Sensor Web Ansätze verfolgt, die sich – im Unterschied zu herkömmlichen Sensornetzwerken – durch einen hohen Grad an Interoperabilität, Skalierbarkeit und Intelligenz auszeichnen. Als technisches Vehikel für die Erreichung dieser Vision wurde die Sensor Web Enablement (SWE) Initiative ins Leben gerufen, die zum Ziel hat, Sensoren über das Internet auffindbar, abfragbar und steuerbar zu machen. Solche interoperablen Möglichkeit ubiquitärer Mess- und Monitoring-Infrastrukturen Informationssysteme, indem eröffnen Endbenutzern die bisher unsichtbare Informationsebenen in naher Echtzeit zugänglich gemacht werden. Es müssen allerdings auch die Auswirkungen von räumlich hochauflösendem Monitoring auf die Bürger bedacht werden, weil Begriffe wie „Luftqualität“ oder „Schadstoffausbreitung“ nur Surrogate für breitere und direktere Einflüsse auf Menschen sind, wie z.B. Atemwegserkrankungen oder Lebenserwartung. Inhaltsübersicht 1 Eine „digitale Haut“ als Netzwerk von Sensoren............................................ 2 2 Geo-Sensor Webs – Stand der Technik........................................................ 4 3 Standardisierung als Basis für Monitoring-Anwendungen................................ 6 3.1 Sensor Web Enablement ........................................................................... 6 Sensor Model Language ...................................................................................... 7 Transducer Markup Language .............................................................................. 7 Sensor Alert Service........................................................................................... 7 Sensor Planning Service...................................................................................... 7 Web Notification Service ..................................................................................... 8 3.2 4 Live Geography Infrastruktur ..................................................................... 8 Geo-Sensor Netzwerke im Alltag ................................................................ 9 Referenzen........................................................................................................ 11 1 1 Eine „digitale Haut“ als Netzwerk von Sensoren “In the next century, planet Earth will don an electronic skin. […] This skin is already being stitched together. It consists of millions of embedded electronic measuring devices. […] These will probe and monitor cities and endangered species, the atmosphere, our ships, highways and fleets of trucks, our conversations, our bodies – even our dreams.” [Gross, 1999] Diese umfassende Vision einer Art digitalen Haut für unseren Planeten, die von Neil Gross 1999 formuliert wurde, lässt für die kommenden Jahre einen starken Anstieg in GeoSensor Netzwerk-Implementierungen erwarten. Diese Entwicklung wird speziell getrieben durch die drastische Performanzsteigerung verbunden mit gleichzeitig rapide fallenden Kosten im Sensorbereich. Dies kann mittelfristig dazu beitragen, dass wir unsere Umwelt als multidimensionales Echtzeit-Kontrollsystem betrachten, wobei der hier verwendete Begriff „Echtzeit“ nicht für eine scharf definierte zeitliche Verzögerung steht, sondern für ein aktuelles Bild der Umwelt in naher Echtzeit unter Einbindung von Live-Daten. Dieser Ansatz wird zum Beispiel in der WikiCity-Initiative verfolgt, die die Umwelt als Bindeglied zwischen der physischen und der digitalen Welt versteht, wie in Abbildung 1 dargestellt. Abbildung 1: WikiCity – die Umwelt als Echtzeit-Kontrollsystem. [SENSEable City Lab, 2010] Bereits heutzutage sind wir umgeben von einer Vielzahl von miniaturisierten Sensoren, versteckt in Autos, Wohnhäusern, Energieinfrastrukturen, Mobiltelefonen u.v.m. Diese stark ansteigende Zahl an verfügbaren Echtzeit-Datenquellen wie z.B. Umweltsensoren, Verkehrzählstellen oder Energieverbrauchsdaten, bedingt auch einen Wandel in der Wahrnehmung des Paradigmas von „ubiquitären Monitoringsystemen“, d.h. der Messung und Analyse unserer Umgebung in Echtzeit unterstützt durch Geographische Informationssysteme (GIS). 2 Die Realisierung dieser „digitalen Haut“ für die Erde bietet allerdings eine Reihe von technischen Herausforderungen. Bestehende Sensor-Netzwerke sind derzeit meist in abgeschlossenen monolithischen Systemen aufgebaut, d.h. Datenzugriff ist nur sehr eingeschränkt möglich, womit domänenübergreifende Nutzung von Sensormessungen verhindert wird. So messen z.B. regionale Verwaltungseinheiten Pegelstände und Durchflusswerte von städtischen Fließgewässern, um Hochwasserfrühwarnsysteme einzurichten, während Energieversorgungsunternehmen mit den gleichen Parametern Prognosen über die Nutzungskapazität ihrer Laufkraftwerke treffen. Durch die mangelnde Vernetzung dieser bestehenden Netzwerke auf Grund von verschiedenen Datenformaten, räumlichen Bezugssystemen, und Übertragungsprotokollen ist jedoch keine optimale Nutzung von Sensordaten möglich. Eine entscheidende Herausforderung wird in den kommenden Jahren deshalb die Integration von heterogenen Datenquellen sein, damit Messdaten grenzübergreifend verteilt und genutzt werden können. Dies bedingt allerdings breite Interoperabilität auf Daten- und Service-Ebene, um Kommunikation zwischen verschiedenartigen Sensoren zu ermöglichen, wie in Abbildung 2 dargestellt. Abbildung 2: Sensor Web Kommunikation zwischen Heterogenen Sensortypen. [nach Liang et al., 2004] Speziell in der Kommunikation zwischen Sensoren unterscheiden sich moderne GeoSensor Webs entscheidend von herkömmlichen Geo-Sensor Netzwerken. Geo-Sensor Webs zeichnen sich durch drei essentielle Eigenschaften aus: Interoperabilität bezeichnet 3 die Fähigkeit verschiedenartiger Sensoren, miteinander zu kommunizieren oder ein gemeinsames Resultat zu produzieren; Skalierbarkeit impliziert, dass neue Sensoren in existierende Sensornetzwerke eingefügt werden können, ohne schwerwiegende Umstellungen in der bestehenden Hardware- und Software-Infrastruktur zu erfordern; Intelligenz meint die Fähigkeit von Sensoren, zu einem gewissen Grad autonom „denken“ zu können. Diese Intelligenz kann von Datenfilterung nach vorgegebenen Kriterien mit Hilfe von Complex Event Processing (CEP) Mechanismen bis hin zu autonomen Softwareagenten reichen. 2 Geo-Sensor Webs – Stand der Technik Sensor Webs wurden ursprünglich wie zahlreiche andere Technologien für militärische Fragestellungen entwickelt. Während des Kalten Krieges entstanden so das Sound Surveillance System (SOSUS) zur Ortung von U-Booten, sowie ein Netzwerk von RadarGeräten zur Luftraumüberwachung. In den 1980ern wurde der Ansatz von verteilten Sensornetzwerken (Distributed Sensor Networks – DSN) geboren und maßgeblich von der Defense Advanced Research Projects Agency (DARPA) vorangetrieben. Nachdem in den 1990ern hauptsächlich die Idee von Network Centric Warfare (NCW) im Mittelpunkt stand, rückte seit der Jahrtausendwende zunehmend die ursprüngliche Vision von kleinen und kostengünstigen Sensoren in den Vordergrund. Derzeit existiert eine Anzahl von Geo-Sensor Netzwerken, die teils den Kriterien Skalierbarkeit und Intelligenz entsprechen, Interoperabilität war bis vor kurzem aber kaum der Fokus neuer Entwicklungen. Das Ziel des CitySense-Projektes [Murty et al. 2008] beispielsweise ist die Implementierung eines städtischen Sensornetzwerkes zur Messung von verschiedenen Umweltparametern. Das Sensornetz kann also als Datenquelle für diverse Analyse- und Entscheidungsunterstützungssysteme gesehen werden. CitySense fokussiert auf die Ausbringung eines flächendeckenden Systems unter spezieller Berücksichtigung einer optimierten Netzwerkinfrastruktur, also maximaler Verfügbarkeit, Ausfallssicherheit, Selbstheilungsmechanismen und optimale Bandbreitennutzung. Zurzeit berücksichtigt CitySense jedoch noch keine offenen Standards, die Interoperabilität mit anderen Messnetzen ermöglichen. King’s College London (2010) hat die Initiative des London Air Quality Network (LAQN) ins Leben gerufen. LAQN wurde 1993 initiiert, um Luftqualitäts-Monitoring in London zu koordinieren und zu verbessern. Messdaten werden hierzu von lokalen Behörden in London zur Verfügung gestellt. Derzeit integriert LAQN die Daten von ca. 150 Messstationen und stellt zeitnah statistische Diagramme, Zeitreihen-Darstellungen und Windgraphen zur Verfügung. Allerdings ist LAQN in einem geschlossenen System 4 aufgebaut, wobei Daten über das Internet abgefragt werden können, allerdings in einem proprietären Format. Das Oklahoma City Micronet – OCM [University of Oklahoma 2010] ist ein Netzwerk bestehend aus 40 automatisierten Monitoring-Stationen, verteilt über die Stadt von Oklahoma, US. Das Netzwerk umfasst vier Mesonet-Stationen und 36 Messgeräte, die auf Verkehrsampeln befestigt sind. Atmosphärische Messungen werden minütlich an die Oklahoma Climatological Survey übertragen, die eine Qualitätsprüfung der Daten durchführt und die Messungen anschließend OCM Partnern und Kunden zur Verfügung stellt. Ein entscheidender Nachteil besteht darin, dass OCM keine offenen Standards verwendet und damit Übertragbarkeit in andere Anwendungsbereiche verhindert wird. Das gilt auch für CORIE [Center for Coastal and Land-Margin Research 2009], eine Pilotausbringung eines Environmental Observation and Forecasting Systems (EOFS) für den Columbia River. Es integriert ein Echtzeit-Messnetz, ein Datenmanagement-System und komplexe mathematische Modelle. Ein Geo-Mashup zur Visualisierung von Umweltdaten ist die nowCOAST Applikation [National Oceanic and Atmospheric Administration 2010]. nowCOAST visualisiert mehrere Umweltparameter, die von öffentlichen Datenprovidern gesammelt werden. Überdies stellt das System eine interpolierte Karte der Meeresoberflächentemperaturen bereit. Paulsen (2008) beschreibt SensorGIS, eine Sensorinfrastruktur, die Sensornetzwerke mit Geo-Visualisierungsmechanismen verbindet. Die Messstationen überwachen alpine Felstemperaturen in Intervallen von zehn Minuten. Das Projekt fokussiert auf optimale Ressourcennutzung, d.h. Datenaggregation, Energieverbrauch und Kommunikationsaufwand innerhalb des Sensornetzwerkes. Wie die anderen bisher beschriebenen Sensornetzwerke verwendet auch diese Implementierung keine offenen Standards, abgesehen von der Visualisierungskomponente. Der Live Geography Ansatz [Resch et al. 2009] versucht den Charakteristika von GeoSensor Webs nicht anwendungsgetrieben, sondern konzeptionell zu begegnen. Der Hauptfokus des Live Geography Konzeptes ist die Verwendung von Echtzeit-Messdaten in semi-automatisierten und hochstandardisierten Systemen für Umweltbeobachtung. Somit kann der Ansatz auch als Brücke zwischen rein technischen Sensornetzwerkentwicklungen und anwendungsorientierten Systemen für operationelle Entscheidungsunterstützung (z.B. Hochwasserfrühwarnung oder Verkehrsmanagement) gesehen werden. Bestehende Geo-Sensor Web Anwendungen, die auf der Live Geography Infrastruktur basieren, reichen von Luftqualitätsbeobachtung, Public Health Anwendungen, Detektion von städtischen Wärmeinseln, Sicherheitsmanagement (Messung radioaktiver Strahlung), bis hin zur Messung automatischen Analyse von Umweltparametern zur Entscheidungsunterstützung in naher Echtzeit. 5 3 Ein Standardisierung als Basis für Monitoring-Anwendungen entscheidender Mangel in bestehenden Sensor Webs ist also fehlende Standardisierung. Deshalb startete 2003 das Open Geospatial Consortium (OGC) – die führende Institution für die Schaffung von Geo-Standards – die Sensor Web Enablement (SWE) Initiative, die auf standardisierten Datenaustausch zwischen Sensoren und Sensornetzwerken abzielt (http://www.opengeospatial.org/projects/groups/sensorweb). SWE stellt eine sehr vielversprechende Initiative dar – auf Grund ihres funktionalen Umfanges, ihrer Breiten Unterstützung in der Entwicklung sowohl durch Forschungseinrichtungen als auch durch Unternehmen, ihre schnelle Weiterentwicklung und Einführung von offiziellen Standards, und ihrer weit gediehenen Entwicklung, was auch den Einsatz in Produktivumgebungen ermöglicht. 3.1 Sensor Web Enablement Ziel von SWE ist es, Sensoren über das Internet auffindbar, abfragbar und konfigurierbar zu machen [Botts 2007]. Die Initiative umfasst sieben Standards, die von der Beschreibung der Sensorplattform über ein XML-Schema für die Messdatenkapselung bis hin zu verschiedenen Services (Datenabfrage, Alert, Notification etc.) reichen. Abbildung 3 zeigt die konzeptionelle Funktionsweise von SWE. Abbildung 3: SWE Standards – Konzeptionelle Funktionsweise. [Resch et al., 2009] 6 Sensor Model Language Für die Beschreibung von Sensoren wurde Sensor Model Language (SensorML) entwickelt, das ein Extensible Markup Language (XML) Schema zur Definition von geometrischen, dynamischen und messungsbezogenen Charakteristika zur Verfügung stellt. Deshalb dient SensorML dazu, verschiedene Sensortypen aufzufinden, die Analyse und Verarbeitung der abgefragten Daten zu unterstützen, und Georeferenzierung der Beobachtungsdaten zu ermöglichen. Observations and Measurements Observations and Measurements (O&M) – mittlerweile als ISO-Standard anerkannt – stellen das Pendant zu SensorML im Bereich der eigentlichen Beobachtung von Phänomenen dar. Dies bedeutet, dass O&M eine Beschreibung der Beobachtungs- und Messdaten in Form genereller Modelle und XML-Encodings zur Verfügung stellt. Transducer Markup Language Die Transducer Markup Language (TML) stellt eine XML-basierte Methode und ein Nachrichtenformat für die Beschreibung von Signalgebern bzw. Messwertwandlern sowie deren produzierten Daten zur Verfügung. TML definiert also eine Reihe von Modellen zur Beschreibung der hardwaretechnischen Responsecharakteristika. Sensor Observation Service Das Sensor Observation Service (SOS) ist ein Service, das eine Abfrage von Messdaten eines Sensors oder einer Sensorgruppe ermöglicht. Diese OGC-Spezifikation definiert Operationen, die von einem bestimmten Sensor zur Verfügung gestellt werden, wie z.B. die Methoden GetCapabilities, GetObservation oder DescribeSensor. Sensor Alert Service Prinzipiell verteilt Ankündigungen ein von Sensor Alert Sensor-Events Service (SAS) Benachrichtigungen (Schwellwertüberschreitung, Detektion bzw. von Bewegung, kritischer Batteriestatus, etc.) an alle Clients, die für das jeweilige Event registriert sind. SAS definiert also einen push-basierten Datenübertragungsmechanismus über das Extensible Message Presence Protocol (XMPP), im Gegensatz zum pull-basierten SOS. Sensor Planning Service Das Sensor Planning Service (SPS) zielt auf die Automatisierung von komplexen Informationsflüssen in großen Netzwerken ab. Dies bedingt die Unterstützung diverser „Capabilites“, also der Eigenschaften bzw. der Fähigkeiten der Sensoren als auch verschiedener Systeme für die Anfragenbearbeitung. SPS kann als Möglichkeit zur 7 entfernten Steuerung eines Sensors gesehen werden, z.B. zur dynamischen Anpassung von Messintervallen oder zur Kamerasteuerung. Web Notification Service Der letzte Teil des SWE-Modells ist das Web Notification Service (WNS), das einen asynchronen Nachrichtenaustausch mit anderen Services ermöglicht. Prinzipiell bestehen zwei Modi eines WNS; erstens, das „simple WNS“, ein Einwegkommunikationsmodell, bei dem Benutzer registriert sein müssen (E-Mail, HTTP, SMS, Telefon, Fax, etc.) und zweitens das „extended WNS“, das auch benutzerspezifische Antworten auf Benachrichtigungen erhalten kann. 3.2 Live Geography Infrastruktur Eine technische Infrastruktur, die den gesamten Geo-Sensor Web Workflow (Sensorik – Kommunikation – Datenbereitstellung – Modellierung/Analyse – Visualisierung) in standardisierte Module untergliedert, ist der in Abbildung 4 dargestellte und in Abschnitt 2 kurz beschriebene Live Geography Architektur. Abbildung 4: Live Geography – Standardisierter Geo-sensor Web Workflow. [Resch et al., 2009] Für die Standardisierung des Gesamt-Workflows wurde eine Reihe von technischen Komponenten entwickelt: erstens, ein generisches Sensormodul, das in verschiedensten Bereichen zur Anwendung kommen kann – im Gegensatz zu bisherigen hoch spezialisierten Messgeräten; zweitens, ein Mechanismus zur Integration von heterogenen Datenquellen, auch über verschiedene Anwendungsdomänen hinweg (Sensor Fusion); drittens ein flexibles Datenanalysesystem, das Daten aus mehreren Quellen kombinieren kann, z.B. zur Erstellung von Hochwasseranalysen, Stauvorhersagen, Lawinenwarnungen oder Luftqualitätskarten; schließlich eine Reihe von Visualisierungskomponenten für verschiedene Nutzergruppen. Abbildung 5 zeigt das Resultat der „live“ Geo-Sensor Web Analyseergebnisse, Temperaturwerten Algorithmus. im speziellen unter Diese Fall Verwendung Implementierung die des höhenkorrigierte Inverse dient der Distance Interpolation Weighting Überwachung von (IDW) optimaler Umgebungsbedingungen für Flora und Fauna im Nationalpark Berchtesgaden. 8 Abbildung 5: Analysierte Sensordaten für Ubiquitäre Umwelt-Informationssysteme. 4 Geo-Sensor Netzwerke im Alltag Der Aufbau von Monitoring-Infrastrukturen eröffnet nicht nur die Möglichkeit, unsere Welt ganzheitlicher zu ergründen, sondern kann auch zu einer erweiterten Wahrnehmung der Umwelt durch die Bürger führen. Dies geschieht durch die Möglichkeit, bisher „unsichtbare“ Informationsebenen für Menschen zugänglich zu machen, und damit bisher nicht vermutete Korrelationen in Echtzeit sichtbar zu machen, mit Hilfe einer Sensorgetragenen „digitalen Haut“ für die Erde. Die Realisierung dieser Vision bedingt jedoch einen hohen Grad an Interoperabilität zwischen Sensornetzwerken – sowohl auf Daten- als auch auf Serviceebene. Dies war bisher nicht möglich, weil Messinfrastrukturen traditionell in monolithischen und geschlossenen Systemen aufgebaut werden. Diesbezüglich gilt es in den kommenden Jahren, Sensorhersteller, Netzwerkbetreiber und Forschungs-Communitys für die breite Verwendung von offenen Standards zu sensibilisieren und deren Vorteile aufzuzeigen. Herausforderungen für die mittelfristige Zukunft im Bereich Geo-Sensor Web sind mannigfaltig. Technisch gesehen sind Geo-Sensor Webs mittlerweile so weit gediehen, dass Einsätze in Produktivumgebungen umsetzbar sind. Dazu muss jedoch eine Richtungsänderung in der Sensor Web Forschung geschehen, weg von hochoptimierten und vorrangig auf Miniaturisierung ausgerichteten Forschungsvorhaben, hin zur Querintegration von verschiedensten Technologien, Messgeräten, Systemplattformen und 9 Datenformaten. Diese Quervernetzung kann uns helfen, ein ganzheitliches aktuelles Lagebild unserer Umwelt zu erlangen. In diesem Kontext müssen effiziente und umfassende Mechanismen zum Auffinden von Sensoren inklusive entsprechender Registrierungsdienste geschaffen werden. Hier spielt auch die Quervernetzung zu Linked Data Konzepten – dem konkreten Ansatz hin zur Realisierung der Vision eines Semantic Web – eine entscheidende Rolle, um konsistente Metadatenbestände für Sensoren, Messdaten und Serviceschnittstellen möglichst automatisiert und umfassend bereitzustellen. Nur so kann M2M (Maschine-zu-Maschine) Kommunikation zwischen verschiedenen Komponenten im Workflow ermöglicht werden, um folglich manuelle Intervention in der Bereitstellung von Informationsdiensten in naher Echtzeit zu minimieren. Außerdem gilt es, flächendeckende Qualitätskontrolle für Sensordaten zu implementieren, unter spezieller Berücksichtigung des aktuellen Forschungstrends von „Citizens as Sensors“, also der Möglichkeit, subjektive Sinneseindrücke von Menschen direkt in Mess- und Analysesysteme zu integrieren. Damit rückt auch die Einbindung von mobilen Sensoren mit dynamischer raum-zeitlicher Position in den Vordergrund, um die technologische Basis für die Vision von „Pervasive Geo-Sensor Webs“ unter Verwendung von Drohnen (UAV – Unmanned Aerial Vehicles), Sensor-Robotern oder verkehrsgetragenen mobilen Sensoren (montiert z.B. auf öffentlichen Bussen oder Taxis) zu schaffen. In der Analyse von Sensordaten und in der Ergebnisvisualisierung werden zukünftig verstärkt Web-GIS-Technologien zum Einsatz kommen (Stichworte Web Processing Service [WPS], Web Map Service [WMS], Web 3.0 etc.). Grundsätzlich gibt es drei substantielle Vorteile solcher web-basierter Ansätze im Vergleich zu traditionellen Desktop-orientierten GIS-Systemen: 1.) eröffnen sie die Möglichkeit, Echtzeitdaten über das Web in GIS-Werkzeuge zu integrieren – was bisher nicht möglich war. 2.) benötigen Benutzer kein Experten-Know-how für den Einsatz von komplizierten GIS Werkzeugen, sondern können über wenige Klicks in einfachen web-basierten Anwendungen Informationen beziehen (z.B. „wie ist die derzeitige Luftqualität in meinem Stadtteil?“). 3.) können komplexe Algorithmen zur Datenanalyse sehr einfach über das Internet zugänglich gemacht Echtzeitinformation werden, zu um so versorgen, verschiedenste wie z.B. Interessensgruppen Privatpersonen, mit Städteplaner, Verkehrsmanagementunternehmen oder politische Entscheidungsträger. Abgesehen von diesen technischen Herausforderungen sind die Auswirkungen von räumlich hochauflösendem ubiquitärem Monitoring auf die Bürger ein weiterer essentieller Aspekt. Begriffe wie „Luftqualität“ oder „Schadstoffausbreitung“ sind nur Surrogate für breitere und direktere Einflüsse auf Menschen, wie z.B. Atemwegserkrankungen oder Lebenserwartung. Dieses Spannungsfeld wirft die Frage 10 nach der optimalen Granularität von Information auf. Hochgenaue und vollständige Informationen können in manchen Fällen von Nachteil sein, weil dadurch Rückschlüsse auf sehr kleinem Raum möglich sind, im Extremfall sogar auf Einzelpersonen. Dies kann wiederum einschneidende Auswirkungen auf verschiedenste Bereiche wie das Gesundheitswesen, die Versicherungsbranche, den Wohnungsmarkt oder Städteplanung mit sich bringen. Ein übergreifend herausfordernder Aspekt ist, dass durch diese neuen Geo-Sensor Web Ansätze Bürger auch direkt in Erfassungs- und Entscheidungsprozesse eingebunden werden können, indem Menschen ihre persönlich-subjektiven Eindrücke, aber auch objektiv-technischen Messewerte an unabhängige Analysesysteme übertragen. Die Realisierung dieser Vision bedarf jedoch einer intensiven Sensibilisierung der Bürger über ihr räumliches und soziales Umfeld und einer breiten Bewusstmachung des direkten Einflusses von Sensordaten auf Gesundheit, Ökosysteme, Energieeffizienz oder soziale Interaktion. Nur so können Monitoring-Infrastrukturen entstehen, die eine Stadt zu einer Echtzeitplattform der Partizipation, Interaktion und Information machen, und damit GeoSensor Webs zu verlässlichen Datenquellen für ubiquitäre Informationssysteme gemacht werden. Referenzen [Botts 2007] Botts, M. (Hrsg.) (2007) OpenGIS Sensor Model Language (SensorML) Implementation Specification. http://www.opengeospatial.org, OpenGIS Implementation Specification OGC 07-000, Version 1.0.0 beta, 17. Juli 2007. (8. Juli 2010) [Center for Coastal and Land-Margin Research 2010] Center for Coastal and Land-Margin Research (2010) CORIE. http://www.ccalmr.ogi.edu/CORIE, June 2010. (18. Dezember 2010) [Gross 1999] Gross, N. 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