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Reform der Lehrerbildung: Zwischen Zwängen der Praxis, Erkenntnissen der Theorie und Evidenzen der Empirie Waltraud Schreiber Stefanie Zabold A. Die Quadratur des Kreises? Oder: Warum die Reform der Lehrerbildung eine besondere Herausforderung für alle Akteure darstellt ......................................................................... 8 0. Zur Einordnung ........................................................................................................................ 8 I. Zwischen Schul- und Hochschulreformen: Herausforderungen an die Lehrerbildungsreform .. 13 1. Schulreformen der 2000-er Jahre .............................................................................................13 1.1. Deutsche Schulreformen nach PISA ................................................................................................. 15 1.2. Nationaler bildungspolitischer Konsens – was bedeutet das für die Schulen? ................................ 19 1.3. Resümee: Die Schulreformen gehen weiter .................................................................................... 23 2. Zwischen Euphorie und Abscheu: Hochschulreform der 2000er Jahre ....................................25 2.1. Der politische Kontext ...................................................................................................................... 25 2.2 Die Umsetzung an deutschen Hochschulen ...................................................................................... 27 2.3 Forschungen zur Hochschulreform ................................................................................................... 31 2.4 Resümee ........................................................................................................................................... 31 3. “Neue Lehrer braucht das Land?“ - Reform der Lehrerbildung aus der Perspektive der Schulund Hochschulreformen ...............................................................................................................32 3.1. Europäische und nationale Ausgangspunkte der Lehrerbildungsreform der 2000-er Jahre ........... 33 3.2 Vorgaben und Empfehlungen der KMK und HRK zur Reform der Lehrerbildung ............................. 36 II. Zwischen Kulturhoheit und universitärem Autonomieanspruch: Herausforderungen bei der Realisierung von Lehrerbildungs-Reformen ............................................................................... 40 1. Kulturhoheit der Länder und universitäre Lehrerbildung .........................................................40 2. Staatsexamen in der Lehrerbildung ..........................................................................................41 3. Konkretisierungen zur Struktur-Reform der Lehrerbildung......................................................42 3.1 Strukturelle Lehrerbildungsreform: Das Beispiel Bayern .................................................................. 43 3.2 Strukturelle Lehrerbildungsreform: Das Beispiel NRW ..................................................................... 44 4. Lehrerbildung als Profilelement für Universitäten ...................................................................45 4.1 Das Lehrangebot als Indikator .......................................................................................................... 45 4.2 Schulbezogene Forschung als Profilelement..................................................................................... 46 5. Resümee ...................................................................................................................................48 III. „Non scholae, sed vitae discimus“: Lehrerbildung als lebenslanger Prozess .......................... 50 1. Erstausbildung an der Universität und im Studienseminar ......................................................50 2. Die universitäre Lehrerbildung als Grundstock für lebenslanges Lernen .................................52 2.1 Der Erwerb tiefen und flexiblen Wissens als Grundlage für die Entwicklung von Lehrerkompetenz ................................................................................................................................................................ 52 2.2 Herausforderung horizontale und vertikale Vernetzung .................................................................. 53 3. Gut vorbereitet oder Praxisschock? Der durch Studienseminare begleitete Vorbereitungsdienst .....................................................................................................................55 3.1 Zum Ist-Zustand des Vorbereitungsdienstes ..................................................................................... 56 1 3.2 Vertikale Vernetzung ........................................................................................................................ 57 3.2.1 Herausforderungen für die vertikale Vernetzung (Vorbereitungsdienst Gymnasium) ............. 58 3.2.2 Herausforderungen für die vertikale Vernetzung (Vorbereitungsdienst Grundschule) ............ 60 3.3 Resümee ........................................................................................................................................... 61 4. Fort- und Weiterbildung: die Dritte Phase ...............................................................................62 4.1 Ausgangslagen vor den 2000er Reformen ........................................................................................ 64 4.2 Entwicklungen der 2000er Jahre ....................................................................................................... 64 4.3 Weiterer Handlungsbedarf ............................................................................................................... 67 4.3.1 Zur Freiwilligkeit von Fort- und Weiterbildung ......................................................................... 68 4.3.2 Inhaltlichkeit und Struktur der Fortbildungsangebote .............................................................. 69 4.3.2.1 Pflichtfortbildungen „Implementation kompetenzorientierter Lehrpläne” ...................... 70 4.3.2.2 Fortbildungsreihen zu Sonderthemen ............................................................................... 71 4.3.2.3 Feedbackstrukturen für die Teilnehmer ............................................................................ 72 4.4 Resümee ........................................................................................................................................... 73 IV. „Reduktion und Komplexität“: Herausforderung der inhaltlichen Ausgestaltung des Lehramtsstudiums angesichts der Komplexität des Berufsfelds Schule ...................................... 74 1. Fachwissenschaften, Fachdidaktiken und Erziehungswissenschaften als Bezugsdisziplinen – die drei Säulen der universitären Lehrerbildung ..........................................................................75 2. Fachdidaktiken ..........................................................................................................................76 2.1 Das Profil der Fachdidaktiken ........................................................................................................... 77 2.1.1 Fachdidaktiken und die Förderung von Unterrichtskompetenz .................................................... 78 2.1.2 Blickweitung von der schulischen auf die außerschulische Bildung .............................................. 80 2.1.3 Beiträge der Fachdidaktik zur Fachgrenzen überschreitenden Zusammenarbeit in der Forschung ................................................................................................................................................................ 82 2.1.4 Kooperation im Bereich der Pragmatik: Fachdidaktiken als Partner von Schulen und Vertretern der Zweiten und Dritten Phase der Lehrerbildung ................................................................................. 83 2.2 Resümee: Herausforderung an die Fachdidaktiken ......................................................................... 84 3. Fachwissenschaften ..................................................................................................................85 3.1 In-Depth Content Knowledge............................................................................................................ 85 3.2 Polyvalente Nutzung fachwissenschaftlicher Module. Strukturelle Überlegungen .......................... 89 3.2.1 Ausgangslagen: Zur Struktur von Fach- und Lehramtsstudiengängen ...................................... 89 3.2.2 Vom Verhältnis von Schulfach und wissenschaftlichen Disziplinen .......................................... 90 3.2.3 Klassifizierung polyvalenter Angebote als Pflicht-, Wahlpflicht oder Wahlmodule .................. 92 3.2.3.1 Pflichtmodule .................................................................................................................... 92 3.2.3.2 Wahlpflichtbereich ............................................................................................................ 93 3.2.3.3 Wahlbereich ...................................................................................................................... 94 3.2.4 Modul-Niveaus und Ordnungen ................................................................................................ 94 3.3 Resümee. Herausforderung an die Fachwissenschaften .................................................................. 96 2 3.3.1 Studiengangsplanung ................................................................................................................ 96 3.3.2 Lehre ......................................................................................................................................... 98 4. Erziehungswissenschaften ........................................................................................................98 4.1 Ein Strukturproblem der Erziehungswissenschaften: ihre disziplinäre Heterogenität ..................... 99 4.2 Bildungswissenschaftliche Standards der KMK ................................................................................. 99 4.3 Institutionelle Lösungen .................................................................................................................. 101 4.4 Lehrerbildungszentren .................................................................................................................... 103 4.5 Resümee ......................................................................................................................................... 106 5. Theorie-Praxisbezug: Herausforderung und Problempotential für die Lehrerbildung ...........107 5.1 Berufsfeldbezug Schule: Chancen und Grenzen von Praktika/ Praxismodulen .............................. 108 5.1.1 „Allgemeine Berufsbefähigung“ als Ziel und Bestandteil aller reformierten Studiengänge ... 108 5.1.2 Schulbezug im akademischen Lehramtsstudium vor Bologna ................................................ 111 5.1.3 Herausforderungen für die aktuelle Reform der Lehrerbildung in Bezug auf den TheoriePraxiszusammenhang ....................................................................................................................... 112 5.2 Resümee ......................................................................................................................................... 114 5.3 Praxismodule statt isolierter Praktika ............................................................................................. 114 6. Lehrerkompetenzen als Querschnittkompetenz ....................................................................117 6.1 Situationsanalyse ............................................................................................................................ 117 6.2 Lehrerkompetenzen als Querschnittskompetenz strukturell aufbauen: der „Lehramtstrack” ...... 118 6.3 Konkrete Maßnahmen zur Entwicklung von Lehrerkompetenzen als Querschnittskompetenz ..... 119 6.3.1 Handlungsfelder Unterrichten und Erziehen – Förderung der Querschnittskompetenzen mit Hilfe der Praxismodule ..................................................................................................................... 120 6.3.1.1 Kooperation der Fachdidaktiken in den Praxismodulen Unterrichten 1 und 2 ............... 121 6.3.1.2 Förderung der Querschnittskompetenzen über alle Praxismodule hinweg .................... 122 6.3.2 Handlungsfelder Unterrichten/ Beraten – Förderung der Querschnittskompetenzen mit Hilfe von Kombimodulen .......................................................................................................................... 123 6.3.3 Handlungsfelder Innovieren/ Unterrichten: Förderung der Querschnittskompetenzen durch fächerübergreifende Kooperationen in vernetzten Modulen ......................................................... 126 6. 4 Resümee......................................................................................................................................... 128 B. Für Schule und Leben kompetent – aber wie?: Ansatzpunkte, mit den Herausforderungen der „Reform der Lehrerbildung” umzugehen ................................... 130 I. Ansatzpunkt: Paradigmenwechsel hin zur Kompetenzorientierung....................................... 131 1. Begründung für den Ansatzpunkt „Kompetenzorientierung” ................................................132 2. Das zugrunde gelegte Kompetenzverständnis (Kompetenzorientierung 2.0) ........................135 2.1 Die Entwicklung von Lehrerkompetenz in horizontaler und vertikaler Vernetzung ....................... 136 2.2 Lehrerbildung „holistisch“ gesehen: Ein Kompetenz-Struktur-Modell für Lehrerkompetenzen als Querschnittskompetenz........................................................................................................................ 139 2.2.1 Zur Entwicklung des Modells und zur Motivation, die dahinter stand.................................... 139 3 2.2.1.1 Methodisches Vorgehen.................................................................................................. 140 2.2.2 Zur Herausarbeitung der Kompetenzstruktur: Kompetenzbereiche ....................................... 141 2.2.3 Strukturelle Zusammenhänge ................................................................................................. 144 2.2.4 Das Kompetenzstruktur-Modell in den drei Phasen der Lehrerbildung .................................. 146 2.2.4.1 Kompetenzen zur fach- und sachbezogenen Analyse – „den Kern identifizieren“ ......... 146 2.2.4.1.1 Die universitäre Erste Phase der Lehrerbildung und ihre Bedeutung für die Kompetenzentwicklung im Bereich „Kerne identifizieren” .................................................... 147 2.2.4.1.2 Die Zweite Phase der Lehrerbildung und ihre Bedeutung für die Kompetenzentwicklung im Bereich „Kerne identifizieren” .................................................... 151 2.2.4.1.3 Die Dritte Phase der Lehrerbildung und die Bedeutung der Kompetenzen „Kerne zu identifizieren” ......................................................................................................................... 153 2.2.4.2 Kompetenzen zur Selbst- und Fremdwahrnehmung und Selbst- und Fremdreflexion .. 154 2.2.4.2.1 Die Ausbildung der Fähigkeit zur Selbst- und Fremdwahrnehmung, zur Selbst- und Fremdreflexion an der Universität.......................................................................................... 155 2.2.4.2.2 Die Ausbildung der Fähigkeit zur Selbst- und Fremdwahrnehmung, zur Selbst- und Fremdreflexion im Studienseminar ........................................................................................ 156 2.2.4.2.3 Die Ausbildung der Fähigkeit zur Selbst- und Fremdwahrnehmung, zur Selbst- und Fremdreflexion in der dritten Phase ....................................................................................... 158 2.2.4.3 Kompetenzen zu situationsadäquaten Synthesen und Konkretisierungen .................... 159 2.2.4.3.1 Synthesen erstellen lernen: Die Ausbildung an der Universität .............................. 160 2.2.4.3.2 Synthesen erstellen lernen: Die Ausbildung im Studienseminar ............................. 161 2.2.4.3.3 Den Fort- und Weiterbildungszielen angemessene Synthesen erstellen lernen ..... 162 2.2.5 Resümee .................................................................................................................................. 162 II. Brückenschlag zwischen akademischer Wissenschaft und schulischer Praxis: Das Selbstverständnis von Lehrkräften als scientist practitioner .................................................... 164 1. Das Konzept des scientist practitioner ...................................................................................164 2. Herausforderung, in den einzelnen Phasen ein Selbstverständnis als scientist practitioner aufzubauen bzw. zu bewahren ...................................................................................................166 2.1 In der Universität zum scientist practitioner werden? ................................................................... 166 2.2 Im Studienseminar und in der Berufsphase scientist practitioner bleiben? ................................... 168 2.2.1 Scientist practitioner und Zweite Phase .................................................................................. 168 2.2.2 Scientist practitioner und Dritte Phase ................................................................................... 170 2.3. Resümee ........................................................................................................................................ 171 III Ausgangspunkt Evidenzbasierung. Schul- und Lehrerbildungsbezogene Studien und die Reform der Lehrerbildung ....................................................................................................... 172 1. Zur Einordnung: Empirische Wende der Lehrerbildungsforschung ........................................172 2. Ansatzpunkt Evidenzbasierung? Überlegungen zur Relevanz der Studien für bereits laufende Reformen der Lehrerbildung ......................................................................................................175 4 3. Ansatzpunkt Evidenzbasierung, konkretisiert an vier Studien ...............................................178 3.1 PaLea -Panel zum Lehramtsstudium (vgl. www.PaLea.uni-Kiel.de) ................................................ 178 3.1.1 Kurzvorstellung der Studie ...................................................................................................... 178 3.1.2 Zusammenhang mit Lehramt plus : Ansatzpunkte für die Beurteilung; Anregungen zur Optimierung ..................................................................................................................................... 180 3.2 COACTIV: Professionswissen von Lehrkräften, kognitiv aktivierender Mathematikunterricht und die Entwicklung mathematischer Kompetenz bei Schülern (vgl. www.mpibberlin.mpg.de/coactiv/index.html) ....................................................................................................... 182 3.2.1 Kurzvorstellung der Studie und ihrer Ergebnisse .................................................................... 182 3.2.2 Zusammenhang mit Lehramt plus : Ansatzpunkte für die Beurteilung; Anregungen zur Optimierung ..................................................................................................................................... 185 3.3 BilWiss: Bildungswissenschaftliches Wissen und der Erwerb professioneller Kompetenz in der Lehramtsausbildung .............................................................................................................................. 187 3.3.1 Kurzdarstellung der Studien und ihrer Ergebnisse .................................................................. 187 3.3.2 Zusammenhang mit Lehramt plus : Ansatzpunkte für die Beurteilung; Anregungen zur Optimierung ..................................................................................................................................... 190 3.4. HiTCH („Historical Thinking – Competencies in History“): Beispiel einer Studie, die auf Schülerkompetenzen fokussiert ........................................................................................................... 191 3.4.1 Kurzvorstellung des HiTCH-Tests und seiner Ergebnisse ......................................................... 191 3.4.2 Zusammenhang mit Lehramt plus : Ansatzpunkte für die Beurteilung; Anregungen zur Optimierung ..................................................................................................................................... 195 3.5 Resümee ......................................................................................................................................... 196 C Konkretisierungen: Vor Ort mit den Herausforderung einer „Reform der Lehrerbildung“ umgehen. Das Beispiel Lehramtplus ................................................................................. 197 I. Das Konzept Lehramtplus – ein Überblick................................................................................ 197 1. Zur Einordnung in die bayerische Lehrerbildungspolitik ........................................................198 2. Das Konzept Lehramtplus: Landesvorgaben, Bologna-Strukturen und Universitätsprofil im Einklang ......................................................................................................................................199 3. Struktur des Studienmodells Lehramtplus ................................................................................201 3.1 Idealtypische Studienpläne ............................................................................................................. 202 3.2 Detaillierung zu den Studienphasen ............................................................................................... 206 3.2.1 Sockelstudium ......................................................................................................................... 206 3.2.2 Vertiefungsphase .................................................................................................................... 208 3.2.3 Profilphase .............................................................................................................................. 209 3.2.3.1 Lehramtsstudium Gymnasium......................................................................................... 210 3.2.3.2 Lehramtsstudium Realschule .......................................................................................... 211 3.2.3.3 Lehramtsstudium Grund- und Mittelschule .................................................................... 212 5 3.2.4 Lehramtstrack ......................................................................................................................... 212 3.2.4.1 Lehramtstrack Realschule/ Gymnasium .......................................................................... 212 3.2.4.2 Lehramtstrack Grund- und Mittelschule ......................................................................... 214 4. Resümee .................................................................................................................................215 II. Konkretisierungen ............................................................................................................... 221 1. Kompetenzorientierung als Paradigma, um auf die tiefgreifenden Veränderungen der Welt zu reagieren ....................................................................................................................................222 1.1 Schritte der Entwicklung, Überarbeitung und Optimierung ........................................................... 222 1.1.1 Reform der Reform: Kompetenzorientierte Modulbeschreibungen ....................................... 223 1.1.2 Überarbeitung der Ordnungen................................................................................................ 224 1.2 Lehrerkompetenzen als Querschnittskompetenzen; Maßnahmen zur Unterstützung der Kompetenzförderung ............................................................................................................................ 224 2. Modellversuch „Kooperation Erste und Zweite Phase Lehrerbildung“ ..................................226 2.1 Projektstruktur ................................................................................................................................ 227 2.1.1 Fachgruppen............................................................................................................................ 227 2.1.2 Plenartage ............................................................................................................................... 227 2.1.3 Koordinatorentreffen .............................................................................................................. 228 2.1.4 Projektleitung .......................................................................................................................... 228 2.2 Klären des Ist-Zustands der Kompetenzförderung in den beiden Phasen ...................................... 228 2.3 Maßnahmen und Konzepte zur Optimierung einer auf das Paradigma Kompetenzorientierung ausgerichteten Lehrerbildung ............................................................................................................... 229 2.3.1 Seminarlehrkräfte an die Universität ...................................................................................... 230 2.3.2 Dozenten ins Seminar ............................................................................................................. 231 2.3.3 Tandems zwischen Studierenden und Referendaren ............................................................. 231 2.3.4 Gemeinsame Ausbildung von Praktikumslehrkräften ............................................................. 231 2.4 Mehrwert der Vernetzung zwischen Universität und Studienseminar ........................................... 232 2.5. Kostenneutral? ............................................................................................................................... 233 3. Zur Beteiligung der KU an der Lehrerfortbildung für die Dritte Phase ...................................233 3.1 Grundsätzliche Überlegungen ......................................................................................................... 233 3.2. Erläuterung an konkreten Beispielen ............................................................................................. 236 3.2.1 Sichtbarmachen der KU als Akteur in der Fortbildung der Dritten Phase ............................... 236 3.2.2 Von der Einzelveranstaltung zu Fortbildungsreihen und begleitendem Coaching der Teilnehmenden ................................................................................................................................ 237 3.2.3 Kompetenzorientiertes Geschichtslernen und digitale Lehr-Lernmittel ................................. 240 D. Resümee .................................................................................................................... 243 Bibliographie .................................................................................................................. 246 Literaturverzeichnis ................................................................................................................. 246 6 Literaturangaben ........................................................................................................................246 Internetangaben .........................................................................................................................261 7 A. Die Quadratur des Kreises? Oder: Warum die Reform der Lehrerbildung eine besondere Herausforderung für alle Akteure darstellt 0. Zur Einordnung Lehrer bzw. Lehrerin1 zu sein zählt zu den verantwortungsvollsten Berufen in einer Gesellschaft und Lehrerbildung zu den größten Herausforderungen des Bildungssystems: Lehrkräfte tragen dazu bei, der kommenden Generation das Rüstzeug mitzugeben, ihr Leben mit seinen sich ständig wandelnden Situationen zu meistern. Der indirekt auf Seneca zurückgehende Aphorismus „Non scholae, sed vitae discimus“ fasst dies zusammen.2 Weil es das Leben ist, für das Lehrkräfte ihre Schülerinnen und Schüler vorbereiten sollen, müssen Lernen und Lehren, muss Schule als Ganze sich daran orientieren, was zu einem erfüllten Leben notwendig ist. Was, wie und warum gelernt werden soll, ist deshalb ständigen Änderungen unterworfen. Kontextgebundenheit und Komplexität kennzeichnen demzufolge auch die Lehrerbildung. Ihre Institutionalisierung ist eine daraus sich ergebende Konsequenz; Institutionalisierung wiederum führt zur Notwendigkeit, Lehrerbildung in Reformen an je neue Bedingungen anzupassen. 1 Im Sinn der Geschlechtergerechtigkeit vermeidet der vorliegende Text das generische Maskulinum weitgehend. Er sieht jedoch dort, wo sich eine geschlechtsneutrale Pluralbildung nicht sinnvoll vollziehen lässt bzw. den Lesefluss hemmt, von der genderkorrekten Sprachregelung ab. 2 In Senecas Kritik an den Philosophenschulen seiner Zeit lautet der Satz ursprünglich: „Non vitae, sed scholae discimus“. Vgl.: Seneca. Epistulae morales ad Lucilium. 106, 12, zit. nach: Fink, G., Holzberg, N., Nickel, R., Zimmermann, B. (wiss. Ber.) (2007): Seneca. Epistulae morales ad Lucilium. In: Sammlung Tusculum. Düsseldorf: Artemis & Winkler. Wer die Satzglieder aus welchem Grund umgestellt hat, ist nicht mehr nachzuvollziehen. Aus dem Briefwechsel Senecas mit Lucilius über Ethik geht aber hervor, dass bereits Seneca die mangelnde Lebensorientierung von Schule kritisiert. In der Umkehrung „non scholae, sed vitae discimus” ist die Forderung zu einem geflügelten Wort geworden, das zur Kritik an Schule wie auch als Orientierung für Schule genutzt wird. 8 Der Band „Reform der Lehrerbildung: Zwischen Zwängen der Praxis, Erkenntnissen der Theorie und Evidenzen der Empirie“ fokussiert die Situation der 2000-er Jahre. Dabei werden drei Aspekte als wesentlich betrachtet: 1. Der eigentliche Bezugspunkt jeder Lehrerbildung sind die Schülerinnen und Schüler, und das, was sie als Rüstzeug für ihr Leben brauchen. Reformen der Lehrerbildung müssen sich auf die Welt beziehen, in der sie leben und lernen werden. 2. In den die aktuelle Welt maßgeblich prägenden Wissensgesellschaften erfolgt die Erstausbildung von Lehrkräften als akademische Ausbildung an Hochschulen; sie schafft die Grundlage für das lebenslange Weiter-Lernen im Beruf. Reformen der Lehrerbildung müssen ein wissenschaftsbasiertes lebenslanges Lernen zum Ziel haben. 3. Lehrerbildung muss Theorie und Praxis in ein Verhältnis setzen, das Lehrkräfte befähigt, ihre Aufgaben im Rahmen der Schule zu erfüllen; alle an den unterschiedlichen Phasen der Lehrerbildung beteiligten Institutionen müssen dazu ihren Beitrag leisten. Reformen der Lehrerbildung müssen das Theorie-PraxisVerhältnis neu denken. Der vorliegende Band ist dreigeteilt: Im ersten Teil werden zuerst die Herausforderungen dargestellt, mit denen eine Reform der Lehrerbildung konfrontiert ist. Daran anschließend werden in Teil zwei Ansatzpunkte Herausforderungen zu meistern. herausgearbeitet, die es erlauben könnten, die In Teil drei wird als Konkretisierung das Lehrerbildungskonzept der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt vorgestellt. Am konkreten Beispiel verdeutlicht sich der komplexe Zusammenhang zwischen Zwängen der Praxis, Erkenntnissen der Theorie und Evidenzen der Empirie. Ein Resümee schließt den Band ab, das vor dem Horizont, dass sich die Reformen der Lehrerbildung notwendig fortsetzen werden, optimistisch machen will, u.a. auch, indem auf vermeidbare Probleme aufmerksam gemacht wird. In Teil A wird als erste „Herausforderung” die Ausgangslage dargestellt: Schul- und Hochschulreformen haben längst begonnen. Erste Etappen sind abgeschlossen, die nächsten Schritte sind geplant, dabei muss auf neue Situationen reagiert, Kritik muss berücksichtigt werden. Schul- und Hochschulreformen unterscheiden sich auf den ersten Blick beträchtlich; der zweite Blick offenbart auch Gemeinsamkeiten. Kritiker machen als gemeinsame Basis 9 z.B. eine zunehmende Ökonomisierung der Bildung aus.3 Mitträger der Reformen negieren die Bedeutung der Bildungsökonomie zwar nicht, sehen sie aber nur als einen Motor unter mehreren an. Durch die Reformen an den Schulen und den Hochschulen werden auf jeden Fall Fakten geschaffen. Die Reform der Lehrerbildung ist gezwungen, sich daran zu orientieren. Die Herausforderung für die Reform der Lehrerbildung besteht darin, sich im Reagieren auf geschaffenen Fakten dennoch Spielräume zu bewahren, um Impulse für eine Weiterentwicklung der Lehrerbildung und damit der Schule zu setzen. Ebenfalls unter „Macht des Faktischen” ist die zweite der dargestellten Herausforderungen zu subsumieren. Sie wendet sich der Realisierung von Lehrerbildungsreform an deutschen Hochschulen zu und betrachtet das Spannungsverhältnis, das notwendig zwischen der Kulturhoheit der Länder über Schule und Lehrerbildung auf der einen und der Profilbildung und Autonomisierung4 der einzelnen Hochschule auf der anderen Seite entsteht. An zwei Beispielen (Bayern und Nordrhein-Westfalen) werden unterschiedliche Wege der Realisierung skizziert. Abschließend wird schulbezogene Forschung als Chance aufgezeigt, Lehrerbildung als Profilelemente von Hochschulen zu etablieren. Eine andere Ausrichtung kommt mit der dritten Herausforderung ins Spiel: Reformen müssen sich auch auf „Lehrer-Bildung als lebenslangem Prozess” beziehen. Auf die Erstausbildung an Hochschulen und im Studienseminar folgt die Fort- und Weiterbildung während der Berufstätigkeit. Die Phasen werden vorgestellt und in Bezug zueinander gesetzt, wobei betont wird, dass die Herausforderung darin besteht, dass es in allen Phasen nicht nur um das „Lernen von” gehen darf, sondern jeweils auch um das „Verfügen Können über” das Gelernte in je neuen Situationen. Das durch die Verknüpfung der Phasen angestrebte Lebenslange 3 Nach Thomas Höhne ist Ökonomisierung „ein vielfältiges Phänomen der Transformation auf verschiedenen Ebenen, die von Feldern, Akteuren, Organisationen über Praktiken und Interaktionen bis hin zu Subjektivierungsformen reichen“. In: Höhne, T. (2015). Ökonomisierung und Bildung. Zu den Formen ökonomischer Rationalisierung im Feld der Bildung. Wiesbaden: Springer, S. 13. Vgl. hierzu auch Rekus, J. (Hrsg.) (2005). Bildungsstandards, Kerncurricula und die Aufgabe der Schule. Münster: Aschendorff. 4 Bezogen auf „Autonomie” wird an dieser Stelle auf eine ausführlichere theoretische Kontextualisierung verzichtet. Sie müsste die Forderung Humboldts auch nach der Autonomie der Bildungsinstitutionen kritisch reflektieren (vgl.: Humboldt, W. (1810/1964). Über die innere und äußere Organisation der höheren wissenschaftlichen Anstalten in Berlin. In A. Flitner & K. Giel. (Hrsg.), Wilhelm von Humboldt, Schriften zur Politik und zum Bildungswesen. Darmstadt.), sie mit der im deutschen Grundgesetz (Art. 7, Abs. 1) festgelegten Rolle des Staats als Garant für Bildung in Bezug setzen, auch auf die damit verbundene Rolle des Staats Kontrolleur des Bildungssystems eingehen, dabei den Bezug zu transnationalen Reformträgern (wie EU, OECD, UNESCO) herstellen sowie zum deutschen Föderalismus. Dabei müsste auch auf Pierre Bourdieus kritische Perspektive auf die Möglichkeit der Autonomie von Bildung eingegangen werden (vgl.: Bourdieu, P. & Passeron, J.-C. (1971). Die Illusion der Chancengleichheit. Untersuchungen zur Soziologie des Bildungswesens am Beispiel Frankreichs. Stuttgart: Klett.). 10 Lernen wird dabei als Ausdruck eines Bildungsprozesses gesehen, der die Lehrkraft zu einem wissensbasierten, eigenständigen Agieren in den Handlungsfeldern der Schule befähigt.5 Der vierte Zugriff stellt die Komplexität des Berufsfelds als Herausforderung für die universitäre Lehrerbildung im Zentrum. Dafür werden drei Zugriffen gewählt: (1) In der Auseinandersetzung mit Fachdidaktiken, Fachwissenschaften und Erziehungswissenschaften als Bezugsdisziplinen universitärer Lehrerbildung werden Prinzipien, Methoden und Inhalte in den Blick genommen, die jeweils vermittelt werden sollten, damit Lehramtsstudierende ihre Professionalität grundlegen können, die sie später als Lehrkräfte kontinuierlich weiterentwickeln müssen. (2) Mit dem Theorie-Praxisbezug wird ein Problemfeld der universitären Lehrerbildung beleuchtet, das über „employment” als Ziel aller Bachelor- und Masterstudiengänge deutliche hinausreicht. Dabei wird u.a. herausgestellt, dass Lehrerbildungsreformen unter Berufsfeldbezug mehr als Praktika verstehen müssen; zudem werden strukturelle Maßnahmen diskutiert, um den Theorie-Praxiszusammenhang als Aufgabe des gesamten Studiums zu verdeutlichen. Abschließend wird verdeutlicht, (3) worin die Herausforderung für Hochschulen besteht, die Entwicklung von Lehrerkompetenz als Querschnittskompetenzen zu fördern. Strukturelle Maßnahmen und konkrete Beispiele werden vorgestellt. Bei der Suche nach Ansatzpunkten, die bestehenden Herausforderungen für eine Reform der Lehrerbildung zu meistern, modellieren wir im zweiten Teil des Bandes auf einer Metaebene drei Lösungsansätze: den Paradigmenwechsel hin zu einer „Kompetenzorientierung 2.0”, das Konzept der Lehrkraft als „scientist practitioner” und die Chancen, die eine „Evidenzbasierung durch empirische Forschung” bergen kann. Die Lösungsansätze setzen jeweils an vorfindlichen Forschungs- und Entwicklungsständen an sowie an der daran geäußerten Kritik und führen die Konzepte so aus, dass ihr Potenzial innerhalb einer Reform der Lehrerbildung sichtbar wird. Kompetenzorientierung 2.0 wird zuerst als das Paradigma herausgearbeitet, mit dem auch im Bildungsbereich auf die tiefgreifenden Veränderungen der Welt reagiert werden kann; eine Abgrenzung gegenüber einer verkürzten, ausschließlich unter „Ökonomisierung von Bildung” subsumierten Rezeptionen erfolgt. Zum Konkretisierung werden Ansätze skizziert, die die Entwicklung von Lehrerkompetenzen in horizontaler und vertikaler Vernetzung unterstützen. Die Überlegungen zum Paradigmenwechsel hin zur Kompetenzorientierung werden 5 Lebenslanges Lernen wird dezidiert abgegrenzt von der von Peter Kossack im online-Glossar Ökonomisierung der Bildung vorgetragenen Sicht, Lebenslanges Lernens als politische und ökonomische Machtstrategien zu verstehen, die Expansionslogiken folgt, „die pädagogisch rationalisiert werden”. Vgl. Kossak, P. (2013). Lebenslanges Lernen, URL http://www.gloeb.de/index.php?title=Lebenslanges_Lernen. 11 abgeschlossen mit einem Vorschlag zur Modellierung eines phasenübergreifenden Kompetenzstrukturmodells Lehrerkompetenzen in für der Kompetenzmodellierungen Lehrkräfte, ganzen üblich, Breite wurde an dem sich ausrichten das die könnte. Förderung Anders Strukturmodell von als bei „Holistische Lehrerkompetenzen“ nicht im Rahmen eines Forschungsprojekts erarbeitet, sondern in Kooperation zwischen Wissenschaftlern und Praktikern. Um den Mehrwert einer Orientierung an einem fach- und phasenübergreifenden Kompetenzstrukturmodell zu verdeutlichen, wird gezeigt, wie die Kompetenzentwicklung in den ausgewiesenen Kompetenzbereichen in den drei Phasen der Lehrerbildung gefördert werden könnte. Als zweiter Ansatzpunkt, um die mit der Reform von Lehrerbildungen verbundenen Herausforderungen zu meistern, wird das Konzept des „scientist practitioners” vorgestellt und wiederum in seiner Relevanz für alle Phasen der Lehrerbildung diskutiert. Es geht dabei darum, Wissenschaftsbasiertheit und Forschungsnähe als Chance für die Praxis herauszuarbeiten, die einschließt, dass der „scientist practitioner” auch praxisgetriebene Forschung initiieren und mittragen kann. Schließlich wird die durch empirische Forschung eröffnete Evidenzbasierung als Ansatzpunkt für die Bewältigung der Reformansprüche herausgearbeitet. Dies wird an vier Studien verdeutlicht: der PaLea-Studie, einer Panel-Studie, die explizit auf die aktuellen Reformansätze fokussiert und nach deren Wirkungen für Lehramtsstudierende fragt; den COACTIV-Studien, die horizontal wie vertikal die Vernetzung zwischen fachwissenschaftlichen und fachbezogenen Kompetenzausprägungen im mathematischen Bereich untersuchen; den BilWiss-Studien, die der Rolle der bildungswissenschaftlichen Kompetenzen in der Erstausbildung angehender Lehrkräfte nachgehen und der HiTCHStudie, an der zuerst gezeigt wird, dass auch geisteswissenschaftliche Kompetenzausprägungen im Large-Scale-Format erfasst werden können, ehe in einem zweiten Schritt die Bedeutung von Schulforschung für die Lehrerbildung heraus gestellt wird. Teil drei des Bandes zeigt an einem konkreten Lehrerbildungsmodell die Komplexität auf, die sich aus dem Zusammentreffen von Zwängen der Praxis, Erkenntnissen der Theorie und Evidenzen der Empirie ergibt. Als Beispiel wird die Katholischen Universität EichstättIngolstadt gewählt, eine Universität, die Lehrerbildung nicht als lästige Pflicht, sondern als Profilelement versteht. Das Modell Lehramtplus wurde im Rahmen der Ausschreibung der bayerischen Staatsministerien für Unterrichts und Kultus bzw. Wissenschaft, Forschung und Kunst als staatlich anerkannter Modellversuch entwickelt. Als solcher war Lehramtplus 12 einerseits verpflichtet, die bestehenden landesspezifischen und nationalen Vorgaben zu berücksichtigen, andererseits konnten die durch die Modellversuchsklausel eröffneten Spielräume genutzt werden, um sowohl bei der Entwicklung als auch im Optimierungsprozess auf Veränderungsbedarfe einzugehen. Damit ist der Modellversuch in besonderem Maße geeignet, Zwänge und Möglichkeiten herauszuarbeiten, vor denen die Reform der Lehrerbildung steht. Dazu wird Lehramtplus zuerst im Überblick vorgestellt. Dann werden drei Maßnahmen skizziert, die darauf zielen den Paradigmenwechsel zur Kompetenzorientierung zu unterstützen. Dabei geht es zunächst um Maßnahmen zur Optimierung des Studiums, sodann um die Kooperation mit der Zweiten Phase und schließlich um die Mitwirkung an Fortbildungsmaßnahmen für die Dritte Phase. Der Band schließt mit einem Resümee, das abwägend Problemlagen und positive Ansätze einander gegenüberstellt und abschließend Entwicklungen herausstellt, die als Macht des Faktischen die Reformen der Lehrerbildung vorantreiben könnten. I. Zwischen Schul- und Hochschulreformen: Herausforderungen an die Lehrerbildungsreform 1. Schulreformen der 2000-er Jahre Die seit den frühen 2000-er Jahren initiierten Schulreformen waren nicht zuletzt die Folge der unerwartet schwachen Ergebnisse deutscher Schülerinnen und Schüler bei internationalen Vergleichsuntersuchungen zur Schulleistung. Die Schwächen, die TIMSS 19956 bezogen auf 6 TIMSS steht als Akronym bis 2003 für „Third International Mathematics and Science Study“; seitdem für „Trends in International Mathematics and Science Study“. Seit 1995 werden im vierjährigen Turnus von der International Association for the Evaluation of Educational Achievement (IEA) die Schulleistungen in Mathematik und Naturwissenschaften in der Grundschule und in der Sekundarstufe I und II untersucht. 1995 13 Mathematik bei Schülerinnen und Schülern der 7. und 8. Klassen bzw. der Sekundarstufe II offen gelegt hatte, traten in den Ergebnisse der PISA-2000-Studie für 15-Jährige noch deutlicher zu Tage: In den dort untersuchten Schwerpunkten Lesekompetenz, mathematische und naturwissenschaftliche Grundbildung lagen die deutschen Schülerinnen und Schüler unter dem OECD7-Durchschnitt. Ebenso unerwartet und gegenläufig zu den Zielen eines gegliederten Schulsystems war die großer Heterogenität der Ergebnisse. Außerdem stach hervor, dass die leistungsschwächeren Schülerinnen und Schüler kaum über die Kompetenzausprägungen verfügten, die als grundlegend für ihre individuelle Entwicklung, die gesellschaftliche Teilhabe und das berufliche Fortkommen eingeschätzt werden.8 Die Empfehlungen, die OECD und KMK aufgrund der Ergebnisse aussprachen, brachten Reformprozesse in allen Bundesländern in Gang, die bis heute nicht abgeschlossen sind. Diese Entwicklung stößt nicht nur auf Zustimmung. Gegner kritisieren an PISA und den darauf fußenden Reformen z.B. den dort vertretenen Kompetenzansatz und das zugrunde liegende Bildungsverständnis, die als zutiefst ökonomisch ausgerichtet wahrgenommen nahm Deutschland erstmals an der Erhebung teil. Zum Einsatz kamen neben Fragebögen für Schülerinnen und Schüler auch Fragebögen für Lehrkräfte und die Schulleitungen, dazu im 3-Länder-Vergleich zwischen Deutschland, den USA und Japan Videographien. Zu den Ergebnissen der „paper and pencil“-Erhebungen vgl. z.B. Baumert, J., Bos, W. & Lehmann, R. (2000). TIMSS/III Dritte Internationale Mathematik- und Naturwissenschaftsstudie — Mathematische und naturwissenschaftliche Bildung am Ende der Schullaufbahn. Band 1 Mathematische und naturwissenschaftliche Grundbildung am Ende der Pflichtschulzeit. Wiesbaden: VS; Baumert, J., & Lehmann R., (2000). 2. TIMSS/III, Dritte Internationale Mathematik- und Naturwissenschaftsstudie - Mathematische und naturw. Mathematische und physikalische Kompetenzen am Ende der gymnasialen Oberstufe. Opladen: Leske+Budrich; Reusser, K., Pauli, C. & Waldis, M. (2010). Unterrichtsgestaltung und Unterrichtsqualität. Ergebnisse einer internationalen und schweizerischen Videostudie zum Mathematikunterricht. Münster: Waxmann. 7 OECD ist das Akronym für The Organisation for Economic Cooperation and Development. Dass eine Wirtschaftsorganisation, die dafür keine demokratische Legitimation hat, zu einem der zentralen bildungspolitischen Akteure wird, erfährt insbesondere unter den Kritikern der Ökonomisierung von Bildung deutliche Kritik (vgl.; Henry, M., Lingard, B., Rizvi, F. & Taylor, S. (2001). The OECD, globalization and education policy. Amsterdam: Pergamon; vgl. hierzu auch die Kritik, die in mehreren Beiträgen des onlineGlossars Ökonomisierung der Bildung geäußert wird: Beiträge des online-Glossars Ökonomisierung der Bildung. URL http://www.gloeb.de/index.php?title=Glossar. 8 PISA steht als Akronym für „Programme for International Student Assessment“ und untersucht Schülerinnen und Schüler einer Altersstufe (15-Jährige) in Bezug auf ihre Lesekompetenz, mathematische Kompetenz und naturwissenschaftliche Grundbildung, also auf Fertigkeiten zur Bewältigung von lebensweltlichen Problemen. Die OECD schätzt die untersuchten Kompetenzen als „relevant [...] für persönliches, soziales und ökonomisches Wohlergehen“ ein (OECD, 1999). Zugrunde liegt das angelsächsische literacy- und numeracy-Konzept. Die Studie wird alle 3 Jahre wiederholt; in Deutschland wurde sie erstmals 2000 durchgeführt; nationale Erweiterungen haben sich inzwischen eingebürgert. Nicht zuletzt wegen der weltweit hohen bildungspolitischen Bedeutung werden das Konzept, die Ergebnisse und deren Interpretation kontrovers diskutiert. (vgl. OECD. (1999). URL http://www.oecd.org/berlin/themen/pisa-internationaleschulleistungsstudiederoecd.htm. Während die Einschätzungen von PISA-affinen Wissenschaftlern über Homepages der Träger-Institutionen (BMBF, IPN, TUM, DIPF, IPN) gut zu erschließen sind, gilt dies für die Kritik erst in Ansätzen. Einen Zugang eröffnet der wirksame offene Brief der Gegner an die OECD: Vgl. Offener Brief an die OECD. (2014). URL http://bildungwissen.eu/wp-content/uploads/2014/05/offener-brief-schleicher-autoriserte-fassung.pdf. Zunehmend sammeln die Kritiker sich unter dem Stichwort der „Ökonomisierung von Bildung”. Vgl. u.a. Beiträge des online-Glossars Ökonomisierung der Bildung. URL http://www.gloeb.de/index.php?title=Glossar; vgl. Höhne, T. (2015); Krautz, J. (2007). Pädagogik unter dem Druck der Ökonomisierung. Zum Hintergrund von Standards, Kompetenzen und Modulen. Pädagogische Rundschau, 1, S. 81-93. 14 werden.9 Die Aufgabenkonstruktion wird aus den Fächern heraus teilweise kritisch gesehen.10 Insbesondere Pädagoginnen und Pädagogen kritisieren die Machtverschiebungen in der Bildungsforschung und Bildungsberatung auf das „PISA-Regime” und auf diejenigen, die zur Evidenzbasierung mit Hilfe von Large-Scale-Assessments beitragen.11 Heftige Kritik an PISA äußern auch die Protagonisten von materialen Bildungscanones.12 Um vor diesem Hintergrund zu einer Einschätzung der aktuellen deutschen Schulreformen gelangen und Konsequenzen für Reformen der Lehrerbildung bedenken zu können, werden die Reformmaßnahmen im Folgenden entlang der für Deutschland bindenden Beschlüsse der KMK vorgestellt. 1.1. Deutsche Schulreformen nach PISA Eine Grundlage der laufenden Reformen bildet der Konstanzer Beschluss der KMK aus dem Jahre 199713: Er leitete die so genannte empirische Wende in der Bildungspolitik ein. Die 9 Vgl. u.a. Hartong, S. (2012). Basiskompetenzen statt Bildung? Wie PISA die deutschen Schulen verändert hat. Frankfurt am Main: Campus-Verlag; Flitner, E., (2006). Pädagogische Wertschöpfung. Zur Rationalisierung von Schulsystemen durch public-private-partnerships am Beispiel von PISA. In J. Oelkers, R. Horlacher, R. Casale (Hrsg.), Rationalisierung und Bildung bei Max Weber. Beiträge zur Historischen Bildungsforschung (S. 245266). Bad Heilbrunn: Klinkhardt.; Liebau, E. (2005). Nach PISA: Die Kultivierung des Lernens. In: V. Frederking, H. Heller, A. Scheunpflug, (Hrsg.), Nach PISA. Konsequenzen für Schule und Lehrerbildung nach zwei Studien (S. 51-61). Wiesbaden: VS. 10 Fachliche Kritik z.B. an den Aufgaben zur mathematischen Kompetenz kommt u.a. vom Mathematikdidaktiker Wolfram Meyerhöfer (Vgl. Meyerhöfer, W. (2005). Tests im Test: Das Beispiel PISA. Opladen: Budrich); vgl. auch die Beiträge zu Mathematik im Sammelband Hopmann, S. (Hrsg.) (2007). PISA zufolge PISA. Hält PISA, was es verspricht? PISA according to PISA. Does PISA keep, what it promises? Wien: LIT-Verlag. Vgl. Klein H.-P., Jahnke Th., Kühnel W., Sonar T. & Spindler M. (2014). Sind Hamburgs Abiturienten mathematisch und naturwissenschaftlich klüger geworden? Nach welchen Maßstäben übertrifft das achtjährige Gymnasium das neunjährige? Qualitative Analyse der in den Studien KESS 12 und KESS 13 eingesetzten Testinstrumente im Bereich Mathematik/Naturwissenschaften. Vierteljahrsschrift für wissenschaftliche Pädagogik, 89. 11 Kritik am „PISA-Regime” äußern z.B. der Pädagoge Andreas Gruschka, (vgl. Gruschka, A. (2011). Verstehen lehren. Ein Plädoyer für guten Unterricht. Stuttgart: Reclam); der Soziologe Richard Münch (vgl.: Münch, R. (2009). Globale Eliten, lokale Autoritäten: Bildung und Wissenschaft unter dem Regime von PISA, McKinsey & Co. Frankfurt am Main: Suhrkamp); der Erziehungswissenschaftler Heinz-Dieter Meyer (Meyer, H.-D. & Benavot, A. (2013). PISA, Power, and Policy: the emergence of global educational governance. Didcot: Symposium; dies.: Global Benchmarking in Education. Who Succeeds at PISA and Why? in press). 12 Die Liste reicht von Manfred Fuhrmann (Fuhrmann, M. (2004). Der europäische Bildungskanon. Frankfurt am Main u.a.: Insel-Verlag), über Dietrich Schwanitz (Schwanitz, D. (2002). Bildung. Alles, was man wissen muß. München: Goldmann) zu Josef Kraus (Kraus, J. (2005). Der PISA Schwindel. Unsere Kinder sind besser als ihr Ruf. Wie Eltern und Schule Potentiale fördern können. Wien, München: Signum). 13 „Die Durchführung regelmäßiger länderübergreifender Vergleichsuntersuchungen zum Lern- und Leistungsstand von Schülerinnen und Schülern ausgewählter Jahrgangsstufen an allgemeinbildenden Schulen ist dabei eine wichtige Ergänzung der länderbezogenen Qualitätssicherungsmaßnahmen und ermöglicht für jedes Land Rückschlüsse im Hinblick auf die jeweils gewählten Methoden und Maßnahmen zur Qualitätssicherung.” Vgl. Grundsätzliche Überlegungen zu Leistungsvergleichen innerhalb der Bundesrepublik Deutschland – 15 KMK bezeichnet dies als „Paradigmenwechsel in der Bildungspolitik in Deutschland im Sinne von Ergebnisorientierung, Rechenschaftslegung und Systemmonitoring“14: Das Ziel ist, u.a. mit Hilfe länderübergreifender Vergleichsstudien15 „Stärken und Schwächen des Bildungssystems in Deutschland insgesamt und in den 16 Ländern“ zu identifizieren sowie geeignete Reformmaßnahmen umzusetzen”.16 Nach den desaströsen Ergebnissen bei den ersten Vergleichsstudien einigten Länder und KMK sich schnell auf relevante Handlungsfelder für eine als geboten angesehene Schulreform.17 Die in den einzelnen Ländern zu realisierenden Maßnahmenpakete zielen auf: • die Verbesserung der Sprachkompetenz bereits im vorschulischen Bereich, • die enge Verzahnung vorschulischer Erziehung mit der Grundschule, • die Verbesserung der Grundschulbildung, • die durchgängigen Verbesserung der Lesekompetenz und des grundlegenden Verständnisses mathematischer und naturwissenschaftlicher Zusammenhänge, • die wirksame Förderung bildungsbenachteiligter Kinder, insbesondere auch mit Migrationshintergrund, u.a. durch den Ausbau von Ganztagsangeboten, • die Entwicklung verbindlicher Standards, • kontinuierliche ergebnisorientierte Evaluation als Grundlage für die Weiterentwicklung und Sicherung der Qualität von Unterricht und Schule. Die KMK sah die Notwendigkeit, die in den Ländern eingeleiteten Maßnahmen zu koordinieren. Unter anderem sollte die Input-Orientierung, wie im Konstanzer Beschluss bereits angelegt, durch eine konsequente Outcome-Orientierung ersetzt werden. Die entscheidende Maßnahme war die Vereinbarung, länderübergreifende Bildungsstandards18 für Konstanzer Beschluss (1997). URL http://www.kmk.org/fileadmin/veroeffentlichungen_beschluesse/1997/1997_10_24-Konstanzer-Beschluss.pdf. 14 Vgl. Gesamtstrategie der Kultusministerkonferenz zum Bildungsmonitoring, 2006, S. 5. 15 Der Terminus „länderübergreifend” umfasst wegen des deutschen Föderalismus und der Kulturhoheit der Bundesländer neben den internationalen Studien auch ländervergleichende Studien innerhalb Deutschlands. 16 Beschluss der 350. Kultusministerkonferenz vom 11.06.2015: Gesamtstrategie der Kultusministerkonferenz zum Bildungsmonitoring (2015) S. 3. URL http://www.kmk.org/fileadmin/veroeffentlichungen_beschluesse/2015/2015_06_11-GesamtstrategieBildungsmonitoring.pdf. 17 Beschluss der 299. Kultusministerkonferenz vom 17./18.10.2002: PISA 2000 – Zentrale Handlungsfelder. Zusammenfassende Darstellung der laufenden und geplanten Maßnahmen in den Ländern. Vgl. Beschluss der 299. Kultusministerkonferenz. PISA 2000 – Zentrale Handlungsfelder. Zusammenfassende Darstellung der laufenden und geplanten Maßnahmen in den Ländern (2002). URL http://www.kmk.org/fileadmin/pdf/PresseUndAktuelles/2002/massnahmen.pdf. 18 Klieme E., Avenarius, H., Blum, W., Döbrich, P., Gruber H., Prenzel, M., Reiss, K., Riquarts, K., Rost, J., Tenorth, H.-E., & Vollmer H. J. (2003). Zur Entwicklung nationaler Bildungsstandards, Bonn/Berlin. URL https://www.bmbf.de/pub/zur_entwicklung_nationaler_bildungsstandards.pdf); Brenner, D. (Hrsg.) (2007). 16 als zentral erachtete Fächer19 und verschiedene Phasen der schulischen Ausbildung zu erarbeiten und dann systematisch zu überprüfen, inwiefern die Standards erreicht würden.20 Die Arbeit an den Bildungsstandards setzte noch 2002 ein; die Standards werden sukzessive optimiert. Verabschiedet wurden A. einheitliche Prüfungsanforderungen (EPA) für die Abiturprüfung (2002; 200821). Kompetenzorientierte EPAs wurden ab 2002 zuerst für die in den Ländervergleichen überprüften Fächer vorgelegt, ab 2004 auch für die weiteren Abiturfächer;22 2012 wurden in den Fächern Deutsch, Mathematik, Englisch und Französisch Bildungsstandards für die Allgemeine Hochschulreife verabschiedet, die die EPAs in diesen Fächern ersetzen und ab 2016/17 für die Gestaltung der Abiturprüfungen in allen Bundesländern grundlegen werden. B. Vereinbarung über Bildungsstandards für den Mittleren Schulabschluss (Jahrgangsstufe 10, für Deutsch, Mathematik, Erste Fremdsprache (2003); für Biologie, Physik, Chemie (2004)). Vereinbarung über Bildungsstandards für den Primarbereich (Jahrgangsstufe 4, für Deutsch und Mathematik (2004); vgl. dazu auch: Empfehlungen zur Arbeit in der Grundschule in der letzten Aktualisierung von 2015). C. Vereinbarung über Bildungsstandards für den Hauptschulabschluss (Jahrgangsstufe 9, für Deutsch, Mathematik, Erste Fremdsprache (2004)). Trotz der Optimierungsmaßnahmen verstummt die Kritik an Bildungsstandards nicht. Die Kritiken setzen an unterschiedlichen Stellen an: Zum Teil wird diskutiert, inwiefern Standardsetzung nicht per se unvereinbar mit „Bildung” sei23 und Ausdruck ihrer als wesensfremd empfundenen Ökonomisierung; zum Teil wird jede Form einer auf Standards Bildungsstandards. Instrumente zur Qualitätssicherung im Bildungswesen. Chancen und Grenzen - Beispiele und Perspektiven. Paderborn: Schöningh. 19 Wie im internationalen Vergleich wurde der Fokus auf Mathematik, Naturwissenschaften, Deutsch und die erste Fremdsprache gelegt. 20 Die empirische Überprüfung der angezielten Kompetenzen ist eines der Forschungsfelder, das durch die Reformdebatte starke Impulse erfahren hat: Vgl. z.B. Prenzel, M., Gogolin, I. & Krüger, H.-H. (Hrsg.) (2007). Kompetenzdiagnostik. Zeitschrift für Erziehungswissenschaft Sonderheft 8; vgl. die Ausschreibungen von Forschungsförderungsprogrammen durch DFG und BMBF. URL http://www.empirische-bildungsforschungbmbf.de/de/1367.php). 21 Vgl. Einheitliche Prüfungsanforderungen (EPA) für die Abiturprüfung (2008). URL http://www.kmk.org/fileadmin/veroeffentlichungen_beschluesse/2008/2008_10_24-VB-EPA.pdf; 22 Die EPA der einzelnen Fächer von der KMK. URL http://www.kmk.org/fileadmin/veroeffentlichungen_beschluesse/1989/1989_12_01-FACH. veröffentlicht. 23 Vgl. u.a. Euler, P. (2011). 10 Thesen zu Bildungsstandards. URL http://www.abpaed.tudarmstadt.de/anu/forschung12/10thesen/10thesen.de.jsp) oder Herzog, W. (2013). Bildungsstandards. Eine kritische Einführung. Stuttgart: Kohlhammer. 17 bezogenen Messung/ Testung grundsätzlich abgelehnt,24 manchmal sogar unter Ideologieund Manipulationsverdacht gestellt. Andere Kritiken beziehen sich präziser auf die in den Testungen eingesetzten Messinstrumente und kritisieren die derzeit damit einhergehende kognitivistische Verengung, die damit verbundene Normsetzung und die Art der Niveaubestimmung. Eine weitere Gruppe von Kritikern moniert, dass der Standardsetzung keine fach- und sachbezogene Kompetenzmodellierung vorausgegangen sei,25 erst Recht keine empirische Überprüfung der Modellierung; damit mangele es an einer belastbaren wissenschaftlichen Basis. Wieder andere üben „nur” Detailkritik. Von staatlicher Seite findet die Generalkritik keine Beachtung; auf andere Kritiken wird von Fall zu Fall Rücksicht genommen. Weil die KMK und die Länder die Überprüfung, inwiefern die gesetzten Bildungsstandards erreicht werden, nicht auf das Ende der schulischen Laufbahn26 bzw. eine Altersgruppe (die der 15-Jährigen) konzentriert sehen wollen, kamen die Kultusminister bereits 2002 überein, länderübergreifende Aufgabenpools zu entwickeln, die auch in anderen Altersgruppen zum Einsatz kommen können. Zur Qualitätssicherung und Begleitung von Lernprozessen werden die Aufgaben u.a. für die interne und externe Evaluation von Schulen, für Orientierungs- oder Vergleichsarbeiten innerhalb einzelner Länder und über einzelne Länder hinaus oder für die Curriculum-Entwicklung in den Ländern genutzt.27 Mit der Entwicklung von Testaufgaben, darüber hinaus mit der Vorbereitung/ Durchführung/ Auswertung28 des deutschen Ländervergleichs (VERA) wurde 2004 das Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) beauftragt.29 2006 verabschiedete die KMK ein Gesamtkonzept zum Bildungsmonitoring. In Reaktion auf neue Herausforderungen wie auf die geäußerte Kritik wurde 2015 eine Überarbeitung 24 Vgl. u.a. Schwaetzer, H., Hueck, J. & Vollet, M. (Hrsg.) (2014). Der andere Blick: Fragendes Denken zum theoretischen Rahmen der empirischen Bildungsforschung. COINCIDENTIA - Zeitschrift für europäische Geistesgeschichte, Beiheft 4; Gruschka, A. (2006). Bildungsstandards oder das Versprechen, Bildungstheorie in empirischer Bildungsforschung aufzuheben. Pädagogische Korrespondenz, 35, S. 5-22 oder Klein H.- P. (2010). Die neue Kompetenzorientierung. Journal für Didaktik der Biowissenschaften, 1, S. 1-11. 25 Vgl. exemplarisch Körber, A.: (2010²) Grundbegriffe und Konzepte: Bildungsstandards, Kompetenzen und Kompetenzmodelle. In Körber, A., Schreiber, W., Schöner, A. (Hrsg.): Kompetenzen historischen Denkens. Ein Struktur-Modell als Beitrag zur Kompetenzorientierung in der Geschichtsdidaktik (54-85). Neuried: Ars-Una. 26 Das Ende der Primarstufe ist eine Zäsur, die hier mit umfasst ist. 27 Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit „Aufgaben” zur Messung, aber auch zur Förderung von Kompetenzen ist ein weiteres Forschungsfeld, das im Zuge der Reformbemühungen einen Aufschwung erlebt. 28 Vgl. exemplarisch: Köller, O., Knigge, M. & Tesch, B. (2010). Sprachliche Kompetenzen im Ländervergleich. Befunde des ersten Ländervergleichs zur Überprüfung der Bildungsstandards für den Mittleren Schulabschluss in den Fächern Deutsch, Englisch und Französisch. Berlin: Waxmann; Stanat P., Pant H. A., Böhme K. & Richter D. (Hrsg.) (2012). Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern am Ende der vierten Jahrgangsstufe in den Fächern Deutsch und Mathematik. Münster: Waxmann; Pant H. A., Stanat P., Schroeders, U., Roppelt, A., Siegle, T. & Pöhlmann C. (Hrsg.) (2013). IQB-Ländervergleich 2012. Mathematische und naturwissenschaftliche Kompetenzen am Ende der Sekundarstufe I. Münster u.a.: Waxmann. 29 Kernanliegen des IQB sind die Weiterentwicklung, Operationalisierung, Normierung und Überprüfung von Bildungsstandards. URL https://www.iqb.hu-berlin.de. 18 vorgelegt.30 Erste Schritte für die Überarbeitung wurden bereits 2009 bzw. 2013 gemacht, durch die „Konzeption zur Nutzung der Bildungsstandards für die Unterrichtsentwicklung“31 und durch die „Konzeption zur Implementation der Bildungsstandards für die Allgemeine Hochschulreife“.32 Das Ziel der Überarbeitung ist es, mit Hilfe eines Geflechts von Maßnahmen dazu beizutragen, dass möglichst viele Schülerinnen und Schüler die in den Bildungsstandards gesetzten Ziele erreichen.33 Eingeschlossen sind deshalb nunmehr auch Maßnahmen der Förderung. 1.2. Nationaler bildungspolitischer Konsens – was bedeutet das für die Schulen? Die Übersicht über die bis 2015 erfolgte Teilnahme an internationalen Studien und die bis dahin zusätzlich durchgeführten nationalen Vergleichsstudien verdeutlicht, mit welcher Konsequenz in Deutschland die evidenzbasierte Qualitätssicherung verfolgt wird. 30 Vgl. KMK ein Gesamtkonzept zum Bildungsmonitoring (2006). URL http://www.kmk.org/fileadmin/veroeffentlichungen_beschluesse/2006/2006_01_01-Gesamtstrategie-Endf.pdf. 31 Vgl. Konzeption zur Nutzung der Bildungsstandards für die Unterrichtsentwicklung (2010). URL http://www.kmk.org/fileadmin/veroeffentlichungen_beschluesse/2010/2010_00_00-KonzeptionBildungsstandards.pdf. 32 Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 10.10.2013: Vgl. Konzeption zur Implementation der Bildungsstandards für die Allgemeine Hochschulreife (2013). URL http://www.kmk.org/fileadmin/veroeffentlichungen_beschluesse/2013/2013-1010_Konzeption_Implementation_Bildungsstandards-AHR.pdf. 33 Als zu verfolgende Monitoringkonzepte werden im Gesamtkonzept Bildungsmonitoring aufgeführt: Internationale Schulleistungsuntersuchungen; zentrale Überprüfungen des Erreichens der Bildungsstandards in einem Ländervergleich; Vergleichsarbeiten in Anbindung oder Ankoppelung an die Bildungsstandards zur landesweiten oder länderübergreifenden Überprüfung der Leistungsfähigkeit aller Schulen; gemeinsame Bildungsberichterstattung von Bund und Ländern. Als Implementationskonzepte kommen dazu: standardbasierte Lehrpläne/ Bildungspläne und Prüfungsordnungen; standardbasierte Lern- und Lehrmittel; Aus- und Fortbildung von Lehrkräften; Schul- und Unterrichtsentwicklung; Bereitstellung von standardbasierten Aufgaben. 19 Abb. 1: http://www.kmk.org/fileadmin/veroeffentlichungen_beschluesse/2015/2015_06_11- Gesamtstrategie-Bildungsmonitoring.pdf, S. 8 Abb. 2: http://www.kmk.org/fileadmin/veroeffentlichungen_beschluesse/2015/2015_06_11- Gesamtstrategie-Bildungsmonitoring.pdf, S. 11. Zu den Vergleichsstudien treten weitere länderbezogene Maßnahmen. Sie adressieren zum einen umfassende landesspezifische Entwicklungen (u.a. bei Schulformen und Curricula), 20 zum anderen beziehen sie sich auf Schul- und Unterrichtsentwicklung auf Ebenen bis hinunter zu Einzelschulen. Grundsätzlich gilt: Obwohl die Länder ihre Kulturhoheit im Blick behalten und aufrecht erhalten wollen (vgl. hierzu auch Kapitel A, I, 2), werden der Geist und die Richtung der kompetenzbezogenen, am Outcome orientierten und evidenzbasierten Schulreformen weitgehend akzeptiert. Die landesspezifischen Reformmaßnahmen werden über die Schulministerien und deren nachgeordneten Behörden realisiert. In den meisten Ländern wurden dafür eigenständige Institutionen (zumindest Abteilungen) für Qualitätssicherung eingerichtet. Bei den Maßnahmen, die auf die Entwicklung der einzelnen Schulen zielen, werden Formen der internen und externen Evaluierung aufgebaut sowie der Entwicklung von FeedbackStrukturen an die Akteure. Unterstützend werden dafür z.B. Internetportale erarbeitet34 oder Broschüren angeboten35. Wie weit in Bezug auf Schulentwicklung die Autonomie der einzelnen Schule reicht, entscheiden im föderalen System Deutschlands die Länder. Legt man als Bezugspunkt die Kriterien zugrunde, nach denen die Eurydice, also das Informationsnetz zum Bildungswesen in Europa, 2007 die Schulautonomie in Europa untersucht und verglichen hat,36 ergeben sich Unterschiede in Bezug auf Unterricht, Finanzmittel oder Humanressourcen,37 konkret im Umfang der Verlagerung von Zuständigkeiten für das Personal, für Finanzen/ Sachmittel oder für Unterrichtsorganisation/ pädagogische Ausrichtungen auf die einzelne Schule. Unterschiede zeigen sich auch in Bezug auf die Instanzen oder Einzelpersonen, an die Befugnisse übertragen werden: Zuständigkeit, damit Verantwortung können die Organe der Schulverwaltung, die betreffenden Schulleiter oder Lehrpersonen erhalten. Die Regel ist, dass in Deutschland eine Erweiterung der Spielräume in Modellversuchen erprobt wird. Diese können landesbezogen38 oder deutschlandweit angelegt sein39 oder als Teil internationaler Initiativen.40 34 http://www.interneBezogen auf das Land Bayern vgl. z.B. Broschüren. URL evaluation.isb.bayern.de/download/150/interne_evaluation_2010_online.pdf. 35 Bezogen auf das Land Bayern vgl. z.B. http://www.interneevaluation.isb.bayern.de/download/150/interne_evaluation_2010_online.pdf 36 Vgl. Eurydice. Schulautonomie in Europa Strategien und Maßnahmen (2007). URL http://eacea.ec.europa.eu/education/Eurydice/documents/thematic_reports/090DE.pdf. 37 Vgl. jeweils die Gesetzgebung der Länder in den Bereichen Finanz- und Personalverwaltung und in Bezug auf die Regelungen der pädagogischen Autonomie. 38 So z.B. der hessische Modellversuch Q2E – Qualität durch Evaluation und Entwicklung (vgl. http://selbstverantwortungplus.bildung.hessen.de/material/SVplus_Materialband_3.pdf) oder die auf Bayern bezogenen Modus-Projekte: Das Modus 21-Projekt (MODell Unternehmen Schule im 21. Jahrhundert) zielt auf Selbstständigkeit und unternehmerisches Denken an Schulen; 30 der zwischen 2002 und 2007 erprobten Maßnahmen wurden inzwischen für alle interessierte Schulen freigegeben. Modus F (MODell Unternehmen 21 Inwiefern Schul- und Unterrichtsentwicklung ihre Ziele erreicht, insbesondere inwiefern sie den Schulen, den Lehrkräften und Schülern wirklich „Autonomie” bringt, ist umstritten.41 Die Auseinandersetzung mit Schul- und Unterrichtsentwicklung ist weit verzweigt und von großer Vielfalt; sie wird in unterschiedlichen Fokussierungen geführt: Einerseits werden die Maßnahmen der insbesondere auf Unterricht bezogenen Umgestaltung von Schule betrachtet, wobei hier die empirische Bildungsforschung zunehmend Raum einnimmt.42 In den Fachdidaktiken43 erfahren nach wie vor „Kompetenzorientierung” – aktuell insbesondere auch im Umgang mit Heterogenität und Inklusion – hohe Aufmerksamkeit. Hoch bleibt dabei weiterhin das Interesse an Unterrichtsentwicklung in den MINT-Fächern; zunehmend treten aber auch die kulturwissenschaftlichen Fächer in den Fokus der Bildungsforschung. Einen weiteren Arbeitsschwerpunkt bilden theoretische Grundlegungen zu Schul- und Unterrichtsentwicklung;44 hier werden die Fragen der empirischen Überprüfung und Überprüfbarkeit unterschiedlich gewichtet. Diesem Schwerpunkt zuzuordnen sind auch Metabetrachtungen, u.a. solche, die die Maßnahmen der Schulentwicklung letztlich als Schule – Führung; Beginn 2007 mit gut 50 Schulen) ist das Fortsetzungsprogramm und zielt auf die Verbesserung der Führungsqualität der Schulleitungen. 39 Vgl. z.B. den von Baden-Württemberg ausgehenden Modellversuch „Selbstständige Schule” (BadenWürttemberger Modellversuch „Selbständige Schule”. URL https://www.selbstständige-schule.de/projekt.html.) 40 Vgl. u.a. SINUS und SINUS-Transfer. SINUS steht für „Steigerung der Effizienz des mathematischnaturwissenschaftlichen Unterrichts”, die erste Welle begann in Deutschland 1996 mit 180 Schulen; inzwischen sind über 2000 Schulen beteiligt. 41 Vgl. John-Ohnesorg, M., Friedrich-Ebert-Stiftung (Hrsg.) (2011). Schulentwicklung zwischen Autonomie und Kontrolle. Wie verändern wir Schule wirklich? Berlin. 42 Vgl. hierzu die weiterführenden Hinweise einerseits auf den Homepages wichtiger Forschungsinstitute der empirischen Bildungsforschung (Forschungsinstitut der empirischen Bildungsforschung. URL https://www.mpib-berlin.mpg.de; Forschungsinstitut der empirischen Bildungsforschung. URL http://www.dipf.de; Forschungsinstitut der empirischen Bildungsforschung. URL https://www.iwmtuebingen.de), wichtiger universitärer Institute und Einrichtungen zur empirischen Bildungsforschung (z.B. der Technischen Universität München, der Ludwigs-Maximilians-Universität München, der Universität Tübingen, der Universität Karlsruhe, der Universität Göttingen, der Humboldt Universität zu Berlin, der Universität Konstanz, der Universität Duisburg-Essen), wichtiger Verbände (z.B. Verbände. URL http://www.gebfev.de.) und Förderer (z.B. Förderer. URL https://www.bmbf.de/de/bildungsforschung-1225.html). Zu weiterführenden Hinweisen zur Kritik an der empirischen Bildungsforschung in der aktuellen Ausrichtung ist es weitaus schwieriger, auf Knotenpunkte zu verweisen. Dies liegt an der geringeren Institutionalisierung (vgl. Aljets, E. (2014). Der Aufstieg der Empirischen Bildungsforschung: Ein Beitrag zur institutionalistischen Wissenschaftssoziologie, Wiesbaden: Springer). Als Verbände bündeln die Kritik z.B. die Gesellschaft für Bildung und Wissen die Positionen (Gesellschaft für Bildung und Wissen. URL http://bildung-wissen.eu.), die Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft. URL http://www.gew.de), dazu in Teilen die Deutsche Gesellschaft für Erziehungswissenschaft (Deutsche Gesellschaft für Erziehungswissenschaft. URL http://www.dgfe.de.). An Universitäten sind es eher einzelne Vertreter, als ganze Institute oder Lehrstühle auf die verwiesen werden müsste. 43 Vgl. hierzu die weiterführenden Hinweise auf der Homepage der Gesellschaft für Fachdidaktiken (Gesellschaft für Fachdidaktik. URL http://www.fachdidaktik.org/Home.html.), des Leibniz-Instituts für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik (Leibniz-Instituts für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik. URL http://www.ipn.uni-kiel.de .) 44 Vgl. z. B. Rolff, H.-G. (2007). Studien zu einer Theorie der Schulentwicklung. Weinheim u.a.: Beltz; Blömeke, S., Herzig, B. & Tulodziecki, G. (2007). Gestaltung von Schule. Eine Einführung in Schultheorie und Schulentwicklung. Bad Heilbrunn: Klinkhardt. 22 Ausdruck der Ökonomisierung der Bildung45 betrachten, welche u.a. durch New Public Management realisiert und legitimiert wird, also z.B. durch Standardisierung, externe Evaluation oder ein auf den Wettbewerb um Schüler ausgerichtetes Schulprofil.46 Diese Arbeiten sehen naturgemäß die Autonomie von Schule in Gefahr und fordern Wenden ein, die ein „Zurück zu Humboldt“ ebenso umfassen können wie Konsequenzen aus einer personalisierten Radikalkritik, z.B. am Einfluss quantitativ arbeitender Bildungsforscher oder eine Generalkritik an der Ökonomisierung aller Lebensbereiche. 1.3. Resümee: Die Schulreformen gehen weiter Auch wenn der Handlungsbedarf für Schulreformen recht unterschiedlich eingeschätzt wird, mehr noch die Maßnahmen, die bislang ergriffen wurden, auch wenn über Möglichkeiten und Formen der empirische Überprüfung Uneinigkeit herrscht, eine Neuorientierung ist nicht in Sicht. Dagegen spricht auch, dass die gewählten Reformansätze erste Fortschritte mit sich bringen: Die Ergebnisse der Schülerinnen und Schüler in den Vergleichsstudien werden besser47, Schulen beginnen bei ihrer Weiterentwicklung konstruktiv mit den Instrumenten und Ergebnissen der internen und externen Evaluierung umzugehen,48 die evidenzbasierten Aussagen schulbezogener Forschungsarbeiten schaffen zunehmend Grundlagen, die auch für gezielte Fördermaßnahmen genutzt werden können;49 mehr und mehr konkrete Unterstützungsmaßnahmen für Lehrkräfte und Schülerinnen und Schüler werden angeboten, 45 Lohr, K., Peetz, T. & Hilbrich, R. (2013). Bildungsarbeit im Umbruch. Zur Ökonomisierung von Arbeit und Organisation in Schulen, Universitäten und in der Weiterbildung. Berlin: Sigma; Peetz, T. (2014). Mechanismen der Ökonomisierung ; theoretische und empirische Untersuchungen am Fall "Schule". Konstanz: UVK; Altrichter, H., Brüsemeister, T. & Wissinger, J. (Hrsg.) (2007). Educational governance. Handlungskoordination und Steuerung im Bildungssystem. Wiesbaden: VS; Altrichter, H. & Maag Merki, K. (2010). Handbuch Neue Steuerung im Schulsystem. Wiesbaden: VS. 46 Die Kritik an der Bürokratisierung der Schule, wie sie seit den 1950-er Jahren z.B. von Hellmut Becker (Becker, H. (1956). Kulturpolitik und Schule ; Probleme der verwalteten Welt. Stuttgart: Deutsche Verlagsanstalt), Horst Rumpf (Rumpf, H. (1966). Die administrative Verstörung der Schule ; drei Kapitel über den beamteten Erzieher und die verwaltete Schule. Essen: Neue Dt. Schule), oder Ludwig von Friedeburg (Friedeburg, L. (1992). Bildungsreform in Deutschland ; Geschichte und gesellschaftlicher Widerspruch. Frankfurt am Main: Suhrkamp) geäußert wird, kann als Vorläufer der Ökonomisierungskritik gesehen werden. 47 Vgl. z.B. die Präsentation und wissenschaftliche Diskussion der Ergebnisse u.a. von PISA, IGLU, TIMSS; vgl. hierzu auch die Bildungsberichte von Bund und Ländern. 48 Vgl. hierzu z.B. die Präsentationen der Ergebnisse der Modellversuche zur Schulentwicklung. 49 Vgl. exemplarisch den 48. Seminartag des Bundesarbeitskreises der Seminar- und Fachleiter/innen e.V. (BAK) aus dem Jahr 2014, der zusammen mit der Freien Universität Berlin ausgerichtet wurde und Aufgaben a) im Leistungskontext und b) in Schule und Lehrerausbildung in den Blick nahm. (Der 48. Seminartag des Bundesarbeitskreises (2014).URL http://www.bak-online.de/kongresse/berlin/documents/programm.pdf) 23 z.B. in Bezug auf kompetenzorientiertes Lernen und Lehren;50 die Überprüfung der Wirksamkeit dieser Maßnahmen setzt ein.51 Die Weiterführung der Reform erfolgt nicht nur im Sinne von Fortführung und Nachsteuerung, sondern auch, weil Bedarf für weitere Reformmaßnahmen durch neue äußere Zwänge entsteht (wie den demographischen Wandel oder aktuell die massiven Flucht- und Migrationsbewegungen) und durch Entscheidungen in politischen Handlungsfeldern (z.B. für Inklusion als gesellschaftliches Leitbild, für die Ganztagsschule oder für nachhaltige Entwicklung). Die geäußerte Kritik an den bisherigen Maßnahmen wird wahrgenommen, teilweise berücksichtigt oder zumindest diskutiert. Für die Versachlichung der Diskussion sind insbesondere wissenschaftliche Arbeiten von Bedeutung, die langfristigere Zusammenhänge herstellen, weil sie Kontinuitäten sichtbar machen, Veränderungen einordnen, einseitige Interpretationen und überzogene Hoffnungen relativieren, kurz Forschung und Praxis, Wissenschaft und Politik sowie Bildung und Gesellschaft zusammendenken.52 Dafür leisten nicht nur Autoren wie Jürgen Oelkers,53 Heinz-Elmar Tenorth,54 Ewald Terhart,55 Rudolf 50 Bezogen auf den Geschichtsunterricht vergleiche z.B. die Entwicklung eines kompetenzorientierten multimedial-digitalen Schulbuchs (mBook) für die Sekundarstufen I und II (vgl. Entwicklung eines multimedialdigitalen Schulbuches.URL http://mbook.institut-für-digitales-lernen.de). 51 Vgl. bezogen auf das mBook exemplarisch die vom BMBF geförderte Studie „Erklärung der Kompetenzentwicklung im Fach Geschichte mithilfe von Indikatoren zur Quantität und Qualität der Nutzung eines elektronischen Schulbuchs” (2015-2017). 52 Vgl. u.a. Reinhard, F. & Oelkers, J. (Hrsg.) (2014). Das Selbstverständnis der Erziehungswissenschaft. Geschichte und Gegenwart. Weinheim u.a.: Beltz Juventa. 53 Vgl. Oelkers, J. (2014). Praxis und Wissenschaft. Überlegungen zur Forschungsstruktur der Erziehungswissenschaft. In Reinhard, F. & Oelkers, J. (Hrsg.), Das Selbstverständnis der Erziehungswissenschaft. Geschichte und Gegenwart (S. 85-101). Weinheim u.a.: Beltz Juventa. 54 Vgl. Tenorth, H.-E. (2007). Lehrpläne, Rahmenrichtlinien – Bildungsstandards, 1974 – 2004: Viel Aufwand, wenig Ertrag ? In I. Graudenz, H.-E. Tenorth, & H. Krollmann (Hrsg.), Lehrpläne - Rahmenrichtlinien Bildungsstandards: Viel Aufwand, wenig Ertrag? Symposion zum 75. Geburtstag von Hans Krollmann. 25. November 2004 (S. 7-28). Frankfurt am Main: Dt. Inst. für Internationale Pädag. Forschung; Tenorth H.-E. (2014). Politikberatung und Wandel der Expertenrolle oder: Die Expertise der Erziehungswissenschaft. In R. Fatke, J. Oelkers (Hrsg.), Das Selbstverständnis der Erziehungswissenschaft: Geschichte und Gegenwart (S.139171). Weinheim u.a.: Beltz Juventa. 55 Vgl. Terhart, E. (2013). Erziehungswissenschaft und Lehrerbildung. Münster u.a.: Waxmann. 24 Tippelt56 oder Hans-Christoph Koller57 wichtige Beiträge, sondern zunehmend auch Vertreter der empirischen Bildungsforschung58. Ein Aspekt der Weiterführung besteht im Anspruch, die konkrete Relevanz der Maßnahmen besser zu berücksichtigen. Dies gilt für Forschungsarbeiten wie für Praxiskonzepte. Steuergeld-finanzierte Förderer wie das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) oder die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG)59 fordern die Anwendungsrelevanz zunehmend ein, ebenso private Stiftungen, die sich auf den Bildungsbereich konzentrieren. Für die breitere Implementation z.B. von erprobten Maßnahmen der Schul- und Unterrichtsentwicklung ist wesentlich, dass sie zumindest langfristig ohne Zusatzbelastung für die Akteure realisierbar sind. 2. Zwischen Euphorie und Abscheu: Hochschulreform der 2000er Jahre 2.1. Der politische Kontext Ebenfalls politisch begründet ist die Hochschulreform als zweite umfassende Reform, die Fakten schafft und bei der Reform der Lehrerbildung zu berücksichtigen ist. Für die Hochschulreform spielt die europäische Ebene die entscheidende Rolle. Sie zielt auf die Schaffung eines einheitlichen europäischen Hochschulraums und ist deshalb transnational ausgerichtet. Dass es dabei nicht nur um Hochschulpolitik geht, sondern um Wissenschafts-, 56 Vgl. Gogolin, I. & Tippelt, R. (Hrsg.) (2003). Innovation durch Bildung. Beiträge zum 18. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft. Wiesbaden: VS, S. 81-103; Tippelt, R, Deutsche Gesellschaft für Erziehungswissenschaft (2012). Erziehungswissenschaft im Fächervergleich. W. Thole, H. Faulstich-Wieland, K.-P. Horn, H. Weishaupt & I. Züchner (Hrsg.), Datenreport Erziehungswissenschaft 2012. Opladen u.a.: Budrich, S. 215 – 226. 57 Vgl. Koller, H.-C. (2012). Bildung anders denken. Einführung in die Theorie transformatorischer Bildungsprozesse. Stuttgart: Kohlhammer. 58 Vgl. z.B. Reinders, H., Ditton, H., Gräsel, C. & Gniewosz, B. (Hrsg.) (2012). Empirische Bildungsforschung. Gegenstandsbereiche. Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften. Selbst zum Forschungsgegenstand wird die empirische Bildungsforschung bei: Aljets, E. (2014). 59 Vgl. exemplarisch: Bekanntmachung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung von Richtlinien zur Förderung von Forschungsvorhaben in Ankopplung an Large-Scale-Assessments (2014). URL https://www.bmbf.de/de/bekanntmachung.php?B=955. 25 Kultur-, Sozial-, und Wirtschaftspolitik,60 machen die drei Erklärungen deutlich, auf denen die aktuelle Hochschulreform fußt. Die Magna Charta Universitatum61, die 1988 anlässlich des 900-jährigen Jubiläums der ältesten europäischen Universität von mehr als hundert führenden Universitätspräsidenten unterzeichnet wurde, die Sorbonne-Erklärung62, die zum 800-jährigen Jubiläum der Sorbonne die Bildungsminister Frankreichs, Deutschlands, Italiens und des Vereinigten Königreichs abgegeben haben sowie die Bologna-Erklärung von 1999, damals gezeichnet von knapp 30 europäischen Bildungsministern. Inzwischen (2015) haben sich der Erklärung knapp 50 Länder angeschlossen, die sich, vertreten durch ihre Bildungsminister, im zwei- neuerdings dreijährigen Turnus zu resümierenden und vorausblickenden Bologna-Konferenzen treffen. Die Hochschulreform ihrerseits ist eingebunden in weitere, Europa zum Teil überschreitende Konzepte. Zwei werden im Folgenden kurz skizziert: 1. Von der UNESCO63 mitinitiiert und vom Europarat mitgetragen wurde das völkerrechtliche Abkommen zur gegenseitigen Anerkennung von Studienabschlüssen von 1997 (Lissabon-Konvention64). Aktuell (2015) ist das Abkommen von knapp 50 europäischen und außereuropäischen Staaten (u.a. USA, Kanada, Australien) ratifiziert. Darin wird Hochschulzugangsberechtigungen, die prinzipielle Studienleistungen, Anerkennung von Studienzeiten und Studienabschlüssen der Unterzeichnerstaaten untereinander vereinbart. 2. Außerdem wird das Konzept des Lebenslangen Lernens von der Europäischen Union als grundlegend für Europas Rolle in der Welt angesehen.65 Ebenfalls in Lissabon 60 Mit Blick auf die Stellung Europas in der Welt heißt es in der von den europäischen Bildungsministern unterzeichneten Bologna-Erklärung: „We need to ensure that the European higher education system acquires a world-wide degree of attraction equal to our extraordinary cultural and scientific traditions.” The Bologna Declaration of 19 June 1999. Joint declaration of the European Ministers of Education, S. 2/3. Declaration of the European Ministers of Education (1999). URL http://www.ond.vlaanderen.be/hogeronderwijs/bologna/documents/mdc/bologna_declaration1.pdf. Zur Vertiefung vgl. u.a.: Brändle, T. (2010). 10 Jahre Bologna-Prozess. Chancen, Herausforderungen und Problematiken. Wiesbaden: VS. 61 Unter Wahrung der Freiheit von Forschung und Lehre fordern sie Kooperation und gegenseitigen Austausch. Vgl. Magna-charta. URL http://www.magna-charta.org/resources/files/the-magna-charta/german. 62 Die Sorbonne-Erklärung gibt der Magna Carta und der Lissabon-Erklärung einen konkreteren Rahmen, indem Handlungsfelder festgelegt werden, die zu einem europäischen Hochschulraum führen sollen. Vorgeschlagen wurde die Gestaltung eines Rahmens für Lehren und Lernen in Europa, ein System von „Credit-Points“ als Grundlage für die Anerkennung von Studienleistungen (ECTS: „European Credit Transfer and accumulation System“), ein zweistufiges System für berufsqualifizierende Abschlüsse („undergraduate and graduate“, i.d.R. Bachelor und Master). Betont wurde zudem die Bedeutung von Sprachkenntnissen und Kenntnissen der Informationstechnologie. 63 Das Akronym UNESO steht für „The United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization“. 64 Vgl. Lissabon-Konvention. URL http://conventions.coe.int/Treaty/ger/Treaties/Html/165.htm. 65 Vgl. die Grundlinien des Europäischen Jahrs des lebenslangen Lernens 1996 (Bericht der Kommission über die Durchführung, die Ergebnisse und die Gesamtbewertung des Europäischen Jahres des lebensbegleitenden Lernens (1996), KOM(1999) 447 endg., 15. September 1999) sowie das konkretisierende Memorandum über 26 formulierte der Europäische Rat im Jahr 2000 das Ziel, die Europäische Union (EU) zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum weltweit werden zu lassen (Lissabon-Strategie). Lebenslanges Lernen wird darin zum angestrebten Übergang zu einer wissensbasierten Wirtschaft und Gesellschaft in Bezug gesetzt. Als Ziele werden insbesondere die Förderung Beschäftigungsfähigkeit und der aktiven Staatsbürgerschaft genannt. 66 der Damit liegt auch für die Hochschulreformen der Vorwurf einer wesensfremden Ökonomisierung nahe, die dem Humboldtschen Ideal einer grundlegenden Allgemeinbildung bei möglichst großer Unabhängigkeit von Individuen und Institutionen widerspricht (vgl. oben). 2.2 Die Umsetzung an deutschen Hochschulen Die Maßnahmen zur Schaffung eines einheitlichen europäischen Hochschulraums (und zur „Schaffung eines europäischen [Raums] des lebenslangen Lernens“67) müssen von den Mitgliedsstaaten realisiert werden. Im Folgenden werden die nationalen Maßnahmen, die im Zuge der Bologna-Reform ergriffen wurden, kurz erläutert, da sie den Rahmen auch der Reform der universitären Lehrerbildung bilden: Lebenslanges Lernen, das 2000, nach der Tagung des Europäischen Rats in Lissabon, als Arbeitsdokument der Kommissionsdienststellen entwickelt wurde (Memorandum über Lebenslanges Lernen (2000). URL. http://www.hrk.de/uploads/tx_szconvention/memode.pdf.) und die Mitteilung der Kommission vom 21. November 2002 über die Schaffung eines europäischen Raums des lebenslangen Lernens (Europäischer Raum des Lebenlangen Lernens. URL http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=uriserv:c11054). 66 „In Europa ist die wissensbasierten Gesellschaft und Wirtschaft entstanden. Mehr als jemals zuvor sind der Zugang zu aktuellen Informationen und Wissen sowie die Motivation und Befähigung zur intelligenten Nutzung dieser Ressourcen – zum eigenen Wohl und zu dem der Gemeinschaft – der Schlüssel zur Stärkung von Europas Wettbewerbsfähigkeit und zur Verbesserung von Beschäftigungsfähigkeit und Anpassungsfähigkeit der Arbeitskräfte. Europäer von heute leben in einem komplexen sozialen und politischen Umfeld. Mehr als jemals zuvor möchte der Einzelne sein Leben selbst planen, wird erwartet, dass er einen aktiven Beitrag zur Gesellschaft leistet, und muss er lernen, positiv mit kultureller, ethnischer und sprachlicher Vielfalt umzugehen. Bildung im weitesten Sinne ist der Schlüssel, um zu lernen und zu begreifen, wie diesen Herausforderungen zu begegnen ist.” Vgl. Memorandum über Lebenslanges Lernen (2000), S. 5f.). 67 Vgl. Entschließung des Rates vom 27. Juni 2002 zum lebensbegleitenden Lernen (Entschließung des Rates http://eur-lex.europa.eu/legalzum lebensbegleitenden Lernen (2002). URL content/DE/TXT/?uri=celex:32002G0709(01)). Dort wird u.a. festgehalten: Der europäische Rat „weist darauf hin, dass lebensbegleitendes Lernen im Vorschulalter beginnen und bis ins Rentenalter reichen und das gesamte Spektrum formalen, nicht formalen und informellen Lernens umfassen muss. Zudem ist unter lebensbegleitendem Lernen alles Lernen während des gesamten Lebens zu verstehen, das der Verbesserung von Wissen, Fähigkeiten und Kompetenzen dient und im Rahmen einer persönlichen, staatsbürgerlichen, sozialen und/ oder beschäftigungsbezogenen Perspektive erfolgt. Das Ganze sollte schließlich auf den Grundsätzen beruhen, dass der Einzelne im Mittelpunkt des Lernens steht, wobei für echte Chancengleichheit gesorgt und auf die Qualität des Lernens geachtet werden muss“. 27 In Deutschland werden die Hochschulreformen von Bund, Ländern und Hochschulen in ihren jeweiligen Zuständigkeiten umgesetzt, unterstützt von der Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Fortführung des Bologna-Prozesses“.68 Die Verantwortung für die konkrete Realisierung der Reformeinzelnen tragen aber die einzelnen Hochschulen; sie definieren die je angestrebten Qualitätsziele und Profile. Zugleich führt der Bologna-Prozess dazu, dass die Hochschulleitungen umfängliche Managementfunktionen übernehmen müssen; was u.a. die Einrichtung zahlreicher Stabs- und andere Verwaltungsstellen, damit Bürokratisierung und Kontrolle nach sich zieht. Somit stellt sich auch in Bezug auf die Hochschulen die Frage nach dem Ja oder Nein von Autonomie. In den ersten Jahren der Hochschulreform lag der Schwerpunkt darauf, formale Elemente der Bologna-Reform, wie die Einführung der Bachelor- und Masterabschlüsse, die kompetenzbezogene Modularisierung und das ECTS-System sowie die Etablierung eines Akkreditierungssystems zur Qualitätssicherung69 umzusetzen. Bereits 2009/ 10 wurden Korrekturen sowohl an den rechtlichen Grundlagen als auch an der konkreten Realisierung der Reformmaßnahmen an den Hochschulen notwendig70, die der stofflichen Überladung der Regelstudiengänge, der zu geringen Outcome-Orientierung und der zu kleinteiligen und 68 Der Arbeitsgruppe gehören neben Vertreterinnen und Vertretern des BMBF und der Länder auch Mitglieder der Hochschulrektorenkonferenz (HRK), des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD), des Akkreditierungsrat, der Studierenden (fzs), der Arbeitgeber (BDA), der Gewerkschaften (GEW) und des Deutschen Studentenwerks (DSW) an. (BMBF. URL https://www.bmbf.de/de/der-bologna-prozess-dieeuropaeische-studienreform-1038.html). 69 In Deutschland wurde zur Sicherstellung fachlich-inhaltlicher Standards eine peer-group-Akkreditierung eingeführt. (Vgl. Ländergemeinsame Strukturvorgaben für die Akkreditierung von Bachelor- und Masterstudiengängen (Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 10.10.2003 i.d.F. vom 04.02.2010 (Ländergemeinsame Strukturvorgaben für die Akkreditierung von Bachelor- und Masterstudiengängen (2003). URL http://www.kmk.org/fileadmin/veroeffentlichungen_beschluesse/2003/2003_10_10-LaendergemeinsameStrukturvorgaben.pdf ). Während die Akkreditierungsagenturen anfangs das Schwergewicht auf die Überprüfung des Studiengangkonzeptes und der Studierbarkeit des Lehrangebots sowie die Überprüfung der Berufsrelevanz legten, soll, gemäß der 2013 vorgelegten strategischen Planung des übergeordneten Akkreditierungsrats, nun die Qualität des Studiums in den Vordergrund rücken. Nicht zuletzt auf Empfehlung des Wissenschaftsrats sollen, über die aktuell praktizierte Programm- und Systemakkreditierung hinaus, „innovative und ggf. bislang auch unbekannte Formen der externen Begutachtung“ entwickelt und erprobt werden (Bericht der Bundesregierung über die Umsetzung des Bologna-Prozesses 2012 – 2015 in Deutschland, S. 39, URL https://www.bmbf.de/files/Bericht_der_Bundesregierung_zur_Umsetzung_des_Bologna-Prozesses_20122015.pdf). 70 Eckpunkte zur Korrektur der „Ländergemeinsamen Strukturvorgaben für die Akkreditierung von Bachelorund Master-Studiengängen“ und der „Rahmenvorgaben für die Einführung von Leistungspunktsystemen und die Modularisierung“, vgl. Rahmenvorgaben für die Einführung von Leistungspunktsystemen und die Modularisierung. URL http://www.kmk.org/fileadmin/veroeffentlichungen_beschluesse/2009/2009_12_10Eckpunkte-laendergemeinsame-Strukturvorgaben.pdf). 28 deshalb ausufernden Prüfungspraxis Einhalt geboten.71 KMK und HRK reagierten damit auf massive Proteste von Studierenden, Dozenten und der interessierten Öffentlichkeit.72. Aktuell (2015) ist die Umstellung auf die gestuften Studiengänge an den Fachhochschulen zu fast 100% abgeschlossen. Die Universitäten kommen auf gut 80%, wobei sich auswirkt, dass die staatlichen (und kirchlichen73) Abschlüsse, zu denen u.a. die Lehrerbildung zählt, teilweise noch nicht umgestellt sind.74 Den nationalen Bildungsberichten zufolge haben sich durch die Reform die Studienzeiten signifikant verkürzt; die Zweistufigkeit der Abschlüsse wird von Studierenden wie Abnehmern zunehmend akzeptiert. Etwa die Hälfte der Fachhochschulstudierenden und ein Viertel der Universitätsstudierenden wechseln nach dem Bachelorstudium ins Berufsleben, was umgekehrt heißt, dass die andere Hälfte der FHStudierenden und drei Viertel der Studierenden der Universitäten an das Bachelor- ein Masterstudium anschließen. Der Studienort wird dabei zu über 40% gewechselt. Noch bleiben die meisten der Studierenden aber innerhalb Deutschlands und nutzen nicht den gesamten europäischen Hochschulraum als potentielle Studienorte.75 Demzufolge ist die mangelnde Mobilität innerhalb des europäischen Hochschulraums eines der Reformziele, die bislang noch nicht hinreichend erreicht worden sind. Bei den BolognaKonferenzen 2009 in Leuven76 und 2012 in Bukarest machten die Bildungsminister der EU 71 Als Beispiel für die Umsetzung der Eckpunkte vgl. die „Reform der Reform“ an der KU-Eichstätt-Ingolstadt, Teil C, Kapitel II 1.1 Schritte der Entwicklung, Überarbeitung und Optimierung. 72 Die Studierenden fanden für ihre Kritik im „heißen Herbst 2009” zahlreiche Unterstützerinnen und Unterstützer. Sie artikulierten sich in den Medien (z.B. in der FAZ, der SZ, der Zeit und im Tagespiegel), in Verbands-Resolutionen (vgl. Deutscher Hochschulverband (2009). URL http://www.hochschulverband.de/cms1/690.html.), aber auch in Buchform: Kellermann, P., Boni, M. & MeyerRenschhausen, E. (Hrsg.) (2009). Zur Kritik europäischer Hochschulpolitik. Forschung und Lehre unter Kuratel betriebswirtschaftlicher Denkmuster. Wiesbaden: VS; oder Wernstedt, R. & John-Ohnesorg, M. (2010). 10 Jahre nach Bologna ; Ziele und Umsetzung der Studienstrukturreform. Zehn Jahre nach Bologna. Berlin: FriedrichEbert-Stiftung. Zu Vorläufern vgl. u.a. Lamnek, S. (2002). Globalisierung – Internationalisierung – Amerikanisierung – Bachelorisierung – McDonaldisierung? Die Hochschulreform und ihre Konsequenzen. Soziologie 31, 1, S. 5-25; Liessmann, K. P. (2006). Theorie der Unbildung; die Irrtümer der Wissensgesellschaft. Wien: Zsolnay; Bollenbeck, G. & Wende, W. (2007). Der Bologna-Prozess und die Veränderung der Hochschullandschaft. Beiträge zum Symposium „Der Bologna-Prozess und die Veränderungen in der Hochschullandschaft“. Heidelberg: Synchron. 73 Gemeint sind Priesteramt und Diplomtheologie. 74 Vgl. hierzu das Kapitel A. II. 1.Kulturhoheit der Länder und universitäre Lehrerbildung. 75 Diese und weitere Angaben finden sich in den jährlichen vom DIPF herausgegebenen Bildungsberichten (vgl. Bildungsbericht der DIPF. URL http://www.bildungsbericht.de), in den jährlichen Studienqualitätsmonitoren des Deutschen Zentrums für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW), die an vielen Universitäten vorliegen oder den Nationalen Berichten von Kultusministerkonferenz und Bundesministerium für Bildung und Forschung (vgl. Studienqualitätsmonitoren der DZHW. URL http://www.kmk.org/fileadmin/veroeffentlichungen_beschluesse/2015/2015_02_12NationalerBericht_Umsetzung_BolognaProzess.pdf ). 76 Vgl. The Bologna Process 2020 - The European Higher Education Area in the new decade. Communiqué of the Conference of European Ministers Responsible for Higher Education, Leuven and Louvain-la-Neuve (2009). URL http://www.kmk.org/fileadmin/veroeffentlichungen_beschluesse/2009/2009_04_29-LeuvenCommunique.pdf. 29 darauf aufmerksam. In der Bukarester Erklärung „Bologna 2020“ formulierten sie die Steigerung von Mobilität77 und Internationalisierung als weiter zu verfolgende Reformziele, neben der Steigerung der Qualität des Studiums und der Optimierung der Berufsbefähigung78 sowie dem lebenslangen Lernen. Das Ziel, die Hochschulen als Raum lebenslangen Lernens zu erschließen, impliziert auch, „die Hochschulen für neue Studierendengruppen zu öffnen und Chancengleichheit herzustellen“. Dieses Ziel wird in Deutschland vor dem Hintergrund des zunehmenden Fachkräftebedarfs, dem demografischen Wandel, der längeren Lebensarbeitszeit und der steigenden Ansprüche des Arbeitsmarktes an die Beschäftigten intensiv verfolgt. Es sollen „insbesondere Berufserfahrene dafür gewonnen werden, ihre Qualifikationen durch ein Studium zu vertiefen.“79 Zur Unterstützung fördert das BMBF das von der HRK getragene Projekt „nexus Übergänge gestalten, Studienerfolg verbessern“ (Laufzeit 2014-2018).80 Seit 2014 befasst der Wissenschaftsrat sich in Empfehlungen mit dem Verhältnis von Hochschulbildung und Arbeitsmarkt.81 77 Vgl. Bukarester Erklärung (2012). URL http://www.kmk.org/fileadmin/pdf/Wissenschaft/SO_120427_Mobility_Strategy.pdf. 78 Vgl. hierzu die Präzisierung im nationalen Bericht der Bundesregierung: „Hochschulausbildung ist keine spezifische Berufsausbildung, daher führen auch Bachelorstudiengänge nicht zur Berufsfertigkeit, sondern vermitteln Beschäftigungsbefähigung in einem breiten beruflichen Umfeld. [...] Neben einer kompetenzorientierten Studiengangkonzeption bedarf es weiterer Elemente (Module, Lehrangebote und -formate etc.), die die Beschäftigungsbefähigung in besonderer Weise fördern und sie fachspezifisch weiter ausgestalten: Integrierte und betreute Praktika, berufsorientierende Angebote, Forschungs- und gesellschaftlich relevante Praxisprojekte (Forschendes Lernen, Service Learning, u.a,).” Nationaler Bericht der Bundesregierung (2015). URL http://www.kmk.org/fileadmin/veroeffentlichungen_beschluesse/2015/2015_02_12NationalerBericht_Umsetzung_BolognaProzess.pdf, S. 44. 79 Die Umsetzung der Ziele des Bologna-Prozesses 2012-2015. Nationaler Bericht von Kultusministerkonferenz und Bundesministerium für Bildung und Forschung unter Mitwirkung von HRK, DAAD, Akkreditierungsrat, fzs, DSW und Sozialpartnern (12.02.2015), S. 34-37, hier S. 34. URL http://www.kmk.org/fileadmin/veroeffentlichungen_beschluesse/2015/2015_02_12NationalerBericht_Umsetzung_BolognaProzess.pdf 80 Die Ziele sind: „(1) die Verbesserung des Studienerfolgs heterogener Studierender durch Neugestaltung der Studieneingangsphase; (2) die Förderung der Mobilität während des Studiums durch Optimierung der Anerkennungsprozesse von Studien- und Prüfungsleistungen nach den Grundsätzen der Lissabon-Konvention im nationalen und internationalen Kontext; (3) die Verbesserung des Zusammenspiels zwischen Bildungsverläufen und Beschäftigungsmöglichkeiten für Hochschulabsolventen in der Qualifizierungsphase und beim Übergang in das Beschäftigungssystem.” (Ziele des Bologna-Prozesses (2015). URL www.hrk-nexus.de). 81 Erster Teil der Empfehlungen zur Qualifizierung von Fachkräften vor dem Hintergrund des demographischen Wandels (11. April 2014; Erster Teil der Empfehlungen zur Qualifizierung von Fachkräften (2014). URL http://www.wissenschaftsrat.de/download/archiv/3818-14.pdf). Zweiter Teil der Empfehlungen zur Qualifizierung von Fachkräften vor dem Hintergrund des demographischen Wandels, (Zweiter Teil der Empfehlungen zur Qualifizierung von Fachkräften (2015). URL http://www.wissenschaftsrat.de/download/archiv/4925-15.pdf ). Die Reihe ist auf vier Empfehlungen angelegt. 30 2.3 Forschungen zur Hochschulreform Wie die Schulreform zog auch die Hochschulreform national und international eine Intensivierung der Forschung nach sich, aber auch die Einrichtung von Entwicklungsprojekten. Das bekannteste Beispiel ist das Centrum für Hochschulentwicklung (CHE), das maßgeblich von der Bertelsmann-Stiftung getragen wird.82 Eine umfassende Bestandsaufnahme zur Hochschulforschung (Bezugsjahr 2013) liefert Martin Winter.83 Als Hauptträger macht er die Sozialwissenschaften aus (u.a. Soziologie, Politikwissenschaft, Erziehungswissenschaften); es dominieren demzufolge auch sozialwissenschaftliche, zunehmend empirische Methoden. Als einen Ausdruck der Professionalisierung versteht Winter die Institutionalisierung; hier macht er bezogen auf die Hochschulforschung noch Mängel aus, auch wenn es erste Forschungsinstitute (Bayerisches Staatsinstitut für Hochschulforschung und Hochschulplanung (IHF) München; Deutsches Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW) Hannover) und universitäre Forschungseinheiten gibt. Für die evidenzbasierte Forschung ist für die Förderung der Hochschulforschung durch das BMBF von besonderer Hochschulforschung). 84 Bedeutung (vgl. den BMBF-Förderschwerpunkt Die geförderten Projekte lassen sich der Hochschul- und Wissenschaftsforschung, aber auch der Hochschuldidaktik zuordnen. 2.4 Resümee Mehr noch als die Schulreform muss die Hochschulreform im europäischen Rahmen gesehen werden, als ein Ergebnis europäischer Abstimmungsprozesse. Wie die Schulreform wird die Hochschulreform in Deutschland mit großer Ernsthaftigkeit und Wirkmacht betrieben. Auch wenn Lehrerbildung als staatlich reglementierter Studiengang mit einem klar umrissenen Berufsfeld eine Sonderrolle unter den Studiengängen einnimmt, kann sie sich als 82 Das verfolgte Themenspektrum reicht über Maßnahmen zur Entwicklung des Hochschulmanagements, über Qualitätsmanagement, Hochschul- und Sozialrankings, Personalentwicklung, Hochschulmarketing und Hochschulmarktforschung zu Hochschulforschung und Fundraising. Vgl. Zentrum für die Entwicklung der Hochschulen. URL www.CHE.de. 83 Winter, M. (2014). Topografie der Hochschulforschung in Deutschland. Die Hochschule, 2, S. 26-47. 84 Vgl. BMBF Förderschwerpunkt Hochschulforschung. URL http://www.hochschulforschungbmbf.de/index.php. Es geht dabei u.a. um Wissenschaftsökonomie, Kompetenzmodellierung im Hochschulbereich, wissenschaftliche Leistungsbewertung, Evaluations- und Begleitforschung. 31 Hochschulstudium der Bologna-Reform nicht entziehen. Die universitäre Phase der Lehrerbildung muss sich an den im europäischen Hochschulraum geltenden Prinzipien orientieren. Das gilt auch, wenn das Berufsfeld Schule und die Lehrerbildung unter der Kulturhoheit der Länder stehen. Vergleichbar mit der Schulreform wird auch die Hochschulreform als langfristiger Prozess gedacht und schrittweise weitergeführt. Die Weiterführung zielt zum einen auf im bisherigen Reformprozess nicht hinreichend realisierte Kernziele, zum anderen auf die Profilierung der einzelnen Universitäten. Schließlich reagieren die weiteren Reformen auf neue Problemfelder. Die Kritik an der Verschulung der Universität, an der „Entwissenschaftlichung“ und Ökonomisierung insbesondere der Bachelorstudiengänge reißt nicht ab. Dabei findet nicht immer genügend Beachtung, dass das Konzept der Humboldtschen Universität sich nur auf einen Bruchteilen einer Alterskohorte bezogen hat, dass sich die hohe heutige Studierendenquote nicht zuletzt aus der höheren Komplexität der beruflichen Anforderungen ergibt und deshalb nicht jeder an Hochschulen eingeschrieben Kommilitone Wissenschaftler werden will. Umgekehrt gilt, dass unter den heutigen Bachelorstudierenden selbstverständlich auch die Menschen mit Esprit und Talent sind, die die Forschung von morgen voranbringen werden. Dass die laut geäußerte Kritik nur die eine Seite der Medaille ist, weisen Tobias Brändle und Björn Wendt in ihrer Bilanzierung zur Wahrnehmung des Bologna-Prozesses durch Professorinnen und Professoren nach:85 Kritiker und Befürworter machen jeweils ca. die Hälfte aus. Kritiker der Studienstrukturreform monieren häufiger einen erhöhten Prüfungsaufwand, die Verringerung der Zeit für Forschung, die Abnahme der Freiheit in der Lehre. Sie betonen den Zwang, der inner- und außeruniversitären Vorgaben. Befürworter sehen den Wandel ihres Arbeitsalltags dagegen positiver; sie neigen weniger dazu, das VorBologna-Studium zu glorifizieren. 3. “Neue Lehrer braucht das Land?“ - Reform der Lehrerbildung aus der Perspektive der Schul- und Hochschulreformen 85 Brändle, T., Björn Wendt, B. (2014). Kritiker und Befürworter – Die Wahrnehmung des Bologna Prozesses durch Professorinnen und Professoren, Beiträge zur Hochschulforschung, 36. Jahrgang, 1/2014, S. 46-69. 32 Auch wenn dieser Aspekt bislang ausgespart wurde: Lehrerbildung ist Thema sowohl der Schulreformen nach PISA als auch der auf die Schaffung eines europäischen Hochschulraums ausgerichteten Hochschulreformen. Die nun folgende Zusammenstellung skizziert die jeweils verfolgten Akzente. Dabei werden die Ausgangslage vor den Reformen, die ersten Reformmaßnahmen zur Jahrtausendwende und die aktuelle Weiterführung der Reformen unterschieden. 3.1. Europäische und nationale Ausgangspunkte der Lehrerbildungsreform der 2000-er Jahre Auch bezogen auf Lehrerbildung führte die OECD um die Jahrtausendwende internationale Vergleichsstudien durch. In Bezug auf Deutschland wurden die Ergebnisse der Lehrerstudie 2004 präsentiert.86 Auch hier waren die deutschen Ergebnisse im internationalen Vergleich negativ. Für die Öffentlichkeit war dieses Ergebnis unerwartet;87 das Medienecho war entsprechend groß.88 Das Ziel der längsschnittlich angelegten Vergleichsstudie war es, die Gestaltung der Lehrerpolitik im Hinblick auf eine Verbesserung der Unterrichts- und Lernbedingungen zu unterstützen. In der Studie (wie auch in ihrer öffentlichen Rezeption) wurde der Zusammenhang zwischen Schüler- und Lehrerleistungen thematisiert. Die Reform der Lehrerbildung wird demzufolge aus der Sicht von Schule eingefordert. 86 Anwerbung, berufliche Entwicklung und Verbleib von qualifizierten Lehrerinnen und Lehrern (2003). Im Zuge dieser Evaluierungsstudie wurden Schulen aus 25 Ländern besucht und analysiert. Vgl. Anwerbung, berufliche Entwicklung und Verbleib von qualifizierten Lehrerinnen und Lehrern - Länderbericht: Deutschland (September 2004). Zusammenfassung und erste Bewertung aus der Sicht der Kultusministerkonferenz (2008). URL http://www.kmk.org/fileadmin/veroeffentlichungen_beschluesse/2008/2008_10_16Fachprofile-Lehrerbildung.pdf. Vgl. auch die Ergänzenden Hinweise zu dem Nationalen Hintergrundbericht (CBR) für die Bundesrepublik Deutschland, die Peter Döbrich, Klaus Klemm, Georg Knauss und Hermann Lange für die KMK vorgelegt haben. (Döbrich, P., Klemm, K., Knauss, G. & Lange, H. (2004) Ausbildung, Einstellung und Förderung von Lehrerinnen und Lehrern OECD-Lehrerstudie. Ergänzende Hinweise zu dem Nationalen Hintergrundbericht (CBR) für die Bundesrepublik Deutschland. URL http://www.oecd.org/edu/school/suplement.pdf). 87 Nationale Experten waren diesmal vorbereitet; vgl. die Hinweise zu den auf unterschiedlichen Ebenen angestellten Überlegungen. 88 „Schlechte Noten für deutsche Lehrer” titelte die Tagesschau am 22. September 2004, URL: http://www.lpbbw.de/oecd_lehrerstudie.html. 33 Als problematisch wurde z.B. der überkommene Beamtenstatus deutscher Lehrpersonen eingestuft. Durch ihn werde zwar eine hohe Arbeitsplatzsicherheit, auch ein im internationalen Vergleich überdurchschnittlich hohes Gehalt garantiert, doch hätten die Lehrerinnen und Lehrer keinen Anreiz, ihr Wissen und ihre Arbeit zu verbessern. Stattdessen sollten die Leistung der Lehrpersonen regelmäßig überprüft werden89 und leistungsabhängige Anreizsysteme geschaffen werden. Moniert wurde auch die Einstellungspolitik in den Bundesländern, die sich jeweils nur am unmittelbaren Bedarf orientiere. Die Situation werde verschärft durch eine insgesamt geringe Kommunikation zwischen den Ländern in Sachen Lehrerpolitik, die ihrerseits nur ein Element der geringen Kommunikation zwischen den an Lehrerbildung beteiligten Institutionen insgesamt sei. Das Monitum am Beamtenstatus war nur ein Aspekt der deutlichen Kritik der OECD an der Aus- und Weiterbildung deutscher Lehrkräfte. Die Kritikpunkte werden besonders prägnant formuliert in den aus den erhobenen Daten erarbeiteten ergänzenden Hinweisen zum nationalen Bericht der OECD, den die KMK in Auftrag gegeben hatte. Weil die Monita die Ausgangslage der Reformbemühungen in der Lehrerbildung zu Beginn der aktuellen Hochschulreformen eindrücklich beschreiben, werden sie im Folgenden zusammengestellt. Die OECD monierte: (1) „das Fehlen eines inhaltlichen Einvernehmens über den Kernbestand verpflichtender Inhalte des Studiums, insbesondere hinsichtlich der erziehungswissenschaftlichen Grundlagen“; (2) „die Resistenz der Fachwissenschaften (Unterrichtsfächer), sich den Problemen der Lehrerbildung zu stellen“: Es bleibe, insbesondere in den Geisteswissenschaften, „oft den Studierenden überlassen [...], welche Veranstaltungen sie aus dem breiten Angebot des jeweiligen Fachbereichs auswählen wollen“; (3) „die beträchtlichen Defizite in der fachdidaktischen Ausbildung“, die auch als „Defizit an empirischer Forschung“ angesehen werden; (4) das „Fehlen eines akzeptierten ‚Ortes der Lehrerbildung’ in den Hochschulen, an dem die für alle Lehramtsstudiengänge gleichermaßen notwendige Abstimmung und Verbindung von unterrichtsfachlichen, fachdidaktischen und allgemein erziehungswissenschaftlichen Unterrichtsinhalten sicherzustellen wäre“. 89 Die Kritik an der Input-orientierten Steuerung auch der Lehrerpolitik wird in den ergänzenden Hinweisen, die auf Grundlage der Erhebung formuliert wurden, besonders deutlich: „Das Bemühen um die Sicherung der Qualität von Schule und Unterricht konzentrierte sich auf die Formulierung von Vorgaben in struktureller und inhaltlicher Hinsicht (Schulorganisation und Ausstattung, Stundentafeln, Lehrpläne etc.) und auf eine Aufsicht, die sich primär daran orientierte, was Schulen und Lehrkräfte tun, nicht was sie erreichen.” URL: http://www.oecd.org/edu/school/suplement.pdf, S. 7. 34 Über die universitäre Ausbildung hinaus reicht die Kritik (5) an der „mangelnden Klarheit hinsichtlich der spezifischen Aufgaben der an den verschiedenen Phasen der Lehrerbildung beteiligten Institutionen“; (6) am „Fehlen einer systematischen Qualifizierung des Lehrpersonals in den außerhochschulischen Einrichtungen der Lehrerbildung (Studienseminare und Einrichtungen der Lehrerfortbildung)“. (7) Die Ausbildung ist nach Ansicht der OECD außerdem „zu wenig an den realen Problemen der Schulen orientiert“. Eine „klare Konzeption für das systematische Lernen im Beruf [fehlt], welches die ersten Phasen der Ausbildung als Teil einer Entwicklung begreift, die mit Studium und Vorbereitungsdienst (Referendariat) begonnen, aber bei weitem noch nicht abgeschlossen ist“. (8) Moniert wird auch das Fehlen von „Standards” der Lehrerbildung, die Grundlage einer systematischen Evaluation der Lehrerbildung und eines entsprechenden Feedback in allen hieran beteiligten unterschiedlichen Feldern und Institutionen werden könnten“.90 Sowohl zeitlich vor der OECD-Studie, als auch in zeitlicher Überschneidung mit ihr und in den darauf folgenden Jahren trafen KMK, HRK und auch der Wissenschaftsrat Empfehlungen und nahmen Festlegungen zur Lehrerbildung vor. In den Grundsätzen stimmten die nationalen Stellungsnahmen mit den Monita und Vorschlägen der OECD überein. Im Auftrag der KMK setzte sich Ende der 1990er Jahre eine Kommission mit Perspektiven der Lehrerbildung in Deutschland auseinander (Abschlussbericht 2000).91 Auch die Lehrerverbände beteiligten sich daran, ein reformiertes Berufsbild für die Lehrkräfte zu entwickeln.92 90 Döbrich, P., Klemm, K., Knauss, G., Lange, H. (2004): Ausbildung, Einstellung und Förderung von Lehrerinnen und Lehrern (OECD-Lehrerstudie). Ergänzende Hinweise zu dem Nationalen Hintergrundbericht (CBR) für die Bundesrepublik Deutschland, URL: http://www.oecd.org/edu/school/suplement.pdf, S. 24f. 91 Terhart, E. (Hrsg.) (2000): Perspektiven der Lehrerbildung in Deutschland. Abschlussbericht der von der Kultusministerkonferenz eingesetzten Kommission. Weinheim, Basel: Beltz. 92 Die Zusammenfassung der Gemeinsamen Erklärung des Präsidenten der Kultusministerkonferenz und der Vorsitzenden der Bildungs- und Lehrerverbände (Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 5.10.2000) ist zitiert nach: Standards für die Lehrerbildung: Bildungswissenschaften (Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 16.12.2004). Vgl. Standards für die Lehrerbildung. Bildungswissenschaften (2004) URL http://www.kmk.org/fileadmin/veroeffentlichungen_beschluesse/2004/2004_12_16-StandardsLehrerbildung.pdf, S. 3: 1. Lehrerinnen und Lehrer sind Fachleute für das Lehren und Lernen. Ihre Kernaufgabe ist die gezielte und nach wissenschaftlichen Erkenntnissen gestaltete Planung, Organisation und Reflexion von Lehrund Lernprozessen sowie ihre individuelle Bewertung und systemische Evaluation. Die berufliche Qualität von Lehrkräften entscheidet sich an der Qualität ihres Unterrichts. 2. Lehrerinnen und Lehrer sind sich bewusst, dass die Erziehungsaufgabe in der Schule eng mit dem Unterricht und dem Schulleben verknüpft ist. Dies gelingt umso besser, je enger die Zusammenarbeit mit den Eltern gestaltet wird. Beide Seiten müssen sich verständigen und gemeinsam bereit sein, 35 Die Vorarbeiten wurden in Überlegungen zu Standards für die Lehrerbildung überführt.93 Diese mündeten im Dezember 2004 in den Beschluss der KMK zu den Bildungsstandards Bildungswissenschaften.94 Die HRK95 und der Wissenschaftsrat96 legten ihrerseits Empfehlungen vor. Diese banden die Lehrerbildung stärker in den Rahmen der als notwendig empfundenen Hochschulreformen ein. Einigkeit herrschte in Bezug auf die Notwendigkeit, Standards für Lehrerbildung zu entwickeln, die allen drei Phasen als Rahmen dienen sollten. 3.2 Vorgaben und Empfehlungen der KMK und HRK zur Reform der Lehrerbildung Worin die Herausforderungen der Empfehlungen von HRK und KMK für die Reform der Lehrerbildung bestehen, wird erst bei näherer Betrachtung deutlich. Die Gründe liegen insbesondere darin, dass die von der KMK ausgewiesenen Bildungsstandards für die Erste konstruktive Lösungen zu finden, wenn es zu Erziehungsproblemen kommt oder Lernprozesse misslingen. 3. Lehrerinnen und Lehrer üben ihre Beurteilungs- und Beratungsaufgabe im Unterricht und bei der Vergabe von Berechtigungen für Ausbildungs- und Berufswege kompetent, gerecht und verantwortungsbewusst aus. Dafür sind hohe pädagogisch- psychologische und diagnostische Kompetenzen von Lehrkräften erforderlich. 4. Lehrerinnen und Lehrer entwickeln ihre Kompetenzen ständig weiter und nutzen wie in anderen Berufen auch Fort- und Weiterbildungsangebote, um die neuen Entwicklungen und wissenschaftlichen Erkenntnisse in ihrer beruflichen Tätigkeit zu berücksichtigen. Darüber hinaus sollen Lehrerinnen und Lehrer Kontakte zu außerschulischen Institutionen sowie zur Arbeitswelt generell pflegen. 5. Lehrerinnen und Lehrer beteiligen sich an der Schulentwicklung, an der Gestaltung einer lernförderlichen Schulkultur und eines motivierenden Schulklimas. Hierzu gehört auch die Bereitschaft zur Mitwirkung an internen und externen Evaluationen. 93 Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland (Hrsg.). Standards für die Lehrerbildung: Bericht der Arbeitsgruppe. Die Arbeitsgruppe bestand aus HeinzElmar Tenorth, Ewald Terhart, Jürgen Oelkers, Heinz-Hermann Krüger (2004). Vgl. URL: http://www.kmk.org/fileadmin/veroeffentlichungen_beschluesse/2004/2004_12_16-Standards_LehrerbildungBericht_der_AG.pdf. 94 Standards für die Lehrerbildung: Bildungswissenschaften (Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 16.12.2004), S. 7-12. Den Kompetenzbereichen werden elf Kompetenzen zugeordnet, die den Bildungswissenschaften entstammen. In den Standards werden unter den Terminus „Bildungswissenschaften“ auch die Fachdidaktiken subsumiert, neben den Erziehungswissenschaften (vgl. Tenorth, H.-E., Terhart, E., Oelkers, J. & Krüger, H.-H. (2004)). Dabei schließen die erziehungswissenschaftlichen Studienanteile Angebote aus der Erziehungswissenschaft/ Pädagogik sowie – z.T. als Wahlschwerpunkte – Angebote aus Philosophie, Psychologie, Soziologie, Politikwissenschaften mit ein. 2014 wurden die Standards überarbeitet (Vgl. Tenorth, H.-E., Terhart, E., Oelkers, J. & Krüger, H.-H. (2014). Standards für die Lehrerbildung: Bericht der Arbeitsgruppe. URL http://www.kmk.org/fileadmin/veroeffentlichungen_beschluesse/2004/2004_12_16Standards-Lehrerbildung-Bildungswissenschaften.pdf ). 95 HRK: Entschließung des 206. Plenums am 21.2.2006: Empfehlung zur Zukunft der Lehrerbildung in den Hochschulen. 96 Wissenschaftsrat: Empfehlungen zur künftigen Struktur der Lehrerbildung, Berlin 6.11.2001 (Vgl. Wissenschaftsrat. Empfehlungen zur künftigen Struktur der Lehrerbildung (2001). URL http://www.wissenschaftsrat.de/download/archiv/5065-01.pdf ). 36 wie für die Zweite Phase gelten sollen, ohne dass es hierzu Absprachen zwischen den Phasen gegeben hätte und dass die Bildungsstandards, ebenfalls ohne Absprache, in der universitären Phase für Erziehungswissenschaften bildungswissenschaftlichen Standards wie für Fachdidaktiken der KMK beziehen sich gelten sollten. nämlich auf Handlungsfelder: Unterrichten, Erziehen, Beurteilen/ Beraten und Innovieren. 97 Die vier Die Fähigkeiten, Fertigkeiten und Bereitschaften, über die (angehende) Lehrkräfte verfügen können müssten, um kompetent handeln zu können, wären in interdisziplinärer Zusammenarbeit zwischen den Fächern aufzubauen. Das dies schwierig ist, wurde schon von Reformbeginn sichtbar: Die Fachdidaktiken protestierten vehement gegen die Einordnung unter Bildungswissenschaften; sie betonten, sich in ihrem Fachbezug zu verstehen. 2008 legte die KMK dann auch Standards für fachbezogene, also fachwissenschaftliche und fachdidaktische Lehrerkompetenzen vor. In Kapitel A, IV 1-3 wird näher vorgestellt, wie Lehrerbildung traditionell an der Universität angelegt ist und worin die Herausforderungen für Änderungen bestehen. Trotz aller Probleme: Wie die Bildungsstandards für Schülerinnen und Schüler zeigen auch die Lehrerstandards Wirkung. Dezidiert werden sie in den Überarbeitungen der Ordnungen für die Zweite Phase, damit in der Referendariatsausbildung berücksichtigt98. In den Prüfungs- und Studienordnungen der Ersten Phase schlagen sie sich eher moderat nieder. Auf Modulebene sind sie in den Erziehungswissenschaften und der Grundschulpädagogik/ didaktik zumindest implizit zu finden. Unterrichtskompetenzen werden explizit in den Praxismodulen gefördert. Die fachdidaktischen und fachwissenschaftlichen Kompetenzen spiegeln sich, weil sie sehr traditionell, oft sogar nur über Inhalte formuliert sind, in den Modulen dieser Disziplinen wider. In der Forschung finden vor allem Teilaspekte der Lehrerkompetenzen Beachtung „Diagnostizieren von Ausgangslagen; Beurteilen von Unterricht” sind hierfür Beispiele. Explizit auf die Bildungsstandards bezieht sich die BilWiss-Studie.99 Wie bei der Schul- und der allgemeinen Hochschulreform wurden auch für die Lehrerbildung die Grundlagenpapiere überarbeitet. 2014 verabschiedete die KMK die Überarbeitung der Lehrer-Standards für Bildungswissenschaften, 97 2015 für die Fachdidaktiken und Auf die Handlungsfelder und die hier notwendigen Kompetenzen wird in Kapitel A. I. 1.1 Deutsche Schulreformen nach PISA näher eingegangen. 98 Vgl. Teil A Kapitel III, 3 Der durch Studienseminare begleitete Vorbereitungsdienst. 99 Vgl. Teil B, III 3.3 BilWiss: Bildungswissenschaftliches Wissen und der Erwerb professioneller Kompetenz in der Lehramtsausbildung. 37 Fachwissenschaften. Die Weiterführung wurde auch hier von bildungspolitischen Entscheidungen auf der internationalen Bühne, von tiefgreifenden gesellschaftlichen Veränderung und von Realitäten der Praxis in deutschen Schulen angetrieben. Anstoß war insbesondere die zunehmende Heterogenität der Schülerschaft,100 die durch den Beitritt Deutschlands zur UN-Behindertenrechtskonvention (2008) noch einmal neue Dimensionen annahm. Durch ihren Beschluss zur „Inklusiven Beschulung von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen in Schulen“ hat die KMK im Oktober 2011 nach eigener Einschätzung „die konzeptionellen Grundlagen der schulischen Inklusion geschaffen”. Im Dezember 2012 folgten die entsprechenden KMK-Vorgaben für die Hochschule: In der Ausbildung für alle Lehrämter komme „den pädagogischen und didaktischen Basisqualifikationen in den Themenbereichen Umgang mit Heterogenität und Inklusion sowie Grundlagen der Förderdiagnostik“ eine besondere Bedeutung zu; sie seien auf geeignete Weise aufzubauen.101 Die Überarbeitung der bildungswissenschaftlichen und fachbezogenen Standards für die Lehrerbildung bezog sich nicht ausschließlich auf Inklusion, Heterogenität und Diversität, sondern griff auch andere bislang nicht erreichte Reformziele auf, z.B. Mängel bei der Zusammenarbeit zwischen den Ländern oder zwischen den Phasen der Lehrerbildung und deren Institutionen. Zudem betonen die Überarbeitungen dezidiert die Doppelrolle der Lehrerbildungsstandards für Schulen wie für Hochschulen. Ausdruck der Akzeptanz dieser Doppelrolle von Lehrerbildung auf der Ebene von HRK und KMK ist die gemeinsame Empfehlung „Lehrerbildung für eine Schule der Vielfalt” vom März 2015.102 Dabei fällt auf, dass das Verständnis von Inklusion in der gemeinsamen Erklärung weiter gefasst ist, als in den KMK-Leitlinien für die Schule. Es umfasst sowohl Behinderungen im Sinne der Behindertenrechtskonvention als auch besondere Ausgangsbedingungen z.B. Sprache, soziale Lebensbedingungen, kulturelle und religiöse Orientierungen oder Geschlecht sowie besondere Begabungen und Talente.103 100 Die Heterogenität der Schülerschaft wurde von der OECD bereits 2004 als eine Herausforderung beschrieben worden ist, für die die deutsche Lehrerschaft nicht genügend qualifiziert sei. 101 Vgl. Kulturministerkonferenz. URL http://www.kmk.org/bildung-schule/allgemeinebildung/lehrer/lehrerbildung.html. 102 Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 12.03.2015/ Beschluss der Hochschulrektorenkonferenz vom 18.03.2015: Lehrerbildung für eine Schule der Vielfalt. Gemeinsame Empfehlung von Hochschulrektorenkonferenz und Kultusministerkonferenz. (Lehrerbildung für eine Schule der Vielfalt (2015). URL http://www.kmk.org/fileadmin/veroeffentlichungen_beschluesse/2015/2015_03_12-Schule-derVielfalt.pdf). 103 „Diversität in einem umfassenden Sinne ist Realität und Aufgabe jeder Schule. Dabei gilt es, die verschiedenen Dimensionen von Diversität zu berücksichtigen. Das schließt sowohl Behinderungen im Sinne der Behindertenrechtskonvention ein, als auch besondere Ausgangsbedingungen z.B. Sprache, soziale Lebensbedingungen, kulturelle und religiöse Orientierungen, Geschlecht sowie besondere Begabungen und Talente.” In: Lehrerbildung für eine Schule der Vielfalt. URL: http://www.kmk.org/fileadmin/veroeffentlichungen_beschluesse/2015/2015_03_12-Schule-der-Vielfalt.pdf, S. 2. 38 Explizit und implizit wird in der Verlautbarung auf Grundlinien der Schul- und Hochschulreform Bezug genommen. Unter der Überschrift „Professioneller Umgang mit Inklusion: Lehrerbildung in kollegialer Kooperation” wird die universitätsinterne Kooperation zwischen Fachwissenschaft, Fachdidaktik, Erziehungswissenschaften und schulpraktischen Studien eingefordert, sodann die Kooperation zwischen den Lehrämtern und zwischen den Phasen der Lehrerbildung. Dezidiert gefordert werden auch fachdidaktische und erziehungswissenschaftliche Forschung zum Thema, u.a. als Entwicklung einer praxistauglichen Theorie. Zum Ausdruck kommt auch die Öffnung der Universität: Die Mitwirkung der Schule an der universitären Ausbildung wird ebenso angeregt, wie die transprofessionelle Zusammenarbeit aller an Schule beteiligten Fachkräfte im Umgang mit Heterogenität.104 Die in der gemeinsamen Empfehlung zum Ausdruck kommende Aufgeschlossenheit für grundlegende Reformen der universitären Lehrerbildung hat eine neue Qualität, nimmt man die bisherigen Papiere der HRK zur Lehrerbildung zum Maßstab. Sie ist dem Innovationscharakter aktueller Strategien für die Internationalisierung und für eine offene Hochschule vergleichbar: Neues soll gewagt, erprobt und dann in der Wirksamkeit evaluiert werden. Hier wie dort werden auch zusätzliche Finanzmittel eingesetzt. Dies verringert zwar nicht die Herausforderung einer tiefgreifenden Reform, erleichtert aber deren Umsetzung. Für die Lehrerbildung spielt die vom BMBF ausgeschriebene und 2014 und 2015 entschiedene Qualitätsoffensive Lehrerbildung105 eine besondere Rolle. Dabei geht es nicht nur um die Fördersumme (immerhin 500 Millionen Euro), sondern auch um deren Einbindung in das Gesamtkonzept der Reformen: So wurde im Vorfeld der Mittelzuweisung durch den Bund eine weiterreichende gegenseitige Anerkennung von Abschlüssen durch die Länder durchgesetzt.106 Eine Vorbedingung für den Erfolg der Bewerbungen war, dass an der 104 Vgl.: Lehrerbildung für eine Schule der Vielfalt, S. 3. Vgl.: Qualitätsoffensive Lehrerbildung (2015). URL https://www.bmbf.de/de/qualitaetsoffensivelehrerbildung-525.html. 106 Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 07.03.2013 i.d.F. v. 27.12.2013: Regelungen und Verfahren zur Erhöhung der Mobilität und Qualität von Lehrkräften. Ländergemeinsame Umsetzungsrichtlinien für die Anpassung von Regelungen und Verfahren bei der Einstellung in Vorbereitungs- und Schuldienst sowie für die Anerkennung von Studien- und Prüfungsleistungen in Studiengängen der Lehramtsausbildung. Ländergemeinsame Umsetzungsrichtlinien für die Anpassung von Regelungen und Verfahren bei der Einstellung in Vorbereitungs- und Schuldienst sowie für die Anerkennung von Studien- und Prüfungsleistungen in Studiengängen der Lehramtsausbildung (2013). URL http://www.kmk.org/fileadmin/veroeffentlichungen_beschluesse/2013/2013_03_07-Mobilitaet-Lehrkraefte.pdf. Eine jährliche Berichterstattung über die Anerkennungsverfahren wurde vereinbart. Vgl. auch https://www.bmbf.de/files/bund_laender_vereinbarung_qualitaetsoffensive_lehrerbildung.pdf 105 39 Universität erste Schritte einer erfolgreichen Lehrerbildungsreform und deren Begleitung durch Bildungsforschung bereits nachgewiesen werden mussten.107 Lehrerbildungsreformen im Sinne von KMK und HRK zu realisieren, wird durch ein zweites Paket an Herausforderungen erschwert, das im Folgenden dargestellt wird: Es geht um das Spannungsfeld zwischen der Kulturhoheit der Länder über die Lehrerbildung und dem Anspruch der einzelnen Universität, ihr Profil zu schärfen. II. Zwischen Kulturhoheit Autonomieanspruch: und Herausforderungen universitärem bei der Realisierung von Lehrerbildungs-Reformen 1. Kulturhoheit der Länder und universitäre Lehrerbildung Die Kulturhoheit der Länder ist eines der Herzstücke des deutschen Föderalismus. Die KMK formuliert: „Angelegenheiten der Schulen sowie Fragen der Ausbildung, Einstellung und Beschäftigung von Lehrerinnen und Lehrern fallen grundsätzlich in die Zuständigkeit der einzelnen Länder in der Bundesrepublik Deutschland. Dies hat u. a. zur Folge, dass die Lehrerausbildungs- und die Lehrerlaufbahnstrukturen in den Ländern weitgehend auf die dort jeweils vorhandenen Schularten bzw. Schulstufen abgestimmt sind.”108 Während das gegliederte Schulsystem ursprünglich mit Grund-, Haupt-, Realschule und Gymnasium vier allgemeinbildende Schularten umfasste und um die beruflichen Schulen und 107 Vgl. hierzu die Information zu den Auswahlkriterien http://www.dlr.de/pt/Portaldata/45/Resources/a_dokumente/QLb_InfoAuswahlkriterienPT.pdf 108 Information des Sekretariats über die Regelungen des KMK-Beschlusses vom 22.10.1999. Vgl. Gegenseitige Anerkennung von Lehramtsprüfungen und Lehramtsbefähigungen (2009). URL http://www.kmk.org/fileadmin/pdf/Bildung/AllgBildung/2009-Informationsschrift Gegenseitige_Anerkennung.pdf., S. 2. 40 die Sonderschulen ergänzt wurde und Lehrerbildung sich auf diese Schularten bezog, hat sich das Schulsystem und damit die Lehrerbildung im Zuge der Schulreformen dieses Jahrhunderts länderspezifisch vielfach ausdifferenziert. Die KMK resümiert diesbezüglich, dass „z. T. nicht unerhebliche Unterschiede in der Lehrerausbildung” bestehen und sich „eine Vielfalt an Lehramtsbezeichnungen entwickelt” hat. Sie zieht daraus die Konsequenz, „sämtliche in den Ländern vorhandenen Lehrämter aus Gründen der Übersichtlichkeit und Vergleichbarkeit zu insgesamt sechs Lehramtstypen zusammenzufassen.”109 Diese Systematisierung ist Grundlage der gegenseitigen Anerkennung der Lehramtsabschlüsse, die 1999 erlassen, 2009 aktualisiert110 und 2013 liberalisiert111 wurde. Unterschiedlich sind auch die Zulassungsbedingungen zum Vorbereitungsdienst; hier hat die KMK ebenfalls Anerkennungsrichtlinien erlassen.112 Einheitlich ist demgegenüber die Festlegung auf ein Erstes und Zweites Staatsexamen als Voraussetzung für eine Tätigkeit als Lehrer/ Lehrerin. Allerdings haben die Veränderungen vor dem Staatsexamen nicht Halt gemacht. 2. Staatsexamen in der Lehrerbildung Die Begründung für das Staatsexamen als Studienabschluss des Lehramtsstudiums ist, dass Lehrer/ Lehrerin ein Beruf in einem vom deutschen Staat regulierten Berufsfeld ist und Lehrkräfte entsprechend als Beamte oder Angestellte im Staatsdienst beschäftigt sein können. Die mit dem Studienabschluss Staatsexamen verbundene staatliche Kontrolle ist Ausdruck des öffentlichen Interesses an der Einhaltung bestimmter Qualitätsstandards. Das Erste 109 Vgl. Gegenseitige Anerkennung von Lehramtsprüfungen und Lehramtsbefähigungen (2009), S. 2; die zweiseitige (!) Übersicht befindet sich ebd. auf S. 4f. 110 Die Systematisierung des Jahres 2009 nimmt Bezug auf die oben erläuterten Standards zur Lehrerbildung aus den Jahren 2004 und 2008. Vgl. Gegenseitige Anerkennung von Lehramtsprüfungen und Lehramtsbefähigungen (2009). 111 Beschluss der KMK vom 22.10.1999 i.d.F. vom 07.03.2013: Gegenseitige Anerkennung von Lehramtsprüfungen und Lehramtsbefähigungen. Zwischen 1997 und 2207 wurde in mehreren Rahmenvereinbarung die Anerkennung von schulstufenbezogenen Lehrämtern vereinbart (vgl.: Rahmenvereinbarung über die Ausbildung und Prüfung für Lehrämter für alle oder einzelne Schularten der Sekundarstufe I (Lehramtstyp 3) (Beschluss der KMK vom 28.02.1997 i.d.F. vom 07.03.2013). Die Fassungen vom März 2013 sind jeweils Ausdruck der Liberalisierung der Anerkennung im Vorfeld der Qualitätsoffensive Lehrerbildung. 112 Ländergemeinsame Anforderungen für die Ausgestaltung des Vorbereitungsdienstes und die abschließende Staatsprüfung (Beschluss der KMK vom 06.12.2012). 41 Staatsexamen berechtigt zur Aufnahme des Vorbereitungsdienstes, der durch das zweite Staatsexamen abgeschlossen wird. Die Einstellung in den Staatsdienst erfolgt kompetitiv, in Abhängigkeit von der Abschlussnote. Soweit der auch heute noch gültige grundsätzliche Konsens. Im Zuge der Bologna-Reform entschieden sich die meisten Bundesländer die lehramtsbezogenen Masterabschlüsse der Hochschulen als Erstes Staatsexamen anzuerkennen und zur Qualitätssicherung auch für die Lehramtsstudiengänge das Akkreditierungsverfahren zu nutzen. Die Anerkennung der Studienabschlüsse wurde deshalb 2005 um Eckpunkte für die Anerkennung gestufter Abschlüsse ergänzt.113 Den Vorbereitungsdienst schließen demgegenüber alle Referendare mit dem zweiten Staatsexamen ab, das in staatlicher Verantwortung abgenommen und von einem staatlichen Prüfungsamt organisiert wird. 3. Konkretisierungen zur Struktur-Reform der Lehrerbildung Nicht zuletzt unter Berufung auf die guten Ergebnisse in den nationalen und internationalen Ländervergleichen hält Bayern als einziges Bundesland mit großer Vehemenz an den Lehrerbildungstraditionen fest. Nordrhein-Westfalen gehört demgegenüber zu den Bundesländern, die sich am weitesten von der traditionellen Lehrerbildung gelöst haben.114 Am Beispiel dieser beiden Bundesländer wird im Folgenden erläutert, wie unterschiedlich Kulturhoheit der Länder, Beschlüsse der KMK und Hochschulreformen zusammenwirken können. 113 Eckpunkte für die gegenseitige Anerkennung von Bachelor- und Masterabschlüssen in Studiengängen, mit denen die Bildungsvoraussetzungen für ein Lehramt ermittelt werden (Beschluss der KMK vom 02.06.2005). Voran gegangen ist der Beschluss der KMK vom 01.03.2002 zu „Möglichkeiten der Einführung von Bachelor/Masterstrukturen in der Lehrerausbildung sowie der Strukturierung/Modularisierung der Studienangebote und Fragen der Durchlässigkeit zwischen den Studiengängen”. Der weitere Regelungsbedarf spiegelt sich in zusätzlichen Beschlüssen der KMK, vgl. die Übersicht zu allen KMK Beschlüssen zur Lehrerbildung: Übersicht zu allen KMK-Beschlüssen zur Lehrerbildung. URL http://www.kmk.org/index.php?id=1601&type=123. 114 Eine Übersicht über die rechtlichen Regelungen der Lehrerbildung in den Ländern der Bundesrepublik Deutschland bietet eine Serviceseite der KMK: Vgl. Übersicht zu allen KMK Beschlüssen zur Lehrerbildung. 42 3.1 Strukturelle Lehrerbildungsreform: Das Beispiel Bayern Bayern hat sich nicht nur entschieden, das zentrale Staatsexamen beizubehalten, sondern auch die schulartbezogene Ausbildung und die Studiendauer von sieben Semestern für Grund-, Mittel- und Realschule bzw. neun Semestern für Gymnasium, Berufsschule und Sonderschulen, dazu den zweijährigen Vorbereitungsdienst. Die erste und die zweite Phase der Lehrerbildung sind jeweils durch eine eigene Lehramtsprüfungsordnung (LPO) geregelt.115 Obwohl Bayern die traditionelle Lehrerbildung weiterführt, sollte das Lehramtsstudium modularisiert werden, nicht zuletzt deshalb, weil es den Universitäten auch weiterhin möglich sein sollte, Fach- und Lehramtsstudierende gemeinsam auszubilden, also polyvalente Angebote zu machen. Trotz der Vereinbarung der Modularisierung behält der Staat sich einen deutlichen Einfluss auf die Inhalte der Lehrerbildung vor: Es wurde festgelegt, dass ca. 60 % der Studieninhalte in den wichtigsten Grundzügen durch die inhaltlichen Vorgaben der LPO I und der diese konkretisierenden Kerncurricula geregelt werden. Auf die Kerncurricula beziehen sich auch die Aufgabenstellungen der zentral gestellten Klausuren der staatlichen Abschlussprüfung. Die weiteren ca. 40 % verantworten die einzelnen Universitäten, hier soll auch das spezielle Profil der jeweiligen Universität in die Lehrerbildung einfließen. Allerdings müssen die Universitäten auch in den inhaltlich nicht näher festgelegten Anteilen strukturelle Vorgaben der LPO I berücksichtigen. So werden z.B. ECTS-Punkte für Teildisziplinen festgeschrieben, die die Studierenden als Zulassungsbedingungen zum Staatsexamen nachweisen müssen. Eine weitere Form der Einflussnahme ist, dass von den Studierenden in manchen Fächern und für manche Schularten zusätzliche Zulassungsbedingungen zu erbringen sind, ohne dass dafür ECTS-Punkte vorgesehen wären. Das können Sprachkenntnisse sein, die durch das Abitur nicht notwendig sichergestellt sind, „Basisqualifikationen“ im musischen Bereich oder Orientierungs- bzw. Betriebspraktika. Die Abschlussnote wird zu 60 % aus den Ergebnissen der zentralen Staatsprüfung, die neben den Klausuren auch eine Abschlussarbeit (= 115 Ordnung der Ersten Prüfung für ein Lehramt an öffentlichen Schulen (Lehramtsprüfungsordnung I - LPO I) Vom 13. März 2008 und Ordnung der Zweiten Staatsprüfung für ein Lehramt an öffentlichen Schulen (Lehramtsprüfungsordnung II - LPO I in der Fassung der Bekanntmachung vom 29. September 1992 (GVBl S. 496), zuletzt geändert durch Verordnung vom 4. August 2003 (GVBl S. 590). 43 schriftliche Hausarbeit; 10 ECTS-Punkte) umfasst, und zu 40 % aus den Modulprüfungen berechnet. Für die Vorbereitung auf und die Ablegung der zentralen Staatsprüfung sind keine ECTS-Punkte vorgesehen. Die grundsätzliche Entscheidung für das Staatsexamen wurde noch 2006 durch die Ausschreibung für Modellversuche ergänzt, die „sowohl den Erwerb eines Bachelor- oder Master-Grades als auch die Ablegung der Ersten Prüfung für ein Lehramt an öffentlichen Schulen ermöglichen“.116 Die beiden Staatsministerien für Unterricht und Kultus und für Wissenschaft, Forschung und Kunst waren gemeinsame Initiatoren der Ausschreibung. In Kapitel C I, 1.Zur Einordnung in die bayerische Lehrerbildungspolitik wird an einem Studiengangsmodell verdeutlicht, wie mit der besonderen Herausforderung, Staatsexamen, gestufte Abschlüsse und Universitätsprofil zu verbinden, umgegangen wurde. 3.2 Strukturelle Lehrerbildungsreform: Das Beispiel NRW NRW legte dagegen 2009 die Abschaffung der Staatsexamensstudiengänge ab dem Wintersemester 2011/ 12 fest und entschied sich, Lehrerbildung in die Bologna-Reform zu integrieren. Konsequenz war die Einführung des „Master of Education” (M.ed.) als Studienabschuss. Die Studienzeit aller Studiengänge, auch des auf Primaschulen bezogenen, beträgt damit zehn Semester. Die das Staatsexamen regulierenden Lehramtsprüfungsordnungen verloren 2012 ihre Gültigkeit. Grundlegende Regularien zu den schulstufen- bzw. schulartbezogenen Lehramtsstudien, u.a. durch die Festlegung der vorzuweisenden ECTS-Punkte, enthält die Verordnung über den Zugang zum nordrhein-westfälischen Vorbereitungsdienst.117 In NRW handelt es sich bei der Reform der Lehrerbildung nicht nur um eine Strukturreform, sondern zugleich um inhaltliche Reformansätze. Unter anderem werden dabei zentrale 116 Ausschreibung von Modellversuchen für bayerische Universitäten, die „sowohl den Erwerb eines Bacheloroder Master-Grades als auch die Ablegung der Ersten Prüfung für ein Lehramt an öffentlichen Schulen ermöglichen“ (26. Februar 2006, Az.: III.1-5 S 4006-PRA.34), URL http://www.km.bayern.de/medien/km_links/datei/amtsblatt/kwmbl-2006-05.pdf 117 Verordnung über den Zugang zum nordrhein-westfälischen Vorbereitungsdienst für Lehrämter an Schulen und Voraussetzungen bundesweiter Mobilität (Lehramtszugangsverordnung - LZV) vom 18.6.2009. 44 Hinweise der OECD-Lehrer-Studie118 aufgegriffen. Auf der Homepage des für Lehrerbildung zuständigen Schulministeriums wird die Reform wie folgt charakterisiert: • Umstellung des Lehramtsstudiums auf Bachelor- und Masterstudiengänge, • Erhöhung des Praxisbezugs des Lehramtsstudiums unter anderem durch Einführung eines Eignungspraktikums und eines halbjährigen Praxissemesters, • Stärkung der Vermittlung von Fachdidaktik und Bildungswissenschaften, • Stärkung der schulformbezogenen Differenzierung und Gleichwertigkeit für alle Lehrämter durch Einführung eines eigenständigen Grundschullehramtes und Angleichung der Ausbildungszeiten, • Stärkung der Lehrerausbildung an den Universitäten durch die Gründung eigenständiger „Zentren für die Lehrerbildung“, welche als zentrale Anlaufstelle sowie Identifikationsort für die Lehrerausbildung innerhalb der Hochschulen dienen, • Straffung des Vorbereitungsdienstes, • Neu-Ausgestaltung des Seiteneinstiegs in den Lehrerberuf.119 • Die Reform wurde auch genutzt, um neue Studieninhalte festzulegen. In NRW muss z.B. in allen Lehramtsstudiengängen „Deutsch für Schülerinnen und Schüler mit Zuwanderungsgeschichte“ sowie „Diagnose und Förderung“ studiert werden. In den Modulen dieses Schwerpunkts wird auch versucht, angehende Lehrkräfte zu einem kompetenten Umgang mit schulbezogener Forschung zu befähigen. 4. Lehrerbildung als Profilelement für Universitäten 4.1 Das Lehrangebot als Indikator Alle Bundesländer binden ihre Universitäten, was die Lehre im Lehramtsstudium betrifft, an staatliche Vorgaben; wobei die staatlichen Einflussnahmen, wie die Beispiele Bayern und 118 Vgl. Kapitel A. I. 3.1 Europäische und nationale Ausgangspunkte der Lehrerbildungsreform der 2000-er Jahre. 119 Vgl. Schulministerium Nordrhein-Westfalen. URL https://www.schulministerium.nrw.de/docs/LehrkraftNRW/Lehramtsstudium/Reform-derLehrerausbildung/Reform/index.html. 45 Nordrhein-Westfalen gezeigt haben, sehr unterschiedlicher Art sind. Dennoch bleiben den Universitäten Spielräume zur Profilbildung. In Bezug auf die Lehre erlassen die Universitäten jeweils eigene Prüfungs- und/ oder Studienordnungen. Aus ihnen wird ersichtlich, inwiefern den Studierenden eine Profilbildung ermöglicht wird. Indikatoren für die Bedeutung, die der Lehrerbildung zugewiesen wird, sind, 1. inwiefern Fachwissenschaften ihre „Resistenz” aufgegeben haben, „sich den Problemen der Lehrerbildung zu stellen“120 – völlige Wahlfreiheit der Studierenden in Bezug auf Fachwissenschaften ist ein Indikator für Desinteresse, 2. inwiefern Fachdidaktiken sich fachbezogen mit Kompetenzorientierung, Heterogenität/ Inklusion, Multikulturalität u.a. auseinandersetzen, 3. inwiefern Erziehungswissenschaften auch auf einen kompetenten Umgang mit Unsicherheit und Offenheit oder auf die Mitwirkung bei Schul- und Unterrichtsentwicklung vorbereiten, 4. inwiefern schulpraktische Studien betreut werden und in das Gesamtkonzept der Studiengänge eingebunden sind, 5. inwiefern den Studierenden Wahlpflicht- und Wahlmodule für deren Profilbildung angeboten werden. 4.2 Schulbezogene Forschung als Profilelement Dass Universitäten ein Profil in Bezug auf schulbezogene Forschung ausprägen, war vor den großen, in Kapitel I vorgestellten Schul- und Hochschulreformen kaum der Fall. Für die Etablierung von entsprechenden Forschungsschwerpunkten erwiesen sich die Vorreiterrollen von Elite-Universitäten (wie z.B. der Technischen Universität München, der Universität Konstanz oder der Universität Tübingen) und Forschungsinstituten121 (wie z.B. den LeibnizInstituten aus der Sektion A - Geisteswissenschaften und Bildungsforschung) als bedeutsam. Noch wichtiger waren allerdings die Drittmittel-Programme, die staatliche Förderer (BMBF, DFG), große Stiftungen (wie z.B. Bertelsmann, Volkswagen, Telekom, Mercator), aber auch 120 Vgl. Döbrich, P., Klemm, K., Knauss, G. & Lange, H. (2004) Ausbildung, Einstellung und Förderung von Lehrerinnen und Lehrern OECD-Lehrerstudie. Ergänzende Hinweise zu dem Nationalen Hintergrundbericht (CBR) für die Bundesrepublik Deutschland. URL http://www.oecd.org/edu/school/suplement.pdf, S. 24. 121 Vgl. z.B. das Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik (IPN) in Kiel. URL http://www.leibniz-gemeinschaft.de/institute-museen/einrichtungen/ipn ; Deutsches Institut für Internationale Pädagogische Forschung (DIPF) in Frankfurt. URL http://www.leibniz-gemeinschaft.de/institutemuseen/einrichtungen/dipf ; das Leibniz-Institut für Bildungsverläufe in Bamberg. URL http://www.leibnizgemeinschaft.de/institute-museen/einrichtungen/lifbi ; oder das Institut für Wissensmedien in Tübingen. URL http://www.leibniz-gemeinschaft.de/institute-museen/einrichtungen/iwm. 46 die Länder für schulbezogene Forschung auflegten. Profiteure der Programme sind nicht zuletzt die Forschungsinstitute, Universitäten und Forschenden, die im Auftrag der KMK und staatlich finanziert an der Realisierung der Schulleistungstests mitwirken, bzw. drittmittelfinanziert damit zusammenhängende weiterführende Forschungsprojekte betreiben.122 Im Vergleich dazu stehen die Forscher der geistes-, kultur- und sozialwissenschaftlichen Fächer eher im Abseits. Dennoch: Wenn auch unter weniger günstigen Bedingungen erforschen sie Konsequenzen z.B. des Paradigmenwechsels zur Kompetenzorientierung oder realisieren bezogen auf ihre Themen die empirische Wende für ihre Fächer. Insgesamt haben Fachdidaktiken und Bildungswissenschaften sich in den letzten Jahren mit überzeugenden Forschungsprojekten in der Forschungslandschaft etablieren können (vgl. exemplarisch die Berichterstattung zu den schulbezogenen Schwerpunktprogrammen von DFG,123 BMBF,124 und der Bund-Länder-Programme125). Nicht zu vergessen sind Forschende unterschiedlicher Fächer, die dem bildungspolitisch eingeschlagenen Weg kritisch gegenüber stehen. In den Schwerpunktprogrammen der Forschungsförderer hat diese Gruppe wenige Chancen. Die Forschungen müssen über Stiftungen und Einzelanträge finanziert werden. Bislang scheint es dieser Gruppe nicht gelungen zu sein, die Kritik am Paradigmenwechsel hin zur Kompetenzorientierung und Evidenzbasierung durch alternative Paradigmen zu bündeln. Dass sich Bildungsforschung als Element der Profilbildung für Universitäten zunehmend etabliert, kann man auch an den Formen der Institutionalisierung festzustellen: Universitäten, die auch auf das Profil Bildungsforschung setzen, bilden geeignete Strukturen: Zum Teil ist es Universitäten gelungen, gefördert von Bund und/ oder Land eigene, auf Dauer anlegte Forschungsinstitute zu schaffen,126 zum Teil erfolgt der institutionelle Aufbau auch gefördert 122 Vgl. exemplarisch die jährlich herausgegebenen und über die Homepages abrufbaren Forschungsberichte des IQB oder der TUM. 123 Vgl. u.a. das Schwerpunktprogramm „Kompetenzmodelle zur Erfassung individueller Lernergebnisse und zur Bilanzierung von Bildungsprozessen”. Vgl. hierzu exemplarisch die Lage zur Zeit der Ausschreibung: Klieme, E. & Leutner, D. (2006). Kompetenzmodelle zur Erfassung individueller Lernergebnisse und zur Bilanzierung von Bildungsprozessen. Beschreibung eines neu eingerichteten Schwerpunktprogramms der DFG. Zeitschrift der Pädagogik, 52, 6, S. 876-903; Leutner, D., Klieme, E., Fleischer, J. & Kuper, H. (Hrsg.) (2013). Kompetenzmodelle zur Erfassung individueller Lernergebnisse und zur Bilanzierung von Bildungsprozessen. Zeitschrift für Erziehungswissenschaft Sonderheft, 18, S. 1-4. 124 Vgl. u.a. Projekte aus dem Rahmenprogramm zur Förderung der empirischen Bildungsforschung. URL http://www.empirische-bildungsforschung-bmbf.de/de/1381.php. 125 Vgl. u.a. „Bildung durch Sprache und Schrift“ (BISS), eine gemeinsame Initiative des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF), des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ), der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland (KMK) und der Jugend- und Familienministerkonferenz der Länder (JFMK). Berichterstattung zu den schulbezogenen Schwerpunktprogrammen. URL http://www.biss-sprachbildung.de. 126 Vgl. z.B. das IQB der Humboldt-Universität zu Berlin. URL https://www.iqb.hu-berlin.de oder das Hector-Institut für Empirische Bildungsforschung der Universität Tübingen. URL http://www.uni- 47 über Stiftungen.127 Vielfach institutionalisieren die Universitäten Bildungsforschung über die Lehrerbildungszentren.128 Zusätzlich bilden sie, z.B. über den Lead in Verbundsforschungsprojekten, über Graduiertenkollegs, aber auch über praxisbezogene Formen wie Schülerlabore flexiblere, zeitlich begrenzte Strukturen. Immer stellen die Universitäten für den Ausbau der Bildungsforschung zu einem Profilelement auch Mittel bereit, insbesondere Stellen zum Anschub von Forschung. Teilweise sind diese akquiriert aus Bundesförderungen (Exzellenzinitiativen, Qualitätsoffensive Lehrerbildung) und Landesförderungen (Baden-Württemberg-Stiftung; Bildungspakt Bayern). Insbesondere wird auch der Aufbau nationaler und vor allem internationaler Netzwerkstrukturen gefördert; neben universitätsinternen Mitteln stehen hierfür auch staatliche Fördermöglichkeiten zur Verfügung, die im Zuge des Reformziels Internationalisierung bereit gestellt werden. Bezogen auf alle Fördermaßnahmen ist die Evaluierung der Projekte inzwischen genuiner Bestandteil; dies hat auch zur Folge, dass die Qualität der Instrumente der Erfolgsüberprüfung ständig zunimmt. Wie im Kapitel zu Schul- und Hochschulreformen bereits angesprochen, wird der Anwendungsbezug zunehmend zu einem Kriterium für die Erfolgsbewertung. Die bewusst (auch) an qualitätsvolle Forschungsansätze gebundene Vergabe der Mittel aus der Qualitätsoffensive Lehrerbildung wird der schulbezogenen Forschung, nicht zuletzt zum Umgang mit Heterogenität, einen weiteren Impuls geben. 5. Resümee Die Reform der Lehrerbildungs-Studiengänge an den Universitäten stellt diese vor ganz spezifische Ansprüche, weil der Staat seine Interessen durch Anforderungen an die Studiengangskonstruktion der Universitäten wahrt, selbst dann, wenn universitäre tuebingen.de/fakultaeten/wirtschafts-und-sozialwissenschaftliche-fakultaet/faecher/hector-institut-fuerempirische-bildungsforschung.html. 127 Vgl. exemplarisch die Stiftungslehrstühle der TUM School of Education. URL https://www.edu.tum.de/startseite. 128 Vgl. exemplarisch unter den nordrhein-westfälischen Zentren für Lehrerbildung und Bildungsforschung u.a. das Zentrum für Bildungsforschung und Lehrerbildung (PLAZ) der Universität Paderborn. URL https://plaz.unipaderborn.de/bildungsforschung; unter den hessischen die Akademie für Bildungsforschung und Lehrerbildung in Hessen. URL http://www.abl.uni-frankfurt.de/40103711/Forschung; unter den bayerischen das Zentrum für LehrerInnenbildung und interdisziplinäre Bildungsforschung der Universität. URL http://www.uniaugsburg.de/institute/ZLbiB. 48 Masterabschlüsse durch einen Verwaltungsakt als Erste Staatexamina anerkannt werden. Die in staatlichen Ordnungen oder anderen Verlautbarungen festgelegten Kriterien müssen eingehalten werden, auch wenn sie von den Überlegungen der Universitäten für ihre (Fach-) Studiengängen abweichen. Aufgrund der Kulturhoheit der Länder unterscheiden sich die staatlichen Eingriffe – wie an den beiden Beispielen Bayern und Nordrhein-Westfalen aufgezeigt wurde – deutlich. In Bayern betreffen sie – wegen der Beibehaltung des durch Zentralklausuren realisierten Staatsexamens – Fachwissenschaften, Fachdidaktiken und Erziehungswissenschaften gleichermaßen; in anderen Ländern bleiben die Regulierungen insbesondere in Bezug auf die Fachwissenschaften offener. Es werden aber lehramtsspezifische Module zu Themen eingefordert, die sich aus geänderten Rahmenbedingungen für Schule ergeben und damit explizit mit den laufenden Schulreformen zusammenhängen. Der im Studium (nicht nur in den schulpraktischen Studien) herzustellende Bezug auf die in den Ländern jeweils eingeführten Schulformen stellt eine zusätzliche Herausforderung für die universitäre Lehrerbildung dar. HRK und KMK sind im gemeinsamen Beschluss zu „Schule der Vielfalt”129 auf solche mit den aktuellen Reformen zu lösenden Aufgaben eingegangen. Die Art und Weise, wie Universitäten bei der Reform der Lehrerbildung mit den staatlichen Vorgaben und mit den für Lehrerbildung relevanten Rahmenbedingungen umgehen, zeigt, inwiefern ihnen Lehrerbildung wichtig ist: Eine Faustregel ist, je weniger Konzept hinter den Lehramtsstudiengängen steht, desto weniger ernst wird Lehrerbildung genommen; große Wahlfreiheit der Lehramts-Studierenden entspricht damit einem Indikator für Konzeptlosigkeit. Umgekehrt sind eine Profilbildung in der schulbezogenen Forschung einerseits und eine daraus resultierende forschungsnahe, auch auf Forschungsmethoden ausgerichtete Lehre andererseits ein Indikator dafür, dass Lehrerbildung für wichtig erachtet wird oder gar ein Profilelement der Universität ist. In diesem Fall scheint es eher zu gelingen, die Herausforderung zu meistern, Einflüsse der Kulturhoheit der Länder und das Eigeninteresse der Universität als Ort akademischen Lehrens, Lernens und Forschens in Einklang zu bringen. Die nachfolgend skizzierte Herausforderung geht vom Ziel aus, Lehrerbildung als lebenslangen Prozess zu verstehen. Die Aufteilung in drei Phasen, die institutionell 129 Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 12.03.2015/ Beschluss der Hochschulrektorenkonferenz vom 18.03.2015: Lehrerbildung für eine Schule der Vielfalt. Gemeinsame Empfehlung von Hochschulrektorenkonferenz und Kultusministerkonferenz. Vgl. Lehrerbildung für eine Schule der Vielfalt (2015). 49 unterschiedlich verortet sind, erschwert es aber, Lehrerbildung als Einheit zu verstehen. Die Herausforderungen einer „vertikalen Vernetzung“ werden im Folgenden auf der Grundlage der Beschreibung der drei Phasen herausgearbeitet. III. „Non scholae, sed vitae discimus“: Lehrerbildung als lebenslanger Prozess Dass lebenslanges Lernen gerade auch von Lehrkräften verlangt werden muss, die dazu beitragen sollen, dass Schüler kompetent mit den immer neuen Situationen ihres späteren Lebens umgehen lernen, ist unstrittig. Die OECD-Studie machte in dieser Hinsicht 2004 aber auf schwerwiegende Defizite in Deutschland aufmerksam, die sie einerseits mit dem Beamtentum in Verbindung brachte, andererseits mit mangelnden Konzepten für die Fortund Weiterbildung im Beruf erklärte und dem Fehlen von phasenübergreifenden Standards für die Lehrerbildung zuschrieb.130 Im Folgenden wird zuerst der Ist-Stand erläutert: In Deutschland wird Lehrerbildung in drei Phasen eingeteilt, wobei die ersten beiden jeweils durch Staatsexamina gesteuert werden, die dritte der berufsbegleitenden Fort- und Weiterbildung vor allem den Lehrkräften selbst überlassen wird. Im Anschluss an die Darstellung der Phasen werden jeweils Herausforderungen herausgearbeitet, die es zu meistern gilt, wenn die Phasen im Sinne eines lebenslangen Lernens besser aufeinander bezogen werden sollen. 1. Erstausbildung an der Universität und im Studienseminar 130 Vgl. Döbrich, P., Klemm, K., Knauss, G. & Lange, H. (2004), S. 24. 50 Für die Lehrerbildung in allen deutschen Ländern gilt die Grundsatzentscheidung, die Erstausbildung aufzuteilen. Dabei wird die erste Phase als akademische Ausbildung an Hochschulen verortet und die zweite Phase als Vorbereitungsdienst gestaltet, der durch Studienseminare begleitet wird. Für die dritten Phase, die berufsbegleitende Fort- und Weiterbildung, gibt es keine vergleichbare Form der Institutionalisierung. Die zweigeteilte Erstausbildung mit den damit verbundenen Übergangsproblemen wird durchaus kontrovers diskutiert: Theorie und Praxis würden durch die Zweiteilung zu wenig verzahnt. Dennoch fanden in Deutschland nur in den 1970-er Jahren in Bremen und Oldenburg Modellversuche zu einer einphasigen Lehrerbildung statt. Weil sie vorzeitig abgebrochen wurden, können, trotz der ausführlichen Dokumentation insbesondere des Oldenburger Modellversuchs131 keine belastbaren Aussagen gemacht werden132. Dass eine einphasige Lehrerbildung, auch wenn sie „nur akademisch” erfolgt, erfolgreich sein kann, zeigt u.a. das Beispiel Finnland. Dennoch setzen die meisten Länder auf Mischformen, wobei das Verhältnis von Theorie- und Praxisanteilen ebenso variieren, wie das Verhältnis von fachlichen und pädagogischen fachdidaktischen Anteilen. Anteilen oder von fachwissenschaftlichen und 133 Unstrittig dürfte sein, dass ausgeprägte Expertise nötig ist, um den Aufbau gesicherter fachlicher, fachdidaktischer und erziehungswissenschaftlicher Kompetenzen zu fördern und dass eine anders geartete Expertise gegeben sein muss, um bei der Entwicklung der von den Handlungsfeldern Unterrichten, Erziehen, Beraten/ Beurteilen und Innovieren gekennzeichneten „Alltagstauglichkeit“ zu unterstützen. Es kann keinesfalls davon ausgegangen werden, dass ein und derselbe Mensch über genügend Expertise in allen erforderlichen Bereichen verfügt, um den Aufbau beider Kompetenzausprägungen zu unterstützen. 131 Fichten, W., Spindler, D. & Steinbrick, U. (Hrsg.) (1981). Dokumentation zur Einphasigen Lehrerausbildung. Bd. 1-6. Oldenburg. Vgl. einordnenden Rückblick in: Schützenmeister, J. (2002). Professionalisierung und Polyvalenz in der Lehrerausbildung. Marburg: Tectum. 132 Vgl. Blömeke, S. (2004). Erste Phase an Universitäten und Pädagogischen Hochschulen. In: S. Blömeke, P. Reinhold, G. Tulodziecki & J. Wildt (Hrsg.), Handbuch Lehrerbildung (S. 262-274). Bad Heilbrunn u.a.: Klinkhardt/ Westermann, S. 262ff. 133 Aktuell vgl. z.B.: Döbert, H., Kopp, B. & Weishaup (Hrsg.) (2014). Innovative Ansätze der Lehrerbildung im Ausland. Münster: Waxmann. 51 2. Die universitäre Lehrerbildung als Grundstock für lebenslanges Lernen 2.1 Der Erwerb tiefen und flexiblen Wissens als Grundlage für die Entwicklung von Lehrerkompetenz Lehrerbildung an der Universität zu verorten bedeutet grundsätzlich, das Ziel zu teilen, eine dem aktuellen Forschungsstand entsprechende theoriefundierte Grundlegung lebenslang erweiterungsfähiger Kompetenzen erreichen zu wollen. Dies gilt für alle „Säulen” des Lehramtsstudiums, also für die jeweils gewählten Fachwissenschaften und deren Fachdidaktiken und die Erziehungswissenschaften. Allerdings bleibt das 2001 vom Wissenschaftsrat im Zuge seiner Defizitanalysen formulierte Grundproblem bestehen,134 den Wissens- und Kompetenzaufbau so zu unterstützen, dass die Lehramtsstudierenden damit ihren späteren Handlungsfeldern gerecht werden können. Es geht nicht nur um einen forschungsbezogenen Wissensaufbau, sondern um Kompetenzentwicklung für das Berufsfeld Schule. Was dies bedeutet, lässt sich am aktuellen Ziel zeigen, (angehende) Lehrkräfte für die Tätigkeit in einer „Schule der Vielfalt” vorzubereiten: Fachdidaktiker unterschiedlicher Fächer, die an Forschungsprojekten zur Inklusion arbeiten, äußern den Konsens, dass gemeinsames Lernen in heterogenen Klassen nur dann sinnvoll geplant, durchgeführt und reflektiert werden kann, wenn die Lehrkräfte über ein tiefes, flexibles Wissen über ihre Disziplin und deren Didaktik verfügen und dieses auch auf das für den Unterricht gewählte konkrete Thema und die in der Klasse gemeinsam lernenden Schüler beziehen können.135 Damit bestätigt sich die These, die Lee Shulman bereits 1987 in der sein Lebenswerk resümierenden Publikation „The Wisdom of Practice: Essays on Teaching, Learning, and Learning to Teach“ vertritt. Auf die Frage “How important is the depth and quality of teachers' content knowledge as a critical aspect of their ability to teach?” lautet sein Resümee: “To teach all students according to today’s standards, teachers need to understand subject matter deeply and flexibly so they can help students create useful cognitive maps, relate one idea to another, and address misconceptions. Teachers need to see how ideas connect across 134 Vgl. die Defizitanalyse in den Empfehlungen zur künftigen Struktur der Lehrerbildung (2001). URL http://www.wissenschaftsrat.de/download/archiv/5065-01.pdf, S. 26-31. 135 So geäußert z.B. in den Workshops „Inklusive Fachdidaktik” bei der Jahrestagung der Gesellschaft für Fachdidaktik in Hamburg (Oktober 2015). 52 fields and to everyday life. This kind of understanding provides a foundation for pedagogical content knowledge that enables teachers to make ideas accessible to others.“136 Was diese Forderung für das Studium der Fachwissenschaften, aber auch der Fachdidaktiken und der Erziehungswissenschaften im Rahmen eines Lehramtsstudiums bedeutet, und welche Herausforderungen damit verbunden sind, wird im Kapitel (A, IV, 1-3) näher dargestellt. An dieser Stelle, an der es um die Übersicht über die Phasen geht und um die Herausforderung, jeweils lebenslanges Lernen zu fördern, genügt es, das Prinzip zu formulieren: Die universitäre Ausbildung muss den Studierenden den Aufbau eines tiefen und flexiblen Wissens ermöglichen, auf das sie später so zurückgreifen können, dass sie im Feld der Schule kompetent zu handeln vermögen. Dies gilt für das Studium in alle drei Säulen und für alle dort vertretenen Disziplinen. Hingewiesen werden muss aber darauf, dass der Erwerb von „tiefem und flexiblem Wissen” in den einzelnen Säulen des Studiums zwar die Grundlage für die Entwicklung von Lehrerkompetenz bildet, allein aber noch nicht ausreicht. Der Wissens- und Kompetenzaufbau muss zusätzlich horizontal und dann auch vertikal vernetzt werden. 2.2 Herausforderung horizontale und vertikale Vernetzung Im Sinne der horizontalen Vernetzung müssen Lehramtsstudierende in ihrem Studium also lernen können, das jeweils erworbene fachbezogene und erziehungswissenschaftliche Wissen, die jeweils erworbenen Kompetenzen so aufeinander zu beziehen, dass sie in den Handlungsfeldern ihres späteren Tätigkeitsfelds situationsadäquat darüber verfügen können. Der Bezug auf den Handlungsraum Schule legt zugleich die vertikale Vernetzung Grund. Diese Forderung zu berücksichtigen bedeutet, beim Kompetenzaufbau an der Universität bereits im Blick zu haben, dass in der Zweiten und Dritten Phase über das im Studium erworbene Wissen und die dort aufgebauten Kompetenzen verfügt werden muss. Dabei ist die situationsspezifische Erweiterung, Modifikation und Ergänzung nicht nur Sache der für die Zweite und Dritte Phase Zuständigen, sondern gemeinsame Aufgabe aller. Die Universität hat also auch Verantwortung in der zweiten und insbesondere in der dritten Phase der Lehrerbildung zu übernehmen. 136 Shulman, L. (1987). Knowledge and teaching: Foundations of the new reform. Harvard Educational Review, 57, 1-22. wieder abgedruckt in: The Wisdom of Practice. Essays on Teaching, Learning, and Learning to Teach. San Francisco: Jossey-Bass. 53 Abb.3: Horizontale und vertikale Verknüpfung der drei Säulen der universitären Lehramtsausbildung (Waltraud Schreiber). „Unterrichten zu können”, setzt z.B. voraus, fachwissenschaftliche, fachdidaktische, oft auch erziehungswissenschaftliche Kompetenzen vernetzend aufeinander beziehen zu können. Die Notwendigkeit, die in den Fachdidaktiken und Erziehungswissenschaften Grund gelegten Unterrichtskompetenzen horizontal zu vernetzen und dabei auf die im fachwissenschaftlichen Studium erworbenen Kompetenzen zurück zu greifen, wird in den schulpraktischen Studien besonders deutlich. Sie sind zugleich das Feld, in dem die Notwendigkeit der vertikalen Vernetzung unmittelbar in die Universität hinein wirkt. Dies ergibt sich aus der Besonderheit des Berufsfeldbezugs im Lehramtsstudium: Den Lehramtsstudierenden ist ihr zukünftiges Berufsfeld bekannt. Es geht demzufolge, anders als in den meisten anderen Studiengängen, nicht nur um „Beschäftigungsbefähigung in einem breiten beruflichen Umfeld”137. In den Schulpraktika erproben Studierende ihre Fähigkeiten ganz konkret in ihrem späteren 137 Bericht der Bundesregierung über die Umsetzung des Bologna-Prozesses 2012 - 2015 in Deutschland, S. 43. 54 Berufsfeld; sie werden dabei – die Phasen vertikal verknüpfend – von Dozenten und von Lehrkräften unterstützt.138 Trotzdem aber kann das Hochschulstudium nicht zur „Berufsfertigkeit” führen, auch nicht, wenn Langzeitpraktika in das Studium integriert sind. Das Umfeld, in dem Studierende sich in der ersten Phase ihrer Ausbildung bewegen, ist das akademische der Universität; Berufsfertigkeit für die Schule kann hier nicht entstehen, wohl aber Sensibilität für die späteren Handlungsfelder. Die Kompetenzen, die Handlungsherausforderungen zu meistern, können grundgelegt werden. Berufsfertigkeit ist dagegen das Ziel der zweiten Phase im Studienseminar. 3. Gut vorbereitet oder Praxisschock? Der durch Studienseminare begleitete Vorbereitungsdienst Der durch Studienseminare begleitete Vorbereitungsdienst soll dazu befähigen, den Alltag der Lehrertätigkeit so zu bewältigen, dass bewährte Traditionen gewahrt und zugleich Wege für die stets notwendigen Innovationen eröffnet werden. Das Umfeld, in dem die Referendare sich bewegen, wenn sie ihre an der Universität entwickelten Kompetenzen als Lehrkräfte weiterentwickeln sollen, ist nun die Schule. Es geht im Vorbereitungsdienst um das Verfügen über Theoriewissen in Handlungssituationen; vielleicht auch (teilweise) Umwidmung von Theorie- zu Handlungswissen, von fachlichen und überfachlichen Kompetenzen zu Handlungskompetenzen. Dass die Erste und die Zweite Phase aufeinander bezogen und miteinander vernetzt sein sollten, wird in allen Diskussionen um die Lehrerbildung gefordert. In der Realität bestehen Defizite; diese können so weitreichend sein, dass sie als Praxisschock beschrieben werden. Dies führt dazu, dass die aktuellen Reformen der Lehrerbildung eine Kooperation zwischen den beiden Phasen der Erstausbildung explizit einfordern. Um zu erkennen, worin die Herausforderungen bestehen, soll die Zweite Phase nachfolgend zuerst in ihrem Ist-Zustand beleuchtet werden. 138 Vgl. hierzu z.B, Kapitel A IV 6.3.1 Handlungsfelder Unterrichten und Erziehen - Förderung der Querschnittskompetenzen mit Hilfe der Praxismodule. 55 3.1 Zum Ist-Zustand des Vorbereitungsdienstes Auch der Vorbereitungsdienst ist länderspezifisch unterschiedlich organisiert. Während in allen Ländern ein vergleichbarer Vorbereitungsdienst für Grundschulen, Gymnasien und berufliche Schulen eingerichtet ist, unterscheidet sich die Vorbereitung auf einen Einsatz in den Schularten der Sekundarstufe I stark. Dies ist eine Konsequenz der Autonomie der Länder, über Schulformen zu entscheiden. In der Sekundarstufe I ist die Vielfalt besonders groß. 1. In Bayern bestehen beispielsweise nach wie vor getrennte Studienseminare für die inzwischen als Mittelschule bezeichnete Hauptschule und die Realschule. Die bayerischen Seminarlehrkräfte sind mit einem Teil ihres Deputats als Lehrkräfte tätig, mit einem anderen betreuen sie Referendare vor Ort an den Schulen und bei zentralen Seminartagen, die ebenfalls an den Seminarschulen stattfinden. Eine umfassende Ausbildung zur Seminarlehrkraft erfolgt nicht. Weiterbildungskurse ersetzen eine grundlegende Ausbildung; auf diese Problematik hat bereits die OECD-Lehrerstudie von 2004 hingewiesen. Die Dauer des Vorbereitungsdienstes beträgt in Bayern 24 Monate. 2. In Baden-Württemberg dagegen wird, entsprechend der Reform der Sekundarstufe I ab Februar 2016 ein Vorbereitungsdienst angeboten, der sowohl für das Unterrichten in Werkrealschulen/ Hauptschulen/ Realschulen qualifiziert. Er dauert 18 Monate. Zukünftig139 werden die angehenden Referendare zuvor in der Regel die reformierte, ein Bachelor- und ein Masterstudium umfassende Erstausbildung an einer Pädagogischen Hochschule Baden-Württembergs absolviert haben. Der Vorbereitungsdienst erfolgt an einem Staatlichen Seminar für Didaktik und Lehrerbildung sowie an einer im Einzugsbereich gelegenen Ausbildungsschule. Das Studienseminar ist so organisiert, dass es unmittelbar an die akademische Ausbildung anknüpft. So werden die hauptamtlichen Seminarlehrkräfte auch als Professoren bezeichnet; die Vertiefung der Befähigung für kompetenzorientiertes Unterrichten bezieht sich (anders als z.B. in Bayern) nur auf die studierten Fächer (Hauptfach und zwei Nebenfächer). Als Ziele der Ausbildung werden formuliert: 139 Die Umstellung auf ein Bachelor- und Masterstudium in der Lehrerbildung beginnt in Baden-Württemberg mit dem Studienjahr 2015/16. 56 „Im Vorbereitungsdienst werden die Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten aus dem Studium in engem Bezug zur Schulpraxis und auf der Grundlage der Bildungspläne so erweitert und vertieft, dass angesichts der Heterogenität der Schülerinnen und Schüler der Erziehungs- und Bildungsauftrag an Werkrealschulen, Hauptschulen sowie Realschulen und Gemeinschaftsschulen erfolgreich und verantwortlich erfüllt werden kann. Angeknüpft wird dabei an die Vermittlung von Deutsch als Zweitsprache, der interkulturellen Kompetenz, der Medienkompetenz und -erziehung, der Prävention, der Bildung für nachhaltige Entwicklung, den Umgang mit berufsethischen Fragestellungen sowie der Gendersensibilität. Die Entwicklung der Berufsfähigkeit, der Lehrerpersönlichkeit sowie die Stärkung der Eigenverantwortlichkeit sind die wesentlichen Ziele der Ausbildung.”140 Trotz der z.T. recht beträchtlichen Länder-Unterschiede müssen aufgrund der KMKVereinbarungen zum Vorbereitungsdienst auch Absolventinnen und Absolventen aus anderen (Bundes-)Ländern in den Vorbereitungsdienst aufgenommen werden sofern die grundsätzliche Gleichwertigkeit ihrer Ausbildung anerkannt ist. 3.2 Vertikale Vernetzung Im Folgenden werden die Herausforderungen verdeutlicht mit denen der Vorbereitungsdienst konfrontiert ist, wenn er die Vernetzung mit der Ersten Phase und die Grundlegung lebenslangen Lernens ernst nehmen will. Dabei wird nach Schularten unterschieden, in denen nach dem Fachlehrer- bzw. dem Klassenlehrerprinzip unterrichtet wird. Als Beispiele werden die Vorbereitungsdienste für Gymnasium und Grundschule gewählt. Beide Varianten werden in allen Bundesländern angeboten. Die Vertiefung der Unterrichtskompetenz für die im Lehramtsstudium Gymnasium studierten Fächer erfolgt in den meisten Ländern fragmentiert in voneinander weitgehend unabhängigen Fachseminaren; dazu kommen überfachliche Inhalte wie Schulrecht und eine weitere 140 Vgl. Schwarz, T. & Zeeb, A. (2015). Informationen zum Vorbereitungsdienst an GS- und WHR-Seminaren. http://www.llpa-bw.de/site/pbsURL bw/get/documents/KULTUS.Dachmandant/KULTUS/Dienststellen/llpabw/pdf/Praesentation%20Vorbereitungsdienst%20KM%20Stand%20150212.pdf. 57 Ausbildung in Psychologie und Pädagogik. Abweichend davon erfolgt die unterrichtliche Ausbildung in den Grundschulseminaren nicht nur bezogen auf die studierten Fächer; die Referendare werden auch auf fachfremdes Unterrichten vorbereitet. Dabei müssen Seminarlehrkräfte auch für den Unterricht in Fächern ausbilden, die sie selbst gar nicht studiert haben. In beiden Typen des Vorbereitungsdienstes kann die Vernetzung zur Universität und damit ein auf die Erstausbildung gestütztes lebenslanges Lernen auf Schwierigkeiten stoßen. Idealtypisch werden im Folgenden einige Problemlagen skizziert. 3.2.1 Herausforderungen für die vertikale Vernetzung (Vorbereitungsdienst Gymnasium) In Bezug auf den Vorbereitungsdienst für das Gymnasiums besteht die Gefahr, die an der Universität angelegte Fragmentierung weiterzuführen: Das Fachseminar des ersten Fachs kooperiert nur selten mit dem Fachseminar des zweiten Fachs. Seminarlehrkräfte, die z.B. in Schulrecht, Pädagogik oder Psychologie ausbilden, suchen selten die Nähe zu den Fachseminaren. Erstaunlich ist, dass trotz dieser Tendenz zur Fragmentierung die Vernetzung mit dem universitären Studium auch in den Fachseminaren an Grenzen stößt: Obwohl die Fachseminarlehrkräfte die Fächer, die sie vertreten, studiert haben, lässt sich dennoch beobachten, dass das Schulfach verabsolutiert wird: Lehrplanvorgaben dominieren die inhaltliche Ausrichtung; die bisherigen Unterrichtserfahrungen, angesehen als die „Weisheit der Praxis”, die Unterrichtsgestaltung. Dies kann dazu führen, dass Inhalte und Unterrichtsmethoden ins Zentrum gerückt werden, statt der Kompetenzen, über Inhalte und Unterrichtsmethoden verfügen zu können. Im Extremfall erfolgen sogar Formen einer von Forschung und Wissenschaft (zu) weit abgekoppelten „Meisterlehre“. Vermutlich lässt sich das Phänomen dadurch erklären, dass viele der Fach-Seminarlehrkräfte seit Jahren ohne Kontakt mit den Universitäten sind, was durch eigene Lektüre nur in Teilen abgefangen werden kann. Der Forschungsfortschritt auf der einen und die tiefgreifenden Studienreformen auf der anderen Seite bewirken einen ‚gap’, der den von den Referendaren erlebten Praxisschock zumindest verstärkt, vielleicht sogar verursacht: Seminarlehrkräfte kennen die Situationen, in denen die Studierende ihre fachlichen, fachdidaktischen, erziehungswissenschaftlichen und berufsfeldbezogenen Kompetenzen im Laufe der ersten 58 Phase entwickelt haben, zu wenig, als dass sie die neue Situation „Schule“, in der Referendare nun ihre Kompetenzen beweisen müssten, auf deren universitären Erfahrungen beziehen könnten. Statt dass die Weiterentwicklung, ggfs. Modifizierung der bislang erworbenen Kompetenzen gefördert werden, werden deshalb Neuanfänge verlangt, die zu Verunsicherungen bis hin zum Praxisschock führen können. Ansatzpunkte für eine Optimierung Die vertikale Vernetzung der Erstausbildung setzt zuerst einmal voraus, dass die Erste und Zweite Phase sich gegenseitig kennenlernen141. Sodann müssen Zielsetzungen geteilt und gemeinsam verfolgt werden: Das Prinzip „vertieftes und flexibles Wissen als Basis für Lehrerkompetenzen” kann ein Ansatz sein, weil er dem Wesen der Hochschule ebenso entspricht wie dem Handeln in der Schule.142 Die Zweite Phase könnte darauf aufbauen. Universitätsdozenten wie Seminarlehrkräfte sind bei einer derartigen Veränderung gefordert: So verlangt der Ansatz von den Seminarlehrkräften lebenslanges Lernen: Sie müssen selbst über vertieftes und flexibles Wissen in Bezug auf das vertretene Fachgebiet verfügen und Erfahrung damit haben, es in den Handlungsfeldern der Schule zu nutzen. Dazu kommt die Herausforderung, quasi auf der Metabene den Transfer und die Transformation der von den Studierenden an der Universität erworbenen Kompetenzausprägungen zu reflektieren, um die Referendare bei der Erweiterung ihrer Kompetenzen in der für sie neuen Situation Schule begleiten zu können. Den schulpraktischen Studien der Hochschulen kommt eine zentrale Funktion für den kontinuierlichen Aufbau von Unterrichtskompetenz zu: Kontinuität könnte insbesondere dadurch gefördert werden, dass Seminarlehrkräfte an den universitären Praxismodulen beteiligt werden und Dozenten an Seminartagen der Zweiten Phase, dass die Praktikumslehrer der Studierenden, aber auch die Betreuungslehrer der Referendare von Universitätsdozenten wie von Seminarlehrkräften weitergebildet werden.143. Die Zusammenarbeit zwischen der Ersten und Zweiten Phase eröffnet darüber hinaus Potentiale einerseits für die Schulentwicklung, andererseits auch für Hochschulentwicklung und Forschung. Auf der Hand liegt das Innovationspotential der Forschungsergebnisse universitärer Fachdidaktiker und Erziehungswissenschaftler für die Schulentwicklung. Ebenso 141 Zur Konkretisierung dieser und der folgenden Überlegungen vgl. C II 2. Modellversuch „Kooperation Erste und Zweite Phase Lehrerbildung“ 142 Vertieftes und flexibles Wissen war deshalb auch ein Ausgangspunkt bei der Modellierung des Kompetenzstrukturmodells Lehrerkompetenzen. Vgl B I 2.2.2 Zur Herausarbeitung der Kompetenzstruktur: Kompetenzbereiche. 143 Vgl. hierzu die im Zuge des Kooperationsprojekts I. und II. Phase erarbeiteten Ansätze, Kapitel C II 2. Modellversuch „Kooperation Erste und Zweite Phase Lehrerbildung“. 59 offensichtlich ist aber auch, dass vertiefte Einblicke in die Handlungsfelder der Schule Forschungsansätze vertiefen und erweitern und Impulse für die Optimierung von Lehre geben können. 3.2.2 Herausforderungen für die vertikale Vernetzung (Vorbereitungsdienst Grundschule) Im Falle der Grundschulseminare besteht eine zusätzliche Problemlage darin, dass Seminarlehrkräfte ihre Referendare immer wieder auch für Fächer ausbilden müssen, die sie selbst nie studiert haben. Sie selbst können in Bezug auf diese Fächern dann gerade nicht auf tiefe und flexible und auf forschungsnahe Einsichten zurückgreifen und diese für die Ausbildung ihrer Referendare nutzen. Die entsprechende Nachqualifizierung ist zeitintensiv; deshalb sehen Seminarlehrkräfte sich gezwungen, von den im Schulfach (üblicherweise) thematisierten Inhalten und von Unterrichtserfahrungen auszugehen. Wie oben bereits skizziert, rücken damit Inhalte und Unterrichtsmethoden statt Kompetenzen ins Zentrum. Die Gefahr einer von Forschung und Wissenschaft (zu) weit abgekoppelten „Meisterlehre“ potenziert sich. Das Problem wird konkret sichtbar, wenn – was in der Realität häufiger vorkommt – Referendare nicht über ausreichendes Wissen zu den einzelnen Inhalten verfügen. Haben sie das Fach studiert, sollten sie in der Lage sein, sich, ausgehend von ihren grundsätzlichen Einsichten in die Disziplin, die entsprechenden Inhalte zeiteffizient und sachgerecht anzueignen. Haben sie – was auch häufig vorkommt – Schwierigkeiten, sich bei der Erarbeitung von Neuem sich auf vorhandenes Wissen zu beziehen, kann die Seminarlehrkraft die Referendare aufgrund der eigenen Fachferne nicht genügend dabei unterstützen, sich des in aller Regel „irgendwie” vorhandenen Vorwissens und der bestehenden fachliche Kompetenzen bewusst zu werden und an diese bei der Erarbeitung des neuen Gegenstandes anzuknüpfen.144 Indem die nicht bekannten Einzelinhalte ins Zentrum gerückt werden, erscheinen für Seminarlehrkräfte wie für Referendare das Studium an der Universität und das Unterrichten in den Fächern der Grundschulen als getrennte Welten, obwohl eigentlich „nur” vorhandene Fäden verknüpft werden müssten, um sich des Zusammenhangs bewusst zu bleiben beziehungsweise zu werden. 144 Noch schwieriger ist es für fachfremde Seminarlehrkräfte, Referendare dabei zu unterstützen, sich auf eine tiefe und flexible Weise in Fachinhalte einzuarbeiten, wenn diese ebenfalls fachfremd sind. 60 Das fachliche Dilemma kann nicht umgangen werden, indem (grundschul-)pädagogische Fragen ins Zentrum der Ausbildung gerückt werden und vorrangig auf Schüler und ihr Lernen fokussiert wird. Elementarisierung, individuelle Lernbegleitung, das Identifizieren von misconcepts und ihr Umbau, gezieltes Feedback müssen scheitern, wenn die Lehrenden den Kern der Sache nicht ausreichend erkennen können. Optimierungsansätze Die oben vorgestellten Optimierungsansätze können auch auf den Vorbereitungsdienst für Schulformen mit Klassenlehrerprinzip übertragen werden. Zu überlegen, was jeweils von Universität und Schule geleistet werden kann und muss, um junge Lerner beim Aufbau fachlicher Kompetenzen zu befähigen, stellt eine bislang wenig gemeisterte Herausforderung für Universität und Studienseminar dar. „Vertieftes und flexibles Wissen”, gerade auch aus der Grundschulpädagogik und dessen horizontale Vernetzung mit fachlichem und fachdidaktischem Wissen scheint ein Schlüssel für den Aufbau von Lehrerkompetenzen zu sein. 3.3 Resümee Die beiden Phasen der Erstausbildung haben ein jeweils sehr spezifisches Profil entwickelt, wobei dies durch die Kulturhoheit der Länder verstärkt wird, also durch das nachvollziehbare Bedürfnis, schon die erste, vor allem aber die zweite Phase der Lehrerbildung auf die im Land jeweils eingeführten Schulformen auszurichten. Dem steht das Interesse der Hochschulen gegenüber, die Lehrerbildung weitest möglich an die Strukturen der anderen Studiengänge anzubinden. Dabei zugleich einen Beitrag für die Grundlegung des lebenslangen Lernens von Lehrkräften zu leisten, was notwendig Abstimmung zwischen den Phasen, besser noch Kooperation zwischen den Phasen verlangen würde, ist ein Anspruch, der erst in Ansätzen erfüllt ist. Dies gilt für beide Phasen in je spezifischer Weise: Die Hochschulen insgesamt haben sich weder in der Forschung noch in der Pragmatik der Lehre bislang ausreichend mit den für die Tätigkeit als Lehrkraft spezifischen Ausprägungen von Wissen und Kompetenzen auseinander gesetzt. Ausnahmen bestätigen die Regel und zeigen, dass nicht nur universitäre Profilbildung und Lehrerbildung ineinander greifen können, sondern dass auch der Anspruch 61 der Universitäten, lebenslanges Lernen zu unterstützen exemplarisch an der Lehrerbildung verwirklicht werden könnte. Analoges gilt für den Vorbereitungsdienst: Insgesamt gesehen kann er Referendare noch nicht ausreichend dabei unterstützen, Schule als Feld wahrzunehmen und zu erleben, in dem sie ihre an der Universität erworbenen Kompetenzen nutzen und erweitern können. Auch hier bestätigen Ausnahmen die Regel – Seminarlehrkraft und angehende Lehrer profitieren dann voneinander. Die Regel aber ist, dass für die Referendare das Neue und das neu zu Erlernende übermächtig wird, bis zu dem Punkt, dass der Beginn des Vorbereitungsdienstes als Praxisschock erlebt wird. Dazu trägt auch bei, dass die Seminarlehrkräfte nur in seltenen Fällen in einer engeren Verbindung zur Universität stehen und dadurch Wissen darüber in ihre Tätigkeit integrieren könnten. So besteht Unklarheit darüber, was und wie Lehramtsstudierende bisher gelernt haben, in welchem Umfeld und in welchem Maße sie ihre Kompetenzen bislang entwickelt haben und worin das Neue der Situation Schule für sie besteht. Damit verbunden ist, dass Seminarlehrkräfte für ihre Tätigkeit nur weitergebildet, aber nicht, z.B. in einem Masterstudiengang oder zumindest Zertifikatskurs, grundlegend und akademisch ausgebildet werden. Was in Zeiten großer Kontinuität bei den Zielsetzungen und größerer Homogenität in den Klassen noch anging, muss sich in Phasen des Umbruchs und der Reformen als fatal erweisen. Besonders deutlich wird dies in Bezug auf Seminarlehrkräfte für den Vorbereitungsdienst der Grundschulen, sofern diese Referendare für Fächer ausbilden sollen, die sie selbst nicht studiert haben. Umgekehrt kennen Universitätsdozenten aller Disziplinen Schule wie sie heute ist nicht so gut, dass sie Studierende gezielt und im Sinne einer über allgemeine Berufsorientierung hinausgehende Weise in ihrer Kompetenzausprägung fördern könnten. Nicht zuletzt die Praxisphasen können damit nicht so genutzt werden, wie es für eine Vernetzung zwischen der Ersten und Zweiten Phase notwendig wäre. 4. Fort- und Weiterbildung: die Dritte Phase Die Notwendigkeit einer Dritten Phase, die dazu beiträgt, dass die Rede vom lebenslangen Lernen der Lehrkräfte keine leere Phrase bleibt ist unbestritten. In der Dritten Phase sind 62 Maßnahmen der Fortbildung und der Weiterbildung verortet. Bei der Weiterbildung geht es um den Erwerb von Kompetenzen für neue Aufgaben, meist im Rahmen erweiterter institutioneller Zuständigkeiten, oft verbunden mit einer Statuserhöhung.145 Fortbildung zielt dagegen auf die Weiterentwicklung der berufsfeldspezifischen Kompetenzen, einschließlich ihrer Anpassung an grundlegende Veränderungen der Welt in Gegenwart und Zukunft. Das Verständnis von Fort- und Weiterbildung wäre zu eng, wenn es auf die individuelle Professionalisierung der Einzellehrkraft beschränkt bliebe. Diese muss immer auch im Zusammenhang mit Unterrichts- und Schulentwicklung gesehen werden.146 Insofern ist Lehrerfortbildung auch ein Steuerungs- und Reforminstrument im Rahmen der Bildungspolitik147. Gegner der Reformen kritisieren demzufolge auch eine entsprechende Ausrichtung von Fort- und Weiterbildungsangeboten. Die erhöhte Bedeutungszuweisung an die Dritte Phase ist eine recht neue Entwicklung und Folge markanter Umbrüche. Sie setzte mit der auf Akademisierung der Lehrerbildung abhebenden Schulreform der 1960er/ 1970er Jahren ein,, die darauf abzielte, Schülerinnen und Schüler wissenschaftsnäher unterrichten zu können148, woraus sich naturgemäß einen 145 Vgl. Daschner, P. (2004). Dritte Phase an Einrichtungen der Lehrerfortbildung. In S. Blömeke, P. Reinhold, G. Tulodziecki & J. Wildt (Hrsg.), Handbuch Lehrerbildung (S. 290–300). Bad Heilbrunn: Klinkhardt Verlag; bzw. Terhart, E. (Hrsg.) (2000): Perspektiven der Lehrerbildung in Deutschland. Abschlussbericht der von der Kultusministerkonferenz eingesetzten Kommission. Weinheim, Basel: Beltz. 146 Vgl. Keuffer, J. & Oelkers, J. (2001). Reform der Lehrerbildung in Hamburg. URL http://www.jk.jokadi.de/Reform%20der%20Lehrerbildung%20in%20Hamburg.pdf ; Brägger, G. &Posse, N. (2007). Instrumente für die Qualitätsentwicklung und Evaluation in Schulen (IQES). Wie Schulen durch eine integrierte Gesundheits- und Qualitätsförderung besser werden können. Bern: Hep. 147 Fussangel, K., Rürup, M. & Gräsel, C. (2010). Lehrerfortbildung als Unterstützungssystem. In H. Altrichter & K. MaagMerki (Hrsg.), Handbuch Neue Steuerung im Schulsystem (S. 327–354, hier S. 329). Wiesbaden: VS Verlag. 148 Von großer Bedeutung für die Akademisierung der Lehrerbildung aller Schularten war der so genannte „Sputnikschok“: Am 4. Oktober 1957 erschütterte die Sowjetunion mit dem Start des ersten künstlichen Satelliten die Überzeugung des Westens, überlegen unter anderem in der Technologieentwicklung zu sein. Der Weltraumerfolg der UdSSR wurde nicht nur in der militärischen Auswirkung gesehen, man leitete vielmehr aus diesem Indiz für den technischen Rückstand Amerikas die Hypothese eines generellen Bildungsrückstands des ‚demokratischen Westens’ gegenüber dem ‚sowjetischen Osten’ ab (Froese, L., Haas, R. & Anweiler, O. (1960). Der Bildungswettlauf zwischen West und Ost. Freiburg: Herder KG., S. 34). Ergebnis waren verstärkte Bildungsaktivitäten, die mit dem Bild eines ‚Nach- und Wettrüstens’, einer ‚Bildungsoffensive’ durchaus zutreffend charakterisiert sind.“ (Schreiber, W. (2005). Die Schulreform in Hessen zwischen 1967 und 1982. Neuried: Ars una, S. 44). In Folge der Bildungsoffensive (vgl. u.a. Picht, G. (1964). Die deutsche Bildungskatastrophe. Analyse und Dokumentation. Freiburg: Walter-Verlag; Habermas, J. (1969). Protestbewegung und Hochschulreform. Frankfurt am Main: Suhrkamp.; Schreiber, W. (1978). Auf dem Weg zur universitären Lehrerbildung. Lehrerbildung in Hessen 1945 1950. Frankfurt am Main: Univ. Diss.; Führ, C. & Furck, C.-L. (Hrsg.) (1998). Handbuch der deutschen Bildungsgeschichte. Band VI. 1945 bis zur Gegenwart. Erster Teilband Bundesrepublik Deutschland. München: C.H. Beck.) wurde in Deutschland z.B. die Lehrerbildung akademisiert, die Abstimmung zwischen den Ländern wurde institutionalisiert. Notwendig geworden war eine Regelung nicht zuletzt durch den bildungspolitischen Streit zwischen den sozialdemokratisch und christdemokratisch regierten Ländern um die Ausrichtung der Reform in den Schulen, der in der hochpolemischen Auseinandersetzung um die hessischen Rahmenrichtlinien eskalierte (Vgl. Schreiber (2005)). Bildung als ökonomische Größe (vgl. u.a. Edding, F. (1963). Ökonomie des Bildungswesens. Lehren und Lernen als Haushalt und als Investition. Freiburg: Rombach; Hüfner, K. (Hrsg.) (1970). Bildungsinvestitionen und Wirtschaftswachstum. Stuttgart: Klett.), Bildung als Politikum (vgl. Hamm-Brücher, H. (1969). Über das 63 hohen Bedarf der Nachqualifikation bereits im Dienst befindlicher Lehrkräfte ergab. Zunehmend gerät die Dritte Phase in den Fokus der Forschung. unter anderem werden aufbauend auf Ist-Zustands-Analysen die Zielsetzungen und wissenschaftsbasierte Maßnahmen für die Fortbildung erarbeitet; ihre Realisierung und Wirksamkeit wird prozessbezogen und/ oder summativ evaluiert. 4.1 Ausgangslagen vor den 2000er Reformen Terhart stellte in der Zwischenphase zwischen der Input- und Outcome-Orientierung der Reformmaßnahmen fest, dass Lehrerfortbildung entgegen der offiziellen Verlautbarungen bei Bildungspolitikern und -wissenschaftlern einen verhältnismäßig geringen Stellenwert habe. „Sie ist erstens immer noch unterdimensioniert (Zu wenig!), sie ist zweitens wenig zielgerichtet (Zu diffus!) und sie ist schließlich drittens in der Wirkung nicht auf Nachhaltigkeit überprüft (Bringt nichts!)“. 149 Auf Basis der OECD-Lehrerstudie werden diese Monita 2004 noch vertieft: Deutschland werden strukturelle Schwächen in Bezug auf die Dritte Phase attestiert; u.a. gäbe es keine Standards an denen sich alle Phasen der Lehrerbildung, auch die Fort- und Weiterbildung orientieren könnten.150 Inzwischen gibt es Standards für die Lehrerbildung; zudem greifen (wiederum unter der Hoheit der Länder) auch auf Fort- und Weiterbildung bezogene Reformmaßnahmen. 4.2 Entwicklungen der 2000er Jahre Als Gemeinsamkeit lässt sich erkennen, dass deutschlandweit Fort- und Weiterbildung als Teil der Schul- und Unterrichtsentwicklung verstanden werden. Dabei ist eine Zweiteilung zu Wagnis von Demokratie und Erziehung. Beiträge zur Gesellschaftspolitik 1969. Frankfurt am Main: Diesterweg; Froese, L. (1969). Bildungspolitik und Bildungsreform. München: Goldmann; Kaltenbrunner, G.-K. (1974). Klassenkampf und Bildungsreform. Die neue Konfessionsschule. Freiburg u.a.: Herder; Hentig, H. v. (1990). Bilanz der Bildungsreform in der Bundesrepublik Deutschland. Neue Sammlung, 30, S. 366-384; Friedeburg, L (1994). Bildung zwischen Aufklärung und Anpassung. Frankfurt am Main: VAS), Curricula als Instrumente der Bildungsreform (Robinsohn, S. B. (1967). Bildungsreform als Reform des Curriculum. Neuwied: Luchterhand; OECD (1968). Curriculum improvement and educational development. Paris: OECD), Rülcker, T. (1973). Allgemeine Ziele, Normenkonsens und Gesellschaftstheorie. Wissenschaftstheoretische Probleme der Curriculumforschung. Pädagogische Rundschau, 27, S. 134-149). 149 Terhart, E. (2008). Strukturprobleme der Lehrerausbildung in Deutschland, In: A. Ohidy, E. Terhart, J. Zsolnai: Lehrerbild und Lehrerbildung: Praxis und Perspektiven der Lehrerausbildung in Deutschland und Ungarn, Wiesbaden Springer-Verlag, S. 45-66. 150 Vgl. Döbrich, P., Klemm, K., Knauss, G. & Lange, H. (2004), S. 24. 64 beobachten: Auf der einen Seite stehen Institutionen, die ihre Fortbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen vor allem an Führungspersonal und Multiplikatoren adressieren, auf der anderen Seite stehen Maßnahmen, die sich an Kollegien und einzelne Lehrpersonen richten. Als länderspezifische Beispiele werden Berlin-Brandenburg, Nordrhein-Westfalen und Bayern aufgegriffen. • Fortbildung und Qualifizierung ist eines der Aufgabenfelder des 2007 gegründeten Landesinstituts für Schule und Medien Berlin-Brandenburg (LISUM).151 Fortbildung und Qualifizierung sind Teil der zentralen Aufgabe der Qualitätssicherung und Qualitätsentwicklung bezogen auf Schul-, Unterrichts- und Personalentwicklung sowie auf Medienbildung. Die Qualifizierung (Weiterbildung) bezieht sich vorrangig auf Leitungspersonal, Fachberater, Multiplikatoren der Fortbildung und der Medienpädagogik. Fortbildungsmaßnahmen des LISUM konzentrieren sich auf Schulund Modellversuche und Projekte. In den 2015 erlassenen „Verwaltungsvorschriften über die Fortbildung der Lehrkräfte an Schulen in öffentlicher Trägerschaft152 ist u.a. geregelt, dass jede Schule, „ausgehend von den im Schulprogramm ausgewiesenen Zielen in ihrer jährlich zu aktualisierenden schulinternen Fortbildungsplanung die schulbezogenen Fortbildungsschwerpunkte” festlegt. Dabei müssen „die erreichten Schülerleistungen, die Ergebnisse der Schulvisitation und weitere Evaluationsergebnisse sowie der Entwicklungsbedarf auf Grund bildungspolitischer Schwerpunkte und die Kooperation mit außerschulischen Personen und Einrichtungen” berücksichtigt werden. Für die Lehrkräfte besteht Fortbildungsrecht und -pflicht. • In Nordrhein-Westfalen gilt der Strukturerlass Lehrer-Fort- und -Weiterbildung (2014). Unterschieden werden schulinterne,153 schulexterne154 und online basierte Fortbildungen; sie haben jeweils unterschiedliche Adressaten und Ziele, dienen insgesamt aber der auf die Ausgangslagen der einzelnen Lehrkräfte und Schulen 151 Vgl. Lisum. Landesinstitut für Schule und Medien Berlin-Brandenburg. URL http://www.lisum.berlinbrandenburg.de/sixcms/detail.php/bb2.c.423855.de. 152 Vgl. Verwaltungsvorschriften über die Fortbildung der Lehrkräfte an Schulen in öffentlicher Trägerschaft. URL http://bravors.brandenburg.de/verwaltungsvorschriften/vvlkfb. 153 „Schulinterne Fortbildung dient der Weiterentwicklung der Einzelschule als System. Sie richtet sich an Kollegien, an Teams in der Schule, an Steuer-, Jahrgangs-, Fach- oder Bildungsganggruppen und vermittelt die notwendigen Kompetenzen für die Qualitätssicherung und -entwicklung. Schulen können bei Planung, Durchführung und Evaluation schulinterner Fortbildung kooperieren.” (Strukturerlass, Absatz 2) 154 „Schulexterne Fortbildung durch Moderatorinnen und Moderatoren der Schulämter und Bezirksregierungen findet statt bei Themenstellungen, die einzelne Teilnehmende oder Gruppen von Teilnehmenden einer oder mehrerer Schulen betreffen. Dazu gehören regionale Fachfortbildungen und fachliche Netzwerke. Ziel schulexterner Fortbildungen ist es auch, die Qualität schulischer Arbeit durch die Kooperation mit dem Schulpersonal anderer Schulen zu stärken.” (Strukturerlass, Absatz 2) 65 abgestimmten Schul- und Unterrichtsentwicklung. Die Verantwortung für das Angebot teilen sich Schulministerium/ Schulämter und Bezirksregierungen. Das Schulministerium ist zuständig für die „Fortbildungsinitiative NRW”. Realisiert wird die Fortbildung für Lehrerinnen und Lehrer in NRW durch 53 Kompetenzteams vor Ort.155 Der Fokus liegt zum einen auf Schul- und zum anderen auf Unterrichtsentwicklung. Das Ziel ist eine neue Lehr- und Lernkultur an NordrheinWestfalens Schulen zu implementieren. Dazu werden die Maßnahmen in 3156 bzw. 5 Programme157 gebündelt. Im Zentrum der Angebote der fünf Bezirksregierungen stehen u.a. Qualifikationserweiterungen in den so genannten Bedarfsfächern, Fortbildungen für Schulleitungen oder Angebote im Bereich des Schulsports. • In Bayern gilt aktuell die Bekanntmachung des Bayerischen Kultusministeriums Nr. III/7-P4100-6/51011 vom 9. August 2002. Nach ihr gliedert sich die staatliche Lehrerfortbildung nach Reichweite und Trägerschaft in die zentrale, regionale, lokale und schulinterne Lehrerfortbildung. Die zentrale Lehrerfortbildung (Träger ist u.a. die Akademie für Lehrerfortbildung und Personalführung Dillingen) richtet sich an Funktionsträger, an pädagogische Führungskräfte und an Multiplikatoren aus ganz Bayern. Träger der regionalen Lehrerfortbildung Bayern (RLFB) sind für Grund- und Mittelschulen die Regierungen, für Realschulen und Gymnasien die Ministerialbeauftragten. Angebote erfolgen sowohl nach Schularten/ Fächern differenziert, als auch schulart- und fächerübergreifend; sie reagieren unmittelbar auf pädagogische, didaktische und sonstige berufsbezogene Erfordernisse oder Neuerung. Die RLFB betreut und evaluiert auch das regionale Multiplikatoren-/ Moderatoren-/ Referentennetz. Die schulinterne Lehrerfortbildung wird von den Schulen selbst durchgeführt und orientiert sich unmittelbar am Bedarf der Kollegien. Das Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung (ISB) München, wirkt bei der Konzeption und Durchführung der Lehrerfortbildung mit. Alle zwei Jahre werden Schwerpunktprogramme erlassen.158 155 Vgl. Fortbildung für Lehrkräfte in NRW. URL http://www.lehrerfortbildung.schulministerium.nrw.de/Fortbildung/Fortbildung-NRW. 156 Der Schwerpunkt Schulentwicklung richtet sich an Schulleitungen, Steuergruppen, Fortbildungsbeauftragte, Koordinatorinnen, ganze Kollegien und umfasst Schulentwicklungsberatung; Fortbildungsplanung; Schulkultur entwickeln – Demokratie gestalten. 157 Der Schwerpunkt Unterrichtsentwicklung richtet sich an ganze Kollegien und Fachkonferenzen und ist unterteilt in: Standard- und kompetenzorientierte Unterrichtsentwicklung in den Fächern; Fortbildung für Schulen auf dem Weg zur Inklusion; Vielfalt fördern – Projekt in Kooperation mit der Bertelsmann-Stiftung; Lernmittel- und Medienberatung; Kooperation mit Bildungspartnern. 158 Schwerpunktprogramm 2015/16: 66 Trotz der zunehmenden Institutionalisierung und Ausdifferenzierung: Handlungsbedarf bleibt bestehen. 4.3 Weiterer Handlungsbedarf Am Paradigmenwechsel hin zur Kompetenzorientierung lässt sich dies exemplarisch159 zeigen. Obwohl kompetenzorientiertes Lernen und Lehren in Schulgesetzen und Lehrplänen normativ längst festgeschrieben ist, obwohl die staatliche Lehrerfortbildung sich um deren Implementation bemüht hat, wird Kompetenzorientierung in den Klassenzimmern immer noch nicht als Unterrichtsprinzip realisiert. Dies bestätigen Gespräche mit einzelnen Lehrkräften oder ganzen Kollegien und der Augenschein bei Hospitationen. Zudem gibt es Indikatoren aus Studien: Einerseits können die Ergebnissen der vergleichenden Schulleistungstests herangezogen werden: Die Fortschritte sind zwar zu erkennen, bleiben aber meist moderat.160 Außerdem unterstützen fachspezifische Studien das Ergebnis eines Nachholbedarfs beim auf Kompetenzförderung ausgerichteten Lehren und Lernen in den Klassenzimmern.161 Studien zu Lehrerkompetenzen belegen des Weiteren beträchtliche Mängel in der Kompetenzausprägung bei manchen Lehrkräften im Schuldienst.162 • Unterricht, insbesondere wissenschaftliche, fachdidaktische und methodische Themen, insbesondere im Hinblick auf Implementierung der Bildungsstandards, des Lehrplan PLUS und der Kompetenzorientierung; Pädagogisches Diagnostizieren; Umgang mit Heterogenität; individuelle Förderung unterschiedlicher Begabungen; Ganztagsschule; Umgang mit Ergebnissen von Vergleichsarbeiten und Evaluation • Personalentwicklung • Schulentwicklung, insbesondere Qualitätsentwicklung, Qualitätssicherung, Qualitätsmanagement, Gestaltung von Schulentwicklungsprozessen, Team und Netzwerkarbeit, Gestaltung der Bildungs- und Erziehungspartnerschaft • Medienbildung und -erziehung, u.a. Einsatz von digitalen Medien und Lernplattformen im Unterricht; Sensibilisierung für Chancen und Gefahren digitaler Medien Persönlichkeitsbildung und soziales Lernen, u.a. Mobbing- und Gewaltprävention. interkulturelles und interreligiöses Lernen, Ästhetische, kulturelle und religiöse Bildung, Politische Bildung und Demokratieerziehung, Bildung für nachhaltige Entwicklung (Schwerpunktprogramm für die Lehrerfortbildung 2015/16. URL https://alp.dillingen.de/akademie/aufgaben/2015.pdf ) 159 Eine analoge Beweisführung ließe sich z.B zu „digitalem Lernen” oder zu „Lernen in inklusiven Klassen” vorlegen. 160 Vgl. z.B. die Einschätzungen der Autorengruppe Bildungsberichterstattung (2012). URL http://www.bildungsbericht.de/zeigen.html?seite=10203. 161 Vgl. exemplarisch die Ergebnisse zu historischen Kompetenzen (HiTCH, vgl. Trautwein, Schreiber et. al.: Kompetenzen historischen Denkens erfassen – Konzeption, Operationalisierung und Befunde des Projekts „Historical Thinking – Competencies in History“ (HiTCH). im Druck, (2015)), zu literarischen Textverstehenskompetenzen (Vgl. Frederking, V., Meier, C., Brüggemann, J., Gerner, V. & Friederich, M. (2001). Literarästhetische Verstehenskompetenz – theoretische Modellierung und empirische Erforschung. Zeitschrift für Germanistik, 1, S. 131-144; Roick, T., Frederking, V., Henschel, S. & Meier, C. (2013). Literarische Textverstehenskompetenz bei Schülerinnen und Schülern unterschiedlicher Schulformen. In C. 67 Auch wenn die Fort- und Weiterbildungs-Maßnahmen der Dritten Phase nur ein Baustein sein können, um zu erklären, warum Kompetenzorientierung noch nicht genügend in den Klassenzimmern angekommen ist, sollen im Folgenden zwei mögliche Änderungsansätze skizziert werden. Zur Diskussion stehen (1) das weitgehend auf Freiwilligkeit basierende System der Lehrerfortbildung in Deutschland sowie (2) die Struktur und Inhaltlichkeit des Angebots. 4.3.1 Zur Freiwilligkeit von Fort- und Weiterbildung Studien weisen nach, dass es offenbar nicht gelingt, alle Lehrkräfte zu motivieren, an den bestehenden Angeboten zu partizipieren.163 Ca. 15 bis 20 % der Lehrkräfte nehmen grundsätzliche nicht an Fortbildungen teil. Dieser relativ stabile Anteil lässt sich, wie es scheint, auch nicht durch quantitativ angelegte Fortbildungs-Verpflichtungen auffangen, die die einzelnen Bundesländer inzwischen festlegen.164 Möglicherweise bestätigt das indirekt die Rosebrock & A. Bertschi-Kaufmann (Hrsg.), Literalität erfassen. bildungspolitisch, kulturell, individuell (S. 6984). Weinheim: Beltz Juventa) und zu naturwissenschaftlichen Kompetenzen (Grube, C. (2010). Kompetenzen naturwissenschaftlicher Erkenntnisgewinnung. Untersuchung der Struktur und Entwicklung des wissenschaftlichen Denkens bei Schülerinnen und Schülern der Sekundarstufe I. URL https://kobra.bibliothek.uni-kassel.de/bitstream/urn:nbn:de:hebis:342011041537247/3/DissertationChristianeGrube.pdf ; Quaiser-Pohl, C. & Endepohls-Ulpe, M. (Hrsg.) (2010). Bildungsprozesse im MINT-Bereich: Interesse, Partizipation und Leistungen von Mädchen und Jungen. Münster: Waxmann. 162 Vgl. hierzu die Ergebnisse der COACTIV-Studien (vgl. Kapitel B III. 3.2 COACTIV: Professionswissen von Lehrkräften, kognitiv aktivierender Mathematikunterricht und die Entwicklung mathematischer Kompetenz bei Schülern). Bezogen auf Kompetenzen von Physiklehrern vgl. exemplarisch: Riese, J. & Reinhold, P. (2012). Die professionelle Kompetenz angehender Physiklehrkräfte in verschiedenen Ausbildungsformen. Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, S. 111-143. 163 Vgl. Graudenz, I., Plath, I. & Kodron, C. (1995). Lehrerfortbildung auf dem Prüfstand: Erfahrungen, Wirkungen, Erwartungen. Baden-Baden: Nomos-Verlagsgesellschaft; Wolf, W., Göbel-Lehnert, U. & Chroust, P. (1999). Fortbildung der Lehrerinnen und Lehrer. Eine Bilanz ihrer Formen und Wirkungen anhand empirischer Untersuchungen. Die Deutsche Schule, 91, 451–467; Richter, D., Kunter, M., Anders, Y., Klusmann, U., Lüdtke, O. & Baumert, J. (2010). Inhalte und Prädiktoren beruflicher Fortbildung von Mathematiklehrkräften. Empirische Pädagogik, 23, 2, S. 151-168; Richter, D., Kuhl, P., Reimers, H. & Pant, H. A. (2012). Aspekte der Aus- und Fortbildung von Lehrkräften in der Primarstufe. In P. Stanat, H. A. Pant, K. Böhme & D. Richter (Hrsg.), Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern am Ende der vierten Jahrgangsstufe in den Fächern Deutsch und Mathematik: Ergebnisse des IQB-Ländervergleichs 2011 (S. 237–250). Münster: Waxmann.; Richter, D., Engelbert, M., Sebastian Weirich, S. & Pant, H. A.: Differentielle Teilnahme an Lehrerfortbildungen und deren Zusammenhang mit professionsbezogenen Merkmalen von Lehrkräften in: Zeitschrift für Pädagogische Psychologie, 27 (3), 2013, 193–207. 164 Festgelegt sind z.B. 12 Fortbildungstage in 4 Jahren in Bayern (Lehrerfortbildung in Bayern, Bekanntmachung Nr. III/7-P4 100-6/51 011) oder 30 Stunden pro Jahr für allgemeinbildende Schulen in Hamburg (Verordnung über die Arbeitszeit der Lehrerinnen und Lehrer an staatlichen Schulen). Zur Zusammenschau vgl. Richter, D., Kuhl, P., Reimers, H. & Pant, H. A. (2012). Aspekte der Aus- und Fortbildung von Lehrkräften in der Primarstufe. In P. Stanat, H. A. Pant, K. Böhme & D. Richter (Hrsg.), Kompetenzen von 68 Einschätzung der OECD-Lehrerstudie bezüglich der problematischen Auswirkungen des Beamtenstatus deutscher Lehrer. Zugleich belegen andere Studien, dass die Nutzung von Fortbildungsangeboten durchaus positive Effekte auf das Lehrerhandeln zeigt. Einen Überblick zur Auswirkung auf Unterrichtsqualität und Schülerleistungen gibt Lipowsky.165 Einen Zusammenhang zwischen den Themen, der Häufigkeit der Teilnahme und Lehrerkompetenzen stellt außerdem eine neue Studie des IQB her:166 Die Nutzung unterschiedlich ausgerichteter Angebote (aus der Fachwissenschaft, der Fachdidaktik und den Erziehungswissenschaften) und auf konkrete Handlungsfelder bezogener Angebote (wie z.B. Inklusion, Fachsprache Deutsch für Schüler mit Migrationshintergrund, digitales Lernen) korreliert mit hohen Niveaus von Lehrerkompetenzen. Dieselbe Studie zeigt an Lehrkräften aus den östlichen Bundesländern, wo in DDR-Zeiten die Teilnahme an Fortbildung verpflichtend war, dass die Lehrpersonen auch freiwillig dauerhaft mehr Angebote nutzen als ihre Kollegen aus dem Westen. 167 Die Konsequenz aus diesen Beobachtungen und Untersuchungen ist, dass über das Prinzip der Freiwilligkeit von Fortbildung nachgedacht werden sollte. Vergleichsstudien zeigen, dass die in den Schulleistungstest besonders erfolgreichen Länder andere Fortbildungs-Konzepte umsetzen.168Dass die Vorgabe von Fortbildungsstunden pro Jahr nicht ausreicht, kann bereits belegt werden. Aktuelle Erlasse wie diejenigen aus Berlin/ Brandenburg und NRW regeln das Recht und die Pflicht zu Fortbildungen offensiv: In Berlin/ Brandenburg erhalten Schulleiter explizit das Recht, Fortbildungen anzuordnen. 4.3.2 Inhaltlichkeit und Struktur der Fortbildungsangebote Maßgeblich für den Erfolg der Fortbildung sind deren Inhaltlichkeit und Struktur. Dazu werden im Folgenden zwei Typen diskutiert. Schülerinnen und Schülern am Ende der vierten Jahrgangsstufe in den Fächern Deutsch und Mathematik: Ergebnisse des IQB-Ländervergleichs 2011 (S. 237–250). Münster: Waxmann. 165 Lipowsky 2010, 2011. 166 Richter, D., Engelbert, M., Sebastian Weirich, S. & Pant, H. A.: Differentielle Teilnahme an Lehrerfortbildungen und deren Zusammenhang mit professionsbezogenen Merkmalen von Lehrkräften in: Zeitschrift für Pädagogische Psychologie, 27 (3), 2013, S. 193–207. 167 Richter, D. et al. (2013), S. 196. 168 Arbeitsgruppe Internationale Vergleichsstudie. (2007). Vertiefender Vergleich der Schulsysteme ausgew.hlter PISA-Teilnehmerstaaten (3. Auflage). Berlin: Bundesministerium für Bildung und Forschung. 69 4.3.2.1 Pflichtfortbildungen „Implementation kompetenzorientierter Lehrpläne” Bislang wurden die wenigen Pflichtfortbildungen, die z.B. der Einführung neuer (kompetenzorientierter) Lehrpläne dienen, nicht zuletzt aus Kostengründen, oft von im Schneeballsystem ausgebildeten Multiplikatoren abgehalten. Das Training dieser Dozenten erfolgt(e) nicht selten inputorientiert; inwiefern die vorgesehenen Multiplikatoren selbst kompetenzorientiert unterrichten können, inwiefern sie dazu auch in inklusiven Klassen in der Lage sind bzw. inwiefern sie den Input aus der Multiplikatorenschulung für die Optimierung des eigenen Unterrichts nutzen, wird nicht überprüft. Zugleich zeigt die Erfahrung, dass Lehrkräfte sensibel auf Defizite ihrer Fortbildner reagieren. Die Evaluationsbögen, die üblicherweise nach Fortbildungen verteilt werden, bestätigen diese Beobachtung. Gerade bei Pflichtfortbildungen führen Schwächen bei den Fortbildnern zu Zweifeln an der Sinnhaftigkeit der geplanten Reformen und zu Widerständen, den eigenen Unterricht zu verändern. Die Optimierung der Multiplikatorenschulung – allgemeiner: der Auswahl von Fortbildnern – ist also ein nicht zu vernachlässigender Ansatz zur Verbesserung der Qualität von Fortbildungen. Bundesländer, die zur Zeit neu erarbeitete kompetenzorientierte Lehrpläne implementieren wollen, entwickeln und erproben aktuell wirksamere Implementierungsstrategien. Drei Beispiele werden kurz skizziert: 1. Die deutschsprachige Gemeinschaft Belgiens, die sich vielfach den qualitätssichernden Maßnahmen der deutschen KMK angeschlossen hat, setzt in den Jahren 2013 bis 2016 eine sehr weitreichende Strategie um169: Über drei Jahre hinweg werden die Lehrkräfte verpflichtet, an drei aufeinander aufbauenden ganztägigen Implementations-Modulen pro Jahr in ihrem Fach teilzunehmen. Die Fortbildungen werden von externen Experten in Zusammenarbeit mit internen Partnern geplant und durchgeführt. In der Regel waren die Experten bereits an der Überarbeitung der Rahmenpläne/ Lehrpläne und an der Entwicklung des Fortbildungskonzepts beteiligt; zum Teil wurde von den Experten auch Unterrichtsmaterial entwickelt, um die Umsetzung der Rahmenpläne zu unterstützen.170 2. Baden-Württemberg setzt bei der Implementation der überarbeiteten Lehrpläne dagegen auf Freiwilligkeit und attraktive Angebote. Die Maßnahmen beginnen im Schuljahr 2015/16 und setzen sich bis 2023 fort. Sie bereiten jeweils die Arbeit mit 169 Vgl. die Homepage des Bildungsministerium der DG. URL http://www.bildungsserver.be/desktopdefault.aspx/tabid-3160/5838_read-37912. 170 Dies betrifft u.a. Geschichte: Hier wurde ein auf die DG abgestimmtes digitales Schulbuch für die Oberstufe entwickelt. URL http://www.dgregierung.be/desktopdefault.aspx/tabid-4312/6503_read40190/6503_page-2/. 70 den im folgenden Jahr verpflichtend eingeführten Lehrplänen vor.171 Wie die Themen festgelegt und die Multiplikatoren ausgewählt werden, ist noch nicht bekannt. 3. Bayern reagiert auf negative Erfahrungen bei den Pflichtveranstaltungen zur Einführung des Grundschullehrplans und versucht im Falle der Mittelschulen explizit die Ausgangslagen der einzelnen Lehrkräfte zu berücksichtigen und passgenauere Fortbildungsangebote zu machen.172 Auch hier sind genauere Regularien noch nicht bekannt. 4.3.2.2 Fortbildungsreihen zu Sonderthemen Ein Ergebnis der Fortbildungsforschung ist, dass Einzelmaßnahmen oft wenig nachhaltig sind. In vielen Ländern wird daraus die Konsequenz gezogen, mit Fortbildungsreihen zu arbeiten. Sie können eng umrissene Adressaten haben, z.B. Schulpsychologen, die weiterqualifiziert werden sollen (z.B. für den Umgang mit Traumatisierungen bei Flüchtlingskindern).173 Sie können sich an ganze Schulen richten (die in einen Schulentwicklungsprozess z.B. hin zur inklusiven Schule stehen)174 oder an Kollegen, die Interesse daran haben, als Praktikumslehrkräfte tätig zu werden.175 Die Teilnahme an Fortbildungsreihen ist in der Regel freiwillig; könnte aber auch angeordnet werden. Sie wird meist zertifiziert, z.T. muss hierfür eine Prüfung abgelegt werden. Die Zertifikate sind funktional; sie können von den Lehrkräften als Beleg ihres besonderen Engagements für die dienstliche Beurteilung oder als Grundlage für Bewerbungen auf Funktionsstellen genutzt werden oder für ein Gesuch zur Versetzung an eine Schule ihrer Wahl.176 171 Vgl. URL http://www.kultusportal-bw.de/,Lde/Startseite/schulebw/Bildungsplan+aktuell. Vgl. z.B. die Hinweise des Staatlichen Schulamts Nürnberg. URL www.schulamt.info/index.php?&pid=757&eb=1&e0=5&e1=757&e2=757&nr=0&csp=&aid=KS00001. 173 Vgl. die entsprechenden Angebote im Fortbildungsnetz Berlin/ Brandenburg. https://tisonline.brandenburg.de/web/guest/catalog. 174 Vgl. den Informationsflyer zu „Fortbildung für Schulen auf dem Weg zur Inklusion”. 172 http:// URL http://www.lehrerfortbildung.schulministerium.nrw.de/Fortbildung/WeitereDokumente/Flyer_Inklusion_A_15_V05.pdf. 175 Vgl. die entsprechenden Angebote in der Datenbank „Fortbildung in bayerischen Schulen” https://fibs.alp.dillingen.de/ 176 Bei der größten Zahl an in den Datenbanken gehosteten Angeboten handelt es sich aber weiterhin um Einzelveranstaltungen, die Lehrkräfte freiwillig besuchen und nach ihren Interessen auswählen. Die angebotenen Fortbildungen sind nach wie vor oft von Fragmentierung und Verengungen gekennzeichnet: Selten werden Fachwissenschaft, Fachdidaktik und Erziehungswissenschaften vernetzt; kaum einmal werden Unterrichten, Erziehen und Innovieren explizit auf einander bezogen. 71 4.3.2.3 Feedbackstrukturen für die Teilnehmer Gerade wenn Fortbildungsmaßnahmen Paradigmenwechsel unterstützen wollen, die eingefahrene Gewohnheiten in Fragen stellen, bedarf es nicht nur der Fortbildungsreihen. Notwendig sind auch erprobende Aufgabenstellungen, ggfs. Materialunterstützung zwischen den Terminen. Manchmal können Coaching-Strategien geboten sein, falls von Teilnehmern bzw. Verantwortlichen im Einzelfall Bedarf dafür gesehen wird. Abschließend soll auf digitale Möglichkeiten verwiesen werden, die Unterstützungsfunktionen übernehmen können: 1. Das erste Beispiel betrifft ein Fortbildungskonzept, das kompetenzorientiertes Unterrichten fördern will, das durch ein digital-multimediales Schulbuch (mBook NRW) unterstützt werden soll. Ein doppelter Paradigmenwechsel wird also angestrebt, hin zu kompetenzorientiertem Unterrichten und der zu digitalem Lernen. • Es beteiligen sich daran 41 Pilotschulen. Ein einführendes ganztägiges face-to-faceAngebot, das das Konzept des Lernmittels erläutert, Erfahrungen der unterrichtlichen Nutzung vorstellt und ein Konzept zur Planung von Unterricht vorschlägt, steht am Anfang. Als „Fortbildung on demand“ ist das digital-multimediale Schulbuch in der Lehrerversion (mBook-L) nutzbar. An für kompetenzorientiertes Unterrichten zentralen Stellen sind didaktisch-methodischen „Handreichungen“ eingebaut, die ebenfalls multimedial angelegt sind. Diese können von den Lehrkräften bei Bedarf und Interesse aufgerufen werden. • Feedback kann unmittelbar (per Email oder in einer Skype-Konferenz) oder bei der nächsten thematischen face-to-face Veranstaltung (zwei bis drei weitere Termine finden pro Jahr statt) eingeholt oder gegeben werden. • Die weiteren face-to-face-Termine arbeiten zwar am selben Thema (z.B. kompetenzorientierte Aufgabenstellungen; Arbeiten mit Karten, Differenzierung im Geschichtsunterricht, Progression), aber in interessensgeleiteten Kleingruppen. Das Ziel ist, dass diese Gruppen sich zur gemeinsamen Arbeit und ggfs. gegenseitigen Unterstützung auch über die Fortbildung hinaus treffen. (Das in Eichstätt entwickelte Konzept wird in Kapitel B, 3 ausführlicher vorgestellt). 1. In der Weiterentwicklung des Konzepts kann auf Erfahrungen mit e-sessions zurückgegriffen werden. Seit Jahren wird die Implementation bilingualen Sachfachunterrichts an bayerischen Realschulen mit dem Angebot thematischer esessions begleitet. Nach einem kurzen Input durch einen Experten haben die 72 Teilnehmer, die sich freiwillig zuschalten, Gelegenheit zu Rückfragen bzw. die Möglichkeiten sich untereinander auszutauschen. 4.4 Resümee Schon seit einigen Jahrzehnten ist zu beobachten, dass die Bedeutungszuweisung an die Dritte Phase zunimmt. Sie schlägt sich u.a. in einer zunehmenden Institutionalisierung der Fortbildung nieder. Aktuell fällt auf, dass eine Verortung und vor allem Einbindung der Fortund Weiterbildung in den übergeordneten Rahmen der Schul- und Unterrichtsentwicklung vorgenommen wird. Dafür werden auch rechtliche Regelungen getroffen, u.a. indem Fortbildung als Recht und Pflicht der Lehrkräfte verankert wird. Gerade bei Pflichtfortbildungen (z.B. zur Implementation von Lehrplänen) werden aktuell unterschiedliche Formate erprobt. Dazu kommen Fortbildungsreihen, die sich an konkrete Adressaten richten. Vereinzelt gibt es Experimente mit digitalen Varianten. Inzwischen ist es zum Standard geworden, Fortbildungsmaßnahmen zu evaluieren: Die Instrumente reichen von oft ziemlich oberflächlichen Evaluierungsbögen, die im Anschluss an Veranstaltungen eingesetzt werden, zu ausgefeilten Designs bei drittmittelgeförderten wissenschaftlichen Begleitstudien.177 Dazwischen liegen die Instrumente der internen und externen Evaluierung, mit deren Hilfe zur Nachhaltigkeit der Fortbildung und zur Weiternutzung an den Schulen beigetragen werden soll. Trotz dieser Aufwertung: Das Zusammenführen der neuen Anregungen, die Fortbildungen bringen, mit den vorhandenen Fähigkeiten, Fertigkeiten und Bereitschaften, mithin der Beitrag der Dritten Phase zu lebenslangem Lernen, wird immer noch oft den Lehrkräften selbst überlassen. Konzepte, die Nachhaltigkeit von Fortbildungsangeboten z.B. durch Feedback-Strategien und/ oder Coaching-Maßnahmen zu unterstützen, werden erst in Ansätzen erprobt. Dies gilt auch für Kombinationen von face-to-face-Fortbildung mit blended learning-Konzepten. Erhalten bleibt im Allgemeinen auch das Verständnis, dass Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen ausschließlich eine Angelegenheit der dritten Phase sind. Sie werden funktional gesehen, als Unterstützung bei der Implementation z.B. neuer Lehrpläne, als Weg, Defizite zu beheben oder als Anregung für eine Weiterentwicklung (z.B. hin zum 177 Vergleich die wissenschaftliche Begleitstudie zu den Inklusionsfortbildungen in NRW, URL https://www.hf.uni-koeln.de/data/e/File/Abschlussbericht%20Mettmann.pdf. 73 digitalen oder hin zum inklusiven Lernen). Dabei unterbleibt meist noch, im Sinne eines lebenslangen Lernens Zusammenhänge auch zur universitären ersten und zur zweiten Phase herzustellen. Daran ändert auch nichts, dass die Standards der KMK für Lehrerbildung die Dritte Phase dezidiert einbeziehen wollen. Hier besteht eine der größten Herausforderungen bezogen auf das Gesamtkonzept eines lebenslangen Lernens. In Kapitel B I, 2.2 wird als Weg vorgeschlagen, in allen Phasen Bezug auf ein phasenübergreifend angelegtes Kompetenzstruktur-Modell für die Entwicklung von Lehrerkompetenzen zu nehmen. Die Zusammenstellung grundlegender Herausforderungen für die Reform der Lehrerbildung wird abgeschlossen mit den Herausforderungen für die inhaltliche Ausgestaltung des Lehramtsstudium. Sie ergibt sich aus der Komplexität von Schule, auf die Lehrerbildung vorbereiten soll. Dabei werden (1) die drei Säulen der Lehrerbildung, nämlich Fachwissenschaft, Fachdidaktik und Erziehungswissenschaft betrachtet, ihr Profil dargestellt, die Herausforderungen reflektiert, vor denen sie jeweils stehen und ihr Beitrag zur Kompetenzentwicklung von Lehrkräften diskutiert, sodann (2) wird der Theorie-Praxis-Zusammenhang als Problemfeld der Lehrerbildung skizziert, wobei „Berufsbefähigung“ als allgemeines Ziel der BolognaReform und der Berufsfeldbezug Schule vergleichend präsentiert werden. Schließlich werden (3) Lehrerkompetenzen als Querschnittskompetenz betrachtet und Strukturmaßnahmen sowie Maßnahmen der konkreten Realisierung vorgestellt. Die drei Zugriffe werden jeweils in Bezug zueinander und zum Ziel einer Reform der Lehrerbildung gesetzt. IV. „Reduktion und Komplexität“: Herausforderung der inhaltlichen Ausgestaltung des Lehramtsstudiums angesichts der Komplexität des Berufsfelds Schule 74 1. Fachwissenschaften, Fachdidaktiken und Erziehungswissenschaften als Bezugsdisziplinen – die drei Säulen der universitären Lehrerbildung National und international besteht Konsens darüber, dass angehende Lehrkräfte sich im universitären Studium Kompetenzen in den drei Säulen Fachwissenschaften, Fachdidaktiken und Erziehungswissenschaften aneignen müssen, um in ihrem späteren Berufsleben der Komplexität des Berufsfelds Schule gerecht werden zu können. Studiert werden die den Schulfächern zugeordneten Wissenschaftsdisziplinen (Säule 1 „Fachwissenschaft”)178 und die auf die Schulfächer bezogenen Fachdidaktiken (Säule 2 „Fachdidaktik”). Im überfachlich ausgerichteten Studium der Erziehungswissenschaften (Säule 3 „Erziehungswissenschaften”) werden schulbezogene Aspekte der Pädagogik und Psychologie belegt, zum Teil auch schulrelevante Aspekte ausgewählter Gesellschafts- und Kulturwissenschaften (wie Soziologie, Politikwissenschaft, Ethnologie, Philosophie und Theologie). Die Breite und Tiefe des Studiums hängt u.a. mit der gewählten Schulart, aber auch mit dem Land, in dem studiert wird, zusammen. Die Tiefe der fachwissenschaftlichen Ausbildung und die Anzahl der Fächer, die Lehramtsstudierende in Deutschland zu wählen haben, korreliert damit, ob sie sich für eine Schulart mit Fachlehrersystem (Gymnasium oder z.B. Realschule in Bayern) entschieden haben oder für eine Schulart, in der die Lehrkraft aus pädagogischen Gründen möglichst mehrere Fächer in einer Klasse unterrichtet (Klassenlehrerprinzip). Für das Lehramt an Gymnasien studiert man regelmäßig zwei Fächer; für die Lehrämter mit Klassenlehrerprinzip ist festgelegt, dass die Studierenden ein Unterrichtsfach als akademischen Studienschwerpunkt wählen. Das zweite „Fach” setzt sich, den Erfordernissen der Schulart entsprechend, aus mehreren Bausteinen zusammen, die der Schulartspezifik aus erziehungswissenschaftlichen wie fachlichen Perspektiven Rechnung tragen sollen. Im Grundschulstudium muss z.B. jeweils Didaktik und Pädagogik der Grundschule studiert werden. Auch für das Studium, das auf Lehrertätigkeiten in der Sekundarstufe I vorbereitet, werden in der Regel spezielle erziehungswissenschaftliche Schwerpunkte vorgeschrieben. Abhängig vom jeweiligen Bundesland handelt es sich dabei z.B. um interkulturelle Bildung, 178 Nicht alle Unterrichtsfächer korrelieren mit einer wissenschaftlichen Fachdisziplin. Das in Bayern für alle Schularten wählbare Unterrichtsfach Sozialkunde setzt sich z.B. aus Studienanteilen aus den Disziplinen Politikwissenschaft, Soziologie und Zeitgeschichte zusammen. 75 Deutsch als Zweitsprache oder Hauptschulpädagogik. Anstelle des zweiten Unterrichtsfachs können mehrere Nebenfächer treten.179 Einzelne Länder (wie z.B. Bayern) legen fest, welche Fachkombinationen gewählt werden dürfen. Andere Länder geben, zumindest für das Gymnasium, nur die Fächer vor, überlassen die Wahl der Kombination aber den Studierenden (z.B. Nordrhein-Westfalen); dazwischen liegen Länder mit teilweiser Beschränkung der Wahlfreiheit (z.B. Baden-Württemberg, Hamburg, Niedersachsen und Hessen). Derartige Festlegungen ziehen Konsequenzen nach sich, so können z.B. in Bayern im Studium für das Lehramt an Grundschulen die Didaktiken natur- und geisteswissenschaftlicher Sachfächer nur eingeschränkt gewählt werden, weil das Studium von Deutsch, Mathematik und einem musischen Fach vorgeschrieben ist. Im Folgenden wird das Studium in den drei Säulen näher beschrieben, wobei abschließend jeweils die Herausforderungen skizziert werden, mit denen eine Reform der Lehrerbildung umgehen muss. 2. Fachdidaktiken Gewinner der auf Kompetenzorientierung zielenden aktuellen Reform der Lehrerbildung sind die Fachdidaktiken: Die erst in den 1960/ 1970-er Jahren im Zuge der letzten großen Bildungsreform180 als universitäre Disziplinen entstanden Fachdidaktiken haben eine Aufwertungen erfahren, indem ihre Schlüsselrolle für die Lehrerbildung in Forschung und Lehre herausgestellt wurde. In den meisten Bundesländern wurde dies auch in einer Erhöhung der Studienanteile manifest. 179 Die Fächer werden zum Teil als so genannte „Nebenfächer” von geringem Umfang studiert (z.B. in BadenWürttemberg oder Hamburg) oder als „Didaktikfächer” (z.B. in Bayern). Diese Bezeichnung weist darauf hin, dass in den gewählten Fächern keine fachwissenschaftlichen Module belegt werden und fachliche Grundlagen im Rahmen der fachdidaktischen Module gelegt werden müssen. 180 Die Rede ist von der Akademisierung der Schul- und damit auch der Lehrerbildung, die nicht zuletzt eine Reaktion auf den so genannten „Sputnikschock“ war, durch den der Ost- Westkonflikt in den Bildungsbereich hinein ausgeweitet wurde: Der Weltraumerfolg der UdSSR wurde nicht nur in der militärischen Auswirkung gesehen, man leitete vielmehr aus diesem Indiz für den technischen Rückstand Amerikas die Hypothese eines generellen Bildungsrückstands des ‚demokratischen Westens’ gegenüber dem ‚sowjetischen Osten’ ab (Froese/Haas/Anweiler, Bildungswettlauf, 1960). Ein Ergebnis der verstärkten Bildungsaktivitäten war auch die Etablierung der Fachdidaktiken als Wissenschaften und die Einrichtung fachdidaktischer Lehrstühle und Professuren. 76 2.1 Das Profil der Fachdidaktiken Fachdidaktiken sind domänenspezifische Teildisziplinen, die zusammen mit inhaltsbezogenen Teildisziplinen („Fachwissenschaften”) die jeweiligen Fächer ausmachen. Zugleich berühren sich Fachdidaktiken, weil sie sich auch überfachlich mit Fragen der Vermittlung auseinandersetzen, mit den Erziehungswissenschaften. Demzufolge sind sie notwendiger Weise inter- und transdisziplinär ausgerichtet. In den nachfolgenden Grafiken wird dies exemplarisch am Beispiel der Geschichtsdidaktik181 visualisiert: Abb. 4: Geschichtsdidaktik: transdisziplinär (Waltraud Schreiber Ihre Bedeutung als zentrale Berufswissenschaften für Lehrkräfte besteht vor allem in ihrem spezifischen Beitrag (1) zur Entwicklung von Unterrichtskompetenz, aber auch (2) in der Erweiterung der schulischen um die außerschulische Bildung, (3) in ihren Beiträgen zur Fachgrenzen überschreitenden Zusammenarbeit in der Forschung und schließlich (4) ihrem Beitrag zu Kooperationen im Bereich der Pragmatik, einerseits mit Schule und andererseits mit den Vertretern der Zweiten und Dritten Phase der Lehrerbildung. 181 Die konkretisierenden Beispiel beziehen sich häufig auf Geschichte, nicht nur, weil Geschichte die Fachdomäne der beiden Autorinnen ist. Geschichte ist in besonderem Maße als verdeutlichendes Beispiel geeignet, weil sie sich bezogen auf Vergangenheit wie Gegenwart und Zukunft mit Kultur, Politik, Wirtschaft, Gesellschaft, mit Fragen von Gender, Performanz, mit Fragen von Raum und Zeit, mit Fragen von Kontingenz und von Kontinuität und Wandel befasst, zudem mit Narrativität und Konstruktion, weil Narrationen die einzig mögliche Form sind, sich ex post mit Vergangenem auseinanderzusetzen und nach Zusammenhängen zwischen den Zeitdimensionen zu fragen und weil der Konstruktcharakter von Geschichte zu den epistemologischen Prinzipien der Disziplin gehört. Damit ergeben sich Zusammenhänge mit zahlreichen anderen Domänen. Dass die am Beispiel der Geschichte verdeutlichten Überlegungen pars pro toto auch für die Domänen stehen, wird fallweise durch Verweise auf andere Fachzusammenhänge verdeutlicht. Sich systematisch immer auf mehrere Domänen zu beziehen, macht die Vielfalt der Fächer, für die Lehrkräfte ausgebildet werden, unmöglich. 77 2.1.1 Fachdidaktiken und die Förderung von Unterrichtskompetenz Unterrichtskompetenz bedeutet mehr als das handwerkliche Unterrichten-Können. Es geht darum, durch Unterricht einen gezielten und kontinuierlichen Kompetenzaufbau bei den Schülern zu fördern, dabei die Lernvoraussetzungen zu berücksichtigen und zugleich die Zieldimensionen, die z.B. in Bildungsstandards festgehalten sind, im Blick zu behalten. Die Fachdidaktiken ordnen das fachliche Lernen in theoretische Kontexte ein, z.B. indem sie es auf domänenspezifische Kompetenzstrukturmodelle beziehen,182 den Konstruktcharakter des Wissensaufbaus und mögliche Konstruktionsprinzipien für das fachliche Wissen bewusst machen,183 die Systematik des Faches für unterschiedliche Gruppen von Lernenden elementarisieren184 und Überlegungen anstellen, wie die Förderung der Kompetenzentwicklung schulartbezogen und in den zunehmend heterogenen Klassen erfolgen kann. In pragmatischer Wendung leiten Fachdidaktiken den Aufbau der Kompetenzen für die Planung, Durchführung und Reflexion von Unterricht systematisch an. Dabei müssen auch Bezüge zu allgemeindidaktischen, also überfachlichen Prinzipien hergestellt werden. Kernaufgabe der Fachdidaktiken ist aber, Kompetenzen für fachliches Lernen und Lehren aufzubauen. Dafür sind insbesondere die zentralen fachdidaktischen Fragen nach dem Warum, Was und Wie des Lernens von Bedeutung185: 1. Bezogen auf das Warum, die Ausrichtung an (übergeordneten) Fragestellungen, leiten die Fachdidaktiken die Studierenden (Referendare, Lehrkräfte) an, über die individuelle und gesellschaftliche Relevanz des zu Lernenden nachzudenken. Zur 182 Die Entwicklung von Kompetenzstrukturmodellen werden häufig federführend von Fachdidaktikern betrieben, vgl. z.B. das Kompetenzstrukturmodell der FUER-Gruppe für Geschichte (Körber, A., Schreiber, W. & Schöner, A. (Hrsg.) (2007, 2010)); das Kompetenzmodell für Geographie (Hemmer, I., (2012). Bildungsstandards im Fach Geographie für den Mittleren Schulabschluss. Mit Aufgabenbeispielen. Bonn: Selbstverl. DGfG; Hemmer, I. & M. Hemmer (2013). Bildungsstandards im Geographieunterricht -Konzeption, Herausforderung, Diskussion. In M. Rolfes & A. Uhlenwinkel (Hrsg.), Metzler-Handbuch 2.0 Geographieunterricht. Ein Leitfaden für Praxis und Ausbildung. (S. 24-32 & S. 553). Braunschweig: Westermann) oder das Kompetenzmodell für literarisches Textverstehen (Frederking, Volker et al. (2011). Literarästhetische Verstehenskompetenz – theoretische Modellierung und empirische Erforschung: In: Zeitschrift für Germanistik, 1, S. 131-144; Frederking, V. et al (2013). Literarische Textverstehenskompetenz bei Schülerinnen und Schülern unterschiedlicher Schulformen. In A. Bertschi-Kaufmann & C. Rosebrock (Hrsg.), Literalität erfassen. bildungspolitisch, kulturell, individuell (S. 69-84). Weinheim u.a.: Beltz Juventa). 183 Die Forschung zur domänenspezifischen Wissenskonstruktion wird aktuell intensiv betrieben, nicht zuletzt um eine Theoriebasierung für kompetenzorientiertes Lernen und das Lernen in heterogenen Klassen zu schaffen. 184 Aktuell intensiviert sich auf der einen Seite die Auseinandersetzung mit fachspezifischem, den Kompetenzaufbau förderndem Lernen in der Grundschule (vgl. die Bände der Sachunterrichtsdidaktik zum Referenzrahmen), auf der anderen Seite die Auseinandersetzung mit fachspezifischem Lernen in heterogenen und inklusiven Klassen (hierzu finden aktuell zahlreiche Tagungen statt; vgl. exemplarisch die Tagung der Gesellschaft für Fachdidaktik im Oktober 2015 in Hamburg). 185 Vgl. u.a. Schreiber, W., Schöner, A., Sochatzy, F. (Hrsg.) (2013). Schulbuchanalysen – Grundlage empirischer Geschichtsdidaktik, Stuttgart: Kohlhammer. 78 Frage „Warum sollen Schüler das lernen?” können auf den systematischen Aufbau der Domäne bezogene Antworten gegeben werden186 und Antworten, die die Rolle der Domäne für das Leben der Schülerinnen und Schüler betreffen.187 2. Bezogen auf das Was, die Auswahl problemhaltiger Situationen, konkreter Inhalte und die Formulierung als Unterrichtsthemen, unterstützen die Fachdidaktiken die (angehenden) Lehrkräfte dabei, die Auswahlentscheidungen so zu treffen, dass die Themen zugleich schüler- und sachgemäß sind sowie ein zunehmend eigenständiges fachliches Lernen und den gezielten Auf- und Ausbau von Fachkompetenz fördern. Ansätze zur Differenzierung bis hin zur Individualisierung müssen angesichts der immer heterogener werdenden Schülergruppen bei den auszuwählenden Inhalten mitbedacht werden. 3. Bezogen auf das Wie ist es schließlich die Aufgabe der Fachdidaktiken, die (angehenden) Lehrkräfte mit fachspezifischen Unterrichtsprinzipien und Unterrichtskonzepten und fachspezifischen Medien und Methoden vertraut zu machen. Zudem werden sie dabei unterstützt, die Förderung überfachlicher Kompetenzen in fachlichen Lernsituationen zu berücksichtigen. Für den konkreten Unterricht sollen sie lernen, die methodischen Entscheidungen zum Wie dem Warum und dem Was unter- bzw. zuzuordnen. Dies betrifft auch die Auswahl, ggfs. Entwicklung von Unterrichtsmaterialien. Die Maßnahmen zur Entwicklung der Unterrichtskompetenzen sollten sich nicht nur darauf beziehen, Sache und Schüler zusammen zu bringen. Neben der auf die Schüler gerichteten „Fremdreflexion“188 sollte auch die auf den Lehrenden gerichtete „Selbstreflexion” eine wichtige Rolle spielen. Studierende (Referendare, Lehrkräfte) müssen lernen, ihr eigenes Fachverständnis, ihre Einstellung zum Schulfach, ihre eigenen Lernerfahrungen, ihre eigenen Vorstellungen vom Lernen ihrer Schülerinnen und Schüler und das Niveau der eigenen 186 Es geht dann u.a. um das Verfügen lernen über zentrale Konzepte und Methoden, um die Kenntnis der zugrunde liegenden epistemologischen Prinzipien, um zentrale Fragestellungen und die darauf bezogenen grundlegenden Einsichten. 187 Erschließen die Fragestellungen Probleme, die für das Welt-, Fremd- und Selbstverstehen der Schüler von Bedeutung sind, Probleme, die Schülerinnen und Schüler dabei unterstützen, die sie umgebende Kultur, ggfs. auch ihre Herkunftskultur, besser zu verstehen und sich im multikulturellen Austausch zurecht zu finden? Können mit ihrer Hilfe die fachlichen und überfachlichen Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler gezielt weiterentwickelt werden? Können die Fragestellungen dazu beitragen, dass Schülerinnen und Schüler sich zu eigenständigen, reflektierenden, verantwortlichen Denkern und Handelnden entwickeln? Lassen sich die zu gewinnenden Einsichten auf andere Situationen transferieren? Sind sie inter- und transdisziplinär von Bedeutung? 188 Diese Ausrichtung auf Fremd- und Selbstreflexion wurde von Florian Basel übernommen, der sich in seiner Dissertation mit Geschichtslehrern im kompetenzorientierten Geschichtsunterricht auseinandersetzt. Vgl. Basel, F. (2013). Lehrerkompetenzen. Diagnose und Förderung im Geschichtsunterricht – Empirische Studien zu Unterrichtsplanung und –analyse. In J. Hodel & B. Ziegler (Hrsg.), Forschungswerkstatt Geschichtsdidaktik 09. Beiträge zur Tagung ‚Geschichtsdidaktik empirisch 09‘ (S. 106-118). Bern: Hep. 79 Fachkompetenz zu erkennen und es in Zusammenhang mit dem geplanten/ durchgeführten Unterricht zu bringen. Selbstreflexion ist eine der entscheidenden Motivationen für lebenslanges Lernen. 2.1.2 Blickweitung von der schulischen auf die außerschulische Bildung Weil Fachdidaktiken in ihrem Selbstverständnis nicht auf die Beschäftigung mit schulischen Vermittlungsfragen beschränkt sind, sind sie dazu prädestiniert, das lebenslange Lernen, das notwendigerweise auch außerhalb der Schule stattfindet, theoretisch zu reflektieren und praktisch zu begleiten. Die unterschiedlichen Fachdidaktiken sind z.B. mit politischer Bildung, Bildung für nachhaltige Entwicklung, dem außerschulischen Umgang mit Religionsoder Geschichtskultur befasst, mit lebenslanger Leseförderung oder außerschulischem Fremdsprachenlernen, das Lernen von Deutsch als Fremdsprache eingeschlossen. Dabei können informelle, formale wie non-formale Bildungsprozesse189 im Zentrum stehen. Formale Bildungsprozesse erfolgen z.B. im schulisch organisierten Lernen an außerschulischen Lernorten, non-formale Bildungsprozesse vollziehen sich, wenn Menschen freiwillig und selbständig außerschulische Bildungsangebote z.B. von Museen und anderen Bildungsinstitutionen, Vortragsangebote von Verbänden, Kultureinrichtungen etc. nutzen; informelle Bildung190 vollzieht sich z.B. in der Familie oder in peergroups.191 189 In Anlehnung an die Europäische Kommission 2004, 10ff hat Neß die drei Formen folgendermaßen definiert: Formales Lernen ist „ein Lernen, das in einem organisierten und strukturierten Kontext (Bildungs- oder Ausbildungseinrichtung, am Arbeitsplatz) stattfindet, explizit als Lernen bezeichnet wird und (in Bezug auf Lernziele, Lernzeit oder Lernförderung) strukturiert ist. Formales Lernen ist aus der Sicht des Lernenden zielgerichtet und führt im allgemeinen zur Zertifizierung. Nichtformales Lernen bezeichnet Lernen, das in planvolle Tätigkeiten eingebettet ist, die nicht explizit als Lernen bezeichnet werden (in Bezug auf Lernziele, Lernzeit oder Lernförderung), jedoch ein ausgeprägtes „Lernelement“ beinhalten. Nicht formales Lernen ist im Allgemeinen intentional aus Sicht der Lernenden und führt normalerweise nicht zur Zertifizierung. Informelles Lernen ist ein Lernen, das im Alltag, am Arbeitsplatz, im Familienkreis oder in der Freizeit stattfindet. Es ist in Bezug auf Lernziele, Lernzeit oder Lernförderung nicht organisiert oder strukturiert. Informelles Lernen ist in den meisten Fällen nicht intentional und führt normalerweise nicht zur Zertifizierung. (Vgl. Neß, H. (2009). Portfolioarbeit zur Anerkennung informell erworbener Kompetenzen in der Lehrerbildung. Bildungsforschung 6, S. 139-158, S. 139f.) 190 Seit Beginn der 2000-er Jahre (z.B. Dohmen, G. (2001). Das informelle Lernen. Die internationale Erschließung einer bisher vernachlässigten Grundform menschlichen Lernens für das lebenslange Lernen aller. Bonn: Bundesministerium für Bildung und Forschung) intensiviert sich der Diskurs zu informeller Bildung (Grundmann, M. (2003). Milieuspezifische Bildungsstrategien in Familie und Gleichaltrigengruppe. Zeitschrift für Erziehungswissenschaft 6, 1, S. 25–46; Düx, W. & Sass, E. (2005). Lernen in informellen Kontexten. Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, 7, S. 394-411; Fehrlen, B. & Koss, T. (2009). Bildung im Alltag der Offenen Kinder- und Jugendarbeit. Empirische Studien. Tübingen: Verlag Burkart Fehrlen; Riekmann, W. (2011). Demokratie und Verein. Potentiale demokratischer Bildung in der Jugendarbeit. Wiesbaden: VS; Thole, W. & Höblich W. (2013). „Freizeit“ und „Kultur“ als Bildungsorte – Kompetenzerwerb über non-formale und informelle Praxen von Kindern und Jugendlichen. Wiesbaden: Springer; Rohlfs, C., Harring, M & Palentien, C. (Hrsg.) (2014). Kompetenz-Bildung. Soziale, emotionale und kommunikative Kompetenzen von Kindern und Jugendlichen. Wiesbaden: Springer.). Die Dimension Fachlichkeit spielt im Diskurs um informelle (und non- 80 Der Fachdidaktik geht es bei der Auseinandersetzung mit dem außerschulischen Lernen immer auch um Reflexion und theoretische Einordnung sowie pragmatische Förderung. Reflexion und Einordnung sollten der Beschäftigung mit außerschulischen Lernorten im Rahmen der formalen schulischen Bildung vorauslaufen, insofern das Ziel ist, auch das außerschulische Lernen als Teil eines umfassenden, lebenslangen Kompetenzaufbaus zu verstehen. Sofern die von den Fachdidaktiken erarbeiteten Kompetenzstrukturmodelle das fachliche Lernen in seiner Breite umfassen, kann mit ihrer Hilfe die Relevanz der Kompetenzorientierung für die Erarbeitung der Bildungsangebote im außerschulischen Bereich und für deren non-formale Rezeption durch die Besucher/ Lerner eindrucksvoll belegt werden.192 Die gemeinsame Theoriebasis erleichtert es der Fachdidaktik, formales und non-formales Lernen zusammenzuführen. Informelles Lernen ist bislang erst in Ansätzen Thema der Fachdidaktiken, obwohl es die Lernvoraussetzungen der Schülerinnen und Schüler entscheidend mitprägt.193 Bislang findet es v.a. im Zuge der Lernstandserhebungen für schulisches Lernen Beachtung, teilweise als Unterrichtsthema (z.B. Sichtweisen auf Geschichte im Spielfilm). Als gleichwertige Lernform spielt informelles Lernen kaum eine Rolle; Beispiele gibt es in der Demokratieerziehung oder in der „Bildung für nachhaltige Entwicklung”. Eine Anforderung an die Fachdidaktik besteht darin, das außerschulische Lernen uneingeschränkt als Teil des lebenslangen Kompetenzaufbaus zu verstehen. Dabei gilt es ein weiteres Defizit aufzuarbeiten: Während es fachspezifische Konzepte für das Lernen an außerschulischen Lernorten in fast allen Fachdidaktiken gibt, wird das gemeinsame, unterschiedliche Fachperspektiven integrierende Erschließen von Lernorten bislang seltener formale) Bildung bislang entweder eine untergeordnete Rolle oder es wird ihr die Rolle des Feindbilds als verengte, vermessenen, fachlichen Kompetenz zugewiesen. 191 Am Beispiel Geschichte wären das auf der einen Seite z.B. Museen, Dokumentationszentren oder Gedenkstätten als Lernorte, auf der anderen Seite z.B. die Filmangebote von Fernsehen, Kino, Internet, die Medienpakete, die im Umfeld von Gedenktagen angeboten werden, belletristische und Fachliteratur, aber auch historische (Computer-) Spiele. 192 Am Beispiel Geschichte vgl. hierzu exemplarisch kompetenzorientiertes Lernen an Gedenkstätten, Schreiber, W. (2012). „Kraft der Freiheit – Geist der Diktatur“. Über die Herausforderung, Besucherinnen und Besucher an Gedenkstätten in der Entwicklung ihrer historischen Kompetenz zu fördern. In D. Brovelli (Hrsg.), Kompetenzentwicklung an ausserschulischen Lernorten. Tagungsband zur 2. Tagung Ausserschulische Lernorte der PHZ Luzern vom 24. September 2011 (S. 35-67). Münster u.a.: Lit.; Schreiber, W. (2013). Gedenkstätten und historische Ausstellungen lesen (lernen). In M. Raasch & T. Hirschmüller (Hrsg.), Von Freiheit, Solidarität und Subsidiarität – Staat und Gesellschaft der Moderne in Theorie und Praxis (S. 13-38). Berlin: Duncker & Humblot; Schreiber, W. (2013). Gedenkstättenarbeit für die »post-mémoire«-Generation. Wie viel Geschichte braucht die demokratische Kultur? In V. Knigge (Hrsg.), Kommunismusforschung und Erinnerungskulturen in Ostmittel- und Westeuropa (S.133-162). Wien u.a.: Böhlau. 193 Vgl. u.a. Zabold, S.: Vor dem ersten Geschichtsunterricht: zur empirischen Erschließung des historischen Denkens junger Lerner. Dissertationsmanuskript, angenommen. 81 thematisiert.194 Dies erschwert es, Kultur- und Bildungsräume als Ganze wahrzunehmen, sich mit der Vielfalt der dort vorhandenen Bildungsangebote auseinander zu setzen und ggfs. zu deren Erweiterung und Modifikation anzuregen. Dafür wäre es erforderlich, die Perspektiven mehrerer Disziplinen zu verbinden, u.a. weil jeder Kulturraum mehrperspektivische, aber spezifische Zugriffe nahelegt.195 Ebenso offensichtlich ist aber, dass die Zugriffe nicht nur von den vorhandenen Gegenwartsproblemen Gegebenheiten und abhängen, Rezipienteninteressen sondern beeinflusst zudem sind. stark Schneller von als Bildungsinstitutionen reagieren z.B. die (neuen) Medien auf entsprechende Veränderungen, wobei die Qualität der Angebote nicht immer überzeugt. Dies lässt sich aktuell am Thema Flucht und Migration beobachten. Fachdidaktiken wäre prädestiniert, unterstützt von den Fächern, hier einerseits als Reflexionsinstanz, andererseits als Impulsgeber oder als Instanz einer professionellen, auf Kompetenzförderung ausgerichteten Vermittlung zu fungieren. 2.1.3 Beiträge der Fachdidaktik zur Fachgrenzen überschreitenden Zusammenarbeit in der Forschung Die eingangs beschriebene Brückenfunktion der Fachdidaktiken macht diese für grenzüberschreitende Projekte interessant: Ein bedeutsames Feld für gemeinsames Forschen ist die (empirische) Bildungsforschung. Studien von Fachdidaktikern und empirischen Bildungsforschern beziehen sich u.a. auf Kompetenzforschung, alle Formen von Interventionsforschung und fachbezogene Interessensforschung. Die Kooperation zwischen empirisch forschenden Erziehungswissenschaftlern und Fachdidaktikern ist nicht nur von der Sache her geboten, sie wird auch von den Drittmittelgebern zunehmend eingefordert. Das Argument, dass es erst, wenn Fachliches und Methodisch-Methodologisches zusammenwirken, gelingen kann, z.B. diziplinspezifische Kompetenzausprägungen zu erfassen, lässt sich auf Bereiche wie die Medienerziehung oder das digitale Lernen, den Spracherwerb von Migranten oder die interkulturelle Bildung übertragen. Die Einsicht, dass in diesen Disziplinen eine ausschließlich überfachliche Ausrichtung der Forschung um fachlich-fachdidaktische Zugriffe erweitert werden muss, setzt sich inzwischen durch. Wortschöpfungen wie „Sprachsensibler Fachunterricht”, „fachspezifische Medienerziehung” oder „digitales Geschichts- oder Physiklernen” 194 markieren disziplinübergreifende Vgl. exemplarisch Lernen an außerschulischen Lernorten. In: Lernchancen Bd.7, Heft 40, S. 6-11. Dort werden geschichtsdidaktische, politikdidaktische, religionsdidaktische und deutschdidaktische Zugänge am Beispiel von kulturellen Bildungslandschaften aufeinander bezogen. 195 Dies liegt auf der Hand, wenn man Kulturräume wie das Ruhrgebiet, den Hamburger Hafen oder den Donauraum vergleicht. 82 Kooperationen unter der Beteiligung von Fachdidaktiken, die jeweils durch Forschung begleitet werden. Darüber hinaus wirken Fachdidaktiken zunehmend auch bei multi- und transdisziplinären Forschungskooperationen mit, sofern die Ausschreibungen z.B. Bildungs-, Identitäts- oder kulturelle Fragen berühren.196 Ein Beispiel hierfür ist etwa die international ausgerichtete Forschungsförderung zu cultural heritage.197 In den dabei entstehenden Forschungskooperationen sind immer häufiger Fachwissenschaften und die zugehörigen Fachdidaktiken als Partner vertreten. 2.1.4 Kooperation im Bereich der Pragmatik: Fachdidaktiken als Partner von Schulen und Vertretern der Zweiten und Dritten Phase der Lehrerbildung Es ist wiederum die Brückenfunktion, die Fachdidaktiken als Kommunikationspartner auch in den pragmatischen Diskursen, z. B. mit Schulen und Lehrern, prädestiniert beziehungsweise eigentlich prädestinieren sollte. Weil Ausbildung und das spätere Lehrersein noch immer eher selten als Einheit im Rahmen einer lebenslangen Kompetenzentwicklung wahrgenommen werden (vgl. oben Kapitel A, III. Lehrerbildung als lebenslanger Prozess), ist das Bewusstsein für die Sinnhaftigkeit einer Kooperation noch nicht sehr ausgeprägt. Für manche Lehrkraft ist die „Weisheit der Praxis” die Leitlinie für schulisches Handeln; diese kommt (scheinbar) auch ohne fachdidaktische Theorie- oder Forschungsfundierung aus. Eine Konsequenz hiervon kann sein, dass Lehrkräfte sich nicht mehr bewusst machen, dass ihre Alltagserfahrungen und Alltagstheorien sich aus überfachlich- erziehungswissenschaftlichen, fachlichen wie fachdidaktischen Elementen speisen, und dass dabei Fehlkonzepte entstehen können, die einen conceptual change sinnvoll oder notwendig machen. 196 Multi- und transdisziplinäre Forschungskooperationen werden häufig bei anwendungsbezogenen Fragestellungen eingefordert. (Vgl. z.B. Ausschreibung der Volkswagenstiftung zu „Mixed Methods“ in den Geisteswissenschaften? – Fördermöglichkeiten für die Verknüpfung und das Zusammenwirken von qualitativhermeneutischen und digitalen Verfahren. URL https://www.volkswagenstiftung.de/fileadmin/downloads/merkblaetter/MB_108_d.pdf ). Gegenstand und Fragestellung erfahren in der multidisziplinären Kommunikation eine besonders intensive Diskussion. 197 Ausschreibungen nicht zuletzt auch in EU-weiten Programmen wie HORIZON 2020 legen die Kooperation ebenso nahe wie die von den Trägern geforderte Einbeziehung von Fachdidaktikern in wissenschaftliche Beiräte, z.B. von Gedenkstätten und Museen oder Entwicklungsprojekten im Naturraum. 83 Umgekehrt können manche Fachdidaktiker ihre Erkenntnisse nicht mehr so „lehrer- und schulnah” formulieren,198 dass sie als Theorie für die Praxis wirksam werden können. Das Konzept des scientist practioner wird in Kapitel B II als Lösungsansatz für dieses Dilemma vorgestellt. Es eröffnet die Chance, dass Lehrkräfte wie Wissenschaftler von einer als Einheit verstandenen Lehrerbildung profitieren können. Es unterstützt, dass fachdidaktische Einsichten in der schulischen und außerschulischen Bildungsarbeit erfolgreich zur Anwendung kommen und ermöglicht, dass von den Lehrkräften Impulse für Forschung und Lehre ausgehen können. Dabei ist es eine der Herausforderungen für die Kommunikation zwischen Lehrkräften und Fachdidaktikern, den Kern von Problemen und Lösungsansätzen zu erkennen und so eine Verknüpfung zwischen dem schulischen Alltag und aktuellen Forschungsansätzen herzustellen. 2.2 Resümee: Herausforderung an die Fachdidaktiken Fachdidaktiken sind in der Lehrerbildung an vielen Stellen von Bedeutung, vorrangig geht es um die systematische Förderung von fachbezogener Unterrichtskompetenz. Daneben stehen aber weitere Handlungsfelder, für die Fachdidaktiken aufgrund ihrer Transdisziplinarität prädestiniert sind (außerschulische Bildung, grenzüberschreitende Forschung, pragmatische Kooperationen mit Schule und Vertretern der weiteren Phasen der Lehrerbildung). Die obige Ausdifferenzierung verdeutlicht die Chancen, die sich daraus für die Weiterentwicklung von Schule aber auch Universität ergeben. Es muss aber auch auf die damit verbundenen Probleme hingewiesen werden: Die Vielfalt der Aufgaben droht die Fachdidaktiken inhaltlich wie personell zu überfordern. Im konkreten Fall kann das die transdisziplinäre Forschungskooperation betreffen, die außerschulische Bildung oder die pragmatische Kommunikation. Entgehen kann der Einzelne der Überforderung vermutlich nur durch Realismus und kluge Beschränkung. Es ist kaum möglich, dass einer allein alle Felder bespielen kann; in Teams und in Abstimmung untereinander zu arbeiten, sollte die Lösung sein. Politisch muss dagegen für alle Fachdidaktiken, gerade unter Bezug auf die positiven Beispiele einzelner Vertreter, eine weitere Stärkung eingefordert werden. 198 Für manchen Fachdidaktiker ergibt sich aus der Tatsache, dass die Universität sein Handlungsfeld ist, mehr oder weniger ausgeprägte Schulferne; Praxis als Grundlage und Ziel fachdidaktischer Forschung geraten so tendenziell aus dem Blick. 84 In der universitären Lehre muss es um den zeitlichen Rahmen gehen, der für fachdidaktische Studien zur Verfügung steht und im Vergleich zu den Aufgaben und den Möglichkeiten der Fachdidaktiken nach wie vor zu gering ist. Um die Kompetenzen der Fachdidaktiken für schulische wie außerschulische Bildung zu stärken, bedarf es zusätzlicher Forschungs- und Lehrkapazität. In der grenzübergreifenden Forschung können nur diejenigen sicher bestehen, die über die disziplinspezifischen Theorien und Methoden ihrer Fachdidaktik hinreichend verfügen. Hier sollten methodologische und theoretische Defizite durch gezielte Nachwuchsarbeit vermieden werden. Um mit den als „Weisheit der Praxis” erlebten Alltagstheorien (in der Schule, der außerschulischen Bildung oder den weiteren Phasen der Lehrerbildung) konstruktiv umgehen zu können, braucht es einen conceptual change im Selbstverständnis der Lehrkräfte, der durch Lehrerbildung angelegt werden muss. (Vgl. hierzu das Kapitel B II. Ansatzpunkt: Das Selbstverständnis von Lehrkräften als scientist practitioner). Hier können Fachdidaktiken mit Beiträgen aus Forschung und Lehre mitwirken. Obwohl noch viel zu tun bleibt, haben die Fachdidaktiken insgesamt gesehen die Chancen seit ihrer Etablierung als Wissenschaftsdisziplinen genutzt. In allen Felder gibt es herausragende Vertreter, wobei es nicht mehr um einzelne Leuchtturm-Beispiele handelt: Die Dichte überzeugender fachdidaktischer Leistung hat zugenommen; nicht zuletzt ist dies durch Drittmittelförderung möglich geworden. 3. Fachwissenschaften 3.1 In-Depth Content Knowledge Die Forderung, dass Lehrkräfte über ein tiefes und flexibles Verständnis der den Unterrichtsfächern entsprechenden Disziplinen verfügen können sollten, wurde bereits dargestellt (vgl. Kapitel A, III, 2.1 Der Erwerb tiefen und flexiblen Wissens als Grundlage für die Entwicklung von Lehrerkompetenz). An der Universität ist es die Aufgabe der Fachwissenschaften, einen entsprechenden Wissens- und Kompetenzaufbau zu ermöglichen. Auf den ersten Blick scheint damit keine besondere Herausforderung und schon gar keine lehramtsspezifische verbunden zu sein: Welcher junge Wissenschaftler müsste nicht lernen, 85 seine Domäne tief und flexibel zu verstehen? Und welcher Fachdozent wäre nicht in der Lage, dies zu vermitteln? Auf den zweiten Blick wird die Schwierigkeit der Aufgabe für die Fachwissenschaft jedoch deutlicher: Die Anforderung besteht darin, Lehramtsstudierende dabei zu unterstützen die Prinzipien und grundlegenden Konzepte der Disziplinen so sicher zu verstehen, dass sie einerseits das aktuelle Fachverständnis und Tendenzen für die Weiterentwicklung erfassen,199 andererseits interdisziplinäre Bezüge herstellen lernen,200 insbesondere auch zu ihren weiteren Fächern. Dabei sollten sie die Relevanz der fachspezifischen Prinzipien und Konzepte für das Verstehen der gegenwärtigen Welt und für die Planung der Zukunft klar vor Augen haben. Gerade mit der Forderung nach der Berücksichtigung von Interdisziplinarität und Anwendungsbezug, insbesondere von prognostischer Relevanz, wird mehr eingefordert als manche Wissenschaften zu ihrem Selbstverständnis zählen. Nicht jeder Althistoriker, Mediävist, Gender- oder Zeithistoriker sieht es als seine Aufgabe, zentrale Kategorien wie Gesellschaft, Kultur oder Wirtschaft nicht nur in der Spezifik seiner Teildisziplin zu betrachten, sondern auch die Veränderung zwischen den Epochen und bis in Gegenwart und Zukunft einzubeziehen oder Epochenspezifisches mit Entwicklungen in anderen Disziplinen zu vernetzen.201 Genau dazu sollten angehende Lehrkräfte aber befähigt werden, wenn von ihnen mit Lee Shulman erwartet wird, dass sie ihre Schüler „according to today’s standards“ ausbilden, ihnen dabei helfen „[to] create useful cognitive maps, relate one idea to another“, wenn sie in der Lage sein sollen, eine drohende Entstehung von „misconceptions“ bei ihren Schülerinnen und Schülern frühzeitig zu erkennen und gegenzusteuern, wenn sie auf die Schülerfrage, warum etwas gelernt werden soll, mit Hinweisen darauf reagieren können 199 In Bezug auf Geschichte müssten als epistemologische Prinzipien u.a. ihr Konstruktcharakter, die Perspektivität der Quellen, Darstellungen und Rezeptionen, die Partikularität der Überlieferung und Selektivität der Fragestellungen erkannt werden, die in summa das heute dominante narrative Geschichtsverständnis definieren. Kultur, Politik, Gesellschaft, Wirtschaft, aber auch Gender, Performanz, Mentalität sowie Raum und Zeit müssten als systematisierende Kategorien erkannt werden, unter denen Vergangenes erforscht und in Bezug zu Gegenwart und Zukunft gesetzt werden können. In Bezug auf jede Kategorie ergeben sich zentrale Konzepte, um Entwicklungen und Veränderungen sachgemäß erfassen und in den inter- und transdisziplinären Diskurs einbringen zu können: Bezogen auf „Politik” z.B. Formen der Herrschaft und ihrer Regulierung, Krieg und Frieden, Institutionen usw. Der re-konstruierende, letztlich auf Quellen verwiesene Umgang mit Vergangenem wird durch die historische Methode reguliert, der de-konstruierende, auf bereits vorhandene Darstellungen bezogene Umgang wird durch text- und medienanalytische Methoden bestimmt. Tendenzen der Weiterentwicklung verweisen auf eine weitere Ausweitungen des Untersuchungsgegenstands und die damit verbundene Ausweitung des Quellencorpus und auf die weitere Bedeutungszunahme vergleichender Studien. 200 Zu den Philologien ergeben sich Bezüge u.a. durch die gemeinsame Auseinandersetzung mit Narrationen, zu den Raum und Sachdisziplinen über die kategorialen Zugriffe und Konzepte, mit denen in der Geschichtswissenschaft gearbeitet wird, mit den Kulturwissenschaften gibt es zudem über den Ansatz der Deund Re-Konstruktion methodologische Berührungen und durch den gemeinsamen Gegenstand zeitdimensionsbezogene und zeitübergreifende Erkenntnisse. 201 Analoges gilt für andere Disziplinen: Auch für Theologen, Wirtschaftswissenschaftler, Philologen sind Anwendungsbezug und Orientierung über die Zeitdimensionen hinweg keine Selbstverständlichkeit. 86 sollen, „how ideas connect across fields and to everyday life“202, wenn sie selbst im Sinne des Lebenslangen Lernens in der Lage sein sollen, den Anschluss an zentrale Entwicklungen, vielleicht sogar Paradigmenwechsel zu behalten.203 Die Herausforderung an die Fachwissenschaften steigert sich darüber hinaus, wenn man bedenkt, dass Lehramtsstudierende ihr auf mehrere Fächer bezogenes Studium in der begrenzten Zeit von in Bayern sieben oder neun Semestern (in den anderen Bundesländern stehen immerhin zehn Semester zur Verfügung) absolvieren müssen. Die fachliche Kompetenz für ein tiefes und flexibles Verständnis muss also in geringer Studienzeit aufgebaut werden. Dies erfolgt zudem im Bewusstsein, dass die eigene Professionalität nicht in der Forschung liegen wird, sondern in der Vermittlung. Dennoch ist unbestritten und durch viele positive Beispiele belegt, dass fachwissenschaftliche Dozenten aufgrund ihrer Qualifikation in der Lage sind, ihr Fach in der von Shulman skizzierten Weise zu vermitteln, und damit einen outcome bei Lehramts-Studierenden zu ermöglichen, den diese professionsbezogen nutzen können, um ihrerseits ihre Schüler zu fördern. Nicht vergessen werden darf, dass das, was sich für Lehramtsstudierende aus der Komplexität des Berufsfeld Schule ableitet, vermutlich auch Bedeutung für andere Berufsfelder, bis hin zur Fachforschung, hat: Den „Kern“ der Disziplin vor Augen zu haben, interdisziplinär denken zu können, Anwendungsbezüge zu kennen und die Relevanz des Faches für die Zukunft von Welt und Mensch reflektieren zu können, könnte auch Prinzipien einer allgemeinen Berufsbefähigung entsprechen, die in allen gestuften Studiengängen als Ausdruck einer outcome-zentrierten Kompetenzförderung angestrebt wird.204 202 Shulman, L. (1987). Knowledge and teaching: Foundations of the new reform. Harvard Educational Review, 57, 1, S. 1-22. 203 Diese Einschätzung unterstreicht der Wissenschaftsrat, der in seinen Empfehlungen von Oktober 2015 als übergeordnetes Qualifizierungsziel moderner Hochschulbildung definiert: „Fachwissen und -kompetenz sowie die Fähigkeit diese auch außerwissenschaftlich anzuwenden einerseits und die Reflexion der mit der Konstruktion und Nutzung dieses Wissens verbundenen Bewertungsprobleme andererseits. Die Sozialisation in ein Fach ist dementsprechend erst vollendet, wenn die Studierenden auch die theoretischen und methodischen Grenzen von dessen Bezugssystem erkennen und damit die Bedingungen reflektieren können, die den Disziplinen ihre historische Gestalt gegeben haben und sie fortwährend weiter formen.“ Und: „Damit geht ein Verständnis von Hochschulbildung einher, das unmittelbar anschlussfähig ist an die Idee ‚Bildung durch Wissenschaft’“. Vgl. Wissenschaftsrat (Hrsg.) (2015). Empfehlungen zum Verhältnis von Hochschulbildung und Arbeitsmarkt Zweiter Teil der Empfehlungen zur Qualifizierung von Fachkräften vor dem Hintergrund des demographischen Wandels. URL http://www.wissenschaftsrat.de/download/archiv/4925-15.pdf, S. 96). 204 Vgl. hierzu auch Kapitel A. II. 2. Hochschulreform der 2000er Jahre. Weil im Falle der Lehramtsausbildung das Berufsfeld eindeutig bestimmt ist, und die notwendigen Kompetenzen klar zu definieren sind, haben sich mit Fachdidaktiken und Erziehungswissenschaften entsprechende Berufswissenschaften entwickelt (vgl. die Hinweise in diesem Kapitel zu Fachdidaktiken und Erziehungswissenschaften). Zudem lässt sich der TheoriePraxisbezug näher ausführen; grundlegende handlungsbezogene Kompetenten können aufgebaut werden (vgl. das folgende Kapitel zu Theorie-Praxisbezug). 87 Sich als Fachwissenschaftler für die Förderung der beschriebenen Form der Wissens- und Kompetenzentwicklung zuständig zu fühlen,205 kann durch eine auf diese Ziele abgestimmte Lehre realisiert werden. Ein wichtiger Beitrag zum Aufbau „tiefen und flexiblen Wissens” ist z.B. bereits geleistet, wenn (1) die Auswahl der Inhalte und der Fragestellungen der Lehrveranstaltungen den Studierenden gegenüber aus ihrer Bedeutung für das Fachverständnis begründet wird. Die begründete Themenwahl ist später nämlich eine der wichtigsten Aufgabe von Lehrkräften (vgl. oben die Hinweise zum Warum, Was und Wie als Element der Förderung von Unterrichtskompetenz). Dazu kommt als weiterer Schritt (2), in den universitären Lehrveranstaltungen explizit den „Kern“ der jeweils behandelten Themen herauszuarbeiten. Gemeint sind damit die zentralen „Kategorien und Konzepte”, die jeweils die Domäne systematisieren; sie werden exemplarisch an Fallbeispielen konkretisiert. Wer die Konzepte kennt, die eine Domäne kategorial fassbar machen, verfügt nicht nur über maßgebliche Fach- und Sachkompetenzen. Er hat sich auch eine Grundlage dafür geschaffen, inner- und transdisziplinäre Verbindungen herzustellen. Solche Möglichkeiten der Vernetzung exemplarisch in den Lehrveranstaltungen zu verdeutlichen, wäre ein drittes Beispiel (3), das dazu dient, das Verfügen-Können über ein tiefes und flexibles Verständnis des Faches zu fördern. Den Schülerinnen und Schülern gegenüber jeweils konkrete Anwendungsbezüge, die dazu dienen, die Gegenwarts- und Zukunftsrelevanz des Gelernten darstellen zu können, bezeichnet Shulman als Ausdruck von Lehrerkompetenz. Auch wenn die Beispiele zeigen, dass keine grundsätzliche Veränderung von Lehre notwendig ist: Für Dozentinnen und Dozenten, die diese explizite Reflexion bislang nicht als Element ihrer Lehre verstehen, bedeuten diese Veränderungen dennoch einen fundamentalen mentalen Wandel. Studienreformen können ihn nur unterstützen, nicht aber im Einzelfall durchsetzen. Hilfreich, ja notwendig ist, dass Reformen klare Prinzipien verfolgen und Strukturen schaffen, die derartige Veränderungen erleichtern. In diesem Sinne macht die Bologna-Reform Kompetenzorientierung zum Prinzip. Die Auswirkungen der Umstellung hin zum outcome auf ein die Fachausbildung traditionell dominierendes input-bezogenes Organisationsprinzip wird nachfolgend skizziert. Es geht um die Polyvalenz des Angebots zwischen fachwissenschaftlichen Studiengängen und Lehramtsstudiengängen. 205 Weniger charmant spricht die OECD-Lehrerstudie von der Notwendigkeit, die „Resistenz der Fachwissenschaften (Unterrichtsfächer), sich den Problemen der Lehrerbildung zu stellen” aufzugeben. (Vgl. Döbrich, P., Klemm, K., Knauss, G. & Lange, H. (2004), S.23f). 88 3.2 Polyvalente Nutzung fachwissenschaftlicher Module. Strukturelle Überlegungen Die gemeinsame Ausbildung von Lehramts- und Fachstudierenden in den Fachwissenschaften hat lange Tradition, dennoch bleibt sie nicht ohne Kritik. Dabei hat, was kritisiert wird, nicht immer Substanz.206 Im Folgenden wird deshalb nicht auf die einzelnen Kritikpunkte eingegangen. Vielmehr soll die Auseinandersetzung mit Polyvalenz strukturell erfolgen, indem gefragt wird, inwiefern es möglich ist, bei polyvalentem input dennoch einen lehramtsspezifischen outcome zu ermöglichen und worin Grenzen bestehen, die bei einer Reform der Lehrerbildung beachtet werden müssten. In diesem Zusammenhang wird aber auch diskutiert, inwiefern die bislang fast ausschließlich in Mathematik vollzogene Teilung des Studienangebots (in Schul-Mathematik und Fach-Mathematik), auch für andere Fächer zu überlegen wäre. 3.2.1 Ausgangslagen: Zur Struktur von Fach- und Lehramtsstudiengängen Vergleicht man das Fach- mit dem Lehramtsstudium, so absolvieren Fachstudierende eine größere Zahl an Fachmodulen. Dies wird nicht nur genutzt, um das Fach in seiner Breite zu verdeutlichen, sondern vor allem zur Vertiefung, Spezialisierung und individuellen Profilierung. Das Mehr an Modulen unterschiedlicher Themen und Tiefe unterstützt den Aufbau und die Sicherung der fachlichen Kompetenzen. Für interdisziplinäre Vernetzung, allgemeine Berufsbefähigung oder die Vorbereitung auf konkrete Anwendungssituationen ist im Fachstudium aber oft kaum Raum vorgesehen. Die Limitierung der Studienzeit, die sich für die Lehramtsstudierenden aus dem Studium mehrerer Fächer ergibt, betont Grundlegungen und Einführungen und reduziert die Möglichkeiten der forschungsnahen Vertiefung und der an individuellen Interessen orientierten Profilbildung. Aus dieser Studienstruktur ergibt sich die Notwendigkeit, den 206 Von Lehramtsseite hört man z.B. im Lehrangebot der Fachwissenschaften würde zu wenig berücksichtigt, was Lehramtsstudierende später im Unterricht zu „behandeln” hätten. Dozentinnen und Dozenten der Fachwissenschaft seien weder in der Lage, noch bereit in ihren Lehrveranstaltungen auf Lehramtsstudierende als Adressaten zu reagieren. Das Maß ihrer Veranstaltungen seien immer die Fachstudierenden. Dies gelte selbst dann, wenn eine Veranstaltung fast ausschließlich von Lehrstudierenden besucht würde. Umgekehrt ist von Fachdozenten manchmal zu hören, Lehramtsstudierende würden das Niveau von Lehrveranstaltungen senken; sie seien weniger motiviert, weniger fachkompetent, weniger einsatzbereit, manchmal wird sogar behauptet, weniger intelligent als Fachstudierende. 89 Aufbau eines tiefen und flexiblen Fachverständnisses explizit durch darauf ausgerichtete Lehre zu unterstützen (s.o.). Zugleich schafft das Studium in mehreren Fächern Möglichkeiten für die Entwicklung von inter- und transdisziplinärer Kompetenz. Ein weiteres Spezifikum betrifft den Berufsfeldbezug. Weil Schule als Berufsfeld der Lehramtsstudierenden klar umrissen ist, haben sich Berufswissenschaften (Fachdidaktiken und Erziehungswissenschaften) herausgebildet, die die schulischen Handlungsfelder akademisch erschließen. Möglichkeiten eines vielfältigen, auf das Berufsfeld Schule bezogenen Theorie- und Praxisbezugs bestehen; in Praktika werden die erworbenen Kompetenzen konkret und situativ angewandt. Unter Bezug auf die geschilderten Strukturen des Fach- und Lehramtsstudiums werden im Folgenden Überlegungen für polyvalente Angebote dargestellt und Grenzen sowie die damit verbundenen Herausforderungen markiert. 3.2.2 Vom Verhältnis von Schulfach und wissenschaftlichen Disziplinen Die Trennung von Schulfach und Wissenschaftsdisziplin zählt in der Mathematik zum unhinterfragten common sense.207 Studierende nicht-gymnasialer Schularten brauchen keine Fachmathematik (und – so die häufig damit verbundene Annahme – wären wohl auch gar nicht fähig, sie zu erlernen). In der Forschung weitgehend ungeklärt ist, inwiefern ein Zusammenhang zwischen Kompetenzen in Bezug auf die Schulmathematik und die Fachmathematik besteht.208 In der Praxis hat die Trennung auf jeden Fall nicht vermeiden können, dass das gesellschaftliche Interesse an der Ausprägung mathematischer Kompetenzen sehr unterschiedlich ausfällt. Aus wirtschaftlichen Gründen wird vor dem geringen Interesse und der niedrigen Ausprägung von MINT-Kompetenz gewarnt; Maßnahmen zur Gegensteuerung werden ergriffen. Lebensweltlich wird der Mangel an MINT-Kompetenz aber eher augenzwinkernd kommentiert:209 Zuzugeben, dass man selbst über keine 207 Vgl. exemplarisch die auf das Schulfach bezogene Definition von Fachkompetenz für Lehrkräfte in den COACTIV-Lehrer-Studien, Kapitel B III. 3.2 COACTIV: Professionswissen von Lehrkräften, kognitiv aktivierender Mathematikunterricht und die Entwicklung mathematischer Kompetenz bei Schülern. Eine ausschließliche Beschränkung auf Schulmathematik erfolgt für die nicht-gymnasialen Schularten; für Gymnasialstudierende sind dagegen auch polyvalente Angebote mit Fachstudierenden üblich. 208 Steht Schulmathematik bereits für mathematisches Denken? Wenn ja, wie ist das Verhältnis zueinander? Worin bestehen kategorial gesehen die Unterschiede, was bedeutet das für das Verständnis mathematischer Kompetenz? 209 Vgl. z.B. Freistetter, F. (2010). Blogpost. Keine Ahnung von Mathe zu haben ist nicht cool! URL http://scienceblogs.de/astrodicticum-simplex/2010/02/03/wer-keine-ahnung-von-mathematik-hat-ist-dumm. 90 entsprechende Kompetenzen verfügt, wird nicht als peinlich empfunden, wie dies etwa bei Lesekompetenz, Fremdsprachenkompetenz oder auch bei kulturellen Kompetenzen der Fall wäre. Ob diese Einstellung im Zusammenhang mit dem Fachverständnis der Lehrkräfte steht, inwiefern die Konzentration des Lehramtsstudiums auf die traditionelle Schulmathematik hierfür ggfs. Mitverantwortung trägt, ist, wie bereits angesprochen, nicht näher untersucht. Im Gegensatz dazu gehen insbesondere geistes- und kulturwissenschaftliche Domänen, wie z.B. die Geschichte, von der theoretisch fundierten Annahme aus, dass fachliches Denken auf allen Niveaus Kompetenzen in denselben Kompetenzbereichen verlangt und die Unterschiede in der Ausprägung der Niveaus liegen. Für die Geschichte bestätigen erste empirische Nachweise diese theoretischen Annahmen.210 Die Fachtheorie (epistemologische Prinzipien) spielt in den Domänen, die ein GesamtStrukturmodell vorschlagen, eine besonders wichtige Rolle, ebenso Annahmen des (gemäßigten) Konstruktivismus. Eine Konsequenz daraus ist, dass die Auswirkung von Gegenwarts- und Zukunftsproblemen auf die Entwicklung wissenschaftlicher Fragestellungen, auf die methodologische und methodische Weiterentwicklung der Domäne oder auf die Deutungs- und Sinnbildungskonzepte der Ergebnisse als konstitutiv anerkannt wird. Daraus folgt zweierlei: (1) In diesen Fächern können Vorgaben aus Bildungsstandards oder Lehrplänen keine steuernde oder gar bindende Wirkungen für die universitäre Ausbildung haben. (2) Schulgeschichte (als Beispiel herausgegriffen), die sich von den Prinzipien und Ergebnissen historischer Forschung entfernt, kann es nicht geben. Paradigmenwechsel der Domäne müssen auch im Schulfach vollzogen werden, nicht zuletzt deshalb, weil die Schüler durch Geschichtsunterricht zu historischer Orientierung befähigt werden sollen, die es ihnen ggfs. erlaubt, sich kritisch und ablehnend gegenüber (scheinbar) historisch legitimierten Gegenwartentscheidungen zu verhalten. Die grundsätzlich gemeinsame Ausbildung von Fach- und Lehramtsstudierenden ergibt sich in diesen Fächern somit sachlogisch. Dass daraus keine unspezifische Polyvalenz für alle Module folgen kann, sondern sehr genau überlegt werden muss, welche Module verpflichtend für alle Studierenden sein können, welche im Wahlpflicht- bzw. Wahlbereich für Fach- bzw. Lehramtsstudierende verortet werden müssen, wird im Folgenden herausgearbeitet. 210 Zu den Ausprägungen niedrigerer Niveaus vgl. Zabold, S.: Vor dem ersten Geschichtsunterricht: zur empirischen Erschließung des historischen Denkens junger Lerner. Dissertationsmanuskript, angenommen; zu den Ausprägungen bei Studierenden vgl. Waldis, M./ Marti, P./ Nitsche, M.: Angehende Geschichtslehrpersonen schreiben Geschichte(n) – Zur Kontextabhängigkeit der Erfassung narrativer Kompetenz. Zeitschrift für Geschichtsdidaktik 2015, S. 63-86. 91 3.2.3 Klassifizierung polyvalenter Angebote als Pflicht-, Wahlpflicht oder Wahlmodule 3.2.3.1 Pflichtmodule Zu den Pflichtmodulen für alle Fach- wie Lehramts-Studierenden müssen Einführungen in die inhaltlichen und methodischen Standards der Fächer und in deren aktuelle Forschungsausrichtung gehören. Bei der Entscheidung, welche Module dem Pflichtbereich und welche dem Wahlpflichtbereich zugeordnet sind, sollte sorgfältig abgewogen werden. Pflichtcharakter haben nur die Module, die für jede Schwerpunktsetzung, sei diese berufsfeldbezogen oder inhaltlich, unerlässlich ist. Dabei bietet es sich an, bestimmte Module für die eine, aber nicht für die andere Studierendengruppe verpflichtend zu setzen. Dies soll an zwei Beispielen verdeutlicht werden: 1. Aus der Einsicht in den Konstruktcharakter und die Zeitgebundenheit der Fachforschung ergibt sich eine grundsätzliche Verantwortung der Wissenschaft, eine Korrektivfunktion gegenüber dem öffentlichen Umgang mit ökonomischen, politischen, theologischen, historischen, technischen oder naturwissenschaftlichen Themen zu übernehmen. Gerade für Wissensgesellschaften ist diese Korrektivfunktion von fundamentaler Bedeutung. Daraus folgt der Anspruch an die Fachwissenschaften, sich mit außerschulischen aber auch schulischen Bildungsangeboten kritisch auseinanderzusetzen. Die Forderung, die sich daraus für die Studiengangkonstruktion und damit für die Frage der polyvalenten Angebote ergibt, wäre, Module (oder Lehrveranstaltungen als Teil von Modulen) zu konzipieren, die Studierende auf diese Aufgabe vorbereiten. Sie wären Teil der allgemeinen Berufsbefähigung für Nicht-Lehramtsstudierende. Die Veranstaltungen sollten deren Praxismodule vorbereiten oder begleiten211 und für sie verpflichtend sein. Lehramtsstudierende sollten für diese Module zugelassen sein; allerdings sollten die Angebote für sie nur den Charakter von Wahlmodulen haben und zur Profilbildung in Bezug auf die außerschulische Bildung gewählt werden können. 211 Die in Bezug auf Lehramtsstudierende vorliegende Praktikumsforschung zeigt nämlich, dass akademische Vorbereitung und Reflexion maßgeblich für den Erfolg von Praktika sind (vgl. Kapitel A IV 5.1.3 Herausforderungen für die aktuelle Reform der Lehrerbildung in Bezug auf den Theorie-Praxiszusammenhang). 92 2. Umgekehrt gibt es auch Modulangebote, die zum Pflichtkanon ausschließlich für Lehramtsstudierende gehören müssen. Es handelt sich etwa um schulbezogene Praxismodule, um Module, die sich als Konsequenz daraus ergeben, dass in den Schulfächern Kenntnisse zu Inhalten und Methoden entwickelt werden müssen, die im Fachprofil aus unterschiedlichen Gründen keine Rolle spielen oder nur noch am Rande thematisiert werden212 oder um Module, die sich aus der Schulartspezifik213 oder der Schulfachspezifik214 ergeben. Es muss fallweise entschieden werden, ob auch Fachstudierende die Module wählen können sollen; dies ist nicht immer sinnvoll. 3.2.3.2 Wahlpflichtbereich Forschungsnahe Vertiefungen müssen im Wahlpflichtbereich verortet werden; dies ergibt sich aus den unterschiedlichen Studienumfängen von Lehramts- und Fachstudiengängen und aus der Möglichkeit der Schwerpunktsetzung für Fachstudierende. Dabei gilt: Auch wenn Lehramtsstudierende aus allen Vertiefungsangeboten Erträge für die spätere Lehrertätigkeit ziehen können, wie nachfolgend am Beispiele der Kombimodule verdeutlicht werden wird,215 ist unstrittig, dass es Themen gibt, mit deren Hilfe tiefes und flexibles Wissen und darauf aufbauend Sachkompetenzen einfacher entwickelt werden können, und andere, bei denen dafür mehr Engagement und umfänglichere (Meta-)Reflexionen notwendig sind. Eine entsprechende Einschätzung der Semesterangebote durch die Dozenten wäre für Studierende hilfreich. Das Label „nur für Lehramt” wäre bei diesem Modultyp dagegen unsinnig, nicht nur deshalb, weil Lehramtsstudierende für sich auch anspruchsvollere Wege wählen können sollen, sondern auch weil der Hinweis auf niedrigere Hürden auch für Fachstudierende wertvoll sein kann, z.B. wenn sie am Anfang ihres vertiefenden Studiums stehen oder wenn sie ihren Schwerpunkte eigentlich in anderen Bereichen haben. In den Wahlpflichtbereich gehören auch Module, die für alternative Schwerpunkte stehen. Die Angebote für den Wahlpflichtbereich können polyvalent erfolgen; die geforderten ECTSPunkte müssen allerdings Rücksicht auf die unterschiedlichen Studienumfänge nehmen. 212 Ländergeographie oder Grundlagen zu Literaturgattungen wären inhaltliche Beispiele. Z.B. Landes- und Regionalgeschichte für angehende Grundschullehrpersonen. 214 Dies gilt u.a. für Fächer wie Sozialkunde oder Arbeitslehre, die mehrere Disziplinen als Bezugsdisziplinen haben. 215 Vgl. Kapitel A IV, 6.3.2 Handlungsfelder Unterrichten/ Beraten - Förderung der Querschnittskompetenzen mit Hilfe von Kombimodulen. 213 93 3.2.3.3 Wahlbereich Im fachbezogenen Wahlbereich geht es darum, (zukunftsfähige) Forschungsansätze an Themen und mit Zugriffen zu vertiefen, die individuelle Interessen und Fähigkeiten berücksichtigen und deshalb der Profilbildung dienen, aber für eine tragfähige Grundlegung fachlicher Kompetenzen nicht unbedingt notwendig sind. Nicht alle Module einer Domäne gehören in den Wahlbereich für Lehramtsstudierende vice versa für Fachstudierende. Volle Wahlfreiheit für alle Studierenden ist immer auch ein Indikator für mangelnde Planung der Studiengangsverantwortlichen; kein Raum für Wahlmodule spricht für eine zu enge Bevormundung der Studierenden. Polyvalenz hat also auch in Bezug auf den Wahlbereich ihre Grenzen. 3.2.4 Modul-Niveaus und Ordnungen Eine strukturelle Herausforderung, die im Rahmen polyvalenter Angebote entstehen kann, ist bislang ausgeklammert worden: Die Zuordnung von Modulen zum Bachelor- bzw. Masterniveau. Es kann nicht generell davon ausgegangen werden, dass die Module, die in den Fachstudiengängen, insbesondere in Ein-Fach-Studiengängen als Bachelormodule definiert sind, auch im Studium der einzelnen Lehrämter oder in interdisziplinären Fachstudiengängen in der Bachelorphase absolviert werden können. Dafür müssen Lösungen in Studien- und Prüfungsordnungen gefunden werden. Zwei Typen von Ordnungen können unterschieden werden. Am häufigsten entscheiden Universitäten sich für (1) getrennte Bachelor- und Master-Rahmenordnungen für Lehramtsund Fachstudiengänge. Denkbar ist aber auch (2) eine Gesamt-Rahmenordnung für alle Bachelor- und Masterstudiengänge einer Universität vorzulegen, in der Lehramts- bzw. Fachstudiengänge nur als eigene Profile ausgewiesen werden. In Bayern kommt als dritter Ordnungstyp notwendig die Lehramtsordnung hinzu, die die grundständigen Lehramtsstudiengänge mit dem Abschluss Staatsexamen regelt. Weil hier die Zuordnung der Module zu einem Niveau der gestuften Studiengänge keine Rolle spielt (bestimmend sind lediglich die Vorgaben in der LPO und den Kerncurricula) wird auf diese Varianten im Folgenden nicht näher eingegangen. In der ersten Ordnungsvariante (getrennte Bachelor- und Master-Rahmenordnungen für Lehramts- und Fachstudiengänge) ist in Bezug auf die Zuweisung von Modulen zum 94 Bachelor- und Masterniveau lediglich zu beachten, dass die jeweils im Lehramt bzw. im Fachstudium wählbaren Fachmodule in der Summe einen fachbezogenen Kompetenzaufbau auf Bachelor- und Masterniveau markieren und eine Doppelanrechnung ein und desselben Moduls im Bachelor- wie im Masterstudiengang ausgeschlossen ist. Im zweiten Fall gestalten sich die Ausweisung eines studiengangadäquaten Bachelor- und Masterniveaus und die Berücksichtigung des Niveaus einzelner Module ungleich schwieriger. Die unterschiedliche Studienausrichtung (Qualifikationsprofil) im Lehramts- und Fachstudienprofil macht studiengangspezifische Vorgaben für die Wählbarkeit von Modulen notwendig. Es müssen Wege gefunden werden, diese ordnungskonform zu definieren. Insbesondere können Probleme entstehen, wenn Module für alle Profile als Pflichtmodule ausgewiesen werden, statt dass sie den Pflichtstatus nur für das fachwissenschaftliche bzw. das Lehramtsprofil bekommen. Dies hat zur Folge, dass die Studierenden Module unabhängig von ihren Qualifikationsprofil, aufgrund einer Verwaltungsvorschrift wählen müssen und zugleich den für eine individuelle Kompetenzentwicklung bedeutsamen Freiraum verlieren. Für beide Strukturentscheidungen gibt es Argumente. Keine von beiden kann aber realisiert werden, ohne dass dafür je spezifische Kompetenzen in der Prüfungsverwaltung und in der Studiengangkoordination aufgebaut werden. Insbesondere muss eine regelmäßige fachliche Abstimmung zwischen den Dozenten stattfinden. Weil die Regelungen nur zum Teil innerfachlich sind, weil sie zum Teil generell die Abstimmung zwischen Lehramtsstudium und Fachstudium betreffen, müssen sie auch überfachlich erfolgen. Der Ort der überfachlichen Koordination der Lehramtsstudiengänge bzw. des Lehramtsprofils sind die Lehrerbildungszentren. Dies ist im Hochschulrahmengesetz angelegt und wird von den Akkreditierungsagenturen in der Regel auch explizit eingefordert. Der Abstimmungsbedarf ist bei der Profillösung ungleich höher; der Verwaltungsaufwand dagegen sollte hier in Summe etwas geringer sein. Die vorsichtige Formulierung ergibt sich daraus, dass diese Variante bislang kaum realisiert wird.216 216 Zwei Beispiele werden aufgeführt: Die Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt ist dabei, mit dem Ziel der Verwaltungsvereinfachung das Studienmodell Lehramtplus, in eine gemeinsame Ordnung mit Fachstudiengängen zu bringen. 2. Gezwungen durch Vorgaben der KMK musste die Hochschule Bochum für einige Jahre eine Profillösung einführen: Ursprünglich war geplant, die Differenzierung in Lehramtsstudiengänge und Fachstudiengänge ausschließlich in der Masterphase zu verorten. Die Vorgabe der KMK, dass auch in der Bachelorphase bereits lehramtsbezogene Module und Praxisphasen an Schulen angeboten werden müssen, zwang in Veränderung des Ausgangskonzepts zur Einführung von Profilen. Dies führte zu Brüchen und Doppelungen, die ihrerseits Auflagen der Akkreditierungsagentur für die Fächer nach sich zogen. Bei der Re-Akkreditierung wurde eine Trennung der beiden Studienausrichtungen vollzogen. 1. 95 Die deutschlandweit am häufigsten verwirklichte Variante ist die Trennung zwischen Lehramts- und Fachstudiengängen. Zahlreiche Universitäten (wie z.B. die Universität Hamburg217) ermöglichen für das lehramtsbezogene Bachelorstudium den Abschluss-Grad eines Bachelor of Arts oder eines Bachelor of Science. Die Schularten, für die das Studium qualifizieren soll (im Falle Hamburgs: Primarstufe/ Sekundarstufe I – Gymnasium – berufliche Schulen – Sonderschulen) müssen dennoch bereits im Bachelorstudium festgelegt werden.218 Der Abschlussgrad of Arts/ of Science des lehramtsgeeigneten Bachelor-Studiums erlaubt es den Studierenden zu entscheiden, ob sie anschließend ein Studium in einem FachMasterstudiengang oder in einem Lehramtsstudiengang aufnehmen wollen oder in das Berufsleben einsteigen wollen. In ein Referat als zweite Phase der Lehrerbildung können Studierende erst eintreten, wenn sie ein Masterstudium angeschlossen haben, das mit dem Grad eines Master of Education endet. 3.3 Resümee. Herausforderung an die Fachwissenschaften Die Herausforderung für die fachwissenschaftliche Ausbildung von Lehramtsstudierenden ist, dass diese für guten Unterricht über ein tiefes und flexibles Fachverständnis verfügen können müssen, dass für die Ausprägung des dafür notwendigen Wissens und der notwendigen Kompetenzen aber nur wenig Studienzeit zur Verfügung steht. Den entsprechenden Kompetenzaufbau dennoch zu ermöglichen, stellt die Fachwissenschaften vor Herausforderungen, die einmal (1) die Studiengangplanung betreffen, zum anderen (2) die Lehre. 3.3.1 Studiengangsplanung Die Hinweise der OECD-Lehrerstudie, dass die uneingeschränkte Wahlmöglichkeit von Lehramtsstudierenden aus dem Angebot der 217 Fachwissenschaft ein Indikator für Zusammen mit der Universität Erlangen-Nürnberg ist Hamburg die einzige Universität, an der die Fachdidaktiken an einer Erziehungswissenschaftlichen Fakultät verortet sind. Im Lehramt für Primar- und Sekundarschulen I müssen in der Bachelorphase 80 ECTS-Punkte aus beiden Bereichen gewählt werden, im Gymnasialstudium sind dagegen nur 40 ECTS-Punkte vorgeschrieben. Dazu werden zwei Unterrichtsfächer studiert, wobei die Wahlmöglichkeiten eingeschränkt sind. Im Studiengang Primar-/Sekundar I sind mindestens 45 ECTS-Punkte zu absolvieren, im Gymnasialstudiengang wird ein Hauptfach mit 70 und ein Nebenfach mit 60 ECTS-Punkten gewählt. 218 Ein Lehramtstrack bereits im Bachelorstudium ist Konsequenz der deutschlandweit geltenden KMKVorgaben (vgl. Kapitel A, I, 1. Schulreformen der 2000er Jahre). 96 Konzeptlosigkeit und schlecht durchdachte Studienmodelle für die Lehramtsausbildung sind,219 wird durch die eben skizzierten Überlegungen zu Polyvalenz bestätigt: Die Setzung einer vollständigen Polyvalenz zwischen Fach- und Lehramtsstudiengängen birgt Probleme. Es liegt an der begrenzten Studienzeit, der Komplexität des Berufsfelds Schule und daraus folgend der Notwendigkeit, tiefes und flexibler fachliches Wissen in geringer Studienzeit aufzubauen, dass durch übergroße Wahlfreiheit ein gezielten Kompetenzaufbau für Lehramtsstudierende gefährdet wird. Die Lehramtsstudierenden, die als Novizen in den Fächern die Struktur der gewählten Disziplinen noch nicht ausreichend kennen und in der ersten Phase der Ausbildung das Handlungsfeld Schule noch nicht überblicken, brauchen Unterstützung bei den strukturbezogenen Auswahlentscheidungen. Eine geeignete Form der Unterstützung ist die „Vorsortierung der Module” nach Pflicht-, Wahlpflicht und Wahlmodulen. Vollständige Polyvalenz und Wahlfreiheit stört aber auch den Kompetenzaufbau bei Fachstudierenden. Aus der Tatsache, dass ihre späteren Berufsfelder im Studium in der Regel noch unklar sind, ergibt sich z.B. die Konsequenz, eine allgemeine Berufsfähigkeit sicher stellen zu müssen.220 Dies verlangt spezielle Praxismodelle. Aus der Offenheit der späteren Berufsfelder folgt nicht, dass nicht bereits Bachelorstudierende beginnen müssten, durch Schwerpunktbildung ihr Profil zu entwickeln. Welche Module unerlässlich Voraussetzung vor jeder Schwerpunktbildung sind (Pflichtmodule), welche für bestimmte Richtungsentscheidungen/ Schwerpunktsetzungen maßgeblich sind (Wahlpflichtmodule) und welche der individuellen Profilbildung dienen (Wahlmodule) muss auch für sie vorgegeben sein, weil auch Fachstudierende Novizen ihrer Fächer sind und disziplinäre Strukturen noch nicht so sicher überblicken, dass sie fachstrukturell bedingte Auswahlentscheidungen ohne Unterstützung treffen könnten. Zusammenfassend lässt sich also feststellen, dass Polyvalenzen zwischen Fach- und Lehramtsstudium dann sinnvoll sind, wenn sie sich aus Sachgründen ergeben: Sie verlieren ihre Sinnhaftigkeit aber, wenn nur formal argumentiert wird. Damit würden die bereits am Lehramtsstudium aus den Zeiten vor der Bologna-Reform identifizierten Probleme neu belebt. Übergroße Wahlfreiheit stört die Kompetenzentwicklung und erschwert die Förderung des Kompetenzaufbaus. 219 220 Vgl. Döbrich, P., Klemm, K., Knauss, G. & Lange, H. (2004), S. 23f. Vgl. hierzu auch die Hinweise im Kapitel A.I.2. Hochschulreform der 2000er Jahre. 97 3.3.2 Lehre Die Förderung eines gezielten Kompetenzaufbaus erfolgt maßgeblich in der Lehre. Fachwissenschaften stehen vor der Herausforderung, in der geringen Studienzeit Lehramtsstudierende bei der Entwicklung eines tiefen und flexiblen Fachverständnisses zu fördern. Dass dies keine grundlegenden Veränderungen, wohl aber bewusste Berücksichtigung dieser Zielsetzung verlangt, wurde dargestellt. Weil davon auch Fachstudierende profitieren und es bereits genügend positiver Beispiele für die Machbarkeit gibt, sollten die Hürden für eine Optimierung hier nicht zu hoch sein. 4. Erziehungswissenschaften Im allgemeinen Sprachgebrauch werden Lehrkräfte oft auch als „Pädagogen“ bezeichnet, teilweise um explizit zu betonen, dass Erziehen neben Unterrichten ein weiteres entscheidendes Handlungsfeld des Berufsfeldes ist, teilweise, weil das Augenmerk darauf gelenkt werden soll, dass Kinder und Jugendliche die Adressaten des Unterrichts sind, und weder fachliche, noch fachdidaktische Kompetenz allein ausreichen, um Schüler in ihrem Bildungsprozess zu fördern. Auf das Handlungsfeld Erziehen, aber auch auf die Felder Beraten/ Beurteilen, Innovieren und in einem allgemeinen Sinne auf das Feld Unterrichten werden angehende Lehrkräfte in der dritten, überfachlich ausgerichteten Säule der Lehrerausbildung vorbereitet: Länderabhängig ist dabei von Bildungs- oder Erziehungswissenschaften die Rede. Im Folgenden wird von Erziehungswissenschaften gesprochen, wobei der Hintergrund dieser Entscheidung ein Bildungsverständnis ist, das überfachlich und fachlich zugleich ist. Diesem Verständnis folgend tragen die fachbezogenen Disziplinen ebenso zu Bildung bei, wie die überfachlich ausgerichteten; die Verwendung des Begriffes „Bildungswissenschaften” für die dritte Säule wäre insofern irreführend. 98 4.1 Ein Strukturproblem der Erziehungswissenschaften: ihre disziplinäre Heterogenität Erziehungswissenschaften sind wie die Fachdidaktiken Berufswissenschaften für Lehramtsstudierende. Sie umfassen schulbezogene Aspekte der Pädagogik und Psychologie, aber auch schulrelevante Aspekte ausgewählter Gesellschafts- und Kulturwissenschaften, wie beispielsweise Soziologie, Politikwissenschaft, Ethnologie, Philosophie oder Theologie.221 Die Auflistung verweist auf ein Sonderproblem der Erziehungswissenschaften, die strukturell bedingte Heterogenität: Unter ihrem Dach sammeln sich schulbezogene Anteile verschiedener Fachdisziplinen. Nur einige der erziehungswissenschaftlichen Teildisziplinen werden von eigenen Lehrstühlen/ Professuren vertreten.222 Häufig versorgen Fachprofessuren die Lehramtsausbildung mit. Einige mit den Erziehungswissenschaften zusammenhängende Bereiche definieren sich als eigene Disziplinen. Grundschulpädagogik, Sonderpädagogik und Medienpädagogik sind Beispiele. Mancherorts werden inzwischen Lehrstühle und Professuren für Inklusion oder interkulturelle Kommunikation ausgewiesen oder auch Forschungsinstitute bzw. Forschungsschwerpunkte für Heterogenität oder Werteerziehung gebildet. Auch für die empirische Bildungsforschung gibt es zunehmend eigene Institute und Forschungseinheiten. In Folge dieser großen Heterogenität besteht, bezogen auf die Säule der Erziehungswissenschaften, die ganz spezifische Herausforderung der hochschulinternen Kommunikation und Kooperation und der Entwicklung eines gemeinsamen Fachverständnisses. Die KMK hat, im Bewusstsein der beschriebenen Heterogenität versucht einen Grundstein dafür zu legen. 4.2 Bildungswissenschaftliche Standards der KMK Programmatisch fasst die KMK ihre Vorgaben in Bezug auf die Erziehungswissenschaften in den „bildungswissenschaftlichen [!] Standards” aus den Jahren 2004/ 2014. Der Beitrag der Erziehungswissenschaften zur Kompetenzentwicklung in den Handlungsfeldern Unterrichten, Erziehen, Beraten/ Beurteilen und Innovieren 221 wird formuliert. Dazu kommen Es ist länderabhängig, ob und für welche Lehramtsstudiengänge gesellschafts- und kulturwissenschaftliche Studien verbindlich vorgeschrieben sind. 222 Regelmäßig ist das bei den Lehrstühlen für Schulpädagogik der Fall, in seltenen Fällen (z.B. an der Universität Essen-Duisburg) für die erziehungswissenschaftliche Psychologie. 99 Strukturvorgaben für Bachelor- und Masterabschlüsse, die z.B. festlegen, dass die Berufswissenschaften „Erziehungswissenschaften” und „Fachdidaktiken” ebenso wie die Praxismodule bereits in der Bachelorphase lehramtsgeeigneter Studiengänge verortet sein müssen.223 Im Rahmen der Vorgaben der KMK wahren Länder und Universitäten auch in Bezug auf die Erziehungswissenschaften ihre Spielräume: I. In Bayern z.B. werden unter Erziehungswissenschaft für alle Schularten schulbezogene Schwerpunkte aus der Pädagogik und Psychologie verstanden und nur für Grund- und Mittelschule auch solche aus den Kultur- und Gesellschaftswissenschaften. Als Abschluss ihres erziehungswissenschaftlichen Studiums müssen die Studierenden wahlweise in Psychologie oder in Pädagogik eine zentrale Staatsexamensklausur schreiben. Die möglichen Themenschwerpunkte werden über die LPO und Kerncurricula ausdifferenziert; sie korrelieren mit den Bildungsstandards der KMK, ohne sie wirklich widerzuspiegeln. Der Studienumfang für die Erziehungswissenschaften beträgt bezogen auf Pädagogik und Psychologie in allen Schularten mindestens 35 ECTS-Punkte, dazu kommen mindestens 6 ECTS-Punkte für Praktika sowie für Grund- und Mittelschulen mindestens 8 ECTS-Punkte aus dem Bereich Gesellschaftswissenschaften und Theologie bzw. Philosophie. Der geringere Studienumfang der Bayerischen Lehrerbildung in Vergleich zum gestuften Bachelor- und Masterstudium der anderen Länder wirkt sich in den Erziehungswissenschaften besonders markant aus. Während andere Bundesländer z.B. Module aus dem Feld Medienerziehung, Module zu „Diagnostizieren und Fördern“, Module zur interkulturellen Erziehung und zum Umgang mit Heterogenität/ Inklusion oder Module zur erziehungswissenschaftlichen Forschung, einschließlich Grundkenntnisse zur Empirie verbindlich vorschreiben und mit ECTS-Punkten ausstatten, wird die bayerische LPO von Überarbeitung zu Überarbeitung zwar durch Hinweise auf diese Felder erweitert, weder wird aber die Studiendauer der Lehramtsstudiengänge verlängert, noch werden Verschiebungen innerhalb der Säulen vorgenommen. Ob die gemeinsamen Vereinbarung von HRK und KMK zu „Lehrerbildung für eine Schule der Vielfalt” vom März 2015224 Wirksamkeit haben werden, wird sich zeigen. 223 Beschluss der KMK vom 1.3.2003: Möglichkeiten der Einführung von Bachelor-/Masterstrukturen in der Lehrerausbildung sowie Strukturierung/Modularisierung der Studienangebote und Fragen der Durchlässigkeit zwischen den Studiengängen. Vgl. Ländergemeinsame Strukturvorgaben für die Akkreditierung von Bachelorund Masterstudiengängen (2003). 224 Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 12.03.2015/ Beschluss der Hochschulrektorenkonferenz vom 18.03.2015: Vgl. Lehrerbildung für eine Schule der Vielfalt (2015). 100 Bislang können die bayerischen Universitäten nur im Rahmen der Profilmodule oder im Rahmen von Modellversuchen eigene Akzente setzen. Die Spielräume der Länder, die im Sachstand Lehrerbildung (2015) auch in Bezug auf die Erziehungswissenschaften bzw. Bildungswissenschaften zusammengestellt sind,225 werden im Folgenden durch den Vergleich mit Niedersachsen verdeutlicht: 1. In der 2015 verabschiedeten Verordnung über Masterabschlüsse für Lehrämter in Niedersachsen wird festgelegt, dass in der Lehrerbildung ein Studium „Bildungswissenschaften einschließlich der Praktika” im Umfang von mindestens 45 ECTS-Punkten (Lehramt an Gymnasien) bzw. mindestens 75 ECTS-Punkten (Lehramt an Grundschulen sowie Lehramt an Haupt- und Realschulen) absolviert werden muss, wobei „1. pädagogische und didaktische Basiskompetenzen in den Bereichen a) Heterogenität von Lerngruppen, b) Inklusion, c) Grundlagen der Förderdiagnostik und d) Deutsch als Zweitsprache und als Bildungssprache sowie 2. interkulturelle Kompetenzen”226 zu erwerben sind. Nicht nur die offensichtlichen Unterschiede in der Quantität geben immer wieder Anlass zur kritischen Diskussion. Ein weiterer wichtiger Diskussionspunkt ist die Qualität der erziehungswissenschaftlichen Ausbildung. Trotz des Versuchs der KMK auf dem Weg, über bildungswissenschaftliche Standards Einfluss zu nehmen, verstummt der Vorwurf der Beliebigkeit und der fehlenden Zusammenarbeit nicht.227 Formen der Institutionalisierung stellen Versuche dar, auf diese Herausforderungen zu reagieren. 4.3 Institutionelle Lösungen Dafür, wie die auf die Erziehungswissenschaften bezogenen Koordinations- und Kommunikationsherausforderungen inneruniversitär gelöst werden können, gibt es keine 225 Vgl. die aktuelle Übersicht der KMK (2015) zum Sachstand Lehrerbildung, http://www.kmk.org/fileadmin/pdf/Bildung/AllgBildung/2015-09-21-Sachstand_LB-mitAnlagen.pdf, S.35-40. 226 Vgl. Verordnung über Masterabschlüsse für Lehrämter in Niedersachsen (2015). URL http://www.schure.de/20411/mastervo-lehr.htm, § 1. 227 Zu untersuchen, inwiefern der Vorwurf gerechtfertigt ist, ist ein Ziel der BilWiss-Studie, die später näher vorgestellt wird. Kapitel B. III. 3.3 Die vorgeschaltete Delphi-Studie zu zentrale Zielen der universitären Ausbildung in den Erziehungswissenschaften ist zur Auseinandersetzung mit den Vorwurf der Beliebigkeit von besonderem Interesse. Das Hauptaugenmerk der Studien gilt aber den Kompetenzen, über die Studierende im Studium verfügen lernen und deren Bedeutung für das Agieren in den Handlungsfeldern der Schule. Es handelt sich dabei um die in den KMK-Bildungsstandards festgelegten Handlungsfelder Unterrichten, Erziehen, Beurteilen/ Beraten und Innovieren. 101 Patentrezepte. Das Hamburger Modell228 oder die School of Education der Technischen Universität München229 setzen auf die auch institutionelle Bündelung von Kompetenzen und Zuständigkeit. Sie stehen damit für eine selten gesuchte Lösung. Das „Institut für Erziehungswissenschaft der Universität Münster (IFE)” ist ein Beispiel für einen nur lockeren Verbund, bei institutioneller Zuständigkeit in den das Institut ausmachenden Arbeitsbereichen. Ausschließlich mit Lehrerbildung befasst ist der Arbeitsbereich Schulpädagogik/ Schul- und Unterrichtsforschung;230 Mitzuständigkeiten für das erziehungswissenschaftliche Lehramtsstudium haben aber auch die anderen Arbeitsbereiche. Die in den letzten Jahren erfolgte Umstrukturierung der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät der Universität Erlangen-Nürnberg verzichtete dagegen auf ein gemeinsames Dach und setzte auf eine Department- und Institutsstruktur231 im Rahmen einer neu eingerichteten 228 Die Struktur der Erziehungswissenschaft folgt weitgehend der disziplinären Gliederung der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft., Vertreten sind die fachlichen Spezialisierungen „Allgemeine Erziehungswissenschaft“ und „International und Interkulturell Vergleichende Erziehungswissenschaft“ (beide im Fachbereich 1), „Schulpädagogik“, „Grundschulpädagogik“, „Psychologie in Erziehung und Unterricht“, „Sozialpädagogik“ sowie „Behindertenpädagogik“ (Fachbereich 2), „Erwachsenenbildung“, „Berufspädagogik“ und „Wirtschaftspädagogik“ (Fachbereich 3). Die Bereiche „Historische Erziehungswissenschaft“, „Empirische Bildungsforschung“, „Frauen- und Geschlechterforschung“ sowie „Medienpädagogik“ sind im Fachbereich 1 mit einzelnen Professuren vertreten. Vgl. Universität Hamburg. Informationen über die Fachbereiche der Erziehungswissenschaft. URL https://www.ew.uni-hamburg.de/ueber-die-fakultaet.html. 229 „Die TUM School of Education ist die dreizehnte Fakultät der TUM, die der Aus- und Weiterbildung von Lehrkräften an Gymnasien in den MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) sowie der Aus- und Weiterbildung von Lehrkräften an beruflichen Schulen im gewerblich-technischen Bereich gewidmet ist. Die TUM School of Education war die erste Fakultät für Lehrerbildung und Bildungsforschung in Deutschland. Das Bekenntnis zur Lehrerbildung wurde mit der Gründung einer eigenständigen Fakultät in die Tat umgesetzt. “In ihrer Organisation folgt die TUM School of Education international erfolgreichen Beispielen, wie etwa der Stanford School of Education. Einmalig ist es, dass eine Fakultät universitätsweit Verantwortung für die Lehrerbildung übernimmt – und übernehmen kann, weil sie den adäquaten Einsatz der personellen Ressourcen für die Lehrerbildung in den anderen Fakultäten überwacht. Deshalb sprechen wir von einer „School“, die mehr ist als eine Fakultät. Sie trägt die Verantwortung für eine qualitätsvolle, moderne Lehrerbildung.” Vgl. TUM School of Education. URL https://www.edu.tum.de/ueber-uns. 230 „Im Mittelpunkt dieses Arbeitsbereich des Instituts für Erziehungswissenschaft stehen die Schule und das Schulsystem. Dabei geht es sowohl um die "inneren" Strukturen und Prozesse des Schulsystems (Lehrpläne, Unterricht, Lehrerberuf, Schulorganisation etc.) als auch um seine "äußeren" Beziehungen zu anderen gesellschaftlichen Bereichen (Familie, Jugendkultur, Berufswelt etc.). Mit unterschiedlichen theoretischen Konzepten und forschungsmethodischen Ausrichtungen untersuchen die Mitglieder des Arbeitsbereichs Wandlungsprozesse in Schule, Unterricht und Lehrerberuf, ihre Hintergründe, ihre Verlaufsformen und ihre Folgen. In der Lehre sind die Mitglieder des Arbeitsbereichs in die Studiengänge des Instituts für Erziehungswissenschaft eingegliedert. Dies betrifft erstens die schul- und unterrichtsbezogenen Module der Lehramtsstudiengänge, zweitens die thematisch einschlägigen Module des Fach-Bachelors und Fach-Masters Erziehungswissenschaft (Profil: Schulforschung / Schulentwicklung) sowie drittens die Mitarbeit in der Graduate School of Educational Research.” Vgl. Arbeitsbereiche am Institut für Erziehungswissenschaft. URL http://www.uni-muenster.de/EW/ife/index.shtml. 231 „Der organisatorische Aufbau und die Aufgaben der Departments sind in der Departmentordnung der Fakultät geregelt. In den einzelnen Departments sind Lehrstühle und teilweise Institute zusammengeschlossen. Sie zeichnen sich unter anderem für die zum Teil departmentübergreifenden Studiengänge verantwortlich. Die Sprecher/innen der Departments sind Mitglieder des Fakultätsvorstandes. Die Philosophische Fakultät und 102 Großfakultät (Philosophische Fakultät und Fachbereich Theologie232). Die Erziehungswissenschaften sind damit zwar in einer Fakultät zusammengefasst, sind dann aber unterschiedlichen Departments zugeordnet. Eine weitere Aufspaltung ergibt sich daraus, dass Teile der erziehungswissenschaftlichen Ausbildung in Nürnberg, andere in Erlangen erfolgen. Neben den bislang geschilderten Strukturen gibt es auch noch Universitäten, die keine auf die Erziehungswissenschaften bezogene Institutionalisierung vornehmen. Die Teildisziplinen gehören dann, wie an der KU Eichstätt-Ingolstadt, sogar unterschiedlichen Fakultäten233 an. Die die erziehungswissenschaftlichen Studien regelnden Strukturen sagen zwar per se noch nichts dazu aus, wo Koordinationsaufgaben verortet sind und wer sie übernimmt, inwiefern die Entwicklung eines gemeinsamen Fachverständnis gefördert wird. Es liegt aber auf der Hand, dass der Zusammenhalt in Schools of Education oder erziehungswissenschaftlichen Fakultäten größer ist als wenn die Teildisziplinen unterschiedlichen Instituten oder gar Fakultäten zugehören. In diesem Falle gibt es auch keine Zuständigkeit für die Förderung eines gemeinsamen Fachverständnisses. Auf einer die drei Fachsäulen übersteigenden, auf die Lehrerbildung als ganze bezogenen Ebene wird von den im Zuge der Reform der Lehrerbildung neu eingerichteten Lehrerbildungszentren u.a. die Koordination zwischen allen an Lehrerbildung beteiligten Fakultäten und Fächern erwartet. Inwiefern sie in die Bresche springen können, um mit der Heterogenität der Erziehungswissenschaften und den daraus erwachsenden Problemen umzugehen, ist die Frage, die hinter der nachfolgenden kurzen Darstellung der Lehrerbildungszentren steht. 4.4 Lehrerbildungszentren Fachbereich Theologie gliedert sich in elf Departments.” Vgl. Philosophischen Fakultät und Fachbereich Theologie. Elf Departments. URL https://www.phil.fau.de/fakultaet/departments. 232 Philosophische Fakultät und Fachbereich Theologie: „Die Philosophische Fakultät und Fachbereich Theologie beherbergt etwa 50 verschiedene Disziplinen aus den Geistes- und Sozialwissenschaften sowie den religionsbezogenen Wissenschaften und bietet somit ein nahezu einzigartiges interdisziplinäres Angebot. Von 24 Interdisziplinären Zentren der FAU sind 14 an der Philosophischen Fakultät und Fachbereich Theologie angesiedelt. Daneben gibt es vier fakultätsnahe interdisziplinäre Zentralinstitute mit Forschungsauftrag. Das universitätseigene Forschungsprogramm EFI fördert einige interdisziplinär angelegte Forschungsprojekte, an denen eine Reihe von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Fakultät beteiligt sind. Mit dem Internationalen Kolleg für Geisteswissenschaftliche Forschung IKGF entstammt der Fakultät eines von zehn bundesfinanzierten interdisziplinären geisteswissenschaftlichen Forschungskollegs, das innerhalb der Fakultät ebenso wie international breit vernetzt ist.”, Vgl. Philosophische Fakultät und Fachbereich Theologie. URL https://www.phil.fau.de/fakultaet/die-fakultaet. 233 Hier: der philosophisch-pädagogischen, der geschichts- und gesellschaftswissenschaftlichen und der theologischen Fakultät. 103 Die Terhart-Kommission hat die Einrichtung von Zentren für Lehrerbildung im Jahr 2000 empfohlen,234 der Wissenschaftsrat hat die Empfehlungen 2001 aufgegriffen,235 die OECD Lehrerstudie aus dem Jahr 2004 hat sie eingefordert,236 die KMK hat die Einrichtung 2004 in den bildungswissenschaftlichen Standards für Lehrerbildung nahegelegt.237 Laut Übersicht der KMK zum Sachstand Lehrerbildung aus dem Jahr 2015238 sind Lehrerbildungszentren als Querstruktur über Fakultäten und Fächer hinweg inzwischen so gut wie flächendeckend eingerichtet. Neben Aufgaben der Organisation des Studiums (von der Studiengangsentwicklung über die Mitwirkung an Reformmaßnahmen bis hin zur Organisation der Lehre), des Managements, der Studieninformation und Beratung, der Profilierung der Lehrerbildung nach innen und außen, der Kooperation mit der II. Phase und der Organisation von Fortbildungsmaßnahmen übernehmen die LBZ auch forschungskoordinierende und -initiierende Aufgaben.239 Nach Terhart (2015)240 stärkt gerade die Forschungsbeteiligung die inneruniversitäre Sichtbarkeit wie auch die Außenwahrnehmung. Diese Ansicht scheinen die Universitäten zu teilen, die ihre Lehrerbildungszentren in der Mehrzahl als zentrale wissenschaftliche Einrichtungen positionieren und immer häufiger als Zentren für Lehrerbildung und Bildungsforschung ausweisen.241 Wie es scheint, sehen davon lediglich Universitäten ab, an denen bereits etablierte Zentren für Bildungsforschung eingerichtet sind,242 oder Universitäten, an denen Erziehungswissenschaftlichen Fakultäten oder andere Einheiten die Forschungsförderung und 234 Terhart, E. (2000). Vgl. Wissenschaftsrat. Empfehlungen zur künftigen Struktur der Lehrerbildung (2001). URL http://www.wissenschaftsrat.de/download/archiv/5065-01.pdf. 236 Vgl. Döbrich, P., Klemm, K., Knauss, G. & Lange, H. (2004). 237 Standards für die Lehrerbildung: Bildungswissenschaften (Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 16.12.2004). 238 Vgl. Sachstand in der Lehrerbildung (2015). URL http://www.kmk.org/fileadmin/pdf/Bildung/AllgBildung/2015-09-21-Sachstand_LB-mit-Anlagen.pdf, S. 4-6. 239 Zum Stand 2007 (Datenbasis 28 von 52 LBZ, Onlinebefragung) gibt eine vom Stifterverband in Auftrag gegebene Studie Auskunft über die verfolgten Ziele. Vgl. Weyand, B. & Schnabel-Schüle, H. (2010). Erhebung von Grunddaten zu Zentren für Lehrerbildung in Deutschland. URL http://www.stifterverband.info/wissenschaft_und_hochschule/lehre/lehrerbildung/erhebung_grunddaten_zentren _lehrerbildung/erhebung_von_grunddaten_zu_zentren_fuer_lehrerbildung_in_deutschland.pdf. 240 Vgl. Terhart, E. (2015). Zehn Jahr Münchner Zentrum für Lehrerfortbildung – (m)ein Blick von außen. URL http://www.mzl.uni-muenchen.de/mzl/aktuelles/meldungen/10-jahre-mzl/vortrag_terhart_10jahre_mzl.pdf, Punkt 5, zukünftige Entwicklungsszenarien. 241 Vgl. hierzu exemplarisch (ausgewählt wurde jeweils eine Universität pro Bundesland) die Homepages der Lehrerbildungszentren mit Forschungszuständigkeiten: Baden-Württemberg: PH Heidelberg; Bayern: Universität Würzburg; Berlin: Humboldt Universität (Professional School of Education), Brandenburg: Universität Potsdam; Hessen: Universität Marburg; Mecklenburg-Vorpommern: Universität Rostock; Niedersachsen: Universität Hannover; Nordrhein-Westfalen: Universität Siegen; Rheinland-Pfalz: Universität Mainz; Sachsen: Universität Leipzig; Schleswig-Holstein: Universität Flensburg; Thüringen: Universität Jena. 242 Vgl. die Universität Halle: Zentrum für Schul- und Bildungsforschung; die Universität Kiel: IPN oder die LMU München, an der zwar (noch) kein eigenes Zentrum eingerichtet ist, die aber hohe Forschungsleistungen in Instituten, an Lehrstühle oder in Departments erbringt. 235 104 -koordination übernehmen243 oder eben Universitäten, für deren Profil Lehrerbildung und die zugehörigen Forschung bedeutungslos sind. Eine aktuelle Studie der Telekom-Stiftung (Erhebungsstand 2014/15) unterstreicht, dass Lehrerbildungszentren ein „festes und unverzichtbares Element der Lehrerbildung”244 geworden sind, sowohl in der Selbstwahrnehmung der Geschäftsführer und wissenschaftlichen Leitungen245 als auch in den Einschätzung einer großer Anzahl der Studierenden.246 Die Dokumentenanalyse der Satzungen und Homepages der inzwischen ca. 80 Lehrerbildungszentren ergab: 1. „Einen hohen Stellenwert (...) hatte neben Lehre und Service die Forschung als Auftrag.” 2. Die „organisatorischen Strukturen ähneln häufig der einer Fakultät”; „Einflussmöglichkeiten und die Ausstattung mit Ressourcen sind jedoch reduzierter.” 3. Die LBZs sind von der Organisationsform her „meist zentrale wissenschaftliche Einrichtungen.” 4. Sie greifen die von KMK (2004) und Wissenschaftsrat (2001) für Lehrerbildungszentren vorgegebenen Ziele auf. 5. Allerdings: Die von der Politik vorgegebenen Zielsetzungen sind bunt und vielfältig. Aus den Dokumenten der LBZs lassen sich laut der Telekom-Studie weder klar erkennen, „welche Ziele [konkret] verfolgt werden, welche Wirkungen und Ergebnisse [jeweils] erreicht werden sollen”, noch welche Wege für die Realisierung beschritten werden.247 Im Fazit wird festgehalten: „Vieles funktioniert besser als erwartet.”, „Die Praxis ist vielfältig”, aber auch: „Zentren und Schools haben hauptsächlich eine Katalysatorfunktion.” „Die Einrichtungen sind auf Wohlwollen angewiesen.” „Zentren und Schools bleiben Serviceagenturen.”248 Der ihr von der Politik zugedachten Aufgabe, grundlegend an der Reform von Lehrerbildung mitzuwirken, u.a. indem sie die an der Lehrerbildung beteiligten Fächer und Fakultäten zusammenführen (S. 8), und für „Curricula aus einem Guss” (S. 20) 243 Vgl. die Universitäten Hamburg, Bremen, Saarbrücken. Vgl. Böttcher, W. & Blasberg S. (2015). Strategisch aufgestellt und professionell organisiert. Eine explorative Studie zu Strukturen und Status der Lehrerbildung. URL www.telekom-stiftung.de/dtscms/sites/default/files//dts-library/materialien/pdf/studie_boettcher_web.pdf, S. 20. 245 Erhoben wurden die Daten jeweils durch Leitfadeninterviews in zehn Zentren für Lehrerbildung bzw. Schools of Education. 246 Bezogen auf dieselben zehn Einrichtungen wurden Studierende per Fragebogen befragt (N=767). 247 Böttcher/ Blasberg (2015), S. 7f. 248 Böttcher/ Blasberg (2015), S.20f. 244 105 sorgt, können sie so nicht gerecht werden. Diese Problemanalyse der Telekom-Stiftung bezieht sich nicht zuletzt auf die Standards der Lehrerbildung, die nach Einschätzung dieser Studie ihrem Geist nach bislang nicht realisiert sind. 4.5 Resümee Die Erziehungswissenschaften sind von großer disziplinärer Heterogenität; sie umfassen schulbezogene Aspekte der Pädagogik und Psychologie, aber auch schulrelevante Aspekte ausgewählter Gesellschafts- und Kulturwissenschaften, wie beispielsweise Soziologie, Politikwissenschaft, Ethnologie, Philosophie oder Theologie. Die Bedeutung der Erziehungswissenschaften für die Lehrerbildung ist lebensweltlich so unstrittig, dass Lehrkräfte als „Pädagogen”, und nicht als Mathematiker, Geographen oder Theologen oder gar Mathematikdidaktiker, Geographiedidaktiker oder Religionsdidaktiker, (allerdings auch nicht als Psychologen, Gesellschafts- oder Kulturwissenschaftler) bezeichnet werden. Im Sinne der Zuschreibung einer besonderen Bedeutung an die Erziehungswissenschaften waren die ersten Standards für Lehrerbildung, die die KMK vorgelegt hat, auch die bildungswissenschaftlichen. Die Relevanz der dort definierten Handlungsfelder (Unterrichten, Erziehen, Beraten/ Beurteilen und Innovieren) ist unstrittig. Wie der Aufbau der dafür notwendigen Kompetenzen unterstützt werden kann, ist aber längst noch nicht klar. Die universitäre Ausbildung hat die Herausforderung, mit der disziplinären Heterogenität der Erziehungswissenschaften umzugehen, bislang noch nicht bzw. nur in Ansätzen gelöst. Dies zeigt nicht zuletzt das Experimentieren mit unterschiedlichen Formen institutioneller Verortung. Eigene Fakultäten oder Departments und Arbeitseinheiten sind Institutionalisierungen, mit denen einzelnen Universitäten einen strukturellen Rahmen für bessere Kooperation schaffen. Dem stehen andere Universitäten gegenüber, in denen die erziehungswissenschaftlichen Teildisziplinen sogar unterschiedlichen Fakultäten angehören. Hier ist allein das Lehrerbildungszentrum Ort einer möglichen Koordination. Auch wenn die Lehrerbildungszentren, wie gezeigt wurde, im Aufwind sind: Ihre Einrichtung entlastet die unter Erziehungswissenschaften subsumierten Disziplinen nicht davon, die Entwicklung ihres Profils als eigene Aufgabe anzusehen und zu verfolgen. Unstrittig ist, dass derzeit der Aufbau einer vernetzten erziehungswissenschaftlichen Kompetenz in viel zu vielen Fällen, vermutlich sogar in der Regel, den Studierenden überlassen wird. Die noch laufende BilWiss-Studien gehen der Frage nach, welche Rolle a) 106 Strukturen für den Wissens- und Kompetenzaufbau zu zentralen Themen der Erziehungswissenschaften spielen, und b) inwiefern Referendare und Berufsanfänger ihr erziehungswissenschaftliches Know-how zur Bewältigung von Unterrichtssituationen nutzen.249. Während schon publiziert ist, dass – zumindest für nordrhein-westfälische Universitäten – keine Abhängigkeiten zwischen Wissen und Studienort festgestellt werden konnte, sich aber die disziplinäre Trennung der Ausbildung auch in getrennten Wissensstrukturen niederschlägt, sind die Ergebnisse des zweiten Teils der Studien derzeit (2015) noch nicht bekannt. Offen ist auch, ob die ebenfalls noch laufende Panel-Studie PaLea die Unabhängigkeit des Wissens-/ Kompetenzaufbaus von den universitären Strukturen, dazu von den unterschiedlichen Vorgaben der Länder, bestätigen wird.250 Aufgrund ihrer disziplinären Vielfalt könnten Erziehungswissenschaftler prädestinierte Partner für fachübergreifende Forschungskooperationen sein. Die Einbindung ihrer Vertreter in inter- und transdisziplinäre Forschung gestaltet sich aber sehr unterschiedlich. Während für empirische Bildungsforscher, egal ob sie aus der Pädagogik, Psychologie oder Soziologie kommen, die Zusammenarbeit in interdisziplinären Projekten, zunehmend auch mit Fachdidaktikern, immer selbstverständlicher wird, zeigen die Publikationen und Forschungsprojekte der hermeneutisch arbeitenden Vertreter der Erziehungswissenschaften eher die Tendenz zur Einzelforschung. 5. Theorie-Praxisbezug: Herausforderung und Problempotential für die Lehrerbildung Die Thematik des Theorie-Praxisbezug wird zweigeteilt erschlossen: Im ersten Teil liegt der Fokus auf Praktika/ Praxismodulen. In Teil zwei erfolgt eine Erweiterung des Blicks auf „Lehrerkompetenzen als Querschnittskompetenzen”, wobei in einem eigenen Teilkapitel Praxismodule als Möglichkeiten dargestellt werden, die Entwicklung von Lehrerkompetenzen als Querschnittskompetenzen zu fördern. 249 Vgl. hierzu Teil B Kapitel III 3.3 BilWiss: Bildungswissenschaftliches Wissen und professioneller Kompetenz in der Lehramtsausbildung. 250 Vgl. hierzu Teil B Kapitel III 3.1 PaLea -Panel zum Lehramtsstudium 107 der Erwerb 5.1 Berufsfeldbezug Schule: Chancen und Grenzen von Praktika/ Praxismodulen Der „Praxisschock”, mit dem der Beginn der Zweiten Phase manchmal beschrieben wird, und die „Theoriefeindlichkeit”, die im Schulalltag bei nicht wenigen Lehrkräften zu beobachten ist, sind Indikatoren für das Konfliktpotential, das bezogen auf den Theorie-Praxisbezug besteht. Von Referendaren wie fertigen Lehrkräften wird die Praxisferne der Universität kritisiert und der Vorwurf erhoben, dass die Praxisrelevanz von Theorie nicht hinreichend verdeutlicht würde. Theorie wird also nicht im Kantschen Sinne als die beste Praxis verstanden. Um diese Beobachtung einzuordnen, wird zuerst (1) noch einmal daran erinnert, dass die Verbesserung der Berufsbefähigung kein Sonderproblem der Lehrerbildung ist, sondern dass es sich dabei um ein Ziel der aktuellen europäischen Hochschulreform insgesamt handelt; dann erfolgt die Blickwendung auf die Lehrerbildung. Um eine Basis zu schaffen, auf der die Herausforderungen für die aktuellen Reform dargestellt werden können, werden zuerst die Erwartungen an den Schulbezug vor der Bologna-Reform skizziert (Bezugspunkt ist die akademischen Lehrerbildung ab den 1960er/1970er Jahren (2). Auf dieser Grundlage werden dann die Herausforderungen thematisiert, vor der die Universität heute bei der Reform der Berufsbefähigung angehender Lehrkräfte auf dem Weg über Praktika steht. Die Notwendigkeit einer breiteren Einordnung („Lehrerkompetenzen als Querschnittskompetenzen”) ergibt sich als Konsequenz dieser Prämissen. 5.1.1 „Allgemeine Berufsbefähigung“ als Ziel und Bestandteil aller reformierten Studiengänge Die Bologna-Vorgaben sehen, wie bereits im Kapitel Herausforderung Hochschulreform (vgl. Kapitel A, I, 2. Hochschulreform der 2000er Jahre) dargestellt, sowohl für Bachelor-251 als 251 In den “10 Thesen zur Bachelor- und Masterstruktur in Deutschland, Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 12.06.2003 heißt es in Bezug auf Bachelorabschlüsse: “ 1. Eigenständigkeit der Bachelor- und Masterstudiengänge; Die Bachelor- und Masterabschlüsse sind eigenständige berufsqualifizierende Hochschulabschlüsse”. “3. Berufsqualifizierung. Als Regelabschluss eines Hochschulstudiums setzt der Bachelor ein eigenständiges berufsqualifizierendes Profil voraus, das durch die innerhalb der Regelstudienzeit zu vermittelnden Inhalte deutlich werden muss. Bachelorstudiengänge müssen die für die Berufsqualifizierung notwendigen wissenschaftlichen Grundlagen, Methodenkompetenz und berufsfeldbezogenen Qualifikationen 108 auch für Masterstudiengänge das Ziel der allgemeinen Berufsbefähigung vor. Der Wissenschaftsrat unterstützt dies aktuell in einer vierbändigen Empfehlungsreihe zum Verhältnis von Hochschulbildung und Arbeitsmarkt ausdrücklich.252 Teil 2, erscheinen im Oktober 2015, thematisiert „die Ziele und Funktionen akademischer Bildung” und „die Frage der Arbeitsmarktrelevanz von Studienangeboten”. Kernforderung ist, alle drei Aufgaben eines Studiums ((fach-)wissenschaftliche Bildung, Persönlichkeitsentwicklung und Vorbereitung auf den Arbeitsmarkt) 253 zusammen zu denken. Der aktuelle Vorsitzende Manfred Prenzel verdeutlicht: „Konzentrieren sich die Hochschulen nur auf eine oder zwei dieser Dimensionen, werden sie ihrem gesellschaftlichen Auftrag nicht gerecht“. „Entsprechend muss ein Studienabschluss sowohl Wege in eine wissenschaftliche Weiterqualifizierung eröffnen als auch einen erfolgreichen Berufseinstieg ermöglichen – und zwar auf allen Studienstufen und in allen Fächern.“254 Damit wird zugleich gefordert, über die zu Beginn des Reformprozesses beschrittenen Wege hinauszugehen. Im Bologna-Reader der HRK (2008) hieß es, bezogen auf Bachelor- wie Masterstudiengänge noch, Employability ziele auf den „Erwerb überfachlicher Schlüsselkompetenzen” und werde durch „berufsfeldorientierte Praktika”255 realisiert. In den ersten Reformphasen behalfen sich Fach-Studiengänge damit, dass sie Praktikumsmodule zwar verpflichtend einbanden, sie aber nicht selten von Seiten der Universität unbegleitet oder sogar unbetreut ließen. Ob es weitere Modulangebote und Lehrveranstaltungstypen zur Berufsfeldorientierung gab, war fachabhängig. In der Geographie z.B. sind zusätzlich und vermitteln.” http://www.akkreditierungsrat.de/fileadmin/Seiteninhalte/KMK/Sonstige/KMK_System_10Thesen.pdf. 252 Empfehlungen zum Verhältnis von Hochschulbildung und Arbeitsmarkt. Erster Teil der Empfehlungen zur Qualifizierung von Fachkräften vor dem Hintergrund des demographischen Wandels (11. April 2014; http://www.wissenschaftsrat.de/download/archiv/3818-14.pdf) Zweiter Teil der Empfehlungen zur Qualifizierung von Fachkräften vor dem Hintergrund des demographischen Wandels, (16. Oktober 2015; http://www.wissenschaftsrat.de/download/archiv/4925-15.pdf). Teil drei und vier stehen noch aus. 253 “Drei zentrale Dimensionen spannen den Raum hochschulischer Bildungsziele auf: (Fach-)Wissenschaft, Persönlichkeitsbildung und Arbeitsmarktvorbereitung. Die Dimension (Fach-)Wissenschaft wird insbesondere von Qualifizierungszielen bestimmt, die darauf ausgerichtet sind, die Studierenden zur situationsgerechten Auswahl, Anwendung und Anpassung wissenschaftlicher Methoden sowie zum selbständigen und kritischen Umgang mit wissenschaftlichen Erkenntnissen zu befähigen. Ziele, die die Entwicklung einer fachlichen Identität sowie eines wissenschaftlichen und beruflichen Ethos befördern oder auf eine Verantwortungsübernahme im Beruf und im gesellschaftlichen Leben vorbereiten sollen, können vor allem der Dimension Persönlichkeitsbildung zugeordnet werden. Die Dimension Arbeitsmarktvorbereitung betrifft schließlich die Qualifizierung der Studierenden, die unmittelbar und gezielt auf das Erwerbsleben nach dem Studienabschluss – innerhalb oder außerhalb der Wissenschaft – ausgerichtet ist.” Zweiter Teil der Empfehlungen zur Qualifizierung von Fachkräften vor dem Hintergrund des demographischen Wandels, (16. Oktober 2015; http://www.wissenschaftsrat.de/download/archiv/4925-15.pdf, S. 9; vertiefend S. 39-53. 254 http://www.wissenschaftsrat.de/presse/pressemitteilungen/2015/nummer_21_vom_19_oktober_2015.html. 255 Vgl. dazu u.a. Verlautbarungen der HRK: Bologna-Reader III FAQs - Häufig gestellte Fragen zum BolognaProzess an deutschen Hochschulen HRK Bologna-Zentrum Beiträge zur Hochschulpolitik 8/2008. http://hrk.de/fileadmin/redaktion/hrk/02-Dokumente/02-10-Publikationsdatenbank/Beitr-200808_BolognaReader_III_FAQs.pdf, insbesondere S. 1755ff 109 verpflichtend Exkursionsmodule üblich, in Kunststudiengängen werden die ebenfalls verpflichtenden Exkursionen z.T. gekoppelt mit weiteren Praxisanteilen, wie z.B. Malkursen. In Kulturwissenschaften werden manchmal methodische Module, z.B. zur Feldforschung ausgewiesen bzw. einzelne Handlungsfelder (Museen, Kulturlandschaften usw.) theoretisch und praktisch erschlossen. Sowohl in der Bachelor- wie der Masterphase werden dafür teilweise eigene Veranstaltungstypen angeboten, wie z.B. Exkursionsmodule, Lehrforschungsprojekte oder Projektseminare. Zur Förderung der Entwicklung von Schlüsselkompetenzen werden an vielen Hochschulen überfachliche Module vorgehalten, ausgewiesen z.B. als studium generale Module, als Module, die den Aufbau technischer Fähigkeiten im IT-Bereich oder als Module, die den Aufbau von überfachlichen Kompetenzen in anderen Handlungfseldern (z.B. Theaterarbeit) unterstützen. Aufzuführen sind zudem Modulangebote zur Förderung der Sozial- oder Handlungskompetenz256 oder der interkulturellen Kompetenz. Ob damit die „allgemeine Berufsbefähigung”, die als hochschulbezogenes Reformziel den Horizont dieser Maßnahmen bilden, tatsächlich erreicht wird, kann nicht generalisierend beurteilt werden. Studien hierzu gibt es bisher kaum.257 Die oben angesprochene Empfehlung des Wissenschaftsrats „zielen darauf, die Entwicklung arbeitsmarktrelevanter Kompetenzen breiter, intensiver und systematischer zu fördern“.258 Insbesondere fordern sie eine „in die Curricula integrierte Vor- und Nachbereitung sowie eine inhaltliche Begleitung“ der Praktika ein (S. 70), „in Lehrveranstaltungen integrierten Praxisund Anwendungsbezüge – insbesondere im Bereich der fachspezifischen Methodenkenntnisse, aber auch mit Blick auf überfachliche Kompetenzen”, das Einbinden von Konzepten des Problemorientierten Lernens (ebd. S. 70) und des Forschenden Lernens (S. 71). 256 Vgl. hierzu das an der KU von Studierenden entwickelte tun-Modul: Hier geht es z.B. um aktive Tätigkeiten im sozialen Feld (Flüchtlingshilfe, Integrationshilfe für Migranten u.a.). http://www.tun-starthilfe.de 257 Für eine Ausnahme von der Regel steht die Untersuchung Schubarth 2012. 258 Vgl. “Lehr- und Lernkonzepte zur Stärkung der Arbeitsmarktrelevanz, in: Zweiter Teil der Empfehlungen zur Qualifizierung von Fachkräften vor dem Hintergrund des demographischen Wandels, (Vgl. Zweiter Teil der Empfehlungen zur Qualifizierung von Fachkräften (2015), S. 69-71. 110 5.1.2 Schulbezug im akademischen Lehramtsstudium vor Bologna Während die allgemeine Berufsbefähigung als Element aller Bachelor- und MasterStudiengänge sich erst etablieren muss, war der Schulbezug schon vor der Bologna-Reform ein als unverzichtbar angesehenes Element der hochschulischen Lehrerbildung. Dies ergibt sich daraus, dass Lehramtsstudiengänge mit „Schule” ein klar definiertes Berufsfeld haben, auf das sie gezielt vorbereiten sollen. Meist wurden auch hier Praktika als der gängige Weg angesehen, um Theorie und Praxis zusammenzubringen. Die Erwartungen waren hoch: Praktikumserfahrungen sollten die Fähigkeit zu gutem Unterrichten zumindest unterstützen, wenn nicht gar aufbauen. Die Wirksamkeit der Praktika vor Bologna hielt sich demgegenüber in Grenzen. Weder konnten sie den „Praxisschock“ vermeiden, der im Übergang von Universität zu Schule oftmals erlebt wurde, noch konnten sie einen Beitrag dafür erbringen, dass die an der Universität erarbeiteten Konzepte in der Schulpraxis Wirkung zeigten. Bei vielen Lehrkräften konnte vom Referendariat ab eine Abwendung von Wissenschaft und Theorie beobachtet werden.259 Diese Beobachtung wird auch durch Studien bestätigt: Nach dem Eintritt in die zweite Phase ihrer Ausbildung würden Inhalte des Studiums weitgehend an Bedeutung verlieren,260 praxisbewährten Konzepten, z.T. solche, die die jungen Lehrkräfte selbst als Schüler erfahren haben, würde mehr vertraut. Nicht nur bezogen auf die Nachhaltigkeit zeigten die vor der Bologna-Reform durchgeführten Studien, dass die nachweisbaren Wirkungen weit von den Intentionen und Wünschen zu den Schulpraktika entfernt blieben.261 259 Begründet wurde dies u.a. mit der Theorielastigkeit des Studiums. Es hätte insbesondere an Gelegenheiten gefehlt, die Unterrichtstauglichkeit von an der Universität diskutierten Konzepten zu erproben. 260 Bezogen auf der Reformwelle der 1960er Jahre vgl. z.B. Koch, L. (1972). Ist Mündigkeit operationalisierbar? In Pädagogische Rundschau, 26, 6, S. 486-493., Müller-Fohrbrodt, G., Cloetta, B. & Dann, H. (1978): Der Praxisschock bei jungen Lehrern. Formen – Ursachen – Folgerungen. Eine zusammenfassende Bewertung der theoretischen und empirischen Erkenntnisse. Stuttgart: Klett-Cotta,. Studien, die eher berufsbiographischen ansetzten, kamen auf vergleichbare Ergebnisse; vgl. u.a. Franke u.a. 2001; Torff, B., & Warburton, E.C. (2005). Assessment of teachers’ beliefs about classroom use of critical-thinking activities. Educational and Psychological Measurement, 63, 155-179.; analoge Ergebnisse erbrachten Studien nach dem Paradigmenwechsel hin zur Kompetenzorientierung; vgl. Franke, M. L., Carpenter, T. P., Levi, L., Fennema, E. (2001). Capturing teachers’ generative change: A follow-up study of professional development in mathematics. In: American EducationalResearch Journal, 38, pp. 635-689; Blömeke, S. (2004). Empirische Befunde zur Wirksamkeit von Lehrerbildung. In S. Blömeke, P. Reinhold, G. Tulodziecki & J. Wildt (Hrsg.), Handbuch Lehrerbildung (S. 5991). Bad Heilbrunn/Obb: Klinkhardt; Kraus, A. (2015). Anforderungen an eine Wissenschaft für die Lehrer(innen)bildung: wissenschaftstheoretische Überlegungen zur praxisorientierten Lehrer(innen)bildung. European Studies on Educational Practices 5, Münster u..a.; Terhart, E., Bennewitz, H.,Rothland, M. (22014). Handbuch der Forschung zum Lehrerberuf, Münster: Waxmann; dort insbesondere das Kapitel: Forschung zur Berufsbiographie von Lehrerinnen und Lehrern; Fenn, M. (2013). Entwicklung und Evaluation einer Interventionsmaßnahme zur Förderung professioneller Handlungskompetenz von Studierenden der Geschichtsdidaktik hinsichtlich der Ausbildung forschungsmethodischer Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern. Schwalbach: Wochenschau 261 Vgl. u.a. Abel, J. & Faust, G. (Hrsg.). Wirkt Lehrerbildung? Antworten aus der empirischen Forschung. Münster u..: Waxmann 2010. oder Hascher, T. (Hrsg.) (2012). Forschung zur (Wirksamkeit der) Lehrer-innenbildung. Österreichische Beiträge zur Bildungsforschung 8.Wien u.a.: Lit. bieten eine Zusammenschau der 111 5.1.3 Herausforderungen für die aktuelle Reform der Lehrerbildung in Bezug auf den Theorie-Praxiszusammenhang Die Ausgangslage für die Reformen ist, trotz der oft negativen Erfahrungen mit den bisherigen Schulpraktika, von einer positiven Einstellung gegenüber dem Potential der Praktika geprägt. Bestehen bleibt auch die Annahme, dass Berufsfeldbezüge die Professionalisierung der Studierenden unterstützen. Dies heißt nicht, dass nicht zugleich ein Optimierungsbedarf erkannt worden sei. Dieser ergibt sich allein schon aus dem Paradigmenwechsel hin zur Kompetenzorientierung, insbesondere wenn Kompetenz, wie in den deutschen Qualifikationsrahmen „als umfassende Handlungskompetenz” verstanden wird, also als „Fähigkeit und Bereitschaft des Einzelnen, Kenntnisse und Fertigkeiten sowie persönliche, soziale und methodische Fähigkeiten zu nutzen und sich durchdacht sowie individuell und sozial verantwortlich zu verhalten.”262 Seit den 2000-er Jahren werden im Zusammenhang mit dem Praxisbezug eine Vielzahl an Reformansätzen263 erprobt. Ihre Zielsetzungen sind mannigfaltig: empirischen Forschung zur Wirksamkeit von Praktika, die sich vorrangig auf Daten vor der Bolognareform bezieht. Daneben stehen (vergleichende) Einzelstudien wie Weyland, U. (2010). Zur Intentionalität schulpraktischer Studien im Kontext universitärer Lehrerausbildung. Paderborn: Eusl-Verl.-Ges; Hauzenberger, F. (Hrsg.) (2011). Schulpraxisstudien in Europa. Schulpraktische Studien 6. Leipzig: Leipziger Univ.-Verl.; Hascher T. (2012); Gassmann, C. (2013). Erlebte Aufgabenschwierigkeit bei der Unterrichtsplanung: eine qualitativ-inhaltsanalytische Studie zu den Praktikumsphasen der universitären Lehrerbildung. Wiesbaden: Springer. 262 Vgl. Glossar zum Deutschen Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen verabschiedet vom Arbeitskreis Deutscher Qualifikationsrahmen (AK DQR) am 22. März 2011. Vgl. Deutscher Qualifikationsrahmen (2011). URL http://www.akkreditierungsrat.de/fileadmin/Seiteninhalte/Sonstige/BMBF_DQR_aktuell.pdf,S. 8-9). Zur Zielsetzung von Qualifikationsrahmen vgl. Bartosch, U. (2010). Die Europäisierung der Hochschullandschaft und die Einführung von Qualifikationsrahmen. Erziehungswissenschaft. Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft (DGfE), 21, 41, S. 73-91; Bartosch, U. (2010). Fachliche Qualifikationsrahmen, Beispielhafte Funktions- und Nutzungsmöglichkeiten. In W. Benz, J. Kohler & K. Landfried (Hrsg.), Handbuch Qualität in Studium und Lehre. HQSL (S. 1-44). Berlin: DUZ Verlag- und Medienhaus GmbH, S. 1-44. 263 Vgl. z.B. Flagmeyer, D. (Hrsg.) (2007). Mehr Praxis in der Lehrerbildung - aber wie? Möglichkeiten zur Verbesserung und Evaluation. Leipzig: Leipziger Univ.-Verl.; Reiber, K. E. (2008). Forschendes Lernen in schulpraktischen Studien – Methodensammlung. Ein Modell für personenbezogene berufliche Fachrichtungen, Bielefeld: UVW; Floß, P. (2012). Das allgemeindidaktische Schulpraktikum. Schulpädagogisches Orientierungswissen und Anregungen zum forschenden Lernen in der Schule. Ein Studienbuch für angehende und junge Lehrerinnen und Lehrer. Berlin u.a.: Raabe; Rohr, D. (Hrsg.) (2013). Reflexionsmethoden in der Praktikumsbegleitung. Am Beispiel der Lehramtsausbildung an der Universität zu Köln. München u.a.: Waxmann; Denner, L. (2013). Professionalisierung im Kontext schulpraktischer Studien - aber wie? Grundlagen - Lehr-Lernsettings - empirische Befunde. Baltmannsweiler: Schneider Hohengehren; Schrittesser, I. (Hrsg.) (2014). Zauberformel Praxis. Zu den Möglichkeiten und Grenzen von Praxiserfahrungen in der LehrerInnenbildung, Wien: New academic press; Schlegel, C., Perspektive Lehramt (2014³). Schulpraktika begleiten. Handreichungen und Arbeitsmaterialien für Mentorinnen und Mentoren in der Lehrerbildung. 112 • Der Perspektivwechsel von Lernenden zum Lehrenden soll unterstützt werden. • Die Vielfalt der Handlungsfelder des Lehrerseins soll intensiver wahrgenommen werden. • Eine reflexive, in anderen Fällen eine kreative Unterrichtspraxis soll gefördert werden. • Selbstreflexion soll Erfahrungen und subjektive Theorien bewusstmachen, ggfs. eine Einstellungsänderung gegenüber sich selbst und den Schülerinnen/ Schülern bewirken etc. Des Weiteren werden besonders in die Verlängerung der Praktika große Hoffnungen gesetzt. In vielen Bundesländern setzt man um den Preis der Verkürzung der zweiten Phase auf Langzeitpraktika (vgl. NRW, Baden-Württemberg, Hamburg, Niedersachsen). Die ersten Studien zu deren Wirksamkeit sind veröffentlicht.264 Die Ergebnisse sind nicht eindeutig, weder bezogen auf die Frage der Wirkung, noch auf die Frage, was jeweils wirkt. Dass die Erhöhung des zeitlichen Umfangs allein nicht ausreicht, kristallisiert sich als Gemeinsamkeit der Ergebnisse allerdings heraus. In vielen Reformansätzen werden Reflektiertheit und (Selbst-)Reflexivität als Gelingensbedingungen aller Praktika, nicht nur der Langzeitpraktika, postuliert und erprobt. In Studien erfolgen darauf bezogen explorative bzw. evaluierende Untersuchungen, die die Relevanz von Reflektiertheit und (Selbst-)Reflexivität grundsätzlich bestätigen.265 Explizit wird die Bedeutung einer Theoriebasierung auch für den Berufsfeldbezugs herausgearbeitet.266 Hingewiesen wird auch auf die Notwendigkeit der Vernetzung zwischen den Säulen der Lehrerbildung.267 Zur aktuellen Generation an Praktikumsforschungen sind in Handbüchern, Sammelbänden und Monographien erste Forschungsüberblicke erschienen.268 Stuttgart: Raabe; Vanier, D. H., Ratzi, A. (Hrsg.) (2015). Was Lehrerbildung leisten kann. Kreative Professionalisierung für die Schule. Braunschweig: Westermann. 264 Vgl. z.B.; Bolle, R. (Hrsg.) (2009). Schulpraktische Studien in gestuften Studiengängen. Neue Wege und erste Evaluationsergebnisse. Leipzig: Leipziger Univ.-Verl.; Müller, K. (2010). Das Praxisjahr in der Lehrerbildung. Empirische Befunde zur Wirksamkeit studienintegrierter Langzeitpraktika. Bad Heilbrunn: Klinkhardt; Schied, M. (2013). Schulpraktische Studien im Rahmen der Lehrerausbildung. Konzeptionalisierung und Evaluierung nach dem Gmünder Modell. Bad Heilbrunn: Klinkhardt; Kleinespel, K. (Hrsg.) (2014). Ein Praxissemester in der Lehrerbildung. Konzepte, Befunde und Entwicklungsperspektiven am Beispiel des Jenaer Modells. Bad Heilbrunn: Klinkhardt; Schüssler, R. (Hrsg.) (2014). Das Praxissemester im Lehramtsstudium. Forschen, Unterrichten, Reflektieren. Bad Heilbrunn: Klinkhardt. 265 Vgl. Rohr, D. (2013); Kricke, M. (Hrsg.) (2015). Internationalisierung der LehrerInnenbildung. Perspektiven aus Theorie und Praxis. Münster: Waxmann. 266 Vgl. Schlegel, C. (2014³); Terhart, E. (Hrsg.) (2014²). Handbuch der Forschung zum Lehrerberuf. Münster u.a.: Waxmann. 267 Vgl. Bach, A. (2013). Kompetenzentwicklung im Schulpraktikum. Ausmaß und zeitliche Stabilität von Lerneffekten hochschulischer Praxisphasen. München u.a.: Waxmann; Kraus, A. (2015). Anforderungen an eine Wissenschaft für die Lehrer(innen)bildung. Wissenschaftstheoretische Überlegungen zur praxisorientierten Lehrer(innen)bildung. European Studies on Educational Practices 5. Münster u.a.: Waxmann. 268 Vgl. z.B. Arnold, K.-H. (Hrsg.) (2014). Schulpraktika in der Lehrerbildung. Theoretische Grundlagen, Konzeptionen, Prozesse und Effekte. Pedagogical field experiences in teacher education. Münster u.a.: Waxmann; Terhart, E. (2014²). 113 Auch wenn die Befundlage noch etwas unübersichtlich ist, nicht zuletzt deshalb, weil bislang vorwiegend qualitative, damit nicht-repräsentative Studien vorliegen, lassen sich dennoch erste Konsequenzen für das Studium daraus ziehen. 5.2 Resümee 2006 postulierte die HRK eine „forschende Auseinandersetzung mit Praxissituationen“, u.a. durch Verstärkung universitär betreuter Lehr-Lernsituationen in der Schulwirklichkeit.269 Universitäten, die wie die KU, die Umstellung der Lehrerbildung in ein modularisiertes, und /oder zweistufiges Studiensystem früh realisierten, konnten bei der Entwicklung ihrer Konzepte zwar noch nicht auf einen den heutigen Erkenntnissen vergleichbaren Forschungsstand zu Praktika und Berufsfeldbezügen zurückgreifen. Einige Grundlinien für die mit dem Paradigmenwechsel hin zur Outcome-Orientierung verbundenen Neustrukturierung ließen sich ausgehend von der Reflexion der bisherigen Erfahrungen mit Praktika und unter Bezug auf erste Studien aber bereits zu Beginn der Reformbemühungen ableiten: • die systematische Erweiterung von Praktika zu intensiv vor- und nachbereiteten Praxismodulen; • die Notwendigkeit struktureller Maßnahmen, die das Zusammenführen von fachbezogenen und erziehungswissenschaftlichen Kompetenzen unterstützen (vgl. nachfolgend: Lehrerkompetenz als Querschnittkompetenzen) • Die Berücksichtigung des Handeln in den Feldern Unterrichten, Erziehen, Beurteilen/ Beraten und Innovieren nach der Vorgabe der Standards für die Lehrerbildung. 5.3 Praxismodule statt isolierter Praktika Inzwischen ist es Usus, statt Praktika Praxismodule zu konstruieren, die neben den Praktika auch vor- und nachbereitende und/ oder begleitende Lehrveranstaltungen aus den Erziehungswissenschaften und/ oder Fachdidaktiken umfassen, somit Theorie und Praxis miteinander verbinden. In den Modulbeschreibungen der Praxismodule werden die 269 Hochschulrektorenkonferenz (2006). Entschließung des 206. Plenums: Empfehlung zur Zukunft der Lehrerbildung in den Hochschulen. URL http://www.hrk.de/uploads/media/HRK_Beschluss_Lehrerbildung_2006.pdf, S. 14. 114 angestrebten Kompetenzen bestimmt und Abfolgen von Modulen innerhalb des jeweiligen Studiengangs festgelegt. Dies ermöglicht es zugleich, Kompetenzniveaus auszuweisen, um so eine Progression zwischen Praxismodulen zu definieren. Was im Teilkapitel „Erziehungswissenschaften” am Beispiel überfachlicher Kompetenzen wie z.B. der Medienkompetenz bereits ansatzweise diskutiert wurde, gilt auch für die Unterrichtskompetenz: Nur einzelne Aspekte können fachunabhängig entwickelt werden. Studien zu „gutem Unterrichten” (z.B. die COACTIV-Studien270) bestätigen, dass das Zusammentreffen fachlicher, also fachwissenschaftlicher und fachdidaktischer Kompetenzen eine der Grundlagen für gutes Unterrichten ist. Damit besteht eine Herausforderung sowohl für die Organisation der Schulpraktika, wie auch für die Planung der Praxismodule darin, den Studierenden zu ermöglichen, ihre Unterrichtskompetenzen in Bezug auf alle studierten Fächer zu entwickeln, und dabei zugleich die überfachlichen Kompetenzen weiter zu fördern. Strukturelle Maßnahmen für das Zusammenführen von fachbezogenen und erziehungswissenschaftlichen Modulen Es geht um Strukturen, die unterstützen, dass die in den Fachwissenschaften, Fachdidaktiken und Erziehungswissenschaften entwickelten Kompetenzen zusammengeführt werden. Im Falle eines auf Fachunterricht bezogenen Lehramtsstudiums sind davon zwei Fachwissenschaften und zwei Fachdidaktiken, oft aus unterschiedlichen Fakultäten sowie unterschiedliche Teildisziplinen der Erziehungswissenschaften betroffen; im Falle eines auf eine Schulart mit Klassenlehrerprinzip bezogenen Studiums sogar noch mehr Disziplinen. Manche Universitäten legen besonders bedeutsame Modulabfolgen bereits in der Rahmenordnung Lehramt fest, indem sie vorgeben, in welchen Semestern des Bachelor- bzw. Masterstudiums Praxismodule, aber auch bestimmte erziehungswissenschaftliche und fachdidaktische Module und Praxismodule zu studieren sind. Regelungen, die auch die Fachwissenschaften betreffen, erfolgen an diesen Stellen nicht. Ein weiterer Ort, um das Zusammenspiel und die Abfolge der Module der unterschiedlichen Säulen zu regeln, sind idealtypische Studienpläne. Diese fußen auf den Prüfungsordnungen der Universitäten und gewährleisten die Studierbarkeit der unterschiedlichen FachKombinationen innerhalb der Regelstudienzeit. Damit dies möglich wird, orientieren 270 Vgl. Kapitel B III 3.2 COACTIV: Professionswissen von Lehrkräften, kognitiv aktivierender Mathematikunterricht und die Entwicklung mathematischer Kompetenz bei Schülern 115 Studienplänen sich z.B. an Zeitfensterplänen, die ein überschneidungsfreies Studium ermöglichen.271 Idealtypische Studienpläne schaffen einen strukturellen Rahmen, der es den Fachwissenschaften, Fachdidaktiken und Erziehungswissenschaften ermöglichen würde, einen Bezug untereinander herzustellen und aufeinander abgestimmte Lehr-Lernkonzepte zu entwickeln. In die Pläne ist auch das Praxiskonzept eingepasst, im Idealfall so, dass die Lage im Studienplan einen vernetzten, berufsfeld-orientierten Aufbau von Handlungskompetenzen unterstützt. Ob und wie die Fächer sich aber tatsächlich in der vorgesehenen Weise vernetzen, kann über idealtypische Studienpläne nicht geregelt werden. Dies durch weitere Maßnahmen zu unterstützen, ist eine der Herausforderungen, vor denen z.B. ein Lehrerbildungszentrum steht, hier in der organisatorischen Verantwortung für die problemlose Ermöglichung kompetenzorientierter Lehramtsstudien einer Universität (vgl. oben, Kapitel A IV 4.4 Lehrerbildungszentren). Eine Konkretisierung eines Praxiskonzepts wird im Kapitel C II 3. Das Praxiskonzept in Lehramtplus zur Förderung des Verständnis als Scientist Practioner vorgestellt. Es reicht weit über Organisation hinaus und handelt sich um einen substanziellen Beitrag zur Weiterentwicklung von Lehrerbildung, wenn der Theorie-Praxis-Zusammenhang verstanden wird im Sinne der Entwicklung von Lehrerkompetenz als auf die Handlungsfelder der Schule ausgerichtete Querschnittskompetenzen. Die Handlungsfelder sind in den bereits dargestellten Standards für Lehrerbildung der KMK272 zusammengefasst als Unterrichten, Erziehen, Beraten/ Beurteilen und Innovieren. Im Folgenden wird Bezug auf diese Handlungsfelder genommen. Nach einer kurzen Situationsanalyse (1) werden an einem konkreten Beispiel (Lehramt-Track für das Gymnasium im Studiengangskonzept Lehramtplus der KU EichstättIngolstadt) Strukturüberlegungen verdeutlicht, die die Entwicklung von Lehrerkompetenzen als Querschnittskompetenzen unterstützen können (2). Ebenfalls an Beispielen wird gezeigt, wie die Entwicklung querschnittlicher Kompetenzen in Bezug auf die einzelnen schulischen Handlungsfelder gefördert werden kann (3). Auch hier ist das Beispiel nicht Selbstzweck, sondern Mittel zur Verdeutlichung. 271 Dass in den Praktikumsfenstern keine anderen Lehrveranstaltungen liegen können, ebenso wenig in Slots für zentrale erziehungswissenschaftliche Vorlesungen, dass die Zeitfenster für Fachdidaktik- und Fachmodule auf wählbare Zweitfächer Rücksicht nehmen müssen, verstehen nicht wenige Fächer als massive Eingriffe in ihre Entscheidungsfreiräume. 272 Vgl. Tenorth, H.-E., Terhart, E., Oelkers, J. & Krüger, H.-H. (2004), S. 7-12. 116 6. Lehrerkompetenzen als Querschnittkompetenz 6.1 Situationsanalyse Alle Beschreibungen des Berufsfelds Schule273 verweisen auf Fähigkeiten, Fertigkeiten, Bereitschaften von Lehrkräften, die Ausdruck vernetzter Kompetenzen sind. Lehramtsstudierende wie Referendare und Lehrkräfte stehen somit der Herausforderung gegenüber, die im Studium in den jeweiligen Säulen erworbenen Kompetenzen aufeinander zu beziehen und sie zu den für das konkrete Lehrerhandeln notwendigen Querschnittskompetenzen zu bündeln. Legt man gängige Kompetenzdefinitionen zugrunde, so ergibt sich daraus, dass auch der Aufbau von Querschnittskompetenzen gelernt werden kann und spezifischer Förderung zugänglich ist. Versuche von Universitäten in diese Richtung zeigen sich bezogen auf die Förderung querschnittlicher Forschungskompetenzen beim wissenschaftlichen Nachwuchs. Nur selten sehen es Universitäten dagegen als ihre Aufgabe an, den Aufbau von „Lehrerkompetenzen als Querschnittskompetenz” explizit zu unterstützen. Dies erstaunt nicht zuletzt, weil die im vorhergehenden Kapitel geschilderten Herausforderungen der inter- und transdisziplinären Zusammenarbeit in den Fach- und den Berufswissenschaften genug Anlass böten, um den Aufbau von Querschnittskompetenzen als Aufgabenfeld zu reflektieren. Auch die Verantwortlichen der Zweiten und Dritten Phase fühlen sich für die Förderung der Entwicklung von Querschnittskompetenzen bei Referendaren und Lehrkräften nur selten zuständig, und das obwohl dort die schulischen Handlungsfelder im Zentrum stehen, zu deren Bewältigung vernetzte Kompetenzen notwendig sind. Es wird vielmehr als Selbstverständlichkeit angenommen, dass die (angehenden) Lehrkräfte die an den Universitäten in den einzelnen Säulen erworbenen Kompetenzen zusammenführen können und zusammengeführt haben. Insbesondere in den Studienseminaren der zweiten Phase erfolgt die Förderung auf der Performanzebene des Handelns, ohne dass die dahinterliegende Ebene der Kompetenzen explizit bedacht und das Zusammenführen von getrennt entwickelten 273 Bsp.: Zusammenfassung der „Gemeinsame Erklärung des Präsidenten der Kultusministerkonferenz und der Vorsitzenden der Bildungs- und Lehrerverbände (Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 5.10.2000), zitiert nach Standards für die Lehrerbildung. Vgl. Standards für die Lehrerbildung. Bildungswissenschaften (2004), S. 3. 117 Kompetenzen zu Querschnittskompetenzen als eigene Form der Kompetenzentwicklung (an)erkannt würde. Damit wird der Aufbau vernetzter Handlungsfähigkeit für das Agieren in der Schule zu einer sehr individuellen Angelegenheit des einzelnen Studierenden, Referendars bzw. Lehrers. Inwiefern dabei vorhandene Kompetenzen explizit zu Querschnittskompetenzen gebündelt werden, hängt von Zufälligkeiten ab. Schulische und akademische Erfahrungen, Alltagtheorien und trial-end-error-Verfahren spielen eine wichtige Rolle. Der Grundsatz der Kompetenzorientierung, dass Kompetenzen erlernt und explizit gefördert werden können, bleibt an dieser Stelle meist außen vor. Die Herausforderung für eine Reform der Lehrerbildung besteht deshalb darin, die Entwicklung der Lehrerkompetenz als Querschnittskompetenzen zunächst als Aufgabe wahrzunehmen und schließlich mit einer Systematisierung von geeigneten Maßnahmen in den verschiedenen Phasen der Lehrerausbildung zu beginnen. Wie angekündigt, werden zuerst Strukturmaßnahmen vorgestellt, sodann konkrete, auf die vier von der KMK definierten Handlungsfelder bezogene Fördermaßnahmen. 6.2 Lehrerkompetenzen als Querschnittskompetenz strukturell aufbauen: der „Lehramtstrack” Ein struktureller Schritt besteht darin, in den idealtypischen Studienplänen neben den beiden studierten Fächern klar erkennbar einen dritten Block mit Modulen auszuweisen, der explizit der Förderung lehramtsspezifischer Kompetenzen dient. Um dessen Beitrag zur Entwicklung von Lehrerkompetenzen als Querschnittskompetenzen zu verdeutlichen, erfolgt eine Konkretisierung274 am Beispiel des Eichstätter Studienmodells Lehramtplus/ Gymnasium. In den Lehramtstracks der Bachelor- bzw. Masterphase werden lehramtsspezifische Module zusammengefasst, die einen Beitrag für den Aufbau von Lehrerkompetenz als Querschnittskompetenzen leisten können.275 Die beiden Lehramtstracks werden in den idealtypischen Studienplänen auch optisch hervorgehoben: Der Track der Bachelor-Phase ist rot umrahmt, der Track der Master-Phase violett: 274 Konkretisierungen am Eichstätter Modellversuch sind an sich dem zweiten Teil der Publikation vorbehalten. An dieser Stellen haben wir uns für eine Abweichung entschieden, weil uns konkrete Beispiele notwendig schienen, um Prinzipien für die Unterstützung eines vernetzten Kompetenzaufbaus verdeutlichen zu können. 275 Weil die Eichstätter Lehrerbildung zugleich zum bayerischen Staatsexamen und zu Bachelor- und Masterabschlüssen führen muss, sind in den idealtypischen Studienplänen alle drei Abschlüsse dargestellt, demzufolge auch die Lehramtstracks der Bachelor- und der Masterphase. 118 Abb.5: Idealtypischer Studienplan (KU Eichstätt): Lehramt Gymnasium Im Lehramtstrack gebündelt sind fachdidaktische Module (dunkelgrün und dunkelblau), erziehungswissenschaftliche (gelb) und Praxismodule (fleischfarben), dazu Wahl-(pflicht)module zur Profilbildung (rosa und violett). Diese Module stehen nicht nur untereinander in einem den Aufbau einer Querschnittskompetenz unterstützenden Zusammenhang und in einer aufeinander bezogenen Abfolge. Zusätzlich besteht eine Korrelation zu den fachwissenschaftlichen Modulen der beiden studierten Fächer (hellgrün und hellblau). Der Lehramtstrack bildet somit die strukturelle Grundlage des Aufbaus von Lehrerkompetenz als Querschnittskompetenz. Seine Visualisierung in den idealtypischen Studienplänen richtet sich an Dozenten wie Studierende, um die im Alltag meist auf Semester bezogenen Entscheidungen in den Kontext des vernetzten Aufbaus von Lehrerkompetenzen zu stellen. 6.3 Konkrete Maßnahmen zur Entwicklung von Lehrerkompetenzen als Querschnittskompetenz 119 Der Aufbau von Querschnittskompetenzen soll dadurch gefördert werden, dass einzelne Module aus unterschiedlichen Säulen (der studierten Fachwissenschaften, Fachdidaktiken, Teildisziplinen der Erziehungswissenschaft) miteinander vernetzt werden. Die Realisierung kann unterschiedliche Formen annehmen und kann z.B. als explizite Abstimmung in der Planung erfolgen, als phasenweise Kooperation, als Teamteaching oder als Coaching on demand. Die Maßnahmen werden an Modulen des oben abgebildeten Lehramtstracks verdeutlicht und beziehen sich auf unterschiedliche der von der KMK definierten Handlungsfelder. 6.3.1 Handlungsfelder Unterrichten und Erziehen – Förderung der Querschnittskompetenzen mit Hilfe der Praxismodule Im Praxismodell der KU (vertiefende Ausführung in Kapitel B II Das Praxiskonzept in Lehramtplus zur Förderung des Verständnis als Scientist Practioner) belegen Studierende der Lehrämter Gymnasium und Realschule drei Praxismodule, Studierende der Lehrämter Grundund Mittelschule belegen vier Praxismodule.276 Die Praxisphase beginnt mit dem Modul Blockpraktikum, das einen erziehungswissenschaftlich-pädagogischen Schwerpunkt hat und vor allem Schüler und Lehrer als Personen und Persönlichkeiten ins Zentrum rückt. Die nachfolgenden Praxismodule Unterrichten 1 und 2 sind stärker fachbezogen. Kinder und Jugendliche als Adressaten bleiben dabei im Blick. Sie werden sowohl als Teil des Klassenverbands und als Klasse im Ganzen betrachtet als auch als Individuen, allerdings geht es nun im Speziellen um die Förderung der Schülerinnen und Schüler in ihren fachlichen Kompetenzen. In den Praxismodulen sollen Lehramtsstudierende dabei gefördert werden, Wege kennenzulernen und zu erproben, um Lernende277 zu fördern, z.B. dabei unter Nutzung fachlicher Einsichten die Welt, oft aber auch sich selbst und die anderen besser zu verstehen. So kommen Motive zum Tragen, die in der auf Seneca zurück zu führenden Sentenz „Non scholae sed vitae discimus“ gefasst sind, und im Paradigma der Kompetenzorientierung als Fähigkeiten, Fertigkeiten und Bereitschaften verstanden werden, die dazu befähigen, mit den 276 Das nur für angehende Grund- und Mittelschullehrer vorgeschriebene Modul „zusätzlich studienbegleitendes Praktikum“ zielt darauf, die Kompetenzen für Unterrichten und Erziehen in den Schularten mit Klassenlehrerprinzip zu unterstützen. Grund- und Mittelschulpädagogik als Spezialdisziplinen sind gefragt, die Vernetzung vorrangig mit den Fachdidaktiken herzustellen. 277 Unter Lernenden werden Kinder und Jugendliche in der Schule, aber auch Erwachsene verstanden; es liegt also das Konzept des Lebenslangen Lernens zugrunde. 120 immer neuen Situation des Lebens umzugehen – verantwortlich und so, dass das eigene Leben im Großen und Ganzen als sinnvoll und lebenswert wahr genommen werden kann. Folgend wird an zwei Beispielen konkretisiert, wie mit Hilfe der Praxismodule ein Beitrag zum vernetzenden Aufbau von Querschnittskompetenzen geleistet werden soll. 6.3.1.1 Kooperation der Fachdidaktiken in den Praxismodulen Unterrichten 1 und 2 Die Praxismodule Unterrichten 1 und 2 bestehen jeweils aus drei Veranstaltungen, einem Schulpraktikum und jeweils zwei fachdidaktischen Praxisseminaren. Dieser Modulaufbau lädt die Fachdidaktiken dazu ein, die Praxisseminare miteinander zu vernetzen, indem z.B. die Gesamtplanung abgesprochen wird, über die Konzepte der Kompetenzförderung und/ oder des Verständnisses von gutem Unterricht sowie über Fragen der progressiven Entwicklung von Unterrichtskompetenz diskutiert wird, fachübergreifende Gemeinsamkeiten und fachspezifische Besonderheiten herausgearbeitet werden oder auch nur die für die Unterrichtskonzeption zugrunde gelegten Artikulationsmodelle abgesprochen werden. Die geschilderten Beispiele zielen auf den querschnittlichen Aufbau von Unterrichtskompetenz. Die Auseinandersetzung mit Gemeinsamkeiten und Unterschieden wird nicht von den Studierenden allein erwartet, sondern erfolgt unter Beteiligung der beiden Dozenten, im Idealfall auch unter Einbezug der Praktikumslehrkräfte. Der Abstimmungsprozess kann durch das Lehrerbildungszentrum unterstützt werden, z.B. durch die Einrichtung einer Arbeitsgruppe Praktikums-Standards und durch informellere Formen (wie z.B. die Einladung zum monatlichen Praktikumscafé). Im Eichstätter Fall konnte für die Praktikumsgestaltung noch der Modellversuch KOOPeration Erste und Zweite Phase Lehrerbildung genutzt werden (vgl. 2. Modellversuch „KOOPeration Erste und Zweite Phase Lehrerbildung“). Dort wurden Praxisseminare mit kontinuierlichem oder phasenweisem Teamteaching des Fachdidaktikdozenten mit Seminarlehrkräften oder Praktikumslehrkräften entwickelt. Dabei geht es nicht nur um eine Personifizierung des Theorie-PraxisZusammenhangs und dessen Aushandlung mit und vor den Studierenden, sondern auch darum, an konkreten Fällen der Unterrichtsplanung oder -reflexion zu zeigen, dass fachliche wie fachdidaktische Kompetenzen Fundamente für die Entwicklung der querschnittlichen Unterrichtskompetenz sind – sowohl aus Sicht der Lehrkräfte als auch aus Sicht der Universität. Analog bietet sich Teamteaching von Erziehungswissenschaftlern und Fachdidaktikern an. Ziel wäre es, die Kompetenzentwicklung aufeinander zu beziehen. 121 überfachliche und fachbezogene 6.3.1.2 Förderung der Querschnittskompetenzen über alle Praxismodule hinweg Liegt der Fokus nicht auf einzelnen Praxismodulen, sondern auf der gesamten Praxisphase geht es nicht mehr nur darum zu verdeutlichen, dass für das Unterrichten fachlichfachdidaktische Querschnittskompetenzen notwendig sind, sondern auch darum zu zeigen, dass in den Unterricht auch die weiteren Handlungsfelder (Erziehen, Beraten/ Beurteilen, ggfs. Innovieren) hineinreichen. Weil im Unterricht immer wieder Erziehungssituationen von Bedeutung sind, müssen Kompetenzen aus den unterschiedlichen unter Erziehungswissenschaften subsumierten Disziplinen aktiviert werden – neben den für die fachliche Planung, Durchführung, Reflexion und Beurteilung von Unterricht notwendigen fachwissenschaftlichen und fachdidaktischen Kompetenzen. In den Praxismodulen dürfte es die Regel sein, dass innovative Unterrichtsmaßnahmen thematisiert werden. Auch sie beziehen sich nur selten auf eine der Säulen allein. Dies gilt insbesondere, wenn ein Zusammenhang zum lebensweltlich/ gesellschaftlich geforderten Paradigmenwechsel hin zur Kompetenzorientierung realisiert werden soll. Die nachfolgende Grafik verdeutlicht die mit Hilfe der Praxismodule intendierte Vernetzung des Studiums: Abb. 6: Lehrerkompetenzen als Querschnittskompetenz (Waltraud Schreiber) 122 Um die Studierenden dabei zu fördern, die Entwicklung ihrer Unterrichtskompetenz während des Studiums besser wahrzunehmen, kann es hilfreich sein, wenn sie ein Gesamtportfolio über alle Praxismodule hinweg führen. Die Aufgaben für die einzelnen Module sollten darauf zielen, die Progression über die Semester hinweg sichtbar zu machen, was die zunehmende Fähigkeit zur querschnittlichen Vernetzung einschließt. Dem dient die Sammlung der Lehrmaterialien der einzelnen Dozenten, auf die sich die (im Idealfall seminarübergreifend erfolgende) Reflexion des Zusammenhangs über die Fachgrenzen hinweg ebenso beziehen kann, wie die innerdisziplinäre Herausarbeitung einer zunehmend komplexen Unterrichtsplanung und Reflexion (z.B. in Bezug auf die fachlichen Ziele, die fachspezifischen Methoden, die fachbezogenen Unterrichtsmethoden, die individuelle Förderung, die zieldifferente Arbeit am gemeinsamen Gegenstand und deren spätere WiederZusammenführung zu einer Einheit). 6.3.2 Handlungsfelder Unterrichten/ Beraten – Förderung der Querschnittskompetenzen mit Hilfe von Kombimodulen Kombimodule werden von Vertretern unterschiedlicher Disziplinen gemeinsam verantwortet. Näher vorgestellt wird im Folgenden ein von Fachwissenschaft und Fachdidaktik angebotenes Kombimodul. Andere Universitäten278 haben gute Erfahrungen z.B. mit Kombimodulen unter der Beteiligung von Psychologen (Diagnostiker) und Fachdidaktikern gemacht: Gemeinsam wird die Fähigkeit von Studierenden unterstützt, die Ausgangslage von Schülern in heterogenen Klassen zu diagnostizieren. Das im Folgenden näher vorzustellende Kombimodul bezieht sich auf Geschichte; kombiniert wird ein fachwissenschaftliches Hauptseminar mit einem Seminar zur fachdidaktischen Reflexion. Das Kombimodul kann als Wahlpflichtmodul in der Schlussphase des Bachelorstudiums gewählt werden. Als Bezugspunkt wurde ein fachwissenschaftliches Hauptseminar gewählt, weil es Studierenden wie Referendaren offensichtlich schwerfällt, einen Zusammenhang zwischen der dort stattfindenden vertieften forschungsnahen Auseinandersetzung mit einem Thema zum Unterricht herzustellen.279 Beklagt wird häufig, dass die fachwissenschaftlichen Hauptseminare viel zu speziell für Lehramtsstudiengänge 278 Versuche laufen u.a. an nordrhein-westfälischen Universitäten, weil dort ein Diagnostik-Modul zu den berufsspezifischen Modulen gehört, die von allen Lehramtsstudierenden absolviert werden müssen. 279 Dies war eines der Ergebnisse der Referendarsbefragung im Modellversuch KOOP I. und II. Phase. 123 seien und dass die dort bearbeiteten Themen im Unterricht nicht aufgegriffen werden könnten. Die Relevanz von Hauptseminaren für das Lernen im Geschichtsunterricht wird sofort deutlich, wenn nicht das Thema im Zentrum gesehen wird, sondern die am Thema erfolgende Kompetenzentwicklung. In der fachdidaktischen Lehrveranstaltung werden die Studierenden deshalb u.a. dabei unterstützt, ihr eigenes Lernen im Hauptseminar zu reflektieren und z.B. zu erkennen, inwiefern und in welchen Bereichen sie ihre fachlichen Kompetenzen weiterentwickelt haben. Dafür ist es hilfreich, das geförderte historische Denken entlang eines Kompetenzstrukturmodells zu systematisieren. Für die folgenden Erläuterungen wird das unter Eichstätter Koordination erarbeitete Modell der FUER-Gruppe zugrunde gelegt. In diesem Modell werden die Kompetenzbereiche für das historische Denken aus dem Prozess historischen Denkens hergeleitet.280 Die Einsichten in das eigene Lernen können die Studierenden nutzen, um das im Geschichtsunterricht stattfindende Lernen ihrer Schülerinnen und Schüler besser zu verstehen und gezielter zu begleiten.281 Von besonderer Bedeutung ist z.B. die Reflexion darüber, inwiefern die Auseinandersetzung mit dem Thema des Hauptseminars zur historischen Orientierung der Studierenden beigetragen hat: Der Fokus kann auf ein tieferes Verstehen der Epochenspezifik, ihrer Voraussetzungen und Folgen liegen; es können Entwicklungen in der Vergangenheit betrachtet werden, Gegenwärtiges aus seinem Gewordensein erklärt werden, historisch fundierte Zukunftserwartungen formuliert bzw. der Beitrag von Vergangenheitsdeutungen für zukunftsorientierte Handlungsdispositionen bedacht werden oder über (scheinbar) überzeitlich Gültiges reflektiert werden. Regelmäßig werden im fachdidaktischen Seminars auch Methodenfragen ins Zentrum gerückt: Reflektiert werden die Antwortsuche (z.B. unter Bezug auf die im Hauptseminar gehaltenen Referaten), die dabei genutzten Materialien und die für deren Erschließung 280 Vgl. Schreiber et al. 2006; Körber, A., Schreiber, W. & Schöner, A. (2007). Unterschieden werden als procedurale Kompetenzbereiche das Umgehen können mit historischen Fragen, mit historischen Methoden und mit Möglichkeiten der historischen Orientierung. Die historische Sachkompetenz, der vierte Kompetenzbereich, ist in der vorfindlichen Entwicklung der Ausgangspunkt für den historischen Denkprozess; im Denkprozesse entwickelt sie sich (idealtypisch gesehen) weiter. 281 Am Beispiel eines Hauptseminars zum mittelalterlichen Siechenhaus in Eichstätt werden die Studierenden im ersten Schritt angeregt, sich bewusst zu machen, was konkret eigene Denkprozesse ausgelöst hat, was für sie selbst „bedeutsam“ war. Es geht darum, die im Hauptseminar thematisierten Fragestellungen für sich selbst auf einen Punkt zurückzuführen, der irritierend war, anders als erwartet, der das Interesse an Zeitspezifischem geweckt hat oder auf überzeitlich Relevantes verwiesen hat. (Vgl. Bräuer, B., Schreiber, W. (2016). Orientierungsgelegenheiten. Theoriebildung für gemeinsames Geschichtslernen in inklusiven Klassen. In: C. Kühberger, C. Schneider, R. (Hrsg.) (in Vorbereitung, erscheint 2016), Inklusion im Geschichtsunterricht. Der Schulbezug besteht darin, ausgehend von den eigenen Erfahrungen darüber nachzudenken, was z.B. am Mittelalter Orientierungspotential für Schülerinnen und Schüler hat. 124 notwendigen Arbeitsweisen.282 Ein weiterer Zugriff des Didaktikseminars ist, zu bedenken, wie mit Hilfe des Hauptseminars die eigene Sachkompetenz weiterentwickelt wurde/ werden könnte.283 Diese Form des Kombimoduls lässt unterschiedliche Tiefen der Kooperation zu.284 Je enger und kontinuierlicher die Kooperation der beiden Dozenten in Vorbereitung, Durchführung und Reflexion ist desto ertragreicher ist das Kombimodul für die Studierenden. Wird z.B. vereinbart, dass der Fachwissenschaftler seine Maßnahmen der Kompetenzförderung den Studierenden gegenüber expliziert, verkürzt dies die entsprechenden Reflexionsphasen im Didaktikseminar; der Schwerpunkt kann dann auf Überlegungen zur Relevanz für die Kompetenzförderung der Schülerinnen und Schüler gelegt werden. Teamteaching, geeignet sowohl für das Hauptseminar, für das Didaktikseminar als auch für gemeinsam festgelegte Themen, markiert die intensivste Form der Kooperation: Ein gemeinsames Thema (z.B. einer abschließenden Sitzung) kann etwa der öffentliche Umgang mit Mittelalterthemen sein.285 Während der Historiker einen Mittelaltermarkt der Umgebung insbesondere im Fokus Vergangenes analysiert, liegt die besondere Kompetenz des Fachdidaktikers in der Betrachtung des intendierten und tatsächlichen Einflusses auf den Rezipienten.286 Kombimodule dieser Art verfolgen immer vernetzte Ziele: Indem Studierende ihren Kompetenzerwerb reflektieren, trägt das Modul zugleich zu einer vertieften Förderung 282 Die Quellen zum Eichstätter Siechenhaus sind bspw. nicht ediert. Was für viele Studierenden aus diesem Hauptseminar deshalb an Zugewinn für Methodenkompetenz mitgenommen werden konnte, war die Wahl geeigneter Archive, der Umgang mit den archivalischen „Findmitteln“, die mit ihrer Hilfe erfolgte Auswahl der Quellen, das Lesen und Übersetzen der Archivalien, das Narrativieren der Ergebnisse. Wieder liegt der Übertrag auf Unterricht auf der Hand: Einmal in ihrer Schulzeit sollte jede Klasse in einem Archiv arbeiten. Die eigenen Erfahrungen von Schwierigkeiten und Lösungen sind die Grundlage für die Gestaltung einer entsprechenden Unterrichtssequenz. 283 Die Reflexion über den Aufbau der eigenen Sachkompetenz kann wiederum als Bezugspunkt genutzt werden, um darüber nachzudenken, wie Schülerinnen und Schüler im Ausbau ihrer historischen Sachkompetenz gefördert werden können. Ein Ansatzpunkt ist, am Fall (hier: des Siechenhauses) „Kernkonzepte“ (hier: einer mittelalterlichen Gesellschaft) auszudifferenzieren, zu klären, inwiefern sich am Eichstätter Fall Besonderheiten kategorial erfassen lassen oder zu fragen, welche späteren Entwicklungen strukturell bereits angelegt sind (hier z.B. bezogen auf Armenfürsorge, Krankheitswesen oder Altersvorsorge). 284 Das unterste Ende stellt dar, dass der Fachwissenschaftler sein Modul für Besuche des Fachdidaktikers öffnet und dass er einverstanden ist, dass die Prüfungsleistung des Kombimoduls im Didaktikmodul erbracht wird. Selbst das ist nicht selbstverständlich: Es ist an deutschen Universitäten durchaus unüblich, Kollegen die Tür zu öffnen, ihnen letztlich nahe Einblicke in die Gestaltung z.B. des Hauptseminars zu eröffnen. 285 Dass Historiker gesellschaftlich Verantwortung übernehmen, indem sie sich mit geschichtskultureller Erzählungen auseinandersetzen, insbesondere mit Missbrauch, der durch nicht plausible Vergangenheitsbezüge entstehen kann, wird gerade im Zusammenhang mit dem „heritage of War“ verstärkt angemahnt. Vgl. z.B. Kuhn, K. J., Ziegler, B. (2013). Tradierungen zur Schweiz im Ersten Weltkrieg: Geschichtskulturelle Prägungen der Geschichtswissenschaft und ihre Folgen in: Schweizerische Gesellschaft für Geschichte, Heft 3, S. 505-526. 286 Im Team-Teaching erfahren die Studierenden in besonderem Maße den Mehrwert für historische Orientierung, der darin besteht, bei der Beschäftigung mit Geschichtskultur der Alterität der betrachteten Vergangenheit ebenso ihr Recht zu geben, wie den Besonderheiten der Gegenwart, in der auf Vergangenes Bezug genommen wird. 125 fachwissenschaftlicher Kompetenzen bei und vermeidet Aporien einer positivistischen, ausschließlich vergangenheitsfokussierten Sichtweise. Hinsichtlich der Entwicklung fachdidaktischer Kompetenzen führt das Kombimodul zu einer disziplinspezifisch fundierten Auseinandersetzung mit Unterricht. Bezogen auf die Diskussion des öffentlichen Umgangs mit Geschichtskultur werden fachlich-vergangenheitsbezogene Beurteilungen und adressatenbezogene sowie gegenwarts- und zukunftsbezogene Urteile zusammengeführt. Kompetenzen werden im Querschnitt aufgebaut. 6.3.3 Handlungsfelder Querschnittskompetenzen Innovieren/ durch Unterrichten: fächerübergreifende Förderung Kooperationen der in vernetzten Modulen Zur Verdeutlichung wird auch hier ein Eichstätter Beispiel genutzt, das KUniversale Modul.287 Das Konzept wird seit einigen Semestern von einer Arbeitsgruppe realisiert; die konkrete Verantwortung hat jeweils ein themenabhängig zusammengestelltes Team. Anfangs war KUniversale vor allem auf Fachstudierende ausgerichtet; inzwischen sind Lehramtsstudierende zum Besuch eingeladen, eine Anrechnung als Wahlmodul ist auch im Lehramtsstudium möglich. Die nachfolgende Grafik verdeutlicht die Struktur: Es wird ein Semesterthema gewählt, das für unterschiedliche Teildisziplinen relevant ist und sich deshalb für die Zusammenarbeit mehrerer Disziplinen anbietet. Herzstück ist die 14-tägig stattfindende Ringvorlesung, bei der externe und interne Referenten zu Wort kommen, um das Thema aus unterschiedlichen Perspektiven zu beleuchten. Die Ansätze werden in unterschiedlichen Modulen aufgegriffen und dort in Pro- oder Hauptseminaren, Projektseminaren, Lehrforschungsprojekten oder Praxismodulen unterschiedlicher Disziplinen vertieft. Die Ringvorlesung kann sowohl zum Bestandteil verschiedener fachspezifischer Module werden als auch „nur“ als Initiierung dienen. Die Vorlesung selbst bzw. das Rahmenthema entspricht dem Inhalt, mit dessen Hilfe die in den beteiligten Modulen ausgewiesenen Kompetenzen entwickelt werden. In einer gemeinsamen Abschlussveranstaltung präsentieren die Studierenden den meist fachfremden Kommilitonen, die jedoch durch die Ringvorlesung eine gemeinsame Basis haben, ihre Weiterarbeit. 287 Vgl. zu diesem Modultypus das Forum K’Universale (2011). URL http://www.ku.de/kuniversale; dort sind auch die Ideengeber und Akteure verzeichnet. 126 Abb. 7 Visualisierung KUniversale (inhaltlich: Gabriel Gien) Um das Handlungsfeld Unterrichten „anzusteuern”, könnte die Ringvorlesung z.B. mit dem lehramtsspezifischen Modul Unterrichten 2 gekoppelt werden. Im Praxisseminar könnte dann die Planung eines interdisziplinäres Projekts am Inhalt der Ringvorlesung erarbeitet werden; idealerweise würde dieses im Rahmen des Praktikums realisiert. Weil das meist überfachlich ansetzende Konzept des projektorientierten Unterrichts in der Regel im fachdidaktischen Aufbaumodulen erarbeitet wird, wäre auch dieser Modultypus als Partner-Modul geeignet, wenn Unterrichtskompetenz als Querschittskompetenz entwickelt werden soll. 127 Die Erfahrung mit dem KUniversale Modul sind für angehende Lehrkräfte zudem für das Handlungsfeld Innovieren von Bedeutung. Fächerübergreifende Zusammenarbeit zu initiieren und so zu realisieren, dass nicht nur oberflächliches, sondern tiefes und flexibles Verstehen angebahnt wird, ist eine der Zukunftsaufgaben von Schule. Dafür können die Erfahrungen aus dem Modul KUniversale genutzt werden, insbesondere dann, wenn sie explizit reflektiert werden. Die Reflexion ist zum einen das Ziel der Abschlussveranstaltung; verortet ist sie zum anderen auch in den Partnermodulen. In besonderem Maße könnten Fächer, die mehrere Bezugsdisziplinen haben (z.B. Heimat- und Sachunterricht; Sozialkunde, Gesellschaftslehre) von der überfachlichen Ausrichtung der Ringvorlesung profitieren. Generell ist die Fachreflexion ein Modultypus, der in besonderem Maße geeignet ist, in Zusammenarbeit mit der Ringvorlesung Lehrerkompetenzen als Querschnittskompetenzen zu fördern. 6. 4 Resümee Die Einsicht ergibt sich fast zwangsläufig, dass das praktische Handeln in den Feldern Unterrichten, Erziehen, Beraten/ Beurteilen und Innovieren von den Lehrkräften verlangt, ihre in den studierten Fachwissenschaften, Fachdidaktiken und Erziehungswissenschaften erworbenen Kompetenzen zu vernetzen. Ein gelingender Theorie-Praxis-Bezug setzt Lehrerkompetenzen, die als Querschnittskompetenzen entwickelt sind, voraus. Bislang wird aber davon ausgegangen, dass die Vernetzung der getrennt entwickelten Kompetenzen Sache der einzelnen Studierenden, Referendare und Lehrkräfte ist. Die Institutionen der Lehrerbildung sehen die bewusste Förderung von Lehrerkompetenzen als Querschnittkompetenz noch selten als eine spezifische Aufgabe an. Dies erstaunt, denn an der Universität ist die inter- und transdisziplinäre Zusammenarbeit zunehmend als Herausforderung anerkannt, die eigener Kompetenzen bedarf. In Bezug auf Forschung wird daraus immer häufiger die Konsequenz gezogen, dass der Nachwuchs für vernetztes Forschen gezielt vorbereitet werden muss. Dass auch der Aufbau der querschnittlichen Kompetenzen, die Lehramtsstudierende für ihr schulisches Handeln brauchen, gezielt gefördert werden müsste, hat sich demgegenüber weder als theoretische Einsicht, noch in der praktischen Realisierung durchgesetzt. Es sind deshalb best practice-Beispiele, an denen gezeigt werden muss, dass die Universität die Herausforderung eines querschnittlichen Kompetenzaufbaus in der Lehre bewältigen könnte. 128 • Die strukturellen Rahmenbedingungen zu schaffen ist eine Vorbedingung, die realisiert sein muss. Unterstützende hierfür können idealtypische Studienpläne sein. • Dass aufeinander abgestimmter Praxismodule einen Beitrag zur Entwicklung von Lehrerkompetenzen als Querschnittskompetenzen leisten können, liegt auf der Hand. Den Berufswissenschaften kommt fachwissenschaftlichen und beim Zusammenführen erziehungswissenschaftlichen von fachdidaktischen, Kompetenzen besondere Bedeutung zu. Die in dieser Richtung bereits vollzogenen Schritte auszubauen, die Zusammenarbeit mit dem expliziten Ziel der Vernetzung des Kompetenzaufbaus weiterzuführen, ist hier die Herausforderung. • Dass Kombimodule, die Veranstaltungen aus zwei Säulen explizit aufeinander beziehen, die querschnittliche Kompetenzentwicklung fördern könnten, wurde am Beispiel der Kombination eines fachwissenschaftlichen Hauptseminars und eines Didaktikseminars gezeigt, das das eigene Lernen der Studierenden reflektiert und daraus Konsequenzen für die Förderung kompetenzorientierten Lernens im Unterricht zieht. • Dass eine Vernetzung von Modulen quer über viele Fächer möglich ist und Potentiale für den querschnittlichen Kompetenzaufbau hat, wurde abschließend am Konzept einer fachübergreifenden Ringvorlesung verdeutlicht, die auf vielfältige Weise in Bezug zu weiteren, auch lehramtsspezifischen Modulen gesetzt werden kann. Neue, auf den querschnittlichen Kompetenzaufbau ausgerichtete Wege in der Lehre, das wurde deutlich, erfordern in pragmatischer Perspektive intensive Vorbereitung, profitieren von gemeinsamer Durchführung und Reflexion. Sie müssten ebenso unterstützt und gefördert werden wie die Vorbereitung inter- und transdisziplinärer Forschungsprojekte. Etwa müssten die einzelnen Dozenten (z.B. durch Lehrerbildungszentren) bei der Koordination der Zusammenarbeit unterstützt werden. Eine Deputatsanrechnung oder Leistungsprämie für die Entwicklung neuartiger Formen der Kooperation sollte vorgesehen sein. Die Realität sieht jedoch anders aus: Bislang kann z.B. Teamteaching in der Kapazitätsberechnung nur in Ausnahmefällen berücksichtigt werden. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass dringender Bedarf besteht, sich im Zuge einer Reform der Lehrerbildung auf unterschiedlichen Ebenen mit der Vernetzung der getrennt aufgebauten Kompetenzen zu einer Lehrerkompetenz als Querschnittskompetenz zu befassen. In der Praxis damit zu beginnen ist ein Weg; ihn theoretisch zu fundieren und empirisch zu begleiten ist eine Forderung, die naheliegt. 129 B. Für Schule und Leben kompetent – aber wie?: Ansatzpunkte, Herausforderungen der mit den „Reform der Lehrerbildung” umzugehen Der systematisierende Überblick über die vielfältigen Herausforderungen, die in einer Reform der Lehrerbildung zu berücksichtigen wären, hat eines verdeutlicht: Jeder Versuch, an einzelnen Stellen anzusetzen und diese in der Hoffnung auf einen Gesamteffekt zu optimieren, wäre ebenso zum Scheitern verurteilt wie der Plan, vorab ein Gesamtkonzept zu entwickeln und erst danach einen strukturierten Reformprozess in Gang zu setzen. Ersteres würde zu Flickschusterei führen, letzteres ist nicht möglich, weil Lehrerbildung nicht für sich allein betrachtet werden kann, sondern eingebunden ist in Gegebenheiten und Prozesse, die jenseits der Zuständigkeiten von Lehrerbildnern liegen. Die aktuellen Reformen der Lehrerbildung sind eher mit einer Operation am offenen Herzen zu vergleichen: Sie sind von Hemmnissen und Risiken begleiten, finden bei laufendem Betrieb statt, schließen ein Abtasten dessen ein, was denkbar und machbar ist. Zudem: Ob der Patient überlebt, hängt nicht nur von den Ärzten ab, sondern maßgeblich auch von der Verfassung und Motivation des Patienten. Die folgenden Überlegungen sind aus der Reflexion der Gesamtlage, dazu aus der mehr als 10-jährigen Erfahrung als mitverantwortlich für Lehrerbildung und für die Reform der Lehrerbildung der 2000-er Jahre entstanden.288 Das Ziel ist es, Ansatzpunkt für die Reform der Lehrerbildung zu formulieren, die von den einzelnen Universitäten aufgegriffen und entsprechend der jeweiligen Standortbedingungen 288 angepasst werden können Die Waltraud Schreiber war zwischen 2003 und 2015 in unterschiedlichen Funktionen für Lehrerbildung an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt zuständig; Stefanie Zabold war zwischen 2008 und 2015 als wissenschaftliche Mitarbeiterin beteiligt an einem Forschungs- und Entwicklungsprojekt mit dem Titel,,Lehramtplus Qualität Plus für bayerische Hochschulen und Schulen. Qualitätssteigernde Evaluierung des Eichstätter Modellversuchs“. 130 Überlegungen sind in die Bildungsreformen des neuen Jahrtausends eingeordnet und als anhaltender Prozess verstanden, der auf Evaluierungsergebnisse wie auf Veränderungen der Rahmenbedingungen reagieren muss. Der Zusammenhang der universitären Lehrerbildung mit der zweiten und dritten Phase ist mitbedacht. Die Grundidee ist, auf eine Metaebene zu wechseln und nach Ansatzpunkten zu suchen, die es ermöglichen, mit den vielfältigen Herausforderungen einer „Reform der Lehrerbildung” systematisch umzugehen. Diese Ansatzpunkte müssen einige Bedingungen erfüllen: • Sie müssen von Bedeutung für alle an der Lehrerbildung beteiligten Fächer und Disziplinen sein, indem sie fachbezogene und überfachliche Weiterentwicklungen unterstützen, Perspektiven für bislang als ungelöst wahrgenommenen Probleme eröffnen, auch bezogen auf bereits laufende Reformprozesse. • Sie müssen den Reformbestrebungen Halt geben, indem sie übergeordnete Zielsetzungen markieren, die auf unterschiedlichen Wegen erreicht werden können; zugleich müssen Sackgassen erkannt und vermieden werden können. • Die Zahl der Anhaltspunkte muss schon aus pragmatischen Gründen begrenzt und prägnant formuliert sein, nicht zuletzt deshalb, weil viele unterschiedliche Institutionen und Akteure an der Planung und Realisierung der Reformen beteiligt sind. Im Folgenden werden drei Anhaltspunkte beschrieben und exemplarisch ausdifferenziert. Es handelt sich um den Paradigmenwechsel hin zur Kompetenzorientierung, um das Konzept „Lehrkraft als scientist practitioner” und um Evidenzbasierung durch empirische (Lehrer)Bildungsforschung. Mit den „Anhaltspunkten” für eine wirksame Reform der Lehrerbildung wird auf die „Herausforderungen”, vor denen Reformen stehen, reagiert. Bei der Darstellung der Anhaltspunkte werden zwar Querverweise hergestellt, Wiederholungen werden aber möglichst gering gehalten. I. Ansatzpunkt: Paradigmenwechsel Kompetenzorientierung 131 hin zur 1. Begründung für den Ansatzpunkt „Kompetenzorientierung” Der in dieser Publikation bereits mehrfach zitierte Satz „Non scholae, sed vitae discimus” verweist auf die Aufgabe der Schule, der kommenden Generation zu ermöglichen, das zu lernen, was sie für das Leben braucht. Allerdings: In einer Zeit der Umbrüche wie der gegenwärtigen ist schwer zu sagen, wie das Leben der Schüler einmal aussehen wird, wie sie ihr Berufs-, Privat- und öffentliches Leben gestalten werden, wo sie es leben werden, mit wem sie zusammenleben und -arbeiten, schließlich welche Wertehorizonte sie einmal umgeben werden. Die Schlagworte mit denen unsere aktuelle (Lebens-)Welt gekennzeichnet wird,289 unterstreichen die Schwierigkeit, zu antizipieren, was Schüler brauchen, um ihr zukünftiges Leben zu meistern.290 Was aber unerlässlich ist, ist ein dynamisches Verständnis von Bildung, einer Bildung, die befähigt, mit immer neuen Herausforderungen im Berufs-, aber auch im Privat- und gesellschaftlichen Leben umzugehen. Mit der Vorstellung eines „lebenslangen Lernens“291 wird weltweit auf diese Herausforderungen reagiert. „Kompetenzorientierung“ ist das Konzept, das zur Operationalisierung herangezogen werden kann. Das hier vertretene Konzept von Kompetenzorientierung grenzt sich explizit von einer Verengung der Kompetenzorientierung (wie des Lebenslangen Lernens) auf Ökonomisierung ab,292 ohne zu negieren, dass Kompetenzen auch, vielleicht sogar insbesondere dann von Bedeutung sind, wenn es darum geht, individuell wie gesellschaftlich die ökonomische Lebensbasis zu sichern. Die Lissabon-Strategie der EU und die darauf bezogenen Maßnahmen293 machen keinen Hehl daraus, dass sie Wirtschaft als ein entscheidendes Feld 289 Beispiele sind „Globalisierung“, „tiefgreifende politische und gesellschaftliche Umbrüche“, „Migrations- und Fluchtbewegungen”, „Inter- und Multikulturalität“, „Heterogenität, Diversität, Inklusion”, „neue Rollenbestimmung u.a. für Europa“, „demographischer Wandel“, „Explosion des Wissens, Wissensgesellschaft“, „digitale und technische Revolution“. 290 Diese Argumentationslinie liegt letztlich alle Begründungen des Reformbedarfs an Schulen und Hochschulen zugrunde. Vgl. die Ausführungen im Kapitel A I. Zwischen Schul- und Hochschulreformen: Herausforderungen an die Lehrerbildungreform. 291 Vgl. hierzu Kapitel A III. Herausforderung: Lehrerbildung als lebenslanger Prozess. 292 Zur Kritik an einer Ökonomisierung von Bildung vgl. Kapitel A, I 1.1 Deutsche Schulreformen nach PISA und A I 2.1 Der politische Kontext. Sie geht davon aus, dass die Reformbemühungen an Schulen und Hochschulen, die damit verbundenen Konzepte und Maßnahmen, insbesondere auch das non-formale und informelle Lebenslange Lernen, sich aus der Ökonomisierung der Welt erklären lassen. 293 Vgl. oben die Darstellungen zur Kontextualisierung der aktuellen Hochschulreformen, Kapitel A I. 2.1 Der politische Kontext. 132 ansehen, in dem Menschen über Kompetenzen verfügen können müssen. Die Reformbestrebungen in Schule und Hochschule als „Bologna statt Bildung” bzw. „PISA statt Bildung” abzutun, ist dadurch aber nicht gerechtfertigt. Die Empfehlungen des Wissenschaftsrats zum Verhältnis von Hochschulbildung und Arbeitsmarkt, die 2014 und in den Folgejahren in vier Teilempfehlungen ausgesprochen werden,294 bemühen sich um einen Brückenschlag, indem die drei Dimension akademischer Bildung, „die gemeinsam den Raum hochschulischer Qualifizierungsziele aufspannen ((Fach-)Wissenschaft, Persönlichkeitsbildung und Arbeitsmarktvorbereitung)” in allen drei Dimensionen auf die Forderung nach „Arbeitsmarktrelevanz” des Studiums bezogen werden. Employabilitiy wird dabei von einer auf konkrete Berufsbilder bezogenen Orientierung am aktuellen Arbeitsmarkt („Praxisbezüge”) ebenso abgegrenzt wie von „einem kurzfristigen und statischen Verständnis von Beschäftigungsfähigkeit”.295 Genau mit diesem verengten Begriff argumentieren aber nicht wenige der Kritiker,296 wenn sie z.B. behaupten, dass Praxisbezüge im Zentrum der Studiengänge nach Bologna stünde, dass den Absolventen des gestuften Systems nicht nur Erfindergeist, sondern auch Selbstreflexion, ja Humanität fehle,297 wenn sie Kompetenzorientierung mit den ersten 294 Es handelt sich dabei um Empfehlungen zur Gestaltung des Verhältnisses von beruflicher und akademischer Bildung (verabschiedet am 11. April 2014), Empfehlungen zum Verhältnis von Hochschulbildung und Arbeitsmarkt (verabschiedet am 16. Oktober 2015), Empfehlungen zur Rolle der Hochschulen in einer arbeitsmarkt- und integrationsorientierten Einwanderungspolitik sowie Empfehlungen zu Ausbau und Ausgestaltung wissenschaftlicher Weiterbildung. 295 „Mit dem Begriff der Arbeitsmarktrelevanz soll dabei die Bedeutung und die Anschlussfähigkeit des im Studium Erlernten für die vielfältigen, sich stetig verändernden und nur bedingt vorhersehbaren Anforderungen eines ganzen Erwerbslebens beschrieben werden (vgl. Glossar). Der Begriff Arbeitsmarktrelevanz bezieht sich demzufolge gleichermaßen auf die Anforderungen und Bedarfe des gegenwärtigen Arbeitsmarktes wie auf die zukünftiger Arbeitsmärkte.” Vgl. Zweiter Teil der Empfehlungen zur Qualifizierung von Fachkräften (2015), S. 39; vgl. auch das dort angesprochene Glossar: „Beschäftigungsfähigkeit (employability): Grundsätzliche Fähigkeit am Arbeitsleben zu partizipieren. Im Hochschulkontext wird der Begriff für die Fähigkeit, eine auch qualifikationsadäquate Beschäftigung aufzunehmen, verwendet. Beschäftigungsfähigkeit impliziert dabei nicht, dass beim Berufseinstieg kein Bedarf einer Einarbeitung und/oder einer betrieblichen Sozialisation besteht.” (ebd. S. 129). 296 Diese Einschätzung teilt auch die HRK: Berufsbefähigung wird in der deutschen Kritik als “Orientierung des Studiums am Arbeitsmarkt” und einem “konkreten Berufsbezug” verstanden. Vgl. Deutsche Hochschulrektorenkonferenz. Bericht der HRK-Arbeitsgruppe „Europäische Studienreform“ (2013). URL http://www.hrk.de/uploads/tx_szconvention/HRK_Bericht_Studienreform_01.pdf., S.10. Vgl. auch: Teichler, U. (2009). Wissenschaftlich kompetent für den Beruf qualifizieren. Neue Anforderungen an die Lehre in Bachelorund Master- Studiengängen. Jahrestagung des HRK Bologna-Zentrums. Beiträge zur Hochschulpolitik, 1, S. 3052. Die Behauptung eines übermächtigen Praxisbezugs lässt sich nicht nur anhand der Lehramtsstudiengänge widerlegen, sondern mehr noch anhand der in Bezug auf die fachwissenschaftliche Ausbildung oft mit dem Lehramtstudium polyvalenten Fachstudiengänge (vgl. die Hinweise unter Polyvalenz in Kapitel A. IV 3.2 Polyvalente Nutzung fachwissenschaftlicher Module. Strukturelle Überlegungen). 297 Schon Schiller unterscheidet in seiner Antrittsvorlesung in Jena vom 26. Mai 1789 zum Thema „Was heißt und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte?“ Brotgelehrte und philosophische Köpfe.„Wo der Brodgelehrte trennt, vereinigt der philosophische Geist. Frühe hat er sich überzeugt, daß im Gebiete des Verstandes, wie in der Sinnenwelt, alles in einander greife, und sein reger Trieb nach Uebereinstimmung kann sich mit Bruchstücken nicht begnügen. Alle seine Bestrebungen sind auf Vollendung seines Wissens gerichtet; seine edle Ungeduld kann nicht ruhen, bis alle seine Begriffe zu einem harmonischen Ganzen sich geordnet 133 Versuchen einer auf das Kognitive verengten Kompetenzmessung identifizieren,298 wenn die Aufhebung der Einheit von Forschung und Lehre als Konsequenz aus Bologna behauptet wird. Die Kritik an der deutschen Debatte teilt auch die HRK. „Bologna” werde mit anderen Themen vermengt,299 in Kritik stehe insbesondere die spezifische Art der deutschen Umsetzung. Diese aber ist von den deutschen Universitäten bzw. Institutionen wie den Ländern, dem Bund (u.a. vertreten durch das BMBF), der KMK, aber auch der HRK selbst zu verantworten, insofern auch veränderbar. haben, bis er im Mittelpunkt seiner Kunst, seiner Wissenschaft steht, und von hier aus ihr Gebiet mit befriedigtem Blick überschauet.” (Zitat aus: Schiller, F. (1798). „Was heißt und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte?“. URL https://de.wikisource.org/wiki/Was_hei%C3%9Ft_und_zu_welchem_Ende_studiert_man_Universalgeschichte% 3F.) „Brotgelehrte” wie „philosophischen Köpfe” gibt es selbstverständlich auch heute unter unseren Studierenden. Die philosophischen Köpfe zu erkennen und zu fördern ist Aufgabe jedes Dozenten. Richtig verstandene Kompetenzorientierung, die immer auch individuelle Förderung umfasst, fordert dies geradezu ein. Ein auf akademische Bildung ausgerichteter Qualifikationsrahmen sollte „philosophische Köpfe” sogar als Qualifikationsziele ausweisen. Dies widerspricht dem Nebenziel einer allgemeinen Berufsbefähigung keinesfalls, bei dem es durchaus auch um Überschauen und Zusammenführen zugleich geht. Vgl. Bretschneider, F. & Wildt, J. (Hrsg.) (2007). Handbuch Akkreditierung von Studiengängen. Eine Einführung für Hochschule, Politik und Berufspraxis. Bielefeld: Bertelsmann; insbesondere Akademisches Lernen: Employability und Citizenship S. 45-47 in Wildt, J.: Vom Lehrern zum Lernen, ebd. S. 44-54. Zudem werden in den zentralen Grundlagendokumenten der EU Employability und Citizenship immer als Paar ausgewiesen. 298 Wieder soll die anfängliche Verengung bei der Kompetenzmessung keinesfalls negiert werden. Sie wird aber deutlich als bewusste Reduzierung auf das mit derzeitigen Methoden messbare ausgewiesen. Vgl. die Hinweise zum Schwerpunktprogramm Kompetenzmessung der DFG: „Für die Forschungsarbeiten im SPP wurde eine vergleichsweise enge Definition des Kompetenzbegriffs gewählt, um auf dieser gemeinsamen Basis theoretische Modelle und psychometrische Messverfahren entwickeln zu können. Kompetenzen sind im SPP definiert als „kontextspezifische kognitive Leistungsdispositionen, die sich funktional auf Situationen und Anforderungen in bestimmten Domänen beziehen“ (Klieme/Leutner 2006, S. 879). Sie werden durch Erfahrung und Lernen erworben und können durch institutionalisierte Bildungsprozesse beeinflusst werden.” (Vgl. Klieme, E., Leutner, D. & Kenk, M. (2010). Kompetenzmodellierung Eine aktuelle Zwischenbilanz des DFGSchwerpunktprogramms. Einleitung zum Beiheft. Zeitschrift für Pädagogik, 56, S. 10). Die Bemühungen um eine Erweiterung des Kompetenzverständnisses und der entsprechenden Mess-Instrumente lassen sich an den Förderprogrammen der nationalen und internationalen Drittmittelgeber ablesen. Vgl. exemplarisch die BMBF-Richtlinie zur Förderung von Forschungsvorhaben zur kulturellen Bildung. URL https://www.bmbf.de/foerderungen/bekanntmachung.php?B=1094 und Förderlinie der Volkswagen-Stiftung Mixed Methods in den Geisteswissenschaften? Vgl. Förderlinie der Volkswagen-Stiftung. URL https://www.volkswagenstiftung.de/de/mixedmethodsgeisteswissenschaften.html. 299 Als Themen, mit denen die „eigentlichen Bologna-Ziele (u.a. ein zweistufiges System von Studienabschlüssen, die leichter anzuerkennen und besser vergleichbar sind, die Beseitigung von Mobilitätshemmnissen, die europäische Dimension in der Hochschulausbildung und ihrer Qualitätssicherung)“ vermischt werden, werden genannt: Hochschuldidaktik, Hochschulfinanzierung, Programmakkreditierung, Differenzierung der Hochschullandschaft oder wachsende Diversität der Studierenden. Vgl. Deutsche Hochschulrektorenkonferenz. Bericht der HRK-Arbeitsgruppe „Europäische Studienreform“ (2013). 134 2. Das zugrunde gelegte Kompetenzverständnis (Kompetenzorientierung 2.0) Im deutschen Sprachraum wird den Überlegungen zur Kompetenzorientierung im Bildungsbereich vielfach die Kompetenzdefinition Franz Weinerts zugrunde gelegt: „Kompetenzen sind „die bei Individuen verfügbaren oder von ihnen erlernbaren Fähigkeiten und Fertigkeiten, um bestimmte Probleme zu lösen, sowie die damit verbundenen motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten, um die Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können.“ 300 Allerdings erfolg(t)en, wie auch im Kontext der geäußerten Kritik eben noch festgestellt, insbesondere bezogen auf die Kompetenzmessung, Verengungen auf kognitive Fähigkeiten. Demgegenüber wird im Folgenden die Definition bewusst in ihrer ganzen Breite verstanden. Um eine einfache Unterscheidung sicher zu stellen, wird das breite Kompetenzverständnis als Kompetenzorientierung 2.0 umschrieben. Im Zentrum steht der Outcome, also das, worüber Menschen verfügen können, wenn sie Bildungsprozesse durchlaufen haben, damit sie lebensweltlich oder berufsweltlich oder gesellschaftlich erfolgreich und verantwortlich mit für sie neuen, problemhaltigen Situationen umgehen können. „Verfügen-Können“ umfasst auch „Erweitern-“, „Modifizieren-“ und „grundlegend Verändern-Können und -Wollen“.301 Als Indikator für entwickelte Kompetenzen kann die Fähigkeit, Fertigkeit und Bereitschaft angesehen werden, mit Unsicherheiten umzugehen302 und sich dabei zum einen auf bereits vorhandene Kompetenzen beziehen zu können, zum anderen auf die Kompetenz, diese zu erweitern und zu ergänzen. 300 Vgl. Weinert, F. E (2001). Vergleichende Leistungsmessung in Schulen – eine umstrittene Selbstverständlichkeit. In F. E. Weinert (Hrsg.), Leistungsmessungen in Schulen (S. 27f.). Weinheim u.a.: Beltz. 301 Vgl. hierzu, bezogen auf historische Kompetenzen, z.B. Körber, A., Schreiber, W. & Schöner, A. (2007). 302 Der Umgang mit Unsicherheiten als Operationalisierung von Kompetenz wird zum einen in überfachlichen Hinsichten thematisiert (vgl. Bartosch U.: Kompetenzen und Kompetenzbildung für helfende Berufe, in: Studientext aus der Evangelischen Hochschule für Soziale Arbeit Dresden, 2 (2010), S.1-12; Bartosch, U. (2010a). Die Europäisierung der Hochschullandschaft und die Einführung von Qualifikationsrahmen. Erziehungswissenschaft. Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft (DGfE), 21, 41, S. 73-91, S. 1-44; Pollak G., (2000). Bemerkungen zu einem zeitgemäßen Bildungsbegriff – aus der Sicht des nicht unproblematischen Bildungsbegriffes der Erziehungswissenschaft. Politische Studien. Zweimonatsschrift für Politik und Zeitgeschehen, 51, 369, S. 92-100. In fachlicher Wendung werden „Unsicherheiten” und der Umgang mit ihnen näher gefasst. (Vgl. Bräuer, B & Schreiber, W. (2016). 135 Mit Hilfe der Kompetenzorientierung 2.0 können Bildungssysteme, vom Kindergarten bis zu den Hochschulen, auf die Herausforderungen reagieren, vor denen sie stehen: Unter anderem geht es darum, die Lernenden als Akteure ihrer Kompetenzentwicklung anzusehen und deshalb (nicht nur idealtypisch) ihre jeweiligen Ausgangslagen und Lernvermögen, vor allem aber auch die Lebenssituationen, für die sie lernen, zu berücksichtigen. Für Kindergärten und Schulen gewinnen damit Diagnostizieren und (individuelles) Fördern303 an Bedeutung. Wenn das Fördern von Kompetenzentwicklungen und das Erkennen erreichter Entwicklungsstände an die Stelle eines Lehrens vorgegebener Canones für homogene Lerngruppen tritt, verändert sich zwar die Aufgabe für Lehrkräfte. Ihre herausragende Rolle für das Lernen ihrer Schüler wird dadurch aber noch deutlicher.304 Mit den geänderten Anforderungen an die Lehrkräfte kommen neue Ansprüche auf die Universitäten und die anderen Institutionen der Lehrerbildung zu. In der gemeinsamen Erklärung der HRK und der KMK zu Lehrerbildung für die Schule der Vielfalt vom März 2015 wurde dies von den verantwortlichen Hochschulrektoren und Kultusministern explizit anerkannt.305 Der Bezug zum Paradigma der Kompetenzorientierung wurde dezidiert hergestellt.306 Was bedeutet es aber für eine Reform der Lehrerbildung, Studierende als Akteure ihrer Kompetenzentwicklung anzusehen und dabei die Lebenssituationen, für die sie lernen, zu berücksichtigen? Nachfolgend werden zwei Konsequenzen näher ausgeführt. 2.1 Die Entwicklung von Lehrerkompetenz in horizontaler und vertikaler Vernetzung 303 Dass einige Bundesländer deshalb Module zu Diagnose und/oder individueller Förderung, zum Umgang mit Heterogenität und Inklusion als verpflichtend für alle Lehramtsstudierenden setzen, wurde in Kapitel A, II, Kulturhoheit der Länder und universitäre Lehrerbildung bereits aufgeführt. 304 Auch wenn die Grundlage der Metaanalysen Hatties (ältere) Studien aus dem englischsprachigen Raum waren, in denen das Paradigma der Kompetenzorientierung noch kaum im Zentrum stand, sind seine Ergebnisse über die herausragende Bedeutung der Lehrkräfte gerade in diesem Zusammenhang von Relevanz: Vgl. Hattie, J & Beywl, W. (Übers.) (2013). Visible Learning. A Synthesis of over 800 Meta-Analyses Relatedt to Achievement. Lernen sichtbar machen. Überarbeitete deutschsprachige Ausgabe von "Visible Learning". Baltmannsweiler: Schneider; Hattie, J. (2012). Visible Learning for Teachers: Maximizing Impact on Learning. London u.a.: Routledge; (Hattie, J. & Beywl, W. (Hrsg.) (2014). Lernen sichtbar machen für Lehrpersonen. Visible learning for teachers. Baltmannsweiler: Schneider. Vgl.auch Terhart, E. (Hrsg.) (2014). Die HattieStudie in der Diskussion. Probleme sichtbar machen. Stuttgart: Klett. 305 Vgl. Lehrerbildung für eine Schule der Vielfalt (2015); vgl. auch die Hinweise im Kapitel A,I, 1. 306 „Lehrkräfte benötigen professionelle Kompetenzen, um besondere Begabungen oder etwaige Benachteiligungen, Beeinträchtigungen und andere Barrieren von und für Schülerinnen und Schüler zu erkennen und entsprechende pädagogische Präventions- und Unterstützungsmaßnahmen zu ergreifen. Die Kooperation und Kommunikation der Lehrkräfte der verschiedenen Lehrämter, aber auch die darüber hinausgehende multiprofessionelle Kooperation erlangen dabei zunehmend Bedeutung.” Vgl. ebd., S. 2. 136 Weil unter den Herausforderungen die Notwendigkeit, Lehrerkompetenzen als Querschnittskompetenzen zu verstehen bereits herausgearbeitet wurde,307 bedarf es an dieser Stelle nur noch einer kurzen Zusammenfassung des Gemeinten. Die universitäre Lehre nach dem Paradigma der Kompetenzorientierung 2.0 auszurichten meint, „Bildung durch Wissenschaft” auch auf die (außeruniversitären) Anwendungssituation zu beziehen.308 Wenn dort Querschnittskompetenzen notwendig sind, um bestehen zu können, gehört es zu den gesellschaftlichen Aufgaben der Hochschulen, ihren Aufbau zu fördern. Dies gilt für Kompetenzen zur inter- und transdisziplinären Forschung wie für die horizontale Vernetzung von Lehrerkompetenzen. Dabei entspricht es nicht nur der nach Fächern und Professuren gegliederten Struktur der Universitäten, vorgängig mit dem disziplinären Kompetenzaufbau zu beginnen, sondern in den meisten Fällen auch der Logik interdisziplinärer Arbeit. Sachlogisch begründet kann es dafür Ausnahmen geben: In den Erziehungswissenschaften z.B. würde es sich anbieten, Grundkonzepte wie Bildung, Entwicklung, Motivation von Anfang an im interdisziplinären Diskus zu entwickeln. Dabei können und müssen Unterschiede, etwa zwischen pädagogischen und psychologischen Zugriffen, deutlich gemacht und begründet werden. Die der Konstruktion der Säule Erziehungswissenschaft309 zugrunde liegenden Gemeinsamkeiten könnten in diesem Fall „transdisziplinär” herausgearbeitet werden. Das bislang ungelöste Problem der Erziehungswissenschaften des Umgangs mit ihrer disziplinären Heterogenität310 könnte so angegangen werden. Möglichkeiten des Aufbaus von Lehrerkompetenzen als Querschnittskompetenzen sind bereits beschrieben worden; darunter, dass durch Strukturmaßnahmen und Maßnahmen der Studiengangsorganisation (wie idealtypische Studienpläne311) der querschnittliche Kompetenzaufbau unterstützt werden kann. An drei Beispielen312 wurde die Bedeutung interdisziplinäre Kooperation hervorgehoben. Lehrerbildungszentren313 wurden vorgestellt, die in der Lage wären, mit dem Reformziel der Weiterentwicklung von Lehrerbildung im Auge die Zusammenarbeit zwischen den Fächern zu unterstützen. 307 Vgl. A IV 6. Lehrerkompetenzen als schulisches Handeln ermöglichende Querschnittkompetenz Vgl. hierzu die Hinweise auf die “Empfehlungen zum Verhältnis von Hochschulbildung und Arbeitsmark” des Wissenschaftsrats, insbesondere zum zweiten Teil der Empfehlungen zur Qualifizierung von Fachkräften vor dem Hintergrund des demographischen Wandels: Zweiter Teil der Empfehlungen zur Qualifizierung von Fachkräften (2015). 309 Vgl. hierzu Kapitel A IV 4. Erziehungswissenschaften. 310 Vgl. Kapitel A IV 4.1 Ein Strukturproblem der Erziehungswissenschaften: ihre disziplinäre Heterogenität. 311 vgl. Kapitel A IV 6.2 Strukturmaßnahmen zur Unterstützung des Aufbaus von Lehrerkompetenzen als Querschnittskompetenzen: Ausweisen eines “Lehramtstracks” 312 Es hatte sich um die drei Beispiele Praxismodule/ Praxisphasen, Kombimodule und vernetzte Module gehandelt. 313 Vgl. hierzu Kapitel A IV, 4.4 Lehrerbildungszentren. 308 137 An dieser Stelle bedarf es demzufolge nur noch des Hinweises auf die Rolle der vertikalen, die Phasen der Lehrerbildung verknüpfenden Vernetzung beim Aufbau von Lehrerkompetenzen.314 Weil Institutionen zur Zusammenarbeit gebracht werden müssen, bedarf es hier, mehr noch als bei der horizontalen Vernetzung, der organisatorischen, aber auch konzeptionellen Unterstützung durch die Lehrerbildungszentren. Vertikale Vernetzungen müssen kategorial erfolgen. Dabei kann z.B. das tiefe und flexible Wissen,315 das nach Shulman Grundlage jeder angemessenen Förderung von Schülern ist, eine Rolle spielen, ebenso aber fachdidaktische und erziehungswissenschaftliche Konzepte. Das Ziel ist, die an der Universität erworbenen Kompetenzen als Grundlage z.B. für das unterrichtliche Handeln in der Schule zu nutzen. Dies erlaubt es, Inhalte und Unterrichtsthemen nicht isoliert zu sehen, sondern sie als konzeptuell zu einem domänenspezifischen „Wissensnetz” verknüpft zu verstehen. Lehrkräfte der zweiten und insbesondere der dritten Phase316 beim Aufbau solcher Wissensstrukturen zu unterstützen, gehört auch zu den gesellschaftlichen Aufgaben einer Universität, insofern sie ihr Ziel, Lebenslanges Lernen zu fördern ernst nimmt und bereit ist, sich dabei neuen Adressaten zuzuwenden. Die HRK hat diese Aufgabe in Bezug auf eine Lehrerbildung für eine Schule der Vielfalt akzeptiert.317 Damit aber die Entwicklung und Förderung eines kontinuierlichen Kompetenzaufbaus gelingen kann, muss den (angehenden) Lehrkräften wie den für Lehrerbildung in den drei Phasen Verantwortlichen die Kompetenzstruktur vor Augen stehen, die Lehrerkompetenzen ausmacht. Kompetenzstrukturmodelle werden in der Regel im Zuge von Forschungsprojekten von Wissenschaftlern modelliert. Die Modellierung des hier vorzustellenden KompetenzStrukturmodells für Lehrerkompetenzen bildet eine Ausnahme: Es wurde in Kooperation von (Seminar-)Lehrkräften und Fachdidaktikern/ Erziehungswissenschaftlern als Theorie für die Praxis erarbeitet. 314 Zu den Phasen vgl. Kapitel A III, „Non scholae, sed vitae discimus“: Lehrerbildung als lebenslanger Prozess Vgl. Kap. A IV 3.1 In-Depth Content Knowledge. 316 Vgl. die Hinweise zu Fortbildung in Kapitel A III 4 Fort- und Weiterbildung: die dritte Phase 317 Die Einsicht (von Lehrenden wie Lernenden) in kategoriale Zusammenhänge und die sie strukturierenden zentralen Konzepte erleichtert (ermöglicht vielleicht sogar) das Lernen am gemeinsamen Gegenstand für heterogene Gruppen mit unterschiedlichen Ausgangslagen: Nur die fachlich versierte Lehrkraft - dies durch ein kompetenzorientiertes Studium oder fachliche Weiterbildung zu fördern, ist Aufgabe der Universität - kann Schülern mit heterogenen Ausgangslagen je individuell nutzbare Lerngelegenheiten anbieten, mit deren Hilfe diese ihre Kompetenzen gezielt weiterentwickeln können und zugleich einen Anteil an der Erschließung des gemeinsamen Gegenstand auch für die Klassenkameraden leisten können. 315 138 Der Darstellung der Überlegungen zum Kompetenzstrukturmodell HOLEKO wird Raum gegeben. Vorgestellt werden einmal die Entwicklung des Modells und die Motivation, die dahinter stand; sodann die vorgeschlagenen Kompetenzbereiche und deren strukturelle Zusammenhänge. Im Anschluss daran werden die drei Kompetenzbereiche jeweils auf die Phasen der Lehrerbildung bezogen, um zu zeigen, dass die Berücksichtigung der vorgeschlagene Kompetenzstruktur einen Mehrwert für die Lehrerbildung als ganzer haben könnte. 2.2 Lehrerbildung „holistisch“ gesehen: Ein Kompetenz-Struktur-Modell für Lehrerkompetenzen als Querschnittskompetenz 2.2.1 Zur Entwicklung des Modells und zur Motivation, die dahinter stand Die Grundlage für die ungewöhnliche Entscheidung, ein Kompetenzmodells in Kooperation von Wissenschaftlern und Lehrkräften, als Theorie für die Praxis, zu erarbeiten, waren Erfahrungen aus dem Modellprojekt „Kooperation Ersten und Zweite Phase”318 der KU Eichstätt-Ingolstadt. Es hatte sich gezeigt, dass Dozenten der Fachdidaktiken/ Erziehungswissenschaften und Seminarlehrkräfte sich im gemeinsamen Austausch zwar auf je relevante Details verständigen konnten, z.B. in Bezug auf fachliche Kompetenzen, auch auf erziehungswissenschaftliche Kompetenzen, dass sie zu einzelnen berufsfeldbezogenen Kompetenzen (z.B. bezogen auf den Unterricht) gemeinsame Vorstellungen entwickeln können, auch zu wichtigen Merkmalen der Lehrerpersönlichkeit. Eine Vorstellung über eine Kompetenz-Struktur von Lehrerkompetenzen, die das Gemeinsame all dieser Bereiche markieren würden, gab es dagegen nicht. Die These war aber, dass eine solche Struktur ein Fundament sein könnte, • um die Kompetenzentwicklung des Einzelnen „säulen”-, phasen- und handlungsfeldübergreifend aufeinander zu beziehen, • um eine Kompetenzförderung zu ermöglichen, die Zusammenhänge zwischen den Phasen beachtet und eine Progression der Entwicklung von Lehrerkompetenzen Querschnittkompetenz unterstützt. 318 Vgl. Kapitel 2. Modellversuch „Kooperation Erste und Zweite Phase Lehrerbildung“. 139 als Das Ziel war demzufolge, Kompetenzbereiche herauszuarbeiten, die für alle Säulen (Fachwissenschaft, Fachdidaktik, Erziehungswissenschaft), Handlungsfelder (Unterrichten, Erziehen, Beurteilen/ Berufstätigkeit) von Beraten, Innovieren) Bedeutung sind. und Ferner Phasen (Studium, sollten die zu Referendariat, modellierenden Kompetenzbereiche zueinander in Bezug gesetzt werden können, weil sie nur dann eine Struktur für Lehrerkompetenzen als Querschnittkompetenzen abbilden konnten. Dazu musste eine „Mitte” definiert werden, ein Grundverständnis, das die Kompetenzstruktur trägt. 2.2.1.1 Methodisches Vorgehen Beim Herausarbeiten der Kompetenzbereiche wurde multimethodal vorgegangen: Die Zusammenarbeit im KOOP-Projekt schuf die Grundlage für das Einbeziehen der Erfahrungen von zehn Fachdidaktikern und Erziehungswissenschaftlern aus unterschiedlichen Fächern, dazu von ca. 30 Seminarlehrkräften aus den Schularten Grund-, Haupt-, Realschule und Gymnasium. Auf eine Formalisierungen des Verfahrens (angeboten hätten sich DelphieMethoden oder Methoden der Expertenbefragung) wurde – im Nachhinein betrachtet leider – verzichtet. Das Modell wurde vielmehr in einem kooperativen Arbeitsprozess entwickelt, wobei die Erarbeitung sich an die Prototypentheorie/ Prototypensemantik319 anlehnte. Es wurde also nicht eine Festlegung auf eindeutige Definitionen versucht, vielmehr wurden Kategorisierungsprozesse durchgeführt, um zu einem „Prototyp“ als „bestes Exemplar beziehungsweise Beispiel, als bester Vertreter oder zentrales Element“ (Kleiber, Prototypensemantik, S. 31) zu gelangen. Zuerst wurden „prototypische Teil-Kompetenzen“ gesammelt, die für alle Phasen, alle beteiligten Disziplinen und alle relevanten Handlungsfelder von Bedeutung sind. Dabei wurden vorliegender Modellierungen für Lehrerkompetenzen320 einbezogen. Das Ziel war, Merkmale der gesuchten umfassenden Kompetenz-Struktur zu identifizieren. Die „Unschärfe 319 Prototypentheorie und Prototypensemantik werden seit den 1970er Jahren von Sprachwissenschaftlern, Psychologen und Philosophen entwickelt (vgl. u.a. die Arbeiten von Eleanor Rosch, George Kleiber, Andreas Blank, Dietrich Busse). Bei Busse ist die Weiterarbeit in Richtung auf eine Frame-Semantik vom Bedeutung (vgl. Busse, D. (2012). Frame-Semantik. Ein Kompendium. Berlin u.a.: De Gruyter). 320 Vgl. Baumert, J. & Kunter, M. (2006). Stichwort. Professionelle Kompetenz von Lehrkräften. Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, 9,4, S. 469–520; Klieme, E., Hartig, J. & Rauch, D. (2008). The concept of competence in educational contexts. In J. Hartig, E. Klieme, & D. Leutner (Hrsg.), Assessment of competencies in educational contexts (S. 3-22). Cambridge, Mass. u.a.: Hogrefe; Helmke, A. (2009). Unterrichtsqualität und Lehrerprofessionalität. Diagnose, Evaluation und Verbesserung des Unterrichts. Seelze-Velber: Klett, Kallmeyer; Oser, F. (1997). Standards in der Lehrerbildung. Teil 1. Berufliche Kompetenzen, die hohen Qualitätsmerkmalen entsprechen. Beiträge zur Lehrerbildung, 15, S. 26-37; Basel, F. (2013), S. 106-118. (Bern 2013) 140 der Kategorisierung“, die in der Prototypik steckt, wurde akzeptiert. Damit ist gemeint, dass bezogen auf einen konkreten Fall die prototypischen Merkmale mehr oder weniger zutreffend bzw. wahr sein können, dass aber durch den Bezug auf „Hedges“, also Eingrenzungen („zwar gilt auch, aber...“), die Möglichkeit besteht, sich dieser Grauzonen bewusst zu werden. Dem Vorschlag einzelner Vertreter der Prototypentheorie, die Einsicht in Grauzonen zum Prinzip zu machen, folgten wir nicht.321 Damit ginge einher, zu sehr auf Trennschärfe und damit auch auf Operationalisierbarkeit zu verzichten. Die als prototypische Merkmale eingeschätzten Teil-Kompetenzen wurden schließlich zu drei Kompetenzbereichen zusammengefasst. Für diesen Prozess der Bündelung orientierten wir uns an den von der Inhaltsanalyse vorgeschlagenen Vorgehensweisen.322 Drei Bereiche wurden herauskristallisiert. In den Arbeitsprozess und die als Ergebnis daraus erwachsende Struktur wird im Folgenden ein schlaglichtartiger Einblick gegeben. 2.2.2 Zur Herausarbeitung der Kompetenzstruktur: Kompetenzbereiche Ein erster Bereich (1) ergab sich daraus, dass die Notwendigkeit von Tiefe und zugleich Flexibilität, die von Shulman (ursprünglich „nur” in Bezug auf fachliches Wissen) postuliert worden war, insgesamt als zentral für als kompetent einzuschätzende Lehrkräfte angesehen wurde. Dabei wurde herausgearbeitet • dass Tiefe und zugleich Flexibilität des Wissens auch in Bezug auf Fachdidaktiken und Erziehungswissenschaften notwendig sind; • dass dieses fachliche (also fachwissenschaftliche und fachdidaktische) und erziehungswissenschaftliche (also pädagogische, psychologisch, kulturelle) „Wissen” nie Selbstzweck ist, sondern dass es immer um das Verfügen-Können über dieses tiefe und flexible Wissen, also um Kompetenz geht; • dass das „Verfügen über” bei Lehrkräften die einzelnen Disziplinen, auch die Säulen Fachwissenschaft, Fachdidaktik, Erziehungswissenschaft stets überschreitet; dass die Fähigkeit zur Vernetzung also ein zentrales Element der Lehrerkompetenz sein muss; 321 Es wird z.B. vorgeschlagen, Bezug auf das Wittgensteinsche Konzept der (Familien-) Ähnlichkeiten zu nehmen. 322 Vgl. Kuckartz, U. (2014²). Qualitative Inhaltsanalyse. Methoden, Praxis, Computerunterstützung. Weinheim u.a.: Beltz Juventa; Mayring, P. (201512). Qualitative Inhaltsanalyse. Grundlagen und Techniken. Weinheim 2015. 141 • dass die Fähigkeit zur Vernetzung horizontal innerhalb der Phasen und vertikal zwischen den Phasen bestehen muss; • dass Vernetzung voraussetzt, zu erkennen, worin das Gemeinsame besteht, das einen Zusammenhang herstellt; • dass es dabei um die Fähigkeit geht, auf zentrale Kerne zu achten, und dass diese für das stehen, was jeweils unverzichtbar ist, wenn eine Sache, auch wenn sie in neuen, vernetzten Kontexten steht, noch triftig erfasst werden soll. • Es zeigte sich schließlich, dass diese auf tiefem und flexiblem Wissen beruhende Kompetenz zu einer Vernetzung, die auf Triftigkeit in den zentralen „Kernen” achtet, prototypisch auch für die Auseinandersetzung mit den Handlungsfeldern selbst sind. Auch sie müssen in ihren Strukturen und Prinzipien tief und flexibel durchdrungen werden. Wir beschrieben den sich herauskristallisierenden Kompetenzbereich als die „Fähigkeit, Fertigkeit und Bereitschaft, den Kern zu identifizieren”, um den es jeweils geht. Bezogen auf das Handlungsfeld Unterrichten besteht eine Nähe zur „diagnostischen Kompetenz”323; weil es uns um alle Handlungsfelder gehen sollte, verwarfen wir die Bezeichnung. Auch „Wissen”, selbst „tiefes und flexibles Wissen”, war uns zu unpräzise. Ein zweiter Ansatz zur Bündelung von Kompetenzen (2) ergab sich für uns daraus, dass Lehrkräfte in ihrem Berufsfeld nie für sich allein agieren, sondern immer auf andere verwiesen und angewiesen sind. Dabei sind die Partner (Schüler, aber auch Eltern, Kollegen, weitere Experten oder Akteure im Handlungsfeld Schule) kulturell, religiös, sozial, ökonomisch etc. unterschiedlich geprägt. Eine Gelingensbedingung für die jeweiligen Interaktionen sind soziale Kompetenzen. Prototypisch lassen sich dabei berufsspezifische Ausprägungen sozialer Kompetenzen unterscheiden und von den allgemeinen, auch lebensweltlich relevanten trennen. Die berufsspezifischen Ausprägungen sozialer Kompetenz manifestieren sich häufig an kategorial aufeinander bezogenen Aktivitäten: Lehren und Erziehen, Diagnostizieren und Fördern, Beurteilen und Beraten. Lehrkräfte müssen aber nicht nur über soziale Kompetenzen verfügen. Interaktionen können nur gelingen, wenn die Lehrkraft Kompetenzen dafür entwickelt hat, auch auf sich selbst zu achten. Es geht damit prototypisch gesehen um personale Kompetenzen; die sich darauf konzentrieren, was jede Lehrkraft für sich genommen ist, kann und will. 323 Zu diagnostischer Kompetenz vgl. z.B. Schrader, 1989; 2006; Hosenfeld/ Helmke/ Schrader 2002; Spinat 2005; Südkamp/ Möller/ Pohlmann, 2008. 142 In den sich und den/ die Anderen ernst nehmenden Interaktionen lassen sich zwei Ebenen unterscheiden, die wir mit dem auf die Oberfläche konzentrierten Wahrnehmen und in die Tiefe gehenden Reflektieren bezeichnet haben. Deshalb haben wir diesen Kompetenzbereich schließlich mit der Fähigkeit, Fertigkeit und Bereitschaft zur Selbst- und Fremdwahrnehmung/-reflexion überschrieben. Während die ersten beiden Kompetenzbereiche analytische Kompetenzen umfassen, geht es im dritten Bereich (3) um synthetische Kompetenzen. Für die prototypische Unterscheidung können die Synthesen nach Themen und Gegenständen, nach Adressaten und nach medialen Präsentationsformen wissenschaftliche differenziert Synthesen Fachwissenschaft, werden. gefordert, Fachdidaktik und An den bezogen Universitäten z.B. auf eine Erziehungswissenschaft. sind der Neben vorrangig drei Säulen schriftlichen Darstellungen stehen mündlich, z.T. medial unterstützte Präsentationen und Diskussion. In Forschungs- oder Projektseminaren, aber auch in Praxisseminaren kann die Fragestellung auch fachüberschreitend angelegt sein oder sich auf außeruniversitäre Praxis beziehen. In der zweiten und dritten Phase beziehen sich die Synthesen vorrangig auf die schulischen Handlungsfelder; die Adressaten und den Gegenstand unter einem (manchmal von außen gesetzten) Ziel zusammen Unterrichtskonzepte zu bringen, entwickeln können, ist sie der Anspruch. müssen im Lehrkräfte müssen Unterrichtsablauf, in Erziehungssituationen auf Unerwartetes reagieren können, sie müssen Strategien der Gesprächsführung parat haben und sie im Gespräch mit Schülern, im Elternkontakt wie im Kontakt mit Vorgesetzten modifizieren können, etc. Gemeinsam ist, dass die Synthesen den zugrunde liegenden Frage-/Problemstellungen gerecht werden müssen und die Wahl der Darstellungsweise auf Adressaten und Situationen abgestimmt sein muss. Deshalb basieren sie auf den Ergebnissen der Analysen. Weil die geforderten Synthesen unterschiedliche mediale Formen annehmen können, müssen Lehrkräfte auch Medienkompetenzen ausgeprägt haben. Beschrieben haben wir diesen Kompetenzbereich mit der „Fähigkeit, Fertigkeit und Bereitschaft zu situationsspezifischen Syntheseleistungen” aller Art. 143 2.2.3 Strukturelle Zusammenhänge An dieser Stelle soll überprüft werden, inwiefern eine Modellierung gelungen ist, die strukturelle Zusammenhänge zwischen den Kompetenzbereichen sichtbar macht. Nur dann erfüllt sie das Ziel, Lehrerkompetenzen als Querschnittskompetenz zu erfassen. Damit von einer Kompetenz-Struktur für Lehrerkompetenzen die Rede sein kann, muss das Berufsfeld Schule die Mitte bilden, auf die die Kompetenzbereiche bezogen sind. Wir gingen davon aus, dass die Kompetenzen der Lehrkräfte letztlich auf das Ziel gerichtet sind, Kindern und Jugendlichen handlungsfähigen Bildungsprozesse und zu ermöglichen, verantwortungsbereiten Menschen die sie machen, zu kompetenten, die mit den Herausforderungen, Chancen und Problemen ihrer Welt umgehen können. Dies hat Folgen für das Kompetenzverständnis in den einzelnen Bereichen: • Das tiefe und flexible Wissen, die Fähigkeit, den Kern zu erkennen, ist in diesem Sinne kein Selbstzweck, auch nicht „nur” Ausdruck eines wissenschaftlichen Habitus oder einer allgemeinen Berufsbefähigung. Es ist die Bedingung dafür, Schülern dabei zu helfen, auf ihrem jeweiligen Niveau den Kern von Sachen und Themen zu erkennen und auf diesem Wege kompetent für die Bewältigung neuer Situationen zu werden. • Ebenso geht es bei der Selbst- und Fremdwahrnehmung/ -reflexion nicht um den gläsernen Menschen, sondern um die Grundlage für das Miteinanderleben und -lernen in einer Gesellschaft der Vielfalt, die sich in der Schule, der Universität und im Studienseminar spiegelt. • Auch die einzelnen Synthesen stehen nicht für sich; sie sind die Manifestation des Umgangs mit konkreten Fragestellung. Die Sache und die, die sich mit ihr befassen (sollen), werden dabei zusammengedacht. Die Darstellungsweise muss der Fragestellung, dem Thema und den Adressaten angepasst sein. • (Angehende) Lehrkräfte müssen für sich klären können, inwiefern ihre Auseinandersetzung mit bestimmten Fragestellung (einschließlich der dabei verfassten Synthesen), sich explizit und implizit auf Schüler und die Unterstützung ihrer Bildungsprozesse beziehen lassen. Von einem Kompetenz-Struktur-Modell kann aber erst gesprochen werden, wenn die drei Kompetenzbereiche nicht nur eine Mitte haben, sondern wenn sie auch in Beziehung zueinander stehen. Wegen der Komplexität der Lehrerbildung sind die Beziehungen zwischen den Kompetenzbereichen von großer Vielfalt. Sie können linear sein, spiralförmig, aus einem nur aus der Situation zu erklärenden Hin- und Herwechseln bestehen, von den Persönlichkeitsstrukturen der (angehenden) Lehrkraft abhängen etc. 144 An zwei Beispielen sei dies verdeutlicht: • Die Beziehung einer gerichteten Abfolge ergibt sich häufig bezogen auf das Unterrichten: Wenn es um Fördern im Mathematikunterricht geht, muss die Lehrkraft → den Kern des mathematischen Problems tief durchdrungen haben und so flexibel damit umgehen können, dass sie in der Lage ist zu identifizieren, warum Schüler sich besonders leicht oder besonders schwer dabei tun (→ Fremdreflexion), Lösungen zu finden. Die → Kompetenzen des synthetische Kompetenzbereichs greifen auf beide Bereiche der Analyse zurück. Die Lehrkraft stellt den Schülern dann z.B. unterschiedliche Aufgaben, gibt abgestimmtes Feedback, hat Konzepte für angepasste Hilfeleistungen usw. • Diese an einen Regelkreis erinnernde Abfolge wird aufgehoben, wenn eine Lehrkraft z.B. mit der Aufgabe betraut wird ein Schulprojekt anzustoßen. Hier kann → Selbstreflexion den Ausgangspunkt markieren: („Zu welchen Themenbereichen fühle ich mich kompetent genug, um offene Lernprozesse zu begleiten?“). Erweitert werden können die Überlegungen um → Fremdreflexion („Interessiert Schüler das? Hilft es ihnen, die Welt, sich selbst die Anderen besser zu verstehen?“) → Synthesen schließen sich an (z.B. als Planungen, wie Schüler mit der Idee eines Schulprojekts, ggfs. zu den überlegten Themen, konfrontiert werden, wie sie an der Ausarbeitung beteiligt werden). Erst nach einer von den Schülern mitbestimmten Themenwahl geht es darum, → denkbare Kerne zu identifizieren und Fragestellungen zu formulieren. Von der Sache, dem Können der Schüler und den einzuladenden Adressaten ausgehend werden → Präsentationsformen vereinbart. Tragfähig ist ein Kompetenzstrukturmodell nur dann, wenn es mit seiner Hilfe gelingt, besser mit der dem Gegenstand Lehrerbildung eigentümlichen Komplexität umzugehen. Zum Abschluss werden die drei Kompetenzbereiche deshalb auf die Phasen der Lehrerbildung bezogen, um zu zeigen, dass die Berücksichtigung der vorgeschlagene Kompetenzstruktur einen Mehrwert für die Praxis haben könnte. Zuerst werden hierfür die einzelnen Kompetenzbereiche bezogen auf die drei Phasen getrennt voneinander betrachten. Im abschließenden Resümee wird das Modell als Ganzes bezogen auf Lehrerbildung (als Ganze) betrachtet. Der Mehrwert soll daran gezeigt werden, 1) dass durch den Bezug auf das Kompetenz-Strukturmodell auf die in den Phasen jeweils bestehenden Probleme und Herausforderungen reagiert werden kann,324 dass 324 Vgl. Kapitel A IV. Herausforderung: Inhaltliche Ausgestaltung des Lehramtsstudiums angesichts der Komplexität des Berufsfelds Schule 145 dabei die Förderung der Kompetenzentwicklung (angehender) Lehrkräfte zwar entsprechend der spezifischen Zielsetzungen der Phasen erfolgt, zugleich aber abgestimmt auf das übergeordnete Ziel der horizontalen und vertikalen Kompetenzentwicklung unterstützt werden kann; 2) dass unter Bezug auf das Modell ein Zusammenhang/ eine Progression der Kompetenzentwicklung zwischen den Phasen Grund gelegt werden kann; 3) dass die Kompetenzentwicklung durch den Bezug auf das Kompetenzstrukturmodell zwar systematisch gefördert wird, die Weiterentwicklung zugleich aber in individuell unterschiedlichen Weisen erfolgen kann; 4) dass mit Hilfe des Kompetenzstruktur-Modells eine zukunftsoffene Berufsbefähigung ermöglicht wird, Lehrkräfte also dabei unterstützt werden, auf neue Entwicklungen zu reagieren. Dafür sollen ihnen Werkzeuge an die Hand gegeben werden, die damit verbundenen Unsicherheiten nicht als beängstigend und bedrohlich zu empfinden, sondern als Herausforderungen, mit denen Dank der bereits vorhandenen und weiter entwickelbaren Kompetenzen umgegangen werden kann. 2.2.4 Das Kompetenzstruktur-Modell in den drei Phasen der Lehrerbildung 2.2.4.1 Kompetenzen zur fach- und sachbezogenen Analyse – „den Kern identifizieren“ Wer den Kern identifizieren will, muss in der Lage sein, • das Problem, um das es geht, zu formulieren und es kategorisierend zu erschließen, • dies schließt in einem zweiten Schritt auch ein, über Methoden/ Verfahrensweisen verfügen zu können, um mit dem identifizierten Kern(problem) umgehen zu können. Dabei kann deduktiv und/ oder induktiv vorgegangen werden. Deduktiv bedeutet, dass auf bereits erlernte Prinzipien, auf inhaltliche Kategorien und Konzepte, auf bereits bekannte Verfahrens-Skripts zurück gegriffen wird. Dies setzt Wissen und Kompetenzen zum einen bereits voraus, das Vorhandene wird im Prozess zum anderen aber stets auch vertieft und modifiziert. Neben die deduktive Analyse tritt die induktive. Ihr Augenmerk liegt auf Phänomenen, die zusätzlich zu berücksichtigen sind, die ggfs. andere Prinzipien, Konzepte, Scipts usw. als die schon bekannten und bewährten erfordern. Wissen und Kompetenzen werden auf dem induktiven Weg ergänzt, modifiziert, erweitert und/ oder umgebaut. 146 2.2.4.1.1 Die universitäre Erste Phase der Lehrerbildung und ihre Bedeutung für die Kompetenzentwicklung im Bereich „Kerne identifizieren” „Bildung durch Wissenschaft” als Ziel des Studiums (Wissenschaftsrat 2015) Für die Hinweise zur Rolle der Ersten Phase für die Entwicklung vom Kompetenzen im Bereich, „Kerne identifizieren” können als Referenz die aktuellen Überlegungen des Wissenschaftsrats herangezogen werden, auf denen er seine Auseinandersetzung mit dem „Verhältnis von Hochschulbildung und Arbeitsmarkt” aufbaut. Er definiert als „Ziel moderner Hochschulbildung – auf allen Studienstufen – Absolventinnen und Absolventen hervorzubringen, für die zwei Eigenschaften konstitutiv sind: Fachwissen und -kompetenz sowie die Fähigkeit diese auch außerwissenschaftlich anzuwenden einerseits und die Reflexion der mit der Konstruktion und Nutzung dieses Wissens verbundenen Bewertungsprobleme andererseits. Die Sozialisation in ein Fach ist dementsprechend erst vollendet, wenn die Studierenden auch die theoretischen und methodischen Grenzen von dessen Bezugssystem erkennen und damit die Bedingungen reflektieren können, die den Disziplinen ihre historische Gestalt gegeben haben und sie fortwährend weiter formen.”325 Dieses Verständnis von Hochschulbildung ist für den Wissenschaftsrat zugleich auch als Weiterführung des durch seine Zeitspezifik bestimmten Ansatzes der Humboldtschen Bildung zu einem auf unsere Gegenwart bezogenen Verständnis.326 Bewusst wird deshalb die im Neuhumanismus geprägte Idee der „Bildung durch Wissenschaft” aufgegriffen und neu interpretiert:327 Der Wissenschaftsrat fordert die heutigen Universitäten dazu auf, allen Studierenden Bildung durch „Teilhabe an Wissenschaft” zu ermöglichen, diese einerseits „in eigenen Lehrformen” einzuüben, sie andererseits als Prinzip dem gesamten Studium 325 Vgl. Zweiter Teil der Empfehlungen zur Qualifizierung von Fachkräften (2015), S. 96. Dass damit auf die Kritik der Reformgegner reagiert werden soll, die Bologna als Ende der universitären Bildung stilisieren, ist offensichtlich. 327 Vgl. Zweiter Teil der Empfehlungen zur Qualifizierung von Fachkräften (2015), S. 42-44. Das abschließende Resümee lautet: “Historisch hat die Praxis der deutschen Universität jedoch den Leitbildern „Zweckfreiheit“ und „Bildung durch Wissenschaft“ niemals tatsächlich entsprochen. Die Bilder haben vor diesem Hintergrund eine eindeutig programmatische Funktion – beschrieben wird ein Ideal der Universität, nicht ihre Realität.” (ebd. S. 44). Bezug genommen wird dabei a) auf klassische Texte (wie Fichte, J.: Deduzierter Plan einer zu Berlin zu errichtenden höheren Lehranstalt, die in gehöriger Verbindung mit einer Akademie der Wissenschaften stehe, 1807; Schleiermacher, F.: Gelegentliche Gedanken über Universitäten in deutschem Sinn [1808], in: Weniger, E. [Hrsg.]: Schleiermacher – Pädagogische Texte, Bd. II, 1957; Lenz, M.: Geschichte der Königlichen FriedrichWilhelms-Universität zu Berlin, Bd. 4, 1910. Als Grundlage für Gegenargumentationen wird genutzt die Edition Anrich, E. (Hg.): Die Idee der deutschen Universität – Die fünf Grundschriften aus der Zeit ihrer Neubegründung durch klassischen Idealismus und romantischen Realismus, 1956). b) auf zeitgenössische Interpretationen: Tenorth, H.-E.: Wilhelm von Humboldts [1776-1835] Universitätskonzept und die Reform in Berlin – eine Tradition jenseits des Mythos, Zeitschrift für Germanistik 20/1, 2010, S. 15-28; Müller, E.: Vom Nachteil des Nutzens einer Universität – Über die äußeren Bedingungen ihrer inneren Organisation, in: Henningsen, B. (Hrsg.): Humboldts Zukunft – Das Projekt Reformuniversität, 2007, S. 77-101. 326 147 grundzulegen, so dass „Bildung durch Wissenschaft” „habitualisiert” werden kann und somit als eine „Transzendierung der Fachlichkeit” auch auf „die Praxis der akademischen Berufe” weiterwirken kann.328 Der dafür innerhalb der Domänen und Disziplinen notwendige Kompetenzaufbau muss darauf zielen, ein Fundament aufzubauen, das eine nachfolgende wissenschaftliche Spezialisierungen ebenso tragen kann wie die außerwissenschaftliche Nutzung in immer wieder neuer (Anwendungs-)Situationen. Die Nähe der Argumentation des Wissenschaftsrat zur Forderung Shulmans nach tiefem und flexiblem Wissen für (angehende) Lehrkräfte, von der aus der Kompetenzbereich „den Kern identifzieren“ entwickelt wurde, ist offensichtlich. Diesen Kompetenzbereich zu berücksichtigen widerspricht also in keiner Weise den Zielen einer zeitgemäßen akademischen Bildung. Die Herausforderungen an eine Reform der universitären Lehrerbildung und der Kompetenzbereich, „Kerne identifizieren zu können” Es ist bereits an mehreren Stellen angeklungen, dass in der Förderung der (Lehramts)Studierenden, den Kern der im Studium aufgegriffenen Themen zu identifizieren, ein zentraler Ansatzpunkt für eine outcome-orientierte Reform der Lehrerbildung besteht. Dies wurde ausführlich in Bezug auf die Fachwissenschaften verdeutlicht329 und auf Fachdidaktiken und Erziehungswissenschaften transferiert. Den Kern identifizieren zu können, setzt voraus inhaltlich-kategoriale und konzeptuelle Kompetenzen sowie methodische und theoretische Kompetenzen so aufgebaut zu haben, dass sie flexibel genutzt werden können – für den disziplinären Diskurs ebenso wie für den Umgang mit außerwissenschaftlichen Anwendungsfeldern. Es wurde gezeigt, dass der Aufbau der Kompetenzen, die notwendig sind, um „Kerne” zu identifizieren, auch im Rahmen einer polyvalenten Ausbildung von Fach- und Lehramtsstudierenden möglich sind, sofern diese nicht nur Gemeinsamkeiten, sondern auch Spezifika der Studiengänge beachten.330 Zur Verdeutlichung wird abschießend ein für den Kompetenzaufbau geeigneter Studienverlauf für Lehramtsstudiengänge (idealtypisch) vorgestellt: 328 Vgl. Zweiter Teil der Empfehlungen zur Qualifizierung von Fachkräften (2015), S. 96. Vgl. Teil A, Kapitel IV 3. Fachwissenschaften 330 Vgl. Teil A, Kapitel IV 3.2 Polyvalente Nutzung fachwissenschaftlicher Module. Strukturelle Überlegungen 329 148 • In den ersten Semestern des Studiums muss das theoretische, inhaltliche und methodische Verständnis der disziplinären Grundlagen systematisch aufgebaut werden; dies gilt für alle drei Säulen. Die Angebote in den Fachwissenschaften erfolgen sinnvollerweise polyvalent für Lehramts- wie für Fachstudierende. Es muss in allen Fällen gezielt darum gehen, die jeweils zentralen „Kerne” so herauszuarbeiten und zu sichern, dass die Studierenden über das Wissen „verfügen” lernen können. • In späteren Semestern muss sowohl im fachwissenschaftlichen Studium, als auch im fachdidaktischen und erziehungswissenschaftlichen Studium die Möglichkeit der forschungsnahen Vertiefung und der elaborierten theoretischen Reflexion bestehen. Lehramtsstudierende können sonst den Habitus nicht aufbauen, der der Idee von „Wissenschaft als Bildung” zugrunde liegt. Allerdings muss in den vertiefenden Modulen der Aufbau der Fähigkeiten, den Kern zu identifizieren bewusst gefördert werden. Wichtig ist dabei, dass Lehre und Forschung ihren engen Konnex nicht verlieren. o Fachwissenschaftliche Haupt- und Forschungsseminare haben in der Lehrerbildung nicht nur den Zweck, Fachwissen und Fachkompetenz auf Masterniveau zu fördern und die Entwicklung des Habitus des Wissenschaftlers zu unterstützen. Weil die Studienzeit kürzer ist, besteht die besondere Herausforderung darin, in den wenigen forschungsnahen Modulen, die in einem Lehramtsstudium gewählt werden können, (auch) zukunftsfähige Fragestellungen, Inhaltsaspekte und Methoden zu verdeutlichen, im Idealfall an Themen, die relevant im Forschungs- wie im gesellschaftlichen Kontext sind. So wird exemplarisch gezeigt, dass das Verfügen-Können über das erworbene Wissen lebensweltlich bedeutsam und zukunftsrelevant ist.331 o Die forschungsnahe Vertiefung in den Berufswissenschaften markiert das Innovationspotential, das von Universitäten in Schulen ausgehen kann. Nur wenn Studierende es im Kern erfasst haben, sind sie später in der Schule z.B. in der Lage, Ansatzpunkte für die Implementation von Innovationen im Iststand der Schulentwicklung zu erkennen, oder auch, wenn nur kleine Schritte der Veränderung gemacht werden können, das Fernziel der angestrebten Innovation nicht aus den Augen zu verlieren. Ein derart tiefer und flexibler Kompetenzaufbau 331 Es sei noch einmal betont, dass die Hinweise zum Studium in den Vertiefungsphasen nicht bedeuten können und sollen, dass für Lehramtsstudierende eigene fachwissenschaftliche Masterveranstaltungen angeboten werden müssten. Es geht vielmehr darum, dass, wenn das Ziel, die Kompetenzen den „Kern zu identifizieren” im Rahmen eines Haupt- oder Forschungsseminars gefördert werden soll, besonders auf die Themenwahl für die Veranstaltungen geachtet werden muss und bewusst Zeit für die Einordnung des Zugriffs und des Themas in die Forschungslandschaft aufgewandt, die Zukunftsperspektiven der Methodenentwicklung thematisiert, die gewählten Themen in ihrer kategorialen Anschlussfähigkeit diskutiert werden sollten. 149 kann durch geeignete Lehrformate und das Einbinden der Studierenden in fachdidaktische und erziehungswissenschaftliche Forschung unterstützt werden. • Um die Transferierbarkeit von Wissenschaft auf schulische Situationen Grund zu legen, müssen im Laufe des Lehramtsstudiums auch Module, zumindest Lehrveranstaltungen absolviert werden, in denen das universitäre Wissen aus den Fachwissenschaften, Fachdidaktiken und Erziehungswissenschaften genutzt wird, um mit schulbezogenen Situationen umzugehen. Es kann sich bei diesen Modulen um Praxismodule oder Kombimodule handeln, wie sie im Kapitel Theorie- und Praxisbezug vorgestellt worden sind,332 aber auch um Vertiefungsmodule aus den Berufswissenschaften (Fachdidaktik und Erziehungswissenschaften), um fachwissenschaftliche Lehrforschungsprojekte an schulrelevanten Themen oder um anwendungsbezogene Abschlussarbeiten für das Bachelor- oder Masterstudium. In den Empfehlungen des Wissenschaftsrats ist von problemorientierten bzw. forschenden Modulen die Rede. Es wird so ein Rahmen für Formate vorgeschlagen, die die Weiterentwickung von Fachkompetenz bei gleichzeitiger Berücksichtigung ihrer außeruniversitären Anwendung zusammenbringen. In ihnen lernen die Studierenden exemplarisch zu erproben, was es bedeutet, den Kern der Aufgabe zu identifizieren, methodische Festlegungen zu treffen, im Prozess das Ziel nicht aus den Augen zu verlieren etc. Lehramtsstudierende sollten den „Kern” ihrer Disziplinen, aber auch zentraler Inhalte so sicher erfasst haben, dass sie z.B. • solche Kerne auch erkennen, wenn sie sich mit (für sie) neuen Beispielen auseinandersetzen, • Unterrichtssequenzen für Schüler unterschiedlichen Alters und unterschiedlicher Lernvoraussetzungen so planen können, dass diese sach- und schülergemäß zugleich sind, • einschätzen können, inwiefern vorfindliche Vorstellungen ihrer Schüler das Potential haben, weiterentwickelt zu werden bzw. nicht tragfähig sind, weil sie dezidiert in die Irre führen. 332 Vgl. Teil A Kapitel Querschnittskompetenz IV 6.3. Konkrete Maßnahmen zur Entwicklung von Lehrerkompetenzen als 150 2.2.4.1.2 Die Zweite Phase der Lehrerbildung und ihre Bedeutung für die Kompetenzentwicklung im Bereich „Kerne identifizieren” Wie der Kompetenzbereich „Kerne identifizieren” durch kontinuierliche Kompetenzförderung dazu beitragen könnte, den Praxisschock zu vermeiden Die der Zweiten Phase zugeordneten Ziele wurden im Kapitel lebenslanges Lernen333 bereits herausgearbeitet: Die Referendare sollen handlungsfähig, teilweise sogar handlungssicher für die schulischen Aufgaben gemacht werden. Deshalb sind die Referendare im zweite Ausbildungsabschnitt dem Praxisfeld Schule zugeordnet; sie stehen so im täglichen Kontakt mit Schülern und den anderen Partnern des schulischen Felds. Dem Konzept der deutscher Lehrerbildung entsprechend sollte in der zweiten Phase auf die an der Universität entwickelte Kompetenzen zurückgegriffen werden können. Dabei sollten diese nicht nur für die Anwendungsfelder genutzt werden können, sie sollten vielmehr zugleich im Umgang mit den neuen Aufgaben modifiziert, erweitert und ergänzt werden. Referendare und Seminarlehrkräfte beklagen z.T. aber, dass sie einen derartigen Zusammenhang nicht erkennen können.334 Unter Bezug auf das Konzept des „tiefen und flexiblen Wissens” nach Shulman und dessen Weiterführung in ein Kompetenzstrukturmodell für Lehrerkompetenzen wurden Ansatzpunkte vorgestellt, um von Seiten der Universität auf diese Herausforderung zu reagieren. Wer die Universität mit dem Bewusstsein verlässt, auf das zukünftige Berufsfeld vorbereitet zu sein, z.B. weil er/ sie inhaltlich, theoretisch und methodisch dafür gerüstet ist, „Kerne zu identifizieren”, wer an einigen schulbezogenen Beispielen auch erprobt hat, schulische Situationen zu bewältigen, steht neuen Herausforderungen der Schule nicht angstvoll, sondern offen und neugierig gegenüber. Dies sollte einem „Praxisschock” vorbeugen helfen. 333 Teil A III 3. Gut vorbereitet oder Praxisschock? Der durch Studienseminare begleitete Vorbereitungsdienst Vgl. 334 Vgl. die Hinweise auf den Praxisschock, z.B. in Kapitel A III 3. Gut vorbereitet oder Praxisschock? Der durch Studienseminare begleitete Vorbereitungsdienst oder A IV 6.3.1 Handlungsfelder Unterrichten und Erziehen – Förderung der Querschnittskompetenzen mit Hilfe der Praxismodule, Analoges moniert auch der Wissenschaftsrat wenn er feststellt: „Vor allem die Entwicklung arbeitsmarktrelevanter Kompetenzen geschieht in vielen Studiengängen nur teilweise explizit, zudem wird sie nur in Einzelfällen mit den Studierenden gezielt reflektiert. Dies ist maßgeblich darauf zurückzuführen, dass die entsprechenden Qualifizierungsziele mitunter nur unvollständig geklärt und konkretisiert worden sind, nicht zuletzt aber auch auf die Tatsache, dass sich die Orientierung der Lehrangebote an Kompetenzmodellen noch in den Anfängen befindet. Den Hochschulen fehlt daher häufig die Grundlage, um gegenüber Studieninteressierten und Studierenden, aber auch gegenüber den Arbeitgebern und der Politik offensiv und selbstbewusst darzustellen, welche – insbesondere auch – arbeitsmarktrelevanten Kompetenzen in einem bestimmten Studiengang entwickelt werden können und sollen.” (Wissenschaftsrat, Empfehlungen zum Verhältnis von Hochschulbildung und Arbeitsmarkt. Zweiter Teil der Empfehlungen zur Qualifizierung von Fachkräften vor dem Hintergrund des demographischen Wandels, 16. Oktober 2015, S. 60). 151 Die Herausforderung, die sich den Studienseminaren stellt, besteht darin nicht losgelöst von dem zu agieren, was die Referendare sich an der Universität bereits angeeignet haben. Für die Seminarlehrkraft bedeutet „den Kern identifizieren“ deshalb insbesondere auch zu erkennen, was die angehenden Lehrer an Kompetenzen mitbringen. Diese mögen noch nicht ausreichen, um den Anforderungen der Schule zu genügen, vielleicht gilt es, das eine oder andere Fehlkonzept zu verändern und für Felder zu sensibilisieren, die an der Universität bislang nicht wahrgenommen wurden. Ohne auf das Berufsfeld Schule bezogene – oder zumindest beziehbare – Kompetenzen kommen die Referendare aber nicht ins Studienseminar. Die Referendare dabei zu unterstützen zu erkennen, um was es im Fachunterricht, bei den zu bewältigenden Erziehungsaufgaben, bei einer gerechten Beurteilung „im Kern“ geht, sie zugleich dabei zu unterstützen, sich bewusst zu werden, worauf sie bereits zurückgreifen können und was sie neu erlernen müssen, darin besteht eine die Erstausbildung an der Universität aufgreifende Förderung der Lehrerkompetenzen in der zweiten Phase.335 Wie die Weiterentwicklung der Kompetenzen aus dem Bereich „Kerne identifizieren” dazu beitragen kann, Schüler zu fördern Mittelbar zielen Lehrerkompetenzen immer auch darauf, Schüler beim Aufbau zukunftsorientierter und flexibel verfügbarer Kompetenzen zu unterstützen. Kompetenzen aus dem Bereich „Kerne identifizieren” können Lehrkräfte z.B. dazu befähigen, im Falle der immer heterogenen Klassen336 das Lernen der Schüler am gemeinsamen Gegenstand337 zu unterstützen. In diesem Falle ist es nötig, für einige Schüler weitere Reduzierungen und Elementarisierungen vorzusehen, während für andere die Chance eröffnet werden sollte, sich mit dem Lerngegenstand elaboriert und über das für die Klasse angestrebte Niveau hinaus zu befassen. In beiden Fällen müssen die Referendare/ Lehrkräfte Hinweise auf den Stand der Kompetenzentwicklung erkennen und Ansatzpunkte parat haben, wo bei der Förderung angesetzt werden kann. In beiden Fällen ist es von Bedeutung, um die „Kerne” der Sachen zu wissen. Dies gilt für die Referendare wie für deren Ausbilder. 335 Dies verlangt, dass Seminarlehrkräfte die „neue“ Universität kennen und dass umgekehrt die für den Aufbau von Unterrichts- und Erziehungskompetenz vorrangig zuständigen Dozenten der Universitäten Schule kennenlernen müssen, so wie sie heute ist (vgl. unten, C II 2. Modellversuch „Kooperation Erste und Zweite Phase Lehrerbildung“). 336 Nicht zuletzt durch die „neue Völkerwanderung“ werden Klassen immer noch heterogener. Für deren Bewältigung müssen die aktuellen Referendare Neues und Anderes lernen, als noch die Vorgängergeneration. 337 Feuser, G. (1989): G. Feuser: Allgemeine integrative Pädagogik und entwicklungslogische Didaktik. In: Behindertenpädagogik, 28, 4-48; zur fachdidaktischen Modifikation vgl. z.B. Bräuer, B., Schreiber, W.: Orientierungsgelegenheiten. Theoriebildung für gemeinsames Geschichtslernen in inklusiven Klassen, in: Christoph Kühberger/ Robert Schneider: Inklusion im Geschichtsunterricht (angenommen). 152 Eine weitere Herausforderung besteht darin, Schüler zur vertieften Auseinandersetzung mit den Domänen, die den Schulfächern zugrunde liegen, zu motivieren und sie für „die Sache” zu begeistern. Dabei können Referendare auf den wissenschaftlichen Habitus zurückgreifen, den sie sich im Studium angeeignet haben sollten. Die eigene Wissenschaftsverbundenheit hilft, Hinweise in Schüleräußerungen zu erkennen, die auf elaboriertes Denken schließen lassen und über Ideen zu verfügen, wie dieses entsprechend gefördert werden können. Wie von Experten der Lehrerbildung seit langem gefordert (vgl. u.a. Terhart et al., 2004) muss nach dem Referendariat auf die ersten Jahre der eigenverantwortlichen Berufstätigkeit mehr Augenmerk gelegt werden, damit das in der Ausbildung erlernte Innovationspotential für den Schulalltag nicht wie es bislang oft der Fall338 ist, verloren geht. Hilfreich, um das an Universtäten entwickelte Innovationspotential an die Schulen zu bringen, könnte es sein, die letzten Ausbildungsabschnitte des Vorbereitungsdienstes, in denen die Referendare von Prüfungen entlastet sind und eigenverantwortlich unterrichten, noch einmal für Kooperationen mit der Universität zu nutzen. Es kann dann darum gehen, Forschungsergebnisse, z.B. aus der Unterrichtsforschung ins Zentrum zu rücken, Projekte forschungsnahen Lernens in Zusammenarbeit mit Universitätsdozenten oder als KOOPProjekte zwischen Studierenden und Referendaren zu realisieren. Zusammenzudenken, was „Kerne” aus der Sicht der Wissenschaft und aus der Sicht der Schule sind, sollte jeweils Teil der Kooperation sein. 2.2.4.1.3 Die Dritte Phase der Lehrerbildung und die Bedeutung der Kompetenzen „Kerne zu identifizieren” Die Rolle dieses Kompetenzbereichs wird in drei Hinsichten betrachtet, zum einen bezogen auf Fort- und Weiterbildung als originäre Aufgaben der auf diese Phase bezogenen Lehrerbildung,339 und auf die individuelle Kompetenzentwicklung der einzelnen Lehrkraft. Dass die Kompetenzen, den Kern zu identifizieren in Bezug auf die neuen Aufgaben, auf die im Rahmen von Weiterbildungsmaßnahmen vorbereitet werden sollen, von Bedeutung sind, liegt eigentlich auf der Hand. Noch gibt es aber Weiterbildungsmaßnahmen, die vor allem auf rechtliche Rahmenbedingungen und auf Vorschläge für den Umgang mit Praxisproblemen 338 339 Vgl. Korthagen, 2001; Hammond, 1999; Franke u.a. 2001; Torff/Warburton, 2005; Fenn, 2013. Vgl. Teil A, Kapitel III. 4. Fort- und Weiterbildung: die dritte Phase. 153 fokussieren. Sie sollten ersetzt/ erweitert werden durch eine Grundlegung, die die Kerne um die es geht herausarbeitet und auf eine Anbindung an bereits bestehende Kompetenz- und Wissensbestände zielt (vgl. hierzu auch das Konzept des scientist practitioner, das im folgenden vorgestellt wird). Auch im Sektor Fortbildungen ist die Idee noch wenig verbreitet, zuerst den Kern des Problems zu identifizieren, und dann Fortbildungskonzepte zu entwickeln, die darauf zielen, vorhandene Kompetenzen aufzugreifen und auszubauen. Es gibt jedoch erste Ansätze, z.B. wenn bei den Pflichtfortbildungen zur Einführung kompetenzorientierter Lehrpläne unterschiedliche Formate angeboten werden (z.B. für junge Kollegen, deren Erstausbildung nach dem Paradigmenwechsel zur Kompetenzorientierung lag und älteren Kollegen, die im Rahmen eines früheren Paradigmas ausgebildet worden sind oder für Lehrkräfte, die fachfremd unterrichten und Lehrkräfte, die die Fächer studiert haben), oder wenn für Fortbildungsreihen zu Inklusion vorab angefragt wird, welche Entwicklungsziele Schulen sich setzen.340 Das Ziel sind Fortbildungsangebote, die den Kern dessen, um was es geht deutlich herausarbeiten, dann die Lehrkräfte dabei unterstützen zu erkennen, inwiefern sie bereits über Kompetenzen verfügen, und wo diese auszubauen und weiter zu entwickeln sind und dafür gezielte Fördermaßnahmen anbieten. Wer seine Fähigkeiten, den Kern zu identifizieren in den institutionalisierten Phasen ausgeprägt hat, wird sie selbstverständlich auch bei der individuellen Weiterentwicklung der eigenen Kompetenz nutzen. Er/ sie fokussiert die Aufmerksamkeit auf die Kernelemente, sei bei der Lektüre oder andere Formen, sich auf dem Stand der disziplinären Weiterentwicklung zu halten (vgl. z.B. die in unterschiedlichen Portalen angebotenen Erklärvideos von zunehmender Qualität oder die Angebote von online Vorlesungen ausgewiesener Experten). 2.2.4.2 Kompetenzen zur Selbst- und Fremdwahrnehmung und Selbst- und Fremdreflexion Im ersten Kompetenzbereich stand in einem weiten Verständnis die „Sache“ im Zentrum, genauer, der Kern dessen, um was es bei den Bildungsprozessen an der Universität und in den Schulen geht. Der zweite Kompetenzbereich fokussiert, wie einleitend bereits skizziert, die dialogische, interaktive Seite des Lehrerseins: Damit der Austausch mit den an Schule 340 Vgl. Teil A, III, 4.3.2 Inhaltlichkeit und Struktur der Fortbildungsangebote 154 beteiligten Personen341 gelingen kann, markieren Selbst- und Fremdwahrnehmung, darauf aufbauend Selbst- und Fremdreflexion einen Kompetenzbereich, über den Lehrerinnen und Lehrer ebenfalls verfügen können müssen: Die Lehrkraft muss sich mit ihren Partnern in einen Zusammenhang bringen können. Dies umfasst z.B. die Auseinandersetzung mit den jeweils verfolgten Absichten und Zielen, mit den jeweiligen Voraussetzungen und Möglichkeiten, mit Persönlichkeitsmerkmalen oder Gruppenzugehörigkeiten. 2.2.4.2.1 Die Ausbildung der Fähigkeit zur Selbst- und Fremdwahrnehmung, zur Selbst- und Fremdreflexion an der Universität In der universitären ersten Phase sind die Partner, mit denen die Lehrer im späteren Berufsfeld unmittelbar zu tun haben, oft noch abstrakt (Schüler, Eltern, Kollegen, Vorgesetzte). Real sind dagegen Dozenten, Kommilitonen aus Lehramtsstudiengängen und anderen Studienrichtungen, Ansprechpartner aus der Verwaltung und anderen Institutionen der Universität. Viele Situationen, in denen Selbst- und Fremdreflexion in der ersten Phase entwickelt werden könnte, unterscheiden sich also deutlich von den Situationen des späteren schulischen Berufsalltags. Dennoch kann eine Sensibilität für Selbst- und Fremdwahrnehmung/ -reflexion in allen dialogischen Situationen aufgebaut werden, ebenso die Fähigkeiten, Fertigkeiten und Bereitschaften, sich selbst und den jeweils Anderen in ein Verhältnis zu setzen und daraus Konsequenzen für das gegenseitige Verstehen zu ziehen. Für eine expliziter auf Schule ausgerichtete Förderung können die sporadischen Kontakte zum Berufsfeld Schule gezielt genutzt werden. Insbesondere die Praktika können hierfür genutzt werden. Ein Aspekt der Selbstreflexion, der notwendig an der Universität verortet sein muss, ist, sich in Bezug auf die studierten Fächer über das eigene wissenschaftliche Fachverständnis und den zu entwickelnden wissenschaftlichen Habitus klar zu werden und in einen weiteren Schritt sein eigenes Verständnis zum Schulfach zu reflektieren. Dazu gehört auch, über die Rolle nachzudenken, die Lehrer und Schüler im eigenen Verständnis haben. Ein anderer Aspekt ist, sich mit sich selbst als Lernendem auseinander zu setzen (vgl. hierzu die Erläuterungen zum Kombimodul342) und die Ergebnisse der Selbstwahrnehmung und 341 Die Partner, mit denen Lehrkräfte zu tun haben, unterscheiden sich nach den Ausbildungsphasen bzw. den Handlungsfeldern der Schule: Dort kann es z.B. um Lehrkraft und Schüler gehen, um die (angehenden) Lehrer und die Lehrerbildner, um Lehrkraft und deren Vorgesetzte bzw. Lehrkraft und Schülereltern oder um Lehrkraft und Vertreter der Bildungspolitik bzw. der an Schule interessierten Öffentlichkeit. 342 Vgl. Teil A, Kapitel IV 6.3.2 Handlungsfelder Unterrichten/ Beraten – Förderung der Querschnittskompetenzen mit Hilfe von Kombimodulen 155 Selbstreflexion als Grundlage für die auf Schüler bezogene Fremdreflexion zu nehmen. Schließlich gilt es die Situationen zu nutzen, in denen die Studierenden sich selbst als Lehrende (Praktika) bzw. Partner im Sachdiskurs erfahren und erproben können (u.a. bei Referaten, in Lerngruppen, in Diskussionsrunden) und dabei Selbst- und Fremdwahrnehmung/ -reflexion konkret aufeinander beziehen können. In der universitären Lehrerbildung ist die Förderung der Kompetenzen zu Selbst- und Fremdreflexion eher wenig verankert. Im Studiengangskonzept von Lehramtplus wird versucht, in der Berufsfindungsphase, also im Sockelstudium, Raum vorzusehen, u.a. im Modul Fachreflexion, ebenso in den späteren Vertiefungs- und Profilphasen in den berufsfeldbezogenen Modulen. Grundlegend hierfür ist das Praxismodul „schulpädagogisches Blockpraktikum“, auf dem die weiteren Praxismodule aufbauen.343 Raum für Selbst- und Fremdwahrnehmung/ -reflexion bieten darüber hinaus auch Kombimodule, Module zur Förderung von Sozialkompetenz, von kommunikativen oder interkulturellen Kompetenzen. 2.2.4.2.2 Die Ausbildung der Fähigkeit zur Selbst- und Fremdwahrnehmung, zur Selbst- und Fremdreflexion im Studienseminar Die zweite Phase, die vorrangig den Aufbau von Handlungskompetenzen fokussiert, bringt die jungen Lehrkräfte in unmittelbaren Kontakt mit Partnern, mit denen sie bislang nur selten oder nur mittelbar zu tun hatten. Sie verlangt, mit ihnen in Unterrichts-, Erziehungs- und Beratungs-/ Beurteilungssituationen umzugehen, die ebenfalls in vielen Belangen neu sind. Zudem verändert sich die eigene Rolle, z.B. vom Lernenden zum Lehrenden. Wiederum gilt: Auch wenn die in der ersten Phase entwickelten Kompetenzen nicht ausreichen, um die schulischen Handlungs-Situationen zu bewältigen: Referendare verfügen über Kompetenzausprägungen, Handlungsfeldern aufgebaut die haben. sie in Angesichts universitären der oder Neuartigkeit lebensweltlichen der schulischen Handlungsfelder muss der situativen Erweiterung der sozialen und personalen Kompetenzen große Bedeutung zugewiesen werden. Obwohl es für nicht wenige Referendare hilfreich erscheint, konventionelle Weisen des Umgang mit den jeweiligen Partnern zu erlernen, obwohl nicht wenige Seminarlehrkräfte „Rezepte” für auftretenden Herausforderungen anzubieten gewohnt sind, reichen erfahrungsgesättigte, traditionelle Regeln nicht aus. Sie müssen kontextualisiert werden, nicht 343 Vgl. Teil C I 3.2.4 Lehramtstrack, oder Teil C 3. Das Praxiskonzept in Lehramtplus zur Förderung des Verständnis als Scientist Practioner. 156 zuletzt, indem reflektiert wird, was der Kern der jeweiligen Situation ist (s.o.), zudem aber immer auch, indem das, um was es gehen soll, auf einen selbst und auf das Gegenüber bezogen wird. Ein Weg dazu ist, genügend Raum für gezielte Selbst- und Fremdwahrnehmung bzw. -reflexion zu schaffen. Dabei geht es darum, ein Instrumentarium auf- und auszubauen, das auch in der Lage ist, Handlungsempfehlungen (z.B. für die Reaktion in Unterrichts- und Erziehungssituationen) reflektierend einzuordnen. Weil die Wahrnehmungen nicht vorschnell mit erfahrungsgesättigten, subjektiven Alltagstheorien erklärt werden sollten, muss an diesen Stellen das Studienseminar der Ort vertiefender Wissenschaftlichkeit sein. Was dies für Seminarlehrkräfte und Referendare bedeutet, wird abschließend dargestellt. • Die Aufgabe der Seminarlehrkräfte ist es, die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den Selbst- und Fremdwahrnehmungen anzuregen. Dies kann aus einem Rollenverständnis als scientist practitioner heraus erfolgen (vgl. die Darstellungen zu diesem Konzept im folgenden Kapitel), der aufgrund der eigenen wissenschaftlicher Kompetenz zu einer erhöhten Forschungsorientierung der Praxis beitragen kann. Semminarlehrkräfte sind dabei nicht auf sich allein gestellt, sofern sie sich als Kooperationspartner der Wissenschaft verstehen. Sie können bei Bedarf die Expertise universitärer Forschung abrufen; im Idealfall sollten sie dabei die Akzeptanz genießen, mit ihren Nachfragen zur Selbst- und Fremdwahrnehmung ggfs. eine verstärkte Auseinandersetzung der Forschung mit diesem Thema einzufordern (vgl. Jones/ Mehr, 2007). • Eine Aufgabe, vor der Referendare stehen, ist die eigenen Selbstwahrnehmungen neu zu justieren und zu reflektieren, in Bezug auf das Schulfach und ihre Lehrerrolle, aber auch in Bezug auf ihr Wissenschaftsverständnis und ihren Habitus als Wissenschaftler. Neu bedacht werden müssen auch die Konzepte zu den „Anderen”, zu Schülern, Kollegen und weiteren Partnern in der Institution Schule. Auch hier geht es darum, die ersten Alltagserfahrungen nicht mit Alltagstheorien bewältigen zu wollen, sondern sie in Bezug zu theoretischen Rahmen zu setzen. Das Ziel ist wiederum, vorhandene Kompetenzausprägungen zu nutzen, um mit neuen Situationen umzugehen und seine Kompetenzen gezielt weiter zu entwickeln. Der letzte Hinweis schließlich befasst sich mit der Selbst- und Fremdreflexion, die durch Rollenwechsel notwendig wird: Dass Referendare während der Zweiten Phase in die Rolle von Lehrenden hineinwachsen sollen, macht ihre Erfahrungen als Lernende (und deren 157 Reflexion) nicht wertlos. Zum einen gilt dies schon deshalb, weil Lehrersein lebenslanges Lernen umfasst. Zum anderen aber können die eigenen Erfahrungen als Lernende die Fremdwahrnehmung gegenüber den Schülern unterstützen und Reflexionsanstöße bieten. Kompetenzerweiterung meint ja gerade das Nutzen-Können bisheriger Erfahrungen in neuen Situationen. 2.2.4.2.3 Die Ausbildung der Fähigkeit zur Selbst- und Fremdwahrnehmung, zur Selbst- und Fremdreflexion in der dritten Phase Wieder ist eine Aufteilung nach Weiterbildung und Fortbildung hilfreich: Gerade, weil durch Weiterbildung eine Befähigung für neue Aufgaben angezielt wird, sind Selbst- und Fremdwahrnehmung/ -reflexion von Bedeutung. Wie im Studium antizipierend das eigene Fachverständnis geklärt und das Verständnis zum Schulfach reflektiert werden kann sowie die Rolle bedacht werden kann, die Lehrer und Schüler im eigenen Verständnis haben, muss der sich Weiter-Qualifizierende über sein Verständnis der neuen Aufgabe nachdenken, über seine damit verbundenen Rollenverständnisse. Soll Schulleitung das neue Handlungsfeld sein, kann durch Selbstbeobachtung und Selbstreflexion in der „alten Rolle des normalen Lehrers“ vorbereitet werden, wie er/ sie in der neuen Funktion mit Mitgliedern des Lehrerkollegiums umgehen will. Wie im Studienseminar kann Unterstützung sinnvoll/ notwendig sein nachdem die neue Aufgabe übernommen worden ist, um die dort gemachten Selbst- und Fremdbeobachtungen einzuordnen. Auch hier dürfen Alltags-Theorien nicht wirkmächtig werden; sie sollten vielmehr reflektiert und bewusst auf ein wissenschaftliches Fundament für Fremd- und Selbstwahrnehmungen gestellt werden. Wer eine coachende, begleitende Rolle in der dritten Phase übernehmen könnte, ist bislang unklar. Weil Weiterbildung oft Aufgabe der Landesinstitute ist, müsste diese Aufgaben dort verankert werden. Selbst- und Fremdwahrnehmung in Bezug auf die Fortbildung bedeutet, das jeweilige Fortbildungsziel in Bezug zu sich selbst und (im Falle einer unterrichtsbezogenen Fortbildung) in Bezug zu den Schülern zu setzen. Exemplarisch auf den Paradigmenwechsel hin zur Kompetenzorientierung bezogen hieße das z.B. zu fragen: „Wie wirkt es sich auf mich bzw. meine Schüler aus, wenn der Unterricht kompetenzorientierter als bisher erfolgt?“ „Will ich tatsächlich die Konsequenz ziehen, meine Lehrerrolle zu verändern oder verunsichert mich die Vorstellung, statt für den input vermehrt für den outcome zuständig zu sein?“ 158 „Welches andere Verhalten ist bei meinen Schülern zu erwarten?“ etc. Wieder gilt, dass Selbst- wie Fremdreflexion begleitet werden müssten, wenn es um einen Kompetenzaufbau gehen soll, der nachhaltig wirkt. Ein Paradigmenwechsel ist sonst nur schwer vorstellbar (vgl. hierzu das Kapitel zu Fortbildungskonzepten in Teil C, Konkretisierungen344). 2.2.4.3 Kompetenzen zu situationsadäquaten Synthesen und Konkretisierungen Die auf die Sache bzw. auf sich und die Anderen bezogenen Analysen schaffen die Grundlage dafür, dass Lehrer agieren und reagieren können. Es reicht aber nicht aus, zusammen zu führen, was mit Hilfe der unter 2.2.4.1 und 2.2.4.2 skizzierten Kompetenzbereiche an Ergebnissen und Lösungsansätzen erarbeitet wurde. Es sind Kompetenzen eines eigenen Bereichs, die notwendig sind, um zu sach- und adressatengerechten Synthesen zu kommen – in Form von Unterrichtsstunden, einer Gesprächsplanung für Schüler- und Elterngespräche, in Form von Konzepten für Entwicklungsprozesse oder von Wochen-, Organisations- und Zeitplänen. Der dritte Kompetenzbereich umfasst entsprechend die Entwicklung von Synthesen einschließlich ihrer Optimierung, die sich aus deren Erprobung und Reflexion ergibt. In der Realität der Schule müssen solche Synthesen häufig in kurzer Zeit erarbeitet werden; dies verlangt zusätzliche und andere Kompetenzen (vor allem auf der Ebene der Fertigkeiten und Bereitschaften) als die vertiefte, abwägende und deshalb zeitintensivere Auseinandersetzung mit Problemen, wie sie an Universitäten angeregt wird. Im schulischen Alltag müssen Abstriche in der Tiefe gemacht werden. Dennoch sollte eine grundlegende Forschungsorientierung das Rückgrat der Synthesen bilden. Für die konkreten Handlungen, die synthetisiert werden, bedeutet dies, dass sie trotz pragmatischer Ausrichtung in ihrem Kern forschungsorientiert bleiben. Gleichzeitig tritt aber neben die grundlegende Forschungsorientierung der für die Umsetzung in der Schulrealität notwendige Pragmatismus. Gehen Theorie- und Praxisbezug auf der Grundlage entwickelter Lehrerkompetenzen Hand in Hand, sind die Synthesen der Lehrkraft nicht nur bedarfsbezogen und an den Schulalltag angepasst, sondern immer auch von einem wissenschaftlichen Habitus getragen und (zumindest implizit) auf wissenschaftliche Standards bezogen. Eine im Kontext der zu leistenden Synthesen zu meisternde Herausforderung besteht darin, dass die Situationen, auf die sie bezogen sind, von großer Vielfalt sind. An ein und demselben 344 Vgl Teil C, II 3. Zur Beteiligung der KU an der Lehrerfortbildung für die Dritte Phase, insbesondere 3.1 Grundsätzliche Überlegungen 159 Tag kann in der ersten Stunde Fach 1 in einer 5. Klasse, in der zweiten Stunde Fach 2 in einer 11. Klasse zu unterrichten sein, in der 3. Stunde sind möglicherweise in der Sprechstunde ein oder mehrere Elterngespräche zu führen, in der 4. Stunde, die theoretisch eine Freistunde wäre, steht eine Vertretungsstunde in einem anderen Fach auf dem Programm und in der 5. und 6. Stunde wird in derselben 8. Klasse zuerst Fach 1, dann Fach 2 unterrichtet. Nicht nur in Bezug auf das Unterrichten sind Synthesen erforderlich. Auch Erziehungs- und Beratungssituationen machen ständig zusammenschauende Synthesen notwendig. 2.2.4.3.1 Synthesen erstellen lernen: Die Ausbildung an der Universität Auch in der Erstausbildung an der Universität müssen immer wieder Syntheseleistungen in der Regel in schriftlicher oder mündlicher Form erbracht werden. Das Ziel von beispielsweise wissenschaftlichen Texten ist es, dass die Studierenden lernen, in ihren Synthesen bezogen auf eine Fragestellung begründet zu argumentieren und dabei zunehmend in die Tiefe zu gehen.345 Auch wenn die Dichte der Anforderung im Zuge der Bologna-Reformen gestiegen ist und einen Mangel an Zeit für Vertiefungen mit sich gebracht hat, bleibt die Zeit, fachbezogene Syntheseleistungen zu erarbeiten, ungleich höher als später während der Tätigkeit als Lehrkraft an der Schule. Zudem ist der Adressatenkreis homogener: Es handelt sich im weiteren Sinne jeweils um Wissenschaftler, neben den ausgewiesenen Professoren, den Dozenten aus dem wissenschaftlichen Nachwuchs und Lehrbeauftragten mit unterschiedlichen Kompetenz-Profilen auch um Kommilitonen, die ihren Habitus als Wissenschaftler erst aufbauen. Neben diesen in die Tiefe gehenden Synthesen lernen Studierende an den Universitäten aber auch Syntheseleistungen zu erbringen, die in knapper Zeit, z.T. ad hoc erbracht werden müssen (Kommentare zu Referaten und andere Wortäußerungen in Seminare, Statements in studentischen Versammlungen, Antworten auf Klausurfragen, Sachdiskussionen in Sprechstunden usw.). In ersten Ansätzen wird auch das Erarbeiten von Textsorten eingeübt, die in schulischen Handlungsfeldern gebraucht werden (Unterrichtsentwürfe, Lernstandsdiagnosen, Beratungspläne usw.). Erarbeitet werden diese Formate in den Praxismodulen, in deren Kontext u.a. Unterricht vorbereitet, durchgeführt und reflektiert wird. Dabei sind Schüler die wichtigsten Adressaten, dazu kommen aber auch Praktikumslehrer und Dozenten, die die Unterrichtsversuche begleiten. Eine weitere Gattung 345 Es handelt sich um langfristig vorbereitete schriftliche Texte wie Abschlussarbeiten, Hausarbeiten, Projektskizzen oder Portfolio-Beiträge. 160 an Syntheseleistungen erfordern Projektmodule wie etwa Kurse zum kreativen Schreiben, zu Rhetorik, zur fachspezifischen Arbeit mit dem Medium Film etc. Universität kann also auch in diesem Fall – obwohl die Adressaten andere sind als im späteren Schulalltag – ein geeignetes Feld für die erste Entwicklung dieses Kompetenzbereiches sein. Wiederum gilt aber auch, dass eine vielfältige Förderung zwar möglich wäre, die gezielte Förderung der Synthese-Kompetenzen an Universitäten aber nicht selbstverständlich ist. 2.2.4.3.2 Synthesen erstellen lernen: Die Ausbildung im Studienseminar In der zweiten Phase werden – als Folge der Orientierung an den Handlungsfeldern – die berufsfeldbezogenen Syntheseleistungen nicht selten explizit geschult. Dabei erfolgt oftmals eine Ausrichtung an Konventionen, die Formalisierungen nach sich zieht. Dabei gilt durchaus, dass Leitfäden (wie z.B. Artikulationsmodelle für die Unterrichtsplanung) in den ersten Phasen der Berufstätigkeit ein für Referendare hilfreiches Instrument sein können. Kompetenzen für Synthesen zu fördern bedeutet aber, die hier für das Planen von Unterricht notwendigen Fähigkeiten, Fertigkeiten und Bereitschaften zu fördern; damit werden Leitfäden als Hilfen wahrgenommen und nicht als Korsett angesehen.346 Teil der Förderung der Synthesekompetenz ist es, in den Synthesen explizit den Kern zu berücksichtigen, also das, worum es geht z.B. ins Zentrum der Unterrichtsplanung, durchführung und -reflexion zu rücken. Die auf die Schüler bezogenen Wahrnehmungen müssen in den Synthesen beachtet, die in der Selbstreflexion sichtbar gewordenen Aspekte müssen berücksichtigt werden. Auch in Bezug auf diesen Kompetenzbereich besteht die Herausforderung für die zweite Phase darin, die im akademischen Studium erarbeiteten Fähigkeiten, Fertigkeiten und Bereitschaften auf neue Handlungssituationen zu beziehen und in darauf abgestimmten Formen der Synthese wirksam werden zu lassen. Auch hier geht es um eine Erweiterung der an der Universität erworbenen Kompetenzen, die der Anleitung bedarf. Auch hier ist die Seminarlehrkraft in ihrer Rolle als scientist practitioner gefragt: Das gemeinsame Lernen heterogener Schüler am gemeinsamen Gegenstand ist z.B. ein Feld, in dem Praxis und 346 Artikulationsmodelle und andere hilfreiche Strukturen für Unterrichtsplanung werden dann nicht zum Selbstzweck, sondern haben Werkzeugcharakter. Ihre Funktion ist, einen Rahmen zu schaffen, in dem fachliche, fachdidaktische sowie erziehungswissenschaftliche Kompetenzen genutzt werden, um in einer adressatenbezogenen Weise im Unterricht zu erarbeiten, was als Kern herausgearbeitet worden ist. 161 Forschung aufeinander angewiesen sind und Forschung durch Hinweise aus der Praxis angeregt werden kann. 2.2.4.3.3 Den Fort- und Weiterbildungszielen angemessene Synthesen erstellen lernen Einleitend wurde die Vielfalt der Syntheseleistungen aufgezeigt, die Lehrkräften abverlangt werden. Trotzdem werden bislang die zugrunde liegenden Kompetenzen in Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen kaum thematisiert. Sowohl Fortbildungen, als auch Weiterbildungen streben nach Veränderungen.347 Diese manifestieren sich auch in den das Handeln im Berufsfeld widerspiegelnden Synthesen. Die Fortbildungsangebote müssten demzufolge u.a. dazu führen, bisherige Routinen bei den Syntheseleistungen zu reflektieren, ggfs. zu modifizieren oder anders zu gestalten. Darin besteht die Herausforderung: Weil Routinen den Alltag entlasten, werden sie nur dann modifiziert, wenn sie in ihrer bisherigen Form irritiert worden sind, wenn die Alternativen einen Mehrwert versprechen, ohne zu massiven Mehrbelastungen zu führen. Einige Studien haben kompetenzorientierte Aufgabenstellungen als Syntheseleistungen identifiziert, denen (auch aus Lehrersicht) ein Mehrwert gegenüber bisherigen Aufgabenstellungen zugetraut wird: Die eigene Kompetenz dahingehend weiter zu entwickeln, kompetenzorientierte Aufgaben zu formulieren, wird als sinnvoll und in der Zukunft als potentiell entlastend angesehen. Für die Träger/ Anbieter solcher Fortbildungsmaßnahmen besteht in dieser Hinsicht das Ziel darin, zu präzisieren, welche Veränderungen angestrebt werden und darin, Operationalisierungen für die Umstellung anzubieten, wobei die vorhandenen Kompetenzen der Lehrkräfte (hier zur Aufgabenformulierung) zu berücksichtigen wären. 2.2.5 Resümee Die im Kompetenzstrukturmodell „HOLEKO“ modellierten Kompetenzbereiche wurden hergeleitet, idealtypisch skizziert und bezogen auf die drei Phasen der Lehrerbildung konkretisiert. Es handelt sich um Querschnittskompetenzen, die zu sachbezogenen Analysen, 347 Fortbildungen zielen auf eine Optimierung in den bisherigen Zuständigkeiten, Weiterbildungen zielen auf eine Erweiterung der Zuständigkeiten. 162 zu Selbst- und Fremdwahrnehmung/ -reflexion, zu sach-, -adressaten und situationsgerechter Synthese befähigen. Sie bedürfen eines Zusammenspiels fachwissenschaftlicher, fachdidaktischer und erziehungswissenschaftlicher Kompetenzen und zielen auf ein Agieren in den schulischen Handlungsfeldern. Die Zielsetzung, dass die „HOLEKOs“ sich in einem phasenübergreifenden, lebenslangen Prozess entwickeln, wurde ausdifferenziert, indem verdeutlich wurde: Jede Phase der Lehrerbildung kann – in je eigener Zuständigkeit und Verantwortung – einen spezifischen Beitrag zur Förderung der Kompetenzen in den jeweiligen Bereichen leisten. Ein Mehrwert liegt darin, den phasenspezifischen Kompetenzaufbau als Teil eines Gesamtprozesses zu verstehen, der jeweils berücksichtigt, über welche Kompetenzen die (angehenden) Lehrkräfte bereits verfügen, und wie deren Kompetenzentwicklung so gefördert werden kann, dass die Ergebnisse für spätere Phasen anschlussfähig sind. Bezogen auf die Erste Phase werden die Empfehlungen des Wissenschaftsrats zum „Verhältnis von Hochschulbildung und Arbeitsmarkt” aufgegriffen: Das dort vorgestellte zeitgemäßen Verständnis des neuhumanistischen Konzepts von „Bildung durch Wissenschaft” passt zu den Überlegungen zu den HOLEKOs. Damit wird zuerst deutlich, dass die Förderung der HOLEKOs den akademischen Zielen eines Studiums nicht nur nicht entgegensteht, sondern ihre Erreichung sogar unterstützt. Das zentrale Ziel ist, die Kompetenzentwicklung in der Disziplin und den Aufbau eines disziplinspezifischen wissenschaftlichen Habitus so zu fördern, dass damit zugleich Fähigkeiten angelegt werden, im Berufsfeld Schule zu agieren indem die in der Universität aufgebauten Kompetenzen weiterentwickelt werden. Dinge auf den Kern zu bringen, Selbst- und Fremdreflexion und Synthesekompetenzen sind zu einem Gutteil auf diese zentrale Aufgabe der Universität bezogen. Die Aufgabe der Zweiten Phase besteht darin, die Handlungsfähigkeit in der Praxis zu gewährleisten, ohne dabei die Einheit aus Theorie und Praxis aus dem Blick zu verlieren. Dies bedeutet einerseits, die an der Universität ausgebildeten Kompetenzen in den neuen Situationen des Berufsfeldes zur Wirkung zu bringen und sie andererseits handlungsfeldbezogen zu erweitern. Darüber hinaus müssen neue, aus den Anforderungen der Praxis entspringende Kompetenzen aufgebaut werden. Dabei ist das Ziel, ebenfalls wissenschaftlich fundiert vorzugehen. In der Dritten Phase ginge es darum, Lehrkräfte, die sich ihre eigenen Routinen für die Praxisbewältigung aufgebaut haben, in der Entwicklung von Kompetenzen zu fördern, diese zu reflektieren und ggfs. zu verändern. 163 Am Paradigmenwechsel hin zur Kompetenzorientierung verdeutlicht heißt das, die Heterogenität der Klassen statt als Problem als Chance sehen, um Schüler auf das Leben in einer offenen, mobilen, interkulturellen Gesellschaft vorzubereiten.348 Dafür markieren die drei Kompetenzbereiche Ansatzpunkte, weil sie es erlauben, wissenschaftliche Grundlagen und praktisches Handel 349 zusammenzubringen. Zusammenfassend lässt sich feststellen: Die als Kompetenzstrukturmodell gedachte Entwicklung erfüllt die Ansprüche einer solchen Modellierung. Die Entwicklung der Kompetenzen in den drei Bereichen zu fördern, behindert die Phasen nicht dabei, die ihnen zugedachten Aufgaben zu erfüllen, sie unterstützt sie. Der große Gewinn ist die Möglichkeit, die Kompetenzentwicklung der drei Phasen miteinander zu vernetzen und nachvollziehbar zu einer Progression des Kompetenzaufbaus beizutragen. Die These, dass ein Kompetenzstrukturmodell einen Ansatzpunkt für die Reform der Lehrerbildung darstellen könnte, konnte also gestützt werden. II. Brückenschlag zwischen akademischer Wissenschaft und schulischer Praxis: Das Selbstverständnis von Lehrkräften als scientist practitioner 1. Das Konzept des scientist practitioner 348 Dies wird derzeit als besonders dringliche Aufgabe wahrgenommen, und dient hier als Beispiel dafür, dass Herausforderungen sich über ein Lehrerleben hinweg verändern und der eigene Kompetenzaufbau entsprechend angepasst werden muss. 349 Dabei kann davon ausgegangen werden, dass z.B. die Kompetenzen, „den Kern zu identifizieren“ auf weniger strukturierten Wegen auch jetzt schon ihren Platz in der Praxis haben, die Implementation des Konzepts aber mit sich bringt, dass die zugrunde liegenden Alltagstheorien an Systematik, Struktur und Fundiertheit gewinnen. Gleiches gilt für die beiden andern Kompetenzbereiche. 164 Das Modell des scientist practitioner wurde ursprünglich für die klinische Psychologie entwickelt und später auf andere Bereiche übertragen (z.B. Cross-Cultural Training). Die Grundannahmen besagen, dass eine verstärkte Forschungsorientierung des Praktikers zur kontinuierlichen Verbesserung Auseinandersetzung der seiner Forschung 350 wissenschaftlicher Arbeit führt. Arbeit mit der beiträgt und Praxis zu dass höherer die verstärkte Praxisrelevanz Für die Lehrkraft impliziert dies in den schulischen Handlungsfeldern hypothesengeleitet vorzugehen, im Idealfall auf der Basis des aktuellen Stands fachdidaktischer, erziehungswissenschaftlicher und fachwissenschaftlicher Forschung.351 Die Reflexionen der Erfahrungen sollen wiederum vor dem jeweiligen Forschungsstand erfolgen und ggfs. forschungsinitiierend wirken. Denkt man diese das Konzept markierenden Merkmale mit den eben dargestellten Überlegungen zu den HOLEKOs zusammen, geht es darum, die bezogen auf die Handlungsfelder zu erbringenden Analyse- und Syntheseleistungen wissenschaftsbasiert zu vollziehen. Unter Bezug auf den Wissenschaftsrat kann diese Forderung als Beibehalten des wissenschaftliche Habitus in der Praxis bezeichnet werden.352 Unter Bezug auf den eben dargestellten Ansatzpunkt einer Kompetenzorientierung 2.0353 geht es um einen kontinuierlichen, phasenübergreifenden Kompetenzaufbau. In den Konkretisierungen zum holistischen Kompetenzstrukturmodell wurde verdeutlicht, wie die Wissenschaftlichkeit der ersten Phase in der zweiten und dritten Phase Berücksichtigung finden kann, und wie die Weiterentwicklung der Lehrerkompetenz in den späteren Phasen, z.B. durch die Kooperation mit Partnerinnen und Partnern der Ersten Phase „wissenschaftsbasiert” erfolgen kann. Es gibt also sehr weitreichende Übereinstimmungen zwischen den bisherigen Überlegungen und dem Konzept des scientist practitioners. Dennoch wird es eigens als Ansatzpunkt vorgestellt, um mit den Herausforderungen, die mit einer „Reform der Lehrerbildung” verbunden sind, umzugehen. Der Schwerpunkt des Konzepts liegt nämlich auf der Lehrperson in ihrem Selbstverständnis. 350 Vgl.: Jones, J. L., & Mehr, S. L. (2007). Foundations and assumptions of the Scientist Practitioner Model. American Behavioral Scientist, 50 (6), S. 766-771. Vergleichbar dazu ist auch die Kernannahme des BilWiss Projekts: „Bildungswissenschaftliche Inhalte und Zusammenhänge stellen einen begrifflichen Rahmen dar, den Lehrkräfte benötigen, um Unterrichts- und Schulereignisse angemessen zu interpretieren, zu reflektieren und so für die Bewältigung beruflicher Anforderungen zu nutzen.“ (http://www.bilwiss.uni-frankfurt.de/studie; 24.08.2015). 351 Die Idee, das Konzept auf die Lehrerbildung anzuwenden, stammt von Joachim Thomas, Professor für psychologische Diagnostik und Interventionspsychologie mit schulpsychologischem Schwerpunkt an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt. 352 Wissenschaftsrat: Empfehlungen zum Verhältnis von Hochschulbildung und Arbeitsmarkt Zweiter Teil der Empfehlungen zur Qualifizierung von Fachkräften vor dem Hintergrund des demographischen Wandels (16. Oktober 2015. 353 Vgl. Teil B, Kapitel I. Paradigmenwechsel hin zur Kompetenzorientierung. 165 2. Herausforderung, in den einzelnen Phasen ein Selbstverständnis als scientist practitioner aufzubauen bzw. zu bewahren Die beiden Wortbestandteile des Konzepts markieren zugleich die Schwierigkeit, vor der der Einzelne in den Phasen seiner Berufsbiographie steht. An der Universität ein Selbstverständnis als „practitioner” aufzubauen, ist ebenso schwierig wie sich im Referendariat oder gar in der langen Berufsphase als „scientist“ zu fühlen. Eine Möglichkeit, einen Grundstock dafür zu legen besteht darin, Lehrerkompetenzen ganzheitlich zu verstehen, als Kompetenzen, die bereits an der Universität unter bewusster Einbeziehung der Praxisphasen als Querschnittskompetenzen aufgebaut werden und im vertikalen, die drei Phasen verbindenden Zusammenhang gesehen werden.354 Davon war bereits in mehreren Kapiteln die Rede. 2.1 In der Universität zum scientist practitioner werden? Die Debatten, die wegen des im Zuge der Bologna-Reform an die Universität formulierten Anspruchs der „Berufsbefähigung“ geführt werden,355 zeigen, dass der Wissenschaftsrat hier Forderungen aufstellt, die im universitären Alltag (noch) nicht erfüllt werden.356 Die vom Wissenschaftsrat an alle Universitäten ausgesprochene Empfehlung, eine „Lehrverfassung” und „Lehrprofile” zu entwickeln, wäre eine Möglichkeiten, die Studierenden dabei zu 354 Das Kompetenzstrukturmodell HOLEKO ist ein mögliches Beispiel dafür. Vgl. Teil A, Kapitel IV 1.1 “Allgemeine Berufsbefähigung” als Ziel und Bestandteil aller reformierten Studiengänge 356 Wissenschaftsrat: Empfehlungen zum Verhältnis von Hochschulbildung und Arbeitsmarkt Zweiter Teil der Empfehlungen zur Qualifizierung von Fachkräften vor dem Hintergrund des demographischen Wandels (16. Oktober 2015, dort auch die Forderung an alle Universitäten, sich eine Lehrverfassung zu geben, die Berufsbefähigung als Aufgabe auch der Lehre versteht, und dafür Lehrprofile zu entwickeln. (S. 99 ff): Vgl.: Wissenschaftsrat (2015). Empfehlungen zum Verhältnis von Hochschulbildung und Arbeitsmarkt Zweiter Teil der Empfehlungen zur Qualifizierung von Fachkräften vor dem Hintergrund des demographischen Wandels (16. Oktober 2015). URL http://www.wissenschaftsrat.de/download/archiv/4925-15.pdf. 355 166 unterstützen, sich auf der Basis eines wissenschaftlichen Habitus selbstbewusst als angehende „practitioner” zu verstehen. In den Staatsexamensstudiengängen (Jura, Medizin, Lehramt), die auf staatlich verantwortete Berufsfelder zielen, sieht der Wissenschaftsrat das Konzept Berufsbefähigung eher verankert. Allerdings stellt auch der Wissenschaftsrat fest: „Die Lehramtsstudiengänge bilden hierbei eine Besonderheit, da sie nicht einer Fakultät exklusiv zugerechnet werden und damit in institutionellen Strukturen angeboten werden, die auf mehrere Tätigkeitsfelder nach dem Abschluss zielen.”357 Auf Praxiskonzepte im Rahmen der Lehrerbildung ist in Teil A Herausforderungen mehrfach eingegangen worden,358 in Teil C wird das Eichstätter Praxiskonzept ausführlich vorgestellt.359 Es könnte als Aufgabe der Berufswissenschaften angesehen werden, in den von ihnen betreuten Praxismodulen die Lehramtsstudierenden darauf vorzubereiten, sich als „scientist practitioner“ zu verstehen, der zwar nach tiefem und flexiblem Fachverständnis strebt, dies aber nicht zuletzt deshalb, weil er damit die Herausforderung der Praxis meistern kann. Die Praxisherausforderungen bestehen z.B. darin, Schülerinnen und Schülern durch die Förderung ihrer fachlichen und überfachlichen Kompetenzen einen Zugang zur Welt zu erschließen, der grundsätzlich ein erfülltes Leben ermöglicht. Für den Aufbau eines tiefen und flexiblen Wissens sind die in den drei Säulen der universitären Ausbildung vertretenen Disziplinen zuständig. Tragen sie zudem dazu bei, Wissenschaftlichkeit mit Praxis (und sei es mit Forschungspraxis)360 zu verbinden, hat die Universität die Forderung nach Unterstützung der Berufsbefähigung zwar weitergehend, aber noch nicht hinreichend erfüllt. Dazu gehört noch die Bereitschaft zur Kooperation mit der Praxis, etwa indem deren Anfragen an die Forschung ernst genommen und verfolgt werden. Wenn Studierende während ihres Studiums erleben, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ihre gesellschaftliche Aufgaben annehmen und für sie „Anwendungsbezug” wie „praxisbezogene Forschung” eine Rolle spielen, leben die Dozenten vor, wie die Rolle eines „scientist practitioner“ an der Universität ausgefüllt werden kann. 357 Wissenschaftsrat: Empfehlungen zum Verhältnis von Hochschulbildung und Arbeitsmarkt Zweiter Teil der Empfehlungen zur Qualifizierung von Fachkräften vor dem Hintergrund des demographischen Wandels (16. Oktober 2015, S. 48. 358 Vgl. z.B. Teil A, Kapitel IV, 5.1.3 Herausforderungen für die aktuelle Reform der Lehrerbildung in Bezug auf den Theorie-Praxiszusammenhang oder Kapitel IV 6.3.1 Handlungsfelder Unterrichten und Erziehen Förderung der Querschnittskompetenzen mit Hilfe der Praxismodule. 359 Vgl Teil C, Kapitel II 3.1 Praxiskonzept in Lehramtplus im Überblick. 360 Auch der Wissenschaftsrat vertritt explizit ein Praxisverständnis, das Forschung als Praxisfeld ansieht. Vgl. Wissenschaftsrat: Empfehlungen zum Verhältnis von Hochschulbildung und Arbeitsmarkt Zweiter Teil der Empfehlungen zur Qualifizierung von Fachkräften vor dem Hintergrund des demographischen Wandels (16. Oktober 2015, u.a. S. 55. 167 Als Maßnahmen, um das Praxisfeld „Forschung” zu erschließen, also Studierenden an (schulbezogener) Forschung zu beteiligen, eignen sich Modulformate wie Lehrforschungsprojekte oder andere Formen forschenden Lehrens und Lernens. Der Wissenschaftsrat beschreibt, unter Bezug auf das von Schubarth/ Speck vorgelegte und von der Hochschulrektorenkonferenz „Employability und in Praxisbezüge Auftrag im gegebene Fachgutachten wissenschaftlichen Studium” (2013) den zu Ansatz folgendermaßen: Studierende „begleiten dabei den gesamten Forschungsprozess, formulieren eigene Fragestellungen und können Teilprojekte eigenverantwortlich bearbeiten. Auf diese Weise erwerben sie Methoden- und Fachkenntnisse, aber auch überfachliche Kompetenzen – ‘wie Analyse- und Problemlösungsstrategien, Kommunikations- und Teamfähigkeiten, Präsentationskompetenzen sowie [den] Umgang mit neuen Informationstechnologien’“361. Ein weiteres vom Wissenschaftsrat empfohlenes Konzept ist das Problemorientierte Lernen. Es „stellt den Anwendungsbereich in das Zentrum der Lehre. In einem materialgestützten und angeleiteten, aber weitgehend selbstgesteuerten Lernprozess definieren die Studierenden in Kleingruppen zunächst – ausgehend vom Anwendungsfall – das Problem, eignen sich im Folgenden das notwendige Wissen an, analysieren das Problem mit geeigneten Methoden und entwickeln daraus mögliche Lösungsansätze.”362 Neben innovativen Lehrformaten können fachdidaktische oder erziehungswissenschaftliche Bachelor- und Masterarbeiten mit praxisrelevanten Forschungsfragen den Habitus als „scientist practitioner“ stabil anlegen. 2.2 Im Studienseminar und in der Berufsphase scientist practitioner bleiben? 2.2.1 Scientist practitioner und Zweite Phase Das Selbstbewusstsein, mit Kompetenzen ausgestattet zu sein, die praxistauglich sind (vgl. hierzu auch die Hinweise im vorhergehenden Kapitel zur Kompetenzorientierung 2.0363), wäre die Grundlage dafür, dass Referendare in der Zweiten Phase im Habitus eines „scientist 361 Wissenschaftsrat: Empfehlungen zum Verhältnis von Hochschulbildung und Arbeitsmarkt Zweiter Teil der Empfehlungen zur Qualifizierung von Fachkräften vor dem Hintergrund des demographischen Wandels (16. Oktober 2015, S. 71. 362 Wissenschaftsrat: Empfehlungen zum Verhältnis von Hochschulbildung und Arbeitsmarkt Zweiter Teil der Empfehlungen zur Qualifizierung von Fachkräften vor dem Hintergrund des demographischen Wandels (16. Oktober 2015, S. 70. 363 Teil B, Kapitel I. Paradigmenwechsel hin zur Kompetenzorientierung. 168 practitioner“ mit den (neuen und vielfältigen) Anforderungen der Praxis umgehen. Die Erfahrung der Praxistauglichkeit der an der Universität erworbenen Kompetenzen kann z.B. darin bestehen, dass mit ihrer Hilfe der Kern identifiziert werden kann, um den es in Unterrichts- und Erziehungssituationen geht oder dass die universitär erworbenen Kompetenzen es erleichtern, Synthesen für Praxissituationen zu erarbeiten. Angesichts des neuen Umfelds, in dem sich die angehenden Lehrkräfte mit Beginn des Referendariats bewegen, das Vertrauen in sich selbst und seine Fertigkeiten und Kenntnisse, nicht zu verlieren, ist nicht leicht. Seminarlehrkräfte, die davon überzeugt sind, dass es um wissenschaftlich fundierte Praxistauglichkeit geht, können den angehenden Lehrkräften den notwendigen Halt dabei geben, sich als „scientist practitioner“ im schulischen Handlungsfeld einzurichten. Dies wurde im vorhergehenden Kapitel in Bezug auf die Kompetenzbereiche des Kompetenzstrukturmodells HOLEKO verdeutlicht.364 Bedingung ist, dass die Seminarlehrkräfte ihrerseits sich als „scientist practitioner“ verstehen. Dafür ist z.B. von Bedeutung, dass Seminarlehrkräfte ihrerseits in Kontakt mit der Universität stehen. Die Funktionsbeschreibungen der einzelnen Länder für ihre Seminarlehrkräfte sehen dies vor; die rechtlichen Bedingungen sind also gegeben. Allerdings sind dafür nur in seltenen Fällen auch entsprechende Mittel vorgehalten. Wenn es überhaupt eine Institutionalisierung der Zusammenarbeit von Universität und Studienseminar gibt, ist sie auf Segmente wie z.B. das universitäre Praxissemester beschränkt. Stärker auf Gegenseitigkeit und Austausch bezogen ist das Konzept der fach- und schulartbezogenen Kompetenzzirkel aus Universitätsdozenten und Seminarlehrkräften.365 Teil der Institutionalisierung ist, dass sich die Mitglieder mehrfach im Jahr treffen und sich dabei konkret als „scientist practitioner“ erleben. Auf einer abgestimmten gemeinsamen Basis (z.B. eines Kompetenzstrukturmodells wie der HOLEKOs), diskutieren sie relevante Themenbereiche, identifizieren geeignete Formen der Zusammenarbeit zwischen erster und zweiter Phase und initiieren und begleiten die Bearbeitungen in ihren jeweiligen Institutionen sowie das Zusammenführen der Ergebnisse. Themen, die sich hierfür anbieten, wären z.B. die Förderung der Kompetenz (2.0)-Entwicklung, die Erfassung von Entwicklungsständen bei Schülern wie bei Studierenden/Referendaren, die individuelle und kollektive Leistungsbeurteilung in heterogenen bzw. inklusiven Lerngruppen, wiederum an Schulen und 364 Vgl. Teil B, Kapitel I, 2.2.4 Das Kompetenzstruktur-Modell in den drei Phasen der Lehrerbildung. Das Konzept wurde von Waltraud Schreiber, Katja Seitz-Stein, Joachim Thomas und Stefanie Zabold, jeweils KU Eichstätt, entwickelt. 365 169 in den Phasen der Lehrerbildung, aber auch Fragen zur Werteorientierung und Wertereflexion an den Universitäten und Schulen einer inklusiven Gesellschaft. Zur Stärkung des Selbstverständnisses aller Beteiligten als „scientist practitioner“ kann auch eine Zusammenarbeit zwischen Universität und Studienseminaren im Bereich von Schul- und Unterrichtsforschung angestrebt werden. Dazu bieten sich z.B. die gemeinsame Durchführung kleinerer Forschungsprojekte an, die in Bachelor-, Masterarbeiten oder Hausarbeiten der zweiten Phase ausgearbeitet werden. Dies fördert bei Studierenden ebenso wie bei Referendarinnen und Referendaren und den jeweiligen Betreuerinnen und Betreuern den Habitus des „scientist practitioners“ und bringt zudem theoriengeleitete und praxisrelevante Innovationen in die schulische Realität ein. 2.2.2 Scientist practitioner und Dritte Phase Es ist eine reale Gefahr der Dritten Phase, dass die „Weisheit der Praxis“ überschätzt wird und der Wissenschaftsbezug als Horizont des Handelns verloren geht. Sich über Jahre hinweg als „scientist practitioner“ zu verstehen, kann praktizierenden Lehrkräften nur gelingen, wenn das entsprechende Selbstverständnis in der Ersten und Zweiten Phase stabil implementiert ist und wenn durch Maßnahmen der Fort- und Weiterbildung oder durch (kontinuierliche) Kooperation mit der Universität an konkreten Themen immer wieder der Mehrwert eines wissenschaftsfundierten Herangehens erfahren wird. Auch hier ist die Institutionalisierung ein Ziel; das Konzept der Universitätsschulen ist ein Beispiel dafür, wie kontinuierliche Zusammenarbeit organisiert werden kann. Lehrkräfte, Dozenten, Studierenden, ggfs. Referendare bekommen so ein Feld zur Erprobung unterrichtlicher Innovationen, wobei jeder auf seine Weise den Habitus als „scientist practitioner“ vertiefen kann. Praxisrelevante Forschungsfragen werden generiert, die beständige Kompetenzentwicklung der Lehrkräfte durch Fortbildungsmaßnahmen und Partizipation an Forschungsaktivitäten gesichert. Neben den kontinuierlichen Formen der Zusammenarbeit können Universitäten auch über Fortbildungsangebote366 dazu beitragen, Lehrkräfte dabei zu bestätigen, sich als „scientist practitioner“ zu verstehen und im Umkehrschluss die eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in dieser Rolle zu bestätigen. Dass darin auch ein Mehrwert für die Universitäten 366 Vgl. hierzu auch die Hinweise in Teil C, Kapitel II 4.2.1 Universität als Akteur der Lehrerfortbildung. 170 besteht, haben bezogen auf Natur- und Ingenieurswissenschaften und die Mathematik Universitäten wie die TU München deutlich gemacht. Durch Partnerschaften und Fortbildungsangebote sorgen sie dafür, dass fertige Lehrerinnen und Lehrer am Puls der Forschung bleiben. Zugleich generieren sie Studieninteressenten. In den Geisteswissenschaften, deren kulturentwickelnde und Orientierung ermöglichende Kraft derzeit noch zu wenig wahrgenommen wird, wären ähnliche, auf alle Schularten bezogene Maßnahmen geboten. Wie bedeutsam Kultursensibilität ist, zeigt sich an den „neuen“ Migrationsbewegungen und den Herausforderungen, mit denen eine Gesellschaft, insbesondere wenn sie sich auf dem Weg zu einer inklusiven Gesellschaft versteht, konfrontiert sieht. 2.3. Resümee Das Selbstverständnis als „scientist practitioner“ bezieht sich nicht nur auf den Habitus von Lehrkräften; folgt man dem Wissenschaftsrat ist es auch Teil des wissenschaftlichen Habitus der Universitätsdozenten. Der Aufbau dieses Selbstverständnisses muss aber gezielt gefördert werden. Wiederum stellen sich für die drei Phasen der Lehrerbildung unterschiedliche Anforderungen. Aus der Grundidee des Konzepts, dass eine verstärkte Forschungsorientierung des Praktikers zur kontinuierlichen Verbesserung seiner Arbeit beiträgt und dass die verstärkte Auseinandersetzung der Forschung mit der Praxis zu höherer Praxisrelevanz wissenschaftlicher Arbeit führt, folgt für dessen Implementierung zugleich, dass Kontakte und Kooperation zwischen den Universitäten und den Praxispartnern mit implementiert werden müssen. Dass es dafür eine Vielzahl an Möglichkeiten gibt, die jeweils einen Mehrwert für beide Seiten haben, wurde exemplarisch verdeutlicht. Dass das Konzept des „scientist practitioner“ ein Ansatzpunkt für die Reform der Lehrerbildung ist, die insbesondere die beabsichtigte Vernetzung der drei Phasen unterstützt, konnte gezeigt werden. Deutlich geworden ist auch, dass, auch wenn es bei diesem Konzept um die Lehrperson in ihrem Selbstverständnis geht, Maßnahmen zur Implementation ergriffen werden müssten. 171 III Ausgangspunkt Evidenzbasierung. Schul- und Lehrerbildungsbezogene Studien und die Reform der Lehrerbildung 1. Zur Einordnung: Empirische Wende der Lehrerbildungsforschung Dass eine Konsequenz aus den Ergebnissen der internationalen Vergleichsstudien darin besteht, dass neben der Unterrichts- und Schulforschung auch die Lehrerbildungsforschung zunehmend an Bedeutung gewinnt, wurde bereits dargestellt.367 Durch gezielte Forschungsförderung in den meisten der in den Vergleichsstudien untersuchten Länder stieg neben der Quantität auch die Qualität, allerdings auch die Normierung der Forschung (vgl. Terhart 2015)368. Eine Normierung erfolgt insbesondere durch die Fokussierung auf empirische Bildungsforschung. Durch Evidenzbasierung der Aussagen soll z.B. deren Wert für die Optimierung der Lehrerbildung gesteigert werden. Auf der Grundlage theoriebasierter Modellierungen, mit Hilfe von aus den Sozialwissenschaften adaptierten Erhebungsverfahren, in vielfältigen Designs, in nationalen und internationalen Vergleichen, in Forschungsverbünden von Lehrerbildnern mit empirischen Bildungsforschern lag der Fokus der letzten Jahre insbesondere auf Wissens- 367 und Kompetenzausprägungen in Vgl. die Kapitel zur Schul- und insbesondere zur Hochschulreform A, I, 1.1 Deutsche Schulreformen nach PISA und 2.3 Forschungs- und wissenschaftlich begleitete Entwicklungsprojekte zur Hochschulreform. 368 Terhart E. (2015). „Ein Rückblick auf zwanzig Jahre Bildungsforschung.“ In Helsper W., Maier, M. S. & Sandring, S. (Hrsg.). Perspektiven der Bildungsforschung. Festvorträge zum zwanzigjährigen Bestehen des Zentrums für Schul- und Bildungsforschung Nr. 23, Universität Münster, S. 15-34. Halle: Universitätsverlag Halle-Wittenberg. 172 unterschiedlichen Phasen der Lehrerbildung und auf den jeweils zugehörige Einflüssen und Maßnahmen.369 Im Anschluss z.B. an die Überlegungen von Shulman370, Bromme371, Oser372, Terhart373 oder Baumert & Kunter374 werden in den Arbeiten zu professioneller Kompetenz fachliches, fachdidaktisches und erziehungs-/ bildungswissenschaftliches Wissen/ Kompetenz unterschieden. Untersucht werden dabei zum einen die jeweils auf eine „Säule” bezogenen Ausprägungen,375 zum anderen das Zusammenwirken insbesondere der fachlich- fachdidaktischen Kompetenzen, wobei bislang vor allem die MINT-Fächer im Fokus standen, insbesondere Mathematik376 und Naturwissenschaften.377 Der Zusammenhang zwischen 369 Überblicksdarstellungen hierzu bei Blömeke et al. (2004): Blömeke, S., Peter, R., Tulodziecki, G., Wildt, J. (Hrsg.) (2004): Handbuch Lehrerbildung. Bad Heilbrunn/ Braunschweig: Klinkhardt/ Westermann; Blömeke, S., Hsieh, F.-J., Kaiser, G., & Schmidt, W. (Eds.) (2014). International Perspectives on Teacher Knowledge, Beliefs and Opportunities to Learn. Dordrecht: Springer; Darling-Hammond, L. & J. Baratz-Snowden. (2005). A Good Teacher in Every Classroom: Preparing the Highly Qualified Teachers our Children Deserve. San Francisco, CA: John Wiley & Sons. Lipowsky, F. (2006). Auf den Lehrer kommt es an. Empirische Evidenzen für Zusammenhänge zwischen Lehrerkompetenzen, Lehrerhandeln und dem Lernen der Schüler. In: AllemannGhionda, C. & Terhart, E. (Hrsg.): Kompetenzen und Kompetenzentwicklung von Lehrerinnen und Lehrern. Weinheim u.a. : Beltz, S. 47-70; Beck, K., & Zlatkin-Troitschanskaia, O. (2010). Lehrerprofessionalität: Was wir wissen und was wir wissen müssen. Sonderheft der Zeitschrift Lehrerbildung auf dem Prüfstand; Terhart, E., Bennewitz, H., Rothland, M. (22014). Handbuch der Forschung zum Lehrerberuf, Münster: Waxmann.; KochPriewe, B., Köker, A., Seifried, J. & Wuttke, E. (Hrsg.) (2015). Kompetenzerwerb an Hochschulen: Modellierung und Messung. Zur Professionalisierung angehender Lehrerinnen und Lehrer sowie frühpädagogischer Fachkräfte. Bad Heilbrunn: Klinkhardt.; Zlatkin-Troitschanskaia, O., Pant, H. A., Kuhn, C., Toepper, M., & Lautenbach, C. (2015). Messung akademischer Kompetenzen von Studierenden und Hochschulabsolventen – Ein Überblick zum nationalen und internationalen Forschungsstand. Wiesbaden: Springer. 370 Vgl. Shulman (1987, 2004). 371 Bromme, R. (1992). Der Lehrer als Experte: Zur Psychologie des professionellen Wissens. Bern: Huber. 372 Oser, F. (1997). Standards in der Lehrerbildung. Teil 1: Berufliche Kompetenzen, die hohen Qualitätsmerkmalen entsprechen. Beiträge zur Lehrerbildung, 15, S. 26-37. 373 Terhart, E. (2002). Standards für die Lehrerbildung. Gutachten für die Kultusministerkonferenz. ZKLText. 374 Baumert, J., Kunter, M. (2006): Stichwort: Professionelle Kompetenz von Lehrkräften. In: Zeitschrift für Erziehungswissenschaft 9, H. 4, S. 469-520. 375 Vgl. in Bezug auf die Erziehungswissenschaften z.B. die BilWiss-Studien (vgl. Kunter, M., KuninaHabenicht, O., Baumert, J., Dicke, T., Holzberger, D., Lohse-Bossenz, H., Leutner, D., Schulze-Stocker, F. & Terhart, E. (in press). Bildungswissenschaftliches Wissen und professionelle Kompetenz in der Lehramtsausbildung – Ergebnisse des Projekts BilWiss. In: Gräsel, C., Trempler, K. (Hrsg.), Entwicklung von Professionalität pädagogischen Personals. Interdisziplinäre Betrachtungen, Befunde und Perspektiven. Wiesbaden: Springer-Online; Terhart, E., Schulze-Stocker, F., Kunina-Habenicht, O., Dicke, T., Förster, D., Lohse-Bossenz, H., Gößling, J., Kunter, M., Baumert, J., & Leutner, D. (2012). Bildungswissenschaftliches Wissen und der Erwerb professioneller Kompetenz in der Lehramtsausbildung. Eine Kurzdarstellung des BilWiss-Projekts [Broad educational knowledge and gaining professional knowledge in teacher education: A brief overview of the BilWiss-study]. Lehrerbildung auf dem Prüfstand, 5(1), S. 96-106; Kunina-Habenicht, O., Lohse-Bossenz, H., Kunter et al. 2012. ‘Welche bildungswissenschaftlichen Inhalte sind wichtig in der Lehrerbildung? Ergebnisse einer Delphi-Studie.’ Zeitschrift für Erziehungswissenschaft 15, Nr. 4, S. 649-682. Terhart, E. 2012. „Wie wirkt Lehrerbildung? Forschungsprobleme und Gestaltungsfragen.“ Zeitschrift für Bildungsforschung 3, No. 1, S. 3-21; weitere Literatur s. die nachfolgende Kurzvorstellung der Studie. 376 Mathematik wurde u.a. von Blömeke et al. in TEDS-M untersucht: Blömeke, S., Kaiser, G. & Lehmann, R. (Hrsg.) (2010a), TEDS-M 2008 – Professionelle Kompetenz und Lerngelegenheiten angehender Primarstufenlehrkräfte im internationalen Vergleich. Münster: Waxmann; Blömeke, S., Kaiser, G. & Lehmann, R. (Hrsg.) (2010b), TEDS-M 2008. Professionelle Kompetenz und Lerngelegenheiten angehender Mathematiklehrkräfte für die Sekundarstufe I im internationalen Vergleich. Münster: Waxmann.; weitere Hinweise vgl. https://www.teds-unterricht.uni-hamburg.de/weitere-teds-studien/teds-m.html), 173 Lehrerkompetenzen und Schülerleistungen wird z.B. durch die COACTIV-Studie (Kunter et al., 2011, 2013), durch die Fehlerkompetenzstudie378 (Seifried, Wuttke, Türling, 2012 a, b)379 oder durch DIKOL380 untersucht. Ein weiteres Forschungsfeld fokussiert auf den Theorie-Praxis-Bezug. Der viel beschriebene „Praxisschock“381 sowie Studien, die belegen, dass Berufsanfänger häufig mehr oder weniger sinnblind das vorgefundene oder erinnerte Lehrerhandeln imitieren382 waren wesentliche von Kunter et al. in der COACTIV-Studie: Kunter, M., Baumert, J., Blum, W., Klusmann, U., Krauss, S., & Neubrand, M. (Hrsg.). (2011). Professionelle Kompetenz von Lehrkräften - Ergebnisse des Forschungsprogramms COACTIV. Münster: Waxmann; Kunter, M., Klusmann, U., Baumert, J., Richter, D., Voss, T., & Hachfeld, A. (2013). Professional competence of teachers: Effects on instructional quality and student development. Journal of Educational Psychology, 105(3), S. 805-820. Weitere Hinweise: URL http://www.mathematik.uni-regensburg.de/Didaktik/studium_krauss_downloads_art1_COACTIV.pdf). 377 Vgl. z.B. das vom BMBF geförderte Projekt zu Professionswissen von Lehrkräften in den Naturwissenschaften (ProwiN): Borowski, A.,Tepner, O., Fischer, H. E.; Sumfleht, E. (2011). Professionswissen in den Naturwissenschaften (ProWiN) Berlin: gedruckt; Discussion Paper / Working Paper / Konferenzbeitrag; Borowski, A., Kirschner, S., Liedtke, S., Fischer, H.E. (2011). Vergleich des Fachwissens von Studierenden, Referendaren und Lehrenden in der Physik, in: Physik und Didaktik in Schule und Hochschule PhyDid 1/10, S. 1-91; Fischer, H.E., Borowski, A. & Tepner, O. (2012). Professional knowledge of science teachers; In B. Fraser; K. Tobin, & C. McRobbie (Eds.). Second International Handbook of Science Education (pp. 435 – 448). New York: Springer; sowie das ebenfalls vom BMBF geförderte Projekt „Interventionsstudie zur Förderung von Modellkompetenz sowie deren Diagnose- und Vermittlungskompetenz bei Lehramtsstudierenden der Biologie im Master of Education (vgl. URL http://www.bcp.fuberlin.de/biologie/arbeitsgruppen/didaktik/forschung/Sarah-Lena-Guenther.html); Patzke, Ch., Krüger, D. & Upmeier zu Belzen, A. (2015). Entwicklung von Modellkompetenz im Längsschnitt. In: M. Hammann, J. Mayer & N. Wellnitz (Hrsg.): Lehr- und Lernforschung in der Biologiedidaktik, Bd. 6, S. 43-58. Innsbruck: StudienVerlag. Zusammenschau zur naturwissenschafsdidaktischen Forschung: Krüger, D., Parchmann, I., Schecker, H. (2014). Methoden in der naturwissenschaftsdidaktischen Forschung. Wiesbaden: Springer. 378 Seifried, J., Wuttke, E. & Türling, J. M. (2012). Professioneller Umgang mit Fehlern im Unterricht - Teil 2: Empirische Befunde. Erziehungswissenschaft und Beruf, 60(4), S. 482-493; Seifried, J., Wuttke, E. & Türling, J.M. (2012). Professioneller Umgang mit Fehlern im Unterricht - Teil 1: Theoretische Grundlagen. Erziehungswissenschaft und Beruf, 60(3), S. 339-346. 379 Über zwei Perioden vom BMBF gefördert wurde: „Diagnose von und Umgang mit Schülerfehlern als Facette der professionellen Kompetenz von Lehrkräften“, vgl. http://www.wiwi.uni-frankfurt.de/professoren/prof-drwuttke/prof-dr-eveline-wuttke/projekte.html und http://seifried.bwl.unimannheim.de/de/forschung/abgeschlossene_projekte/diagnose_von_und_umgang_mit_schuelerfehlern_als_facet te_der_professionellen_kompetenz_von_lehrkraeften/ 380 Das Projekt „Diagnostische und didaktische Kompetenz von Lehrkräften zur Förderung der Text-/BildIntegrationsfähigkeit bei Schülerinnen und Schülern der Sekundarstufe I” wurde ebenfalls vom BMBF gefördert. Vgl. Baadte, C., Christophel, E., Heyne, N., Schnotz, W. (2013). Diagnostische und didaktische Kompetenz von Lehrkräften zur Förderung der Text-Bild-Integrationsfähigkeit bei Schülerinnen und Schülern der Sekundarstufe I. BMBF Abschlussbericht im Rahmen des Schwerpunktprogramms 'Entwicklung von Professionalität des pädagogischen Personals in Bildungseinrichtungen'. Landau: Universität Koblenz-Landau; Christophel E., Baadte C., Heyne N., Schnotz W. (im Druck). Diagnostische und didaktische Kompetenz von Lehrkräften zur Förderung der Text-/Bild-Integrationsfähigkeit bei Schülerinnen und Schülern der Sekundarstufe I (DIKOL), in: Gräsel C., Trempler K. (Hgg.): Entwicklung von Professionalität pädagogischen Personals. Interdisziplinäre Betrachtungen, Befunde und Perspektiven, Wiesbaden. 381 Terhart E. (1994). ‘Lehrer/in werden - Lehrer/in bleiben: berufsbiographische Perspektiven.’ In: Lehrer/in werden. Studien zur Bildungsforschung & Bildungspolitik, S. 17-46. Innsbruck: Österreichischer StudienVerlag; Dicke, T., Elling, J., Schmeck, A., & Leutner, D. (accepted). Preventing reality shock: Longitudinal effects of a classroom management skills training on pre-service teachers' well-being. Teaching and Teacher Education; Gehrmann, S., Helmchen, J., Krüger-Potratz, M. Ragutt, F. (2015). Bildungskonzepte und Lehrerbildung in europäischer Perspektive, Münster: Waxmann. 382 Vgl. Calderhead, J. (1996). Teachers: Beliefs and knowledge. In D. Berliner & R. Calfee (Eds). Handbook of educational psychology, S. 709-725, New York: Macmillan; Pajares, F. (1992) Teachers’ Beliefs and Educational Research: Cleaning Up a Messy Construct. In Review of Educational Research Fall, 62, S. 307-332; 174 Auslöser (weitere Hinweise auf Praktikumsstudien vgl. Teil A, 5.1 Berufsfeldbezug Schule: Chancen und Grenzen von Praktika/ Praxismodulen). Einem anderen Feld, nämlich dem der auf Strukturen bezogenen Hochschulforschung, sind Studien wie PaLea zuzuordnen (zur Literatur vgl. die nachfolgende Kurzdarstellung); hier soll eruiert werden, inwiefern Wirkungszusammenhänge zwischen der Struktur von Lehre (und Forschung) und der Qualität der Lehrerbildung nachgewiesen werden können. 2. Ansatzpunkt Evidenzbasierung? Überlegungen zur Relevanz der Studien für bereits laufende Reformen der Lehrerbildung Das BMBF definiert die bildungspolitische Rolle der Bildungsforschung, zumal der empirischen, sehr eindeutig: „Sie liefert wichtige Hinweise und Lösungsvorschläge”383 zu Fragen einer gerechten Bildung, die den Menschen „Chancen eröffnet, ihre individuellen Fähigkeiten zu entfalten, ihre beruflichen Ziele zu verwirklichen und an der Gesellschaft teilzuhaben”. Dazu „müssen die Stärken und Schwächen unseres Bildungssystems sichtbar gemacht werden, Entwicklungen müssen hinterfragt und auf der Grundlage dieser Erkenntnisse Weichen gestellt werden”.384 Der Ausweis des Rahmenprogramms zur Förderung der empirischen Bildungsforschung wird daraus begründet: „Es bündelt Maßnahmen zur strukturellen Stärkung der empirischen Bildungsforschung sowie zur Förderung von Forschungsprojekten in thematischen Schwerpunkten.” 385 Ganz analog setzen auch private Forschungsstiftungen auf Evidenzbasierung: In Bezug auf den von ihr geförderten Monitor Lehrerbildung stellt die Bertelsmann-Stiftung z.B. fest: „Nur wenn Diskussionen auf aktuellen Informationen basieren, können sie sachlich geführt werden. Dies gilt sowohl für politische Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger, als auch für die in die Lehrerbildung eingebundenen Akteure sowie für alle Personen, die sich für die erste Phase der Lehrerbildung interessieren.”386 Die Telekom-Stiftung und der Stifterverband der Deutschen Wissenschaft gehen einen Schritt weiter und leiten konkrete Forderungen z.B. Torff, B., & Warburton, E.C. (2005). Assessment of teachers’ beliefs about classroom use of critical-thinking activities. Educational and Psychological Measurement, 63, S. 155-179. 383 https://www.bmbf.de/de/bildungsforschung-1225.html. 384 Ebd. 385 Ebd. 386 http://www.monitor-lehrerbildung.de/web/projekt/index.html. 175 aus ihrer explorativen Studie zu Strukturen und Status der Lehrerbildung387 ab: „Die Qualität der Lehrerausbildung bemisst sich nach der Vorbereitung auf die spätere Berufspraxis. Doch noch nicht einmal jeder fünfte Lehramtsstudent beurteilt die Förderung der Beschäftigungsfähigkeit in seinem bisherigen Studium als gut. Um Abhilfe zu schaffen, müssen sich die Zentren (für Lehrerbildung) und Schools (of Education) in die Gestaltung der Curricula einmischen.“388 Geht man von diesem Verständnis aus, ist der Trend verständlich, der bei den Forschungsförderern beobachtbar ist: Die Programme werden ihrerseits evaluiert, wobei die Qualität der Ergebnisse auch daran gemessen wird, inwiefern sie die Grundlage für einen Praxis-Transfer sind, oder gar, inwiefern sie nachweisbar nachhaltige Effekte nach sich ziehen können.389 Dass die Forschung auf diese Erwartungen reagiert, lässt sich z.B. an den Abschlusstagungen zu Forschungsschwerpunkten belegen. Sie bedienen die Erwartungen auf Transferierbarkeit durch eine Zweiteilung, die exemplarisch an der im Februar 2016 stattfindenden Abschlusskonferenz zum von Cornelia Gräsel koordinierten Forschungsschwerpunkt „Entwicklung von Professionalität des pädagogischen Personals in Bildungseinrichtungen (ProPäda)“390 verdeutlicht wird: Im Hauptvortrag/ den Hauptvorträgen werden die Ergebnisse des Gesamtprogramms auf die Diskussion um eine gute PraxisWissenschafts-Kooperation fokussiert. Im Anschluss daran werden in Vorträgen und Posterpräsentationen die Ziele und Ergebnisse der Teilprojekte vorgestellt. Diese werden bei weitem nicht alle bereits „Hinweise und Lösungsvorschläge” (BMBF) zu einer optimierten Praxis-Wissenschafts-Kooperation geben können. Am Beispiel der Kompetenzorientierung des Unterrichts lässt sich zeigen, dass evidenzbasierte Forschung selbst bei einem lebensweltlich naheliegenden, politisch gewollten, wissenschaftlich in vielen Feldern aufgegriffenen Thema einen Paradigmenwechsel auch nach gut zehn Jahren nicht sicher stellen konnte. Ob dies an der Widerständigkeit der Praxis oder an der Forschung liegt, die konkrete „Hinweise und Lösungsvorschläge” oft noch schuldig blieb, lässt sich hier nicht klären. In den Programmevaluierungen der Förderschwerpunkte des BMBF oder der DFG wird in schöner 387 Böttcher, W., Blasberg S. (2015). Strategisch aufgestellt und professionell organisiert. Eine explorative Studie zu Strukturen und Status der Lehrerbildung, Lünen: Telekom. URL http://www.hrk.de/uploads/media/Studie_Querstrukturen.pdf. 388 Vgl. die Pressemitteilung der Telekom-Stiftung, URL http://www.telekom-stiftung.de/dtscms/de/presse/pressemitteilung/581. 389 Vgl. hierzu BMBF (2013): Evaluierung der BMBF-Förderlinie „Hochschulforschung als Beitrag zur Professionalisierung der Hochschullehre“, Abschlussbericht. http://www.hochschulforschungbmbf.de/_media/Abschlussbericht_online.pdf. 390 Die unten vorgestellte BilWiss-Studie ist eines der im Rahmen des Forschungsschwerpunkts geförderten Projekte. 176 Regelmäßigkeit auf das Problem des mangelnden Transfers hingewiesen. Die darauf basierende Anregung, gesonderte Fördermaßnahmen für den Transfer vorzusehen, wird in einigen Förderschwerpunkten aufgegriffen.391 Die Förderung bleibt naturgemäß aber wiederum auf Forschung bezogen.392 Ein Grund dafür, dass die Ergebnisse der Forschung, auch wenn sie die Daten, auf denen Evidenzen basieren, aus der Praxis von Schule und Lehrerbildung kommen, nur selten unmittelbar Wirkung zeigen, liegt in der Vielfalt der in Teil A exemplarisch dargestellten Herausforderungen. Vergleichbar einer Operation am offenen Herzen mussten die Reformen der Lehrerbildung im laufenden Betrieb beginnen. Wie am Eichstätter Beispiel zu zeigen ist, laufen sie oft bereits seit einem Jahrzehnt. Auch wenn Anpassungen erfolgen, das Bewusstsein, dass es sich um einen noch lange nicht abgeschlossenen Reformprozess handelt ist ebenso wenig verbreitet wie die Bereitschaft, optimierend an ihm mitzuwirken. Änderungen werden teilweise „von außen” verordnet, etwa von Akkreditierungskommissionen; teilweise werden sie von Förderausschreibungen wie der Qualitätsoffensive Lehrerbildung angestoßen. Kommen sie „von innen“, betreffen sie in der Regel universitätsspezifische Einzelaspekte. Die vorliegenden Forschungsergebnisse werden dabei kaum unmittelbar im Sinne von „Hinweisen und Lösungsvorschlägen” genutzt. Dies verbietet sich oft bereits von der Anlage der Studien her. Viele Forschungsergebnisse, z.B. die aus den meisten Large-Scale Assessments, sind nicht unmittelbar auf einzelne Hochschulen zu beziehen; qualitative Studien, selbst wenn sie sich auf Studierende der eigenen Hochschule beziehen, können keine Repräsentativität beanspruchen. In der Summe bilden die empirischen Studien aber einen Horizont, um die z.B. von Akkreditierungsagenturen angemahnten Veränderungen zu kontextualisieren, um Monita von Studierenden und Dozenten zu bewerten, um interne Optimierungsideen an ihnen zu messen, um Eingriffe der Verwaltung zu akzeptieren oder zurückzuweisen, kurz um die an den Hochschulen ergriffenen bzw. geplanten Reformmaßnahmen einzuordnen. In diesem Sinne wird die Evidenzbasierung, die die empirische Bildungsforschung bieten kann, als Ansatzpunkt für die (weiteren) Reformen der Lehrerbildung, gerade auch an einzelnen Universitäten vorgeschlagen. 391 Vgl. exemplarisch die BMBF-Ausschreibung zur Förderung von Forschungsvorhaben in Ankopplung an Large-Scale-Assessments vom 22. Juli 2014. 392 Genehmigt wurde z.B. das Projekt Scheiber, Brefeld, Trautwein: „Erklärung von Kompetenzausprägungen aus der Quantität und Qualität der Nutzung eines elektronischen Schulbuchs: Verbindung der Nutzungsdaten des mBooks Geschichte mit längsschnittlich erhobenen Daten zur Kompetenz- und Wissensentwicklung (LSA).” Das Projekt ist an die unten vorgestellte HiTCH-Studie angeschlossen. 177 An vier exemplarisch ausgewählten Studien der letzten Jahre wird im Folgenden versucht, sie als Ansatzpunkte für die Beurteilung gewählter Reformansätze und als Kompass für Weiterentwicklungen zu nutzen. Konkretisiert wird dies am Konzept Lehramtplus., das 2004 ff, unter Bezug auf den damaligen Forschungsstand, auf „reflektierte Praxis“, auf institutionelle Vorgaben und Zwänge der Pragmatik entwickelt worden war. Folgende Studien wurden ausgewählt: PALEA, eine Panel-Studie zur Lehrerbildung, COACTIV, eine auf fachliche Lehrerkompetenzen ausgerichtete Studie und BILWISS, als auf erziehungswissenschaftliche Kompetenzen ausgerichtetes Pendant. Dazu kommt mit HiTCH eine Studie, die auf Schülerkompetenzen fokussiert; an ihrem Beispiel wird nach der Relevanz von Schülerstudien für die Lehrerbildung gefragt.393 3. Ansatzpunkt Evidenzbasierung, konkretisiert an vier Studien 3.1 PaLea -Panel zum Lehramtsstudium (vgl. www.PaLea.uni-Kiel.de) 3.1.1 Kurzvorstellung der Studie Laufzeit: Teil I: 2009 – 2012; Teil II: 2013-2016, Förderung durch das BMBF, Förderschwerpunkt: Hochschulforschung als Beitrag zur Professionalisierung der Hochschullehre, Projektleitung: Olaf Köller (Projektkoordinator), Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik, Kiel; Jens Möller, Christian-Albrechts-Universität, Kiel; an Teil I war zudem Manfred Prenzel, Technische Universität München beteiligt. Das Projekt rekurriert auf die auch in diesem Band geschilderte Ausgangslage, dass im Zuge der Bologna-Reform Lehrerbildung neu aufgestellt werden musste, was in einigen Bundesländern zu einer Vielfalt an Neukonzeptionen und Modellversuchen zum Lehramtsstudium führte, in anderen zu Anpassungen unter Beibehaltung bestehender Studienstrukturen (Vgl. Teil Kapitel II, Kulturhoheit der Länder und universitäre 393 Die knappe Vorstellung der Studien bezieht sich auf Selbstdarstellungen auf den Projekthomepages, in Kurzpräsentationen in Zeitschriften, Vorträgen und in den zentrale Publikationen. 178 Lehrerbildung). Wie bereits dargelegt, versuchten KMK und HRK dafür Rahmenbedingungen zu fixieren. PaLea will in einer Längsschnittstudie „die Entwicklung Lehramtsstudierender im Studienverlauf unter diesen verschiedenen Bedingungen nachzeichnen“ (vgl. www.PaLea.uni-Kiel.de). Dazu werden professionsbezogene Merkmale (professionelles Wissen, Werthaltungen & Überzeugungen, Motivation, überfachliche Kompetenzen), Studienstrukturen und die Qualität von Lerngelegenheit sowie Lernvoraussetzungen der Studierenden und ihre Nutzung der Lerngelegenheiten untersucht. Die in fünf Wellen in den Jahren 2009 bis 2012 und 2014 erhobenen Daten von ca. 1200 Studierenden aus 13 Universitäten werden sowohl längsschnittlich als auch querschnittlich ausgewertet. In Teil 1 des Projekts wurden die unterschiedlichen Studienstrukturen der beteiligen Universitäten systematisiert, um so die Basis für einen Vergleich überhaupt erst zu schaffen. Unterschiede ergaben sich insbesondere bezogen auf den Grad an Polyvalenz mit fachwissenschaftlichen Studiengängen und – damit verbunden – den Zeitpunkt, zu dem eine Entscheidung für oder gegen den Lehrerberuf getroffen werden muss sowie bezogen auf die Umfänge bildungswissenschaftlicher, fachdidaktischer, fachlicher und schulpraktischer Studienanteile. Ein anderer Schwerpunkt lag auf längsschnittlichen Befragungen des Studierendenpanels in Bezug auf Eingangsinteressen, Belastungserleben und Lehrerurteile. Der Frage nach individuellen Prädiktoren für Entwicklungsverläufe wurde nachgegangen. Danach hängt der Studienerfolg davon ab, wie Studierende vorhandene Lerngelegenheiten auf Basis ihrer individuellen kognitiven, motivationalen und sozialen Voraussetzungen nutzen. Es zeigten sich deutliche Unterschiede in der Wahlmotivation ihres Lehramtes zwischen Grundschule und Gymnasium. Die beiden Gruppen unterschieden sich auch in der Wahrnehmung der Relevanz und Schwierigkeit des Lehrangebots in den Studienbereichen Fach, Fachdidaktik und Bildungswissenschaften. Zu geringerem Belastungserleben und höherer Studienzufriedenheit führen Lehrbedingungen, die autonomie- und kompetenzunterstützend sind. Schulpraktische Studienanteile leisten auch als Kurzpraktika einen Beitrag zur Entwicklung des professionsbezogenen Selbstkonzepts. Ergebnisse aus PaLea Teil II (2013 bis 2016) sind noch nicht bekannt; „Motivation und Belastung/ Belastungserleben” und die Bedeutung der unterschiedlichen Studienstrukturen für die professionsbezogene Kompetenzentwicklung Lehramtsstudierender werden untersucht. In Kooperation mit den Deutschen PaLea-Partnern wurde von der Pädagogischen Hochschule Zug ab 2010 eine Adaption der Studie für die Schweiz betrieben. (Qualität evaluieren und 179 entwickeln (QUEE) in der Lehrerinnen- und Lehrerausbildung).394 Als Ziele wurden formuliert „Beschreibungswissen über typische Studienbedingungen und Studienverläufe, Wissens- und Kompetenzaufbau, Veränderungen im professionellen Verständnis; Steuerungswissen für die Weiterentwicklung der Ausbildungsqualität in der Lehrerinnen- und Lehrerbildung an Pädagogischen Hochschulen (CH) und Universitäten (D); Erklärungswissen zur Wirksamkeit von Ausbildung: Zusammenhänge von Studienkonzepten/-strukturen und Qualität der Lerngelegenheiten mit dem Aufbau von individuellem Professionalisierungswissen und der Entwicklung berufsbezogener Merkmale.”395 Einzelne der im Rahmen von PaLea entwickelten Instrumente wurden mehrfach in anderen Studien aufgegriffen, so z.B. in der Zusatzstudie „Lehramtsstudierendenpanel (LAP)“ in NEPS (Nationales Bildungspanel). 3.1.2 Zusammenhang mit Lehramtplus: Ansatzpunkte für die Beurteilung; Anregungen zur Optimierung Strukturunterschiede zwischen dem Aufbau der Studiengänge Gymnasium/ Realschule auf der einen und Grund-/ Mittelschule auf der anderen Seite Auch wenn für die KU nur wenige eigene mit den PaLEA-Erhebungen vergleichbare Befragungsdaten zu Studierenden vorliegen, die Ergebnisse zur Wahl der Schulart lassen sich durch die Eichstätter Eingangserhebungen bestätigen.396 Die klaren Unterschiede im Studienaufbau zwischen Schularten mit Fachlehrer- und Klassenlehrerprinzip, die Lehramtplus macht, berücksichtigen diese (erwartbaren) Ergebnisse. PaLea unterstützt die 2007 getroffene Entscheidung.397 394 http://www.bildungsmanagement.net/pdf/IBB-PaLea-13-09-18-final.pdf Die Ergebnisse werden derzeit (2015) auf Tagungen und in Publikationen vorgestellt. Vgl. u.a. SGBF Kongress 2015 – Qualitäts- und Bildungsdiskurs 29. Juni – 1. Juli 2015 / St. Gallen (Schweiz). Aus der Beschreibung des Symposionsbeitrags Wolfram/ Schwander/ Huber: Auch bei den „Schweizer Studierenden lässt sich ein stufenspezifischer Unterschied zwischen den fachlichen und den pädagogischen Motiven zeigen: „Studierende der Kindergarten- und Unterstufe (KU) und der Primarstufe (PS) wählten ihr Studium stärker aus pädagogischen Motiven (weil sie gerne mit Kindern arbeiten wollen) als Studierende der Sekundarstufe I (Sek). Bei den Studierenden der Sekundarstufen war dagegen das Fachinteresse stärker ausgeprägt. Bei den Studierenden aller Studiengänge spielen auch Motive der Nützlichkeit für die eigene Lebensgestaltung eine Rolle, wobei für Studierende der KU und PS Stufe eher die Vereinbarkeit von Familie und Beruf im Vordergrund stand, für Studierende der Sek-Stufe dagegen eher die finanzielle Sicherheit.” 396 Die Eingangserhebung wird seit 2008 durchgeführt; Erhebungsinstrument, die quer- und längsschnittliche Auswertung kann bei den Autorinnen eingesehen werden. Auch ohne die KU-eigenen Daten hätte die Schweizer Studie, die ihrerseits deutschen Ergebnisse bestätigt, eine Replikation auch für Eichstätt nahegelegt. 397 Als Fragestellung für eine Sekundäruntersuchung der Eichstätter Daten wäre interessant zu klären, ob Studierende des Lehramts Realschule sich eher wie Studierende des Lehramts Gymnasium äußern (dies würde 395 180 Überarbeitung der Module, mit dem Ziel, die Kompetenzorientierung zu optimieren In Eichstätt wurden die 2007 zur Einreichung des Modellversuchs angelegten Module mehrfach überarbeitet.398 ● 2010, um auf die Ergebnisse der Workload-Erhebungen und auf die Vorgaben von HRK und KMK zu reagieren („Reform der Reform“); ● 2014, bei der Integration der Lehramtsgeeigneten Bachelor-/ Masterabschlüsse (Lehramtplus) als lehramtsgeeignetes Profil in die interdisziplinären Bachelor- und Masterstudiengänge der KU; ● 2015: Überarbeitung nach den Vorgaben der Akkreditierungsagentur; die Auflagen waren formaler Art (Modulgrößen) und inhaltlicher Art (Passung der Prüfungsformen zu den Kompetenzen, Klarheit der Kompetenzbeschreibung). Es kann festgestellt werden, dass die Intention, die Kompetenzorientierung zu optimieren, auch unter Bezug auf PaLea als relevant eingeschätzt werden können (vgl. oben: „Zu geringerem Belastungserleben und höherer Studienzufriedenheit führen Lehrbedingungen, die autonomie- und kompetenzunterstützend sind.”) Dies trifft auch auf die Kritik der Akkreditierungsagentur an Modulen zu, die zu formalistisch angelegt waren und zu wenig inhaltlich begründete, progredierende Kompetenzaussagen aufwiesen. Strukturelle Rahmenbedingungen für den Aufbau von Lehrerkompetenzen Die Bedeutung, die PaLea autonomie- und kompetenzunterstützenden Lehrbedingungen zuweist, können auch angeführt werden, um die Konstruktionsprinzipien, die Lehramtplus zugrunde liegen, zu stützen. Dies gilt für Strukturüberlegungen • die Studiengang spezifische Polyvalenz zwischen Fach- und Lehramtsstudium betreffend, • zum „Lehramtstrack“, der den systematischen Kompetenzaufbau ermöglicht, • zu den auf Progression zielenden Praxismodulen, • zu den auf Reflexion des eigenen Lernens ausgerichteten Kombimodulen, • zu den Strukturmaßnahmen, die einen Rahmen schaffen, um Lehrerkompetenzen als Querschnittskompetenzen zu verstehen und Fach(wissenschaft), Fachdidaktik, Erziehungswissenschaften und Praxismodule aufeinander zu beziehen. Ansatzpunkt Kompetenzorientierung 2.0, inklusive HOLEKOs die Studienstruktur-Entscheidung von Lehramtplus bestätigen) oder eher wie Studierende des Lehramts Mittelschule. 398 Nähere Details unter Teil C, Kapitel II 1.1 Schritte der Entwicklung, Überarbeitung und Optimierung. 181 Ein Ansatzpunkt für weitere Reformen war, auf Kompetenzorientierung 2.0 (einschließlich der Orientierung an einem Kompetenzstrukturmodell als Rahmen für alle Phasen und Säulen der Lehrerbildung) zu bauen. Diese Maßnahmen zielen insbesondere auf Autonomisierung, u.a. beim Umgang mit Unsicherheiten. Die PaLea-Ergebnisse können zur Legitimation dieser Überlegungen herangezogen werden • für die theoretischen Überlegungen zum Kompetenzstrukturmodell HOLEKO, • für Überlegungen zur Förderung der Kompetenzbereiche in allen Phasen der Lehrerbildung. Um weitere Optimierungsansätze abzuleiten, sind insbesondere die PaLea-Ergebnisse der zweiten Runde von Interesse. 3.2 COACTIV: Professionswissen von Lehrkräften, kognitiv aktivierender Mathematikunterricht und die Entwicklung mathematischer Kompetenz bei Schülern (vgl. www.mpib-berlin.mpg.de/coactiv/index.html) 3.2.1 Kurzvorstellung der Studie und ihrer Ergebnisse399 1. Laufzeit: 2002 bis 2006; begleitende Studie zu PISA 2003, Mathematik 2. Förderung durch die DFG, im Rahmen des Schwerpunktprogramms BiQUA (Bildungsqualität von Schule); 3. Projektleitung und Projektteam: Jürgen Baumert, (Dubberke), Uta Klusmann, Axinia Hachfeld, Mareike Kunter, Thamar Voss Katrin Löwen, Kooperationspartner anderer Universitäten: Werner Blum, Jordan, Stefan Krauss, Dirk Richter; Martin Brunner, Alexander Michael Neubrand. 4. Sample: ca. 350 Mathematiklehrkräfte, davon ca. die Hälfte aus dem Gymnasium, die andere Hälfte aus den weiteren Schularten der Sekundarstufe I und ca. 190 in PISA 2003 und 2004 untersuchte Klassen. 399 Zentrale Publikation: Kunter, M., Baumert, J., Blum, W., Klusmann, U., Krauss, S., & Neubrand, M. (Hrsg.). (2011). Professionelle Kompetenz von Lehrkräften -Ergebnisse des Forschungsprogramms COACTIV. Münster: Waxmann; dort die Hinweise auf die weiteren ca. 50 im Rahmen von COACTIV und COACTIV-R entstandenen Beiträge. Vgl. auch die englischsprachige Publikation der Ergebnisse: Kunter, M., Baumert, J., Blum, W., Klusmann, U., Krauss, S., & Neubrand, M. (2013). Cognitive activation in the mathematics classroom and professional competence of teachers. Results from the COACTIV project. New York, NY: Springer. 182 Die zentralen Fragestellungen der Studie waren: • Welche Aspekte der Lehrerkompetenz lassen sich empirisch identifizieren und welche Beziehungen weisen diese Merkmale untereinander auf? • Welche Kompetenzaspekte beeinflussen das unterrichtliche Handeln einer Lehrkraft? • Welche direkten und indirekten Einflüsse hat die Kompetenz einer Lehrkraft auf die Lernerfolge ihrer Schülerinnen und Schüler? • Warum unterscheiden sich Lehrkräfte in ihrer Kompetenz? Die Grundlage der Studie bildet das Kompetenzmodell von Baumert und Kunter400 und ein Modell zu Unterrichtsqualität401. Das Kompetenzmodell umfasst Professionswissen, Überzeugungen und Werthaltungen, motivationale Orientierungen und Selbstregulation. Das Modell zur Unterrichtsqualität umfasst die Aspekte kognitive Aktivierung, Klassenführung und konstruktive Unterstützung von Schülerinnen und Schülern. Zu diesen Bereichen wurden im Rahmen der COACTIV-Studie reliable Daten erhoben. Dazu wurden Tests zur Erfassung des mathematischen Fachwissens und des fachdidaktischen Wissens (Professionswissen) entwickelt402, ein Test zu pädagogisch-psychologischem Wissen (im Rahmen der COACTIV-R Studie), außerdem Lehrerfragebögen zur Lehrerkompetenz und zur Unterrichtsqualität. Zudem wurden die von PISA generierten Daten zu Schülerkompetenzen und zur Einschätzung ihres Unterrichts in Mathematik herangezogen. Weil die PISA-Erhebung 2003 in 9. Klassen in Deutschland längsschnittlich um eine Erhebung in den dann 10. Klassen erweitert wurde, kann die COACTIV-Studie Aussagen über den Einfluss von Lehrerkompetenzen und Unterrichtsqualität auf Schülerkompetenzen und andere Schülermerkmale machen. Zentrale Ergebnisse sind: 1. Das fachdidaktische Wissen der Lehrkräfte hat einen signifikanten Einfluss auf die Unterrichtsmerkmale „kognitive Aktivierung“ und „konstruktive Unterstützung“ (je mehr eine Lehrkraft darüber weiß, wie Fachinhalte verfügbar gemacht werden können, desto herausfordernder erleben die Schülerinnen und Schüler den Unterricht). Fachdidaktisches 400 Kapitel 2 des Ergebnisbandes: Kunter et al. (2011). Kapitel 5 des Ergebnisbandes: Kunter et al. (2011). 402 Vgl.: Krauss, S., Baumert, J., Blum, W., Neubrand, M., Jordan, A., Brunner, M., et al. (2006). Die Konstruktion eines Tests zum fachlichen und zum fachdidaktischen Wissen von Mathematiklehrkräften. In E. Cohors-Fresenborg & I. Schwank (Hrsg.), Beiträge zum Mathematikunterricht 2006. Vorträge auf der 40. Tagung für Didaktik der Mathematik vom 6.–10. März 2006 in Osnabrück (S. 319-322). Hildesheim u. Berlin: Franzbecker; Krauss, S., Neubrand, M., Blum, W., Baumert, J., Brunner, M., Kunter, M., et al. (2008). Die Untersuchung des professionellen Wissens deutscher Mathematik-Lehrerinnen und Lehrer im Rahmen der COACTIV-Studie. Journal für Mathematikdidaktik, 29(3/4), S. 223-258. 401 183 Wissen hat aber keine Auswirkung auf den dritten Aspekt der Unterrichtsqualität, die „Klassenführung“. 2. Zwischen fachlichem und fachdidaktischem Wissen bestehen Zusammenhänge, die bei Gymnasiallehrkräften stärker ausgeprägt sind als bei Lehrkräften anderer Schulformen; Gymnasiallehrkräfte mit einer höheren Ausprägung im fachdidaktischen Wissen erreichen höhere Werte im Fachwissenstest. In beiden Segmenten ist das Wissensniveau der Gymnasiallehrkräfte höher als das der anderen Lehrkräfte. 3. Das Fachwissen der Lehrkräfte für sich genommen hat keinen nachweisbaren Einfluss auf Unterrichtsqualität und Schülermerkmale. 4. Eine höhere Ausprägung des Professionswissens geht mit stärker konstruktivistischen Lernüberzeugungen einher. Diese haben einen signifikanten Einfluss auf den Lernzuwachs der Schülerinnen und Schüler, nicht aber auf die erlebte Freude an Mathematik. Die COACTIV-Studie zeigt (wie weitere Studien zum Mathematikunterricht auch), dass ein kognitiv aktivierender und die Selbstständigkeit fördernder Unterricht nur selten vorkommt. Vorherrschend in allen Schularten ist eine homogene Aufgabenkultur, die wenig Gelegenheit zur gehaltvollen Auseinandersetzung mit mathematischen Inhalten bietet. 5. Nahezu unkorreliert mit dem Professionswissen sind die berufsbezogene Motivation der Lehrkräfte und ihre selbstregulativen Fähigkeiten. 6. Lehrkräfte, die mit einem hohen Maß an „Unterrichtsenthusiasmus“ bei gleichzeitiger Fähigkeit, sich auch von Arbeitsbelangen zu distanzieren und Probleme aktiv zu bewältigen gekennzeichnet sind, werden von ihren Schülerinnen und Schülern als besonders unterstützend im Unterrichtsgeschehen wahrgenommen. 7. Mit Hilfe der Längsschnittstudie lässt sich die Annahme unterstützen, dass kognitive Aktivierung, Klassenführung und individuelle Unterstützung einen positiven Effekt auf die Entwicklung der mathematischen Kompetenz auf Schülerseite haben. Die Klassenführung zeigt Einfluss auf den Leistungszuwachs und die erlebte Freude an Mathematik, die kognitive Aktivierung (lediglich) auf den Leistungszuwachs, die konstruktive Unterstützung von Schülerinnen und Schülern trägt zur Steigerung der Freude und zum Abbau von Leistungsängstlichkeit bei. 8. Für den Erwerb des Professionswissens haben strukturierte Lerngelegenheiten besondere Bedeutung. Der Schluss liegt nahe, dass bereits die Erste Phase der Lehrerbildung maßgeblich für den fachspezifischen Kompetenzerwerb ist, die Zweite Phase der 184 Lehrerbildung eine Schlüsselfunktion im Erwerb pädagogischer Kompetenzen und bei der Entwicklung professionsbedingter Wertpräferenzen hat. Um letztgenannte Hypothese zu untersuchen, startete im Herbst 2007 die Studie COACTIVReferendariat (COACTIV-R), die sich mit der Entwicklung der professionellen Kompetenz während des Vorbereitungsdiensts beschäftigte. Im Rahmen einer Längsschnittuntersuchung wird die Kompetenzentwicklung vom Abschluss der ersten (universitären) Phase bis zum Abschluss der zweiten Phase (Vorbereitungsdienst bzw. Referendariat) verfolgt. Dabei werden folgende Aspekte der Handlungskompetenz berücksichtigt: 1. Wissen: Fachwissen, fachdidaktisches Wissen, generelles pädagogisches Wissen, diagnostisches Wissen und diagnostische Fähigkeiten. 2. Persönlichkeitsfaktoren: Berufsethos, subjektive Theorien über Lehren und Lernen, Selbstwirksamkeitsüberzeugungen, intrinsische Motivation, Zielorientierungen, Kooperationsbereitschaft, Verarbeitung von Berufsbelastungen, Regulation psychischer Ressourcen. 3. Situationsabhängiges Motivations- und Emotionserleben: Erleben von Berufszufriedenheit und Erfüllung, Belastung, Stress und Angst. 4. Ergebnisse403 In zahlreichen weiteren Studien wurden die Ansätze und Ergebnisse der COACTIV-Studie aufgegriffen und weitergeführt. In den zentralen Aussagen konnten mehrfach Replikationen stattfinden. 3.2.2 Zusammenhang mit Lehramtplus: Ansatzpunkte für die Beurteilung; Anregungen zur Optimierung Maßnahmen zur Förderung der Lehrerkompetenzen als Querschnittskompetenz Bezieht man die oben dargestellten Ergebnisse von COAVTIV auf Lehramtplus, so können alle Maßnahmen des Modellversuchs, die den 403 Aufbau von Lehrerkompetenzen als Vgl. u.a. Voss, T., Kleickmann, T., Kunter, M., & Hachfeld, A. (2011). Überzeugungen von Mathematiklehrkräften. In: M. Kunter, J. Baumert, W. Blum, U. Klusmann, S. Krauss & M. Neubrand (Hrsg.), Professionelle Kompetenz von Lehrkräften - Ergebnisse des Forschungsprogramms COACTIV, S. 235-257. Münster: Waxmann; vgl. auch Kunter, M., Klusmann, U., Genz, K., Busching, R., Peters, R.: COACTIV-R: Kompetenzerwerb von Lehramtskandidat(inn)en im Vorbereitungsdienst. Persönliche Ergebnisse. URL https://www.mpib-berlin.mpg.de/coactiv/_download/beispielrckmeldung.pdf. 185 Querschnittskompetenz fördern, gestützt werden. Dies gilt demzufolge auch für die zugrunde liegenden Strukturüberlegungen. Gestützt werden insbesondere a) die Überlegungen, die Kompetenzen der Studierenden innerhalb der Säulen progredierend in den drei Phasen Sockel-, Vertiefungs-, Profilierungsstudium aufzubauen, b) die strukturelle Unterstützung für eine querschnittliche Vernetzung der Kompetenzentwicklung durch den „Lehramtstrack“, c) die Nutzung von Praxismodulen, Kombimodulen und vernetzten Modulen als innovative Maßnahmen zum querschnittlichen Kompetenzaufbau, d) das Praxiskonzept, das die Vernetzung zwischen Fach und Fachdidaktik unterstützt. Ansatzpunkt für zukünftige Reformen: Kompetenzorientierung 2.0, inklusive HOLOKOs Interessant ist, dass die der COACTIV-Studie zugrunde liegenden Modelle für Lehrerkompetenzen und Unterrichtsqualität mit den in der HOLEKO-Modellierung ausgewiesenen Kompetenzbereichen durchaus harmonieren: Die sachspezifische Analysefähigkeit „den Kern [zu] identifizieren” korreliert in besonderem Maße mit den in der COACTIV-Studie als leistungsfördernd für die Schülerinnen und Schüler erkannten Bedingungen. Der Kompetenzbereich Selbst- und Fremdwahrnehmung/-reflexion verweist auf die Bildungsqualität fördernden Dimensionen von Lehrerkompetenzen, für die COACTIV Wirksamkeit nachweisen könnte. Die Bedeutung von fachbezogenen, aktivierenden Hilfestellungen für die Kompetenzentwicklung der Schülerinnen und Schüler verweist auf den dritten Kompetenzbereich, also auf die sach- und adressatenspezifischen Synthesen. Optimierend für Lehramtplus wäre demzufolge, die horizontale, querschnittliche Vernetzung weiter auszubauen und die Kompetenzbereiche der HOLEKOs in der Eichstätter Lehrerbildung breiter zu berücksichtigen. Dies gilt ebenso für die Modellvorstellung der Lehrkraft als „scientist practitioner“, der durch verstärkte Forschungsorientierung seine Arbeit in der Praxis verbessert. Die in COACTIV-R gepflegte Feedbackkultur könnte z.B. in den Praxismodulen gut zur Anwendung kommen. 186 3.3 BilWiss: Bildungswissenschaftliches Wissen und der Erwerb professioneller Kompetenz in der Lehramtsausbildung 3.3.1 Kurzdarstellung der Studien und ihrer Ergebnisse Phase 1: Bildungswissenschaftliche Kompetenzen im Studium 1) Laufzeit: 2009 bis 2013 2) Förderung durch: a) BMBF, im Rahmen des Förderprogramms ProPäda (Entwicklung von Professionalität des pädagogischen Personals in Bildungseinrichtungen); b) Förderung der Zusatzstudien durch das Ministerium für Schule und Weiterbildung, NRW. 3) Projektleitung: Mareike Kunter (Koordinatorin), Goethe-Universität Frankfurt; Jürgen Baumert, Max-Planck-Institut für Bildungsforschung Berlin; Detlev Leutner, Universität Duisburg-Essen; Ewald Terhart, Westfälische Wilhelms-Universität Münster 4) Zentrale Publikationen: Zur Studie zu Curriculum-Analysen vgl. Terhart, Lohmann & Seidel (2010)404; zur Studie zu Studienseminar-Analysen vgl. Neu-Clausen, Demski & van Ackeren (2010)405; zur Evaluationsstudie des reformierten Vorbereitungsdienstes in Nordrhein-Westfalen vgl. Kunter et al. (2014)406. Phase 2: BilWiss Beruf • Laufzeit: 2012 bis 2015, • Förderung durch BMBF, im Rahmen des BMBF-Programms KoKoHs (Kompetenzmodellierung und Kompetenzerfassung im Hochschulsektor), 404 Terhart, E., Lohmann, V. & Seidel, V. (2010). Die bildungswissenschaftlichen Studien in der universitären Lehrerbildung. Eine Analyse aktueller Studienordnungen und Modellhandbücher an Universitäten in NordrheinWestfalen. Abschlussbericht an das Ministerium für Schule und Weiterbildung NRW. Münster: Westfälische Wilhelms-Universität Münster. 405 Neu-Clausen, M., Demski, D. & van Ackeren, I. (2010). Die bildungswissenschftlichen Anteile der Studienseminarprogramme in Nordrhein-Westfalen. Eine vergleichende Bestandsaufnahme und Analyse. Abschlussbericht. Essen: Universität Duisburg-Essen. 406 Vgl.: Kunter, M. Linninger, C., Schulze-Stocker, F., Kunina-Habenicht, O. Lohse-Bossenz, H. (2013): Evaluation des reformierten Vorbereitungsdienstes in Nordrhein-Westfalen. Bericht an das Ministerium für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen. 187 • Projektleitung: Mareike Kunter (Koordinatorin), Goethe-Universität Frankfurt; Detlev Leutner, Universität Duisburg-Essen; Tina Seidel, Technische Universität München; Ewald Terhart, Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Ausgangslage, Grundhypothesen, Fragestellungen Die BilWiss-Studie ist der Diskussion über das Verhältnis zwischen Theorie und Praxis zuzuordnen, in der oft sowohl seitens der angehenden Lehrkräfte als auch seitens der Ausbilderinnen und Ausbilder argumentiert wird, speziell die universitäre Phase sei zu praxisfern und umfasse zu viele Inhalte, die für die spätere Berufsausübung irrelevant seien. Demgegenüber ist die Grundannahme der Studie, dass bildungswissenschaftliche Inhalte und Zusammenhänge einen begrifflichen Rahmen darstellen, den Lehrkräfte benötigen, um Unterrichts- und Schulereignisse angemessen zu interpretieren, zu reflektieren und für die eigene Kompetenzentwicklung zur Bewältigung beruflicher Anforderungen zu nutzen. Erste BilWiss-Studie: Design und Ergebnisse Mit Hilfe einer Delphi-Studie (49 Expertinnen und Experten aus den Bildungswissenschaften und der Zweiten Phase) wurden aus 213 möglichen Themen, die aus der Analyse von Studien- und Ausbildungsordnungen gewonnen worden waren, 104 Themen als bedeutsam für die universitäre Lehrerbildung eingeschätzt und in ein theoretisches Modell bildungswissenschaftlichen Wissens gebracht.407 Auf dieser Grundlage wurde ein Messinstrument (280 Items) entwickelt. Das bildungswissenschaftliche Wissen von Lehramtsanwärterinnen und –anwärtern (Vollerhebung NRW zu Beginn des 24-monatigen Vorbereitungsdienstes) wurde erfasst und in seiner Struktur konzeptuell erschlossen. Um Wissensunterschiede zu erklären wurden persönliche Merkmale, der Ausbildungsverlauf an unterschiedlichen Universitätsstandorten sowie Kovariablen zu Interesse, Überzeugungen und Selbstwirksamkeit erhoben. Die Ergebnisse der Hauptuntersuchung zeigen, dass es kein eindimensionales Konstrukt „bildungswissenschaftliches Wissen“ gibt, vielmehr konnten sechs Dimensionen unterschieden werden, die jeweils für eine der an den bildungswissenschaftlichen Studien beteiligten Disziplinen typisch sind. Sie korrelieren untereinander niedrig bis moderat und 407 Vgl. Kunina-Habenicht, O., Lohse-Bossenz, H., Kunter, M., Dicke, T., Förster, D., Gößling, J.,...Terhart, E. (2012). Welche bildungswissenschaftlichen Inhalte sind wichtig in der Lehrerbildung? Ergebnisse einer DelphiStudie. Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, 15(4), S. 649-682; Lohse-Bossenz, H., Kunina-Habenicht, O. & Kunter, M. (2013). The role of educational psychology in teacher education: Expert opinions on what teachers should know about learning, development, and assessment. European Journal of Psychology of Education, 28(4), 1543-1565. 188 spiegeln somit die oft beklagte fehlende interdisziplinäre Vernetzung in der universitären Lehrerbildung wider (zu den Ergebnissen vgl. u.a. Kunter et al. 2015). Zwischen den Universitäten zeigt sich kein systematischer Unterschied; innerhalb der einzelnen Universitäten besteht aber eine hohe Varianz (Kunina-Habenicht et al., 2013). Dies spiegelt die hohe Wahlfreiheit für das bildungswissenschaftliche Teilstudium wider. Die zeitliche Überschneidung des BilWiss-Projekts mit der Einführung des reformierten 18monatigen Vorbereitungsdienstes in NRW eröffnete die Möglichkeit, die Auswirkungen der Reformen auf die professionelle Entwicklung von angehenden Lehrkräften in einer quasiexperimentellen Feldstudie empirisch zu untersuchen. Zweite BilWiss-Studie (BilWiss-Beruf): Ziele und Ergebnisse Die zentrale Fragestellung der zweiten BilWiss-Studie lautete: Welchen Beitrag leistet das bildungswissenschaftliche Wissen, das in der Lehramtsausbildung erworben wird, zur erfolgreichen Bewältigung praktischer beruflicher Aufgaben? Der Frage wurden in Anlehnung an die KMK-Standards (Unterrichten, Erziehen, Beurteilen und Innovieren) und in einem längsschnittlichen Design nachgegangen, in dem ein Teil der nunmehrigen Referendare befragt wurde. Im ersten Erhebungszeitraum (nach einem Jahr Referendariat) kamen folgende Erhebungsinstrumente zum Einsatz: • Fragebogen zur Selbsteinschätzung der Kompetenzentwicklung in den schulischen Handlungsfeldern, • Fragenbogen zur Fremdbeurteilung der professionellen Kompetenz (Schülerbefragung zur Unterrichtsqualität nach den COACTIV-Kriterien), • das computerbasierte Instrument „Schülerinventar“ (Universität Kiel) zur Beurteilung von Schülerleistungen (diagnostische Kompetenz). Am Ende des Referendariats wurden eingesetzt: • eine Kurzfassung des BilWiss-Tests (57 Items), • Fragebögen zur Selbst- und Fremdeinschätzung professioneller Kompetenz, • das computerbasierte Analyseinstrument „observer”408 (Blomberg, Stürmer & Seidel, 2011) zur Erfassung der professionellen Unterrichtswahrnehmung. 408 Es werden kurze Videosequenzen zu verschiedenen Unterrichtssituationen präsentiert und dazu mehrere geschlossene Fragen hinsichtlich verschiedener Aspekte professioneller Unterrichtswahrnehmung gestellt. 189 • Für die Reformkohorte wurden zusätzlich die Kernseminarleiterinnen und -leiter der Lehramtsanwärter befragt. Die letzte Erhebung fand 2014 und 2015 statt (eineinhalb Jahre nach Beendigung des Referendariats) und legte den Schwerpunkt auf die handlungsnahe Erfassung der beruflichen Kompetenzen. Die Ergebnispublikationen stehen aktuell (2015) noch aus.409 3.3.2 Zusammenhang mit Lehramtplus: Ansatzpunkte für die Beurteilung; Anregungen zur Optimierung Indizien für die Replizierbarkeit der Ergebnisse des BilWiss-Tests auch in Eichstätt? Inwiefern der BilWiss-Tests auch außerhalb Nordrhein-Westfalens zum Einsatz gebracht worden ist, konnte nicht eruiert werden;410 eine Überprüfung der Eichstätter Angebote aus den Erziehungswissenschaften mit Hilfe des BilWiss-Instruments hat nicht stattgefunden. Betrachtet man das Eichstätter Modulangebot, so kann auch hier mit einer Replikation disziplinbezogener Dimensionen gerechnet werden. Dass sich aber sechs Dimensionen unterscheiden ließen, ist eher nicht zu erwarten, weil kultur- und gesellschaftswissenschaftliche Module nur von Grund- und Mittelschulstudierenden gewählt werden müssen, und nur in wenigen Fällen (Religion) schulbezogene Angebote gemacht werden. Die Studierenden sind ansonsten zur polyvalenten Mitnutzung des fachlichen Studiengangangebots gezwungen. Strukturmaßnahmen zur Förderung des gezielten Kompetenzaufbaus („Lehramtstrack“): Angesichts der empirischen Bestätigung des Defizits interdisziplinärer Zusammenarbeit innerhalb der Erziehungswissenschaften können die Strukturmaßnahmen, durch die versucht wird, die interdisziplinäre Zusammenarbeit 409 und den Aufbau von Angekündigt sind z.B. Stürmer, K., Seidel, T., & Kunina-Habenicht, O. (in press). Unterricht wissensbasiert beobachten – Unterschiede und erklärende Faktoren bei Referendaren zum Berufseinstieg. Zeitschrift für Pädagogik; Kunter, M., Kunina-Habenicht, O., Baumert, J., Dicke, T., Holzberger, D., Lohse-Bossenz, H., Leutner, D., Schulze-Stocker, F. & Terhart, E. (in press). Bildungswissenschaftliches Wissen und professionelle Kompetenz in der Lehramtsausbildung – Ergebnisse des Projekts BilWiss. In C. Gräsel & K. Trempler (Hrsg.), Entwicklung von Professionalität pädagogischen Personals. Interdisziplinäre Betrachtungen, Befunde und Perspektiven. Wiesbaden: Springer-Online; Schulze-Stocker, F., Holzberger, D., Kunina-Habenicht, O., Terhart, E. & Kunter, M. (angenommen). Spielen Studienschwerpunkte wirklich eine Rolle? Zum Zusammenhang von bildungswissenschaftlichen Studienschwerpunkten, selbst eingeschätzten Kenntnissen und gemessenem Wissen am Ende eines Lehramtsstudiums. Zeitschrift für Erziehungswissenschaft. 410 Das Skalenhandbuch liegt jedenfalls vor. Vgl. hierzu: BilWiss_Skalenhandbuch_FDZ_2014-12-03.pdf. 190 erziehungswissenschaftlichen Kompetenzen als Querschnittskompetenzen zu unterstützen, unter Bezug auf die Ergebnisse der BilWiss-Studie als positiv eingeschätzt werden. Modellversuch Kooperation I. und II. Phase Der nachhaltig wirksame Austausch zwischen universitären Schulpädagogen der Ersten und Seminarlehrkräften Pädagogik der Zweiten Phase kann durch die in BilWiss aufgedeckten Desiderate legitimiert werden (Erprobung phasenübergreifendender Vernetzung; Optimierung des Praxiskonzepts u.a. durch Teamteaching; Entwicklung eines phasenübergreifenden und säulenübergreifenden Kompetenzstrukturmodells).411 Das Konzept „scientist practitioner“ als Ansatzpunkt für weitere Reformen Die Ergebnisse aus BilWiss I und die derzeit aus BilWiss II bekannten Ansätze stützen das Konzept eines „scientist practitioners“, der u.a. bildungswissenschaftliches Wissen nutzt, um mit Praxisproblemen wissenschaftsbasiert umzugehen, als Ansatzpunkt für weitere Reformmaßnahmen. Die in BilWiss I und II eingesetzten Instrumente (insbesondere auch die computergestützten) böten sich für die grundschulpädagogische Praxismodule und Vertiefungsmodule für an, erziehungswissenschaftliche, um „Unterrichtswahrnehmung” auch und „diagnostische Kompetenzen” gezielt zu schulen. 3.4. HiTCH („Historical Thinking – Competencies in History“): Beispiel einer Studie, die auf Schülerkompetenzen fokussiert 3.4.1 Kurzvorstellung des HiTCH-Tests und seiner Ergebnisse I. II. Laufzeit: 2012 bis 2015 Förderung durch: BMBF, im Rahmen des Förderschwerpunkts Large-ScaleAssessments III. Projektleitung: Ulrich Trautwein (Koordinator), Eberhard Karls-Universität Tübingen; Andreas Körber, Universität Hamburg; Waltraud Schreiber, Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt. 411 Vgl. die detaillierte Darstellungen in Teil C, Kapitel II 2. Modellversuch „Kooperation Erste und Zweite Phase Lehrerbildung“. 191 Ausgangslage und zentrale Zielsetzung Die auf einem Richtigkeitsstandard412 beruhenden Testverfahren scheinen der konstruktivistischen Verfasstheit von Geschichte und den hieraus abgeleiteten historischen Kompetenzen zu widersprechen. Dennoch war das Ziel des Projekts nachzuweisen, dass auch für eine schwach strukturierte Domäne wie Geschichte ein den üblichen psychometrischen Gütekriterien entsprechender Kompetenztest für den Einsatz in Large-Scale-Testungen vorgelegt werden kann. Weil die erzählte(n) Geschichte(n) nicht beliebig sind, sondern in ihrer Triftigkeit/ Güte eingeschätzt werden können, konnten standardisierte Aufgabenformate entwickelt werden, die zeigen, inwiefern die Probanden valide und reliabel über die für historisches Denken nötigen Konzepte und Fähigkeiten verfügen. Zugrunde gelegt wurde das international anerkannte FUER-Kompetenzstrukturmodell.413 Aufgabengenerierung 412 Eid, M., Gollwitzer, M., Schmidt, M. (2013). Statistik und Forschungsmethoden. Lehrbuch. Weinheim: Beltz. In diesem Modell werden die Kompetenzbereiche für das historische Denken aus dem Prozess historischen Denkens hergeleitet (vgl. Schreiber et al., 2006; Körber, Schreiber, Schöner, 2007): Die Hinwendung zu einem historischen Thema erfolgt auf der Grundlage eines oft noch eher unspezifischen Interesses, einer Irritation, eines Orientierungsbedürfnisses. Das, was man weiß, reicht nicht für einen angemessenen Umgang mit einem Problem aus. Sich für die Auflösung der Irritation auf Vergangenes und auf die dabei zu gewinnenden Einsichten zu beziehen, liegt aber nahe. Eine Präzisierung entsteht erst durch die Überführung der vagen Bedürfnisse in eine konkrete Fragestellung - dies verlangt vor allem historische Fragekompetenz, dazu eine zumindest in Grundzügen vorhandene Sachkompetenz; sie befähigt u.a. dazu, den „Punkt“ zu sehen, den Kern des Problems zu identifizieren. Die Fragestellung leitet den weiteren Denkprozess. Als nächster Schritt erfolgt die Suche nach einer triftigen Antwort; dafür ist historische Methodenkompetenz notwendig. Diese umfasst die Fähigkeit, mit Quellen und Darstellungen umzugehen, und endet damit, die Antwort in einer Narration darzustellen. Wiederum spielt die Sachkompetenz mit hinein, z.B. wenn die Materialien gezielt ausgewertet werden sollen oder wenn durch die Nutzung von Fachbegriffen präzise Antworten gegeben werden. Ein weiterer Aspekt von Sachkompetenz ist, die epistemologischen Prinzipien zu kennen, denen jede Beschäftigung mit Vergangenheit, jede daraus entspringende Narration unterworfen ist. Die Überprüfung, ob die gefundene Antwort das Ausgangsproblem bereits löst, und damit historische Orientierung ermöglicht, setzt historische Orientierungskompetenz voraus. Sie umfasst die Fähigkeit, Fertigkeit und Bereitschaft zum Welt-, Fremd- und Selbstverstehen, legt Handlungsdispositionen Grund und ermöglicht, das eigene Geschichtsbewusstsein zu reflektieren und ggfs. zu modifizieren. Der gesamte Denkprozess setzt das Verfügen über historische Sachkompetenz voraus, also über historische Konzepte und über Einsichten in die epistemologischen Prinzipien. Im Denkprozess differenziert sich die in Rede stehende Sachkompetenz weiter aus. Dies verdeutlicht auch die Visualisierung, die Sachkompetenz in die Mitte setzt und Überlappungsbereiche zu den anderen Kompetenzen ausweist. (Vgl. Schreiber 2006; Körber, Schreiber, Schöner 2007). Vgl. auch die am historischen Denken konkretisierten Hinweise zu Kombimodulen in dieser Publikation (Teil A, IV 6.3.2 Handlungsfelder Unterrichten/ Beraten - Förderung der Querschnittskompetenzen mit Hilfe von Kombimodulen). 413 192 Bei der Aufgabengenerierung wurden vorhandene Messinstrumente mitberücksichtigt414, Anregungen für die Formulierung von geschlossenen Aufgaben aus qualitativen Studien gewonnen,415 standardisierte Umordnungsaufgaben und Aufgabenformate Auswahlaufgaben, genutzt (v.a. Multiple-Choice- Zuordnungsoder oder Single-Choice- Aufgaben). Die neu generierten Aufgaben und Items wurden in so genannten „Cognitive Labs“ eingesetzt. In diesem qualitativen Verfahren wird das laute Denken der Probanden durch situative Nachfragen („prompts“) zum Verständnis der Aufgabe und zu Lösungsstrategien oder zur Begründung, warum eine bestimmte Antwortalternative gewählt wurde, ergänzt.416 Unter Bezug auf das Kompetenzstrukturmodell wurden schließlich Konstruktionslogiken für die Aufgaben- und Item-Entwicklung erarbeitet, die darauf zielen, Aufgaben zu den beiden Basisoperationen der Re- und De-Konstruktion und zu den einzelnen Kernkompetenzen in je unterschiedlichen Formaten zu entwickeln.417 Erhebungen und Ergebnisse Durchgeführt wurden zwei umfangreiche Pilotierungen, eine Haupterhebung sowie eine Validierungsstudie,418 Ergebnis ist ein Instrument mit 15 Aufgaben und 106 Items. Aus den Aufgaben heraus wurde ein HiTCH-Kurztest generiert. 414 Vgl. z.B. Bertram, C., Wagner, W. & Trautwein, U. (2013). Chancen und Risiken von Zeitzeugenbefragungen – Entwicklung eines Messinstruments für eine Interventionsstudie. In J. Hodel & B. Ziegler (Hrsg.), Forschungswerkstatt Geschichtsdidaktik 12, Beiträge zur Tagung "geschichtsdidaktik empirisch 12", S. 108-119. Bern: hep-Verlag; Bertram, C., Wagner, W. & Trautwein, U. (2014). Zeitzeugenbefragungen im Geschichtsunterricht: Entwicklung eines Kurzinstruments für die Wirksamkeitsmessung. In T. Arand & M. Seidenfuß (Hrsg.), Neue Wege – neue Themen – neue Methoden? Ein Querschnitt aus der geschichtsdidaktischen Forschung des wissenschaftlichen Nachwuchses, S. 191-208. Göttingen: V&R Academic; Borries, B. von, Fischer, C., Leutner-Ramme, S. & Meyer-Hamme, J. (2005). Schulbuchverständnis, Richtlinienbenutzung und Reflexionsprozesse im Geschichtsunterricht. Eine qualitativ-quantitative Schüler- und Lehrerbefragung im deutschsprachigen Bildungswesen 2002. Neuried: ars una Verlag; Hartmann, U. (2008). Perspektivenübernahme als eine Kompetenz historischen Verstehens. (Dissertation). Göttingen. Zugriff am 23.01.2015. Verfügbar unter https://ediss.uni-goettingen.de/handle/11858/00-1735-0000-0006- AD13-2. 415 Vgl. Zabold, S. (2015). Vor dem ersten Geschichtsunterricht: zur empirischen Erschließung des historischen Denkens junger Lerner. Dissertationsmanuskript, angenommen. 416 Werner, M., Schreiber, W. (2015). Testfragen befragen – Pretesting und Optimierung des Large-ScaleKompetenztests „HiTCH“ durch Cognitive Labs. In: Waldis, M. & Ziegler, B. (Hrsg.). Forschungswerkstatt Geschichtsdidaktik 13. Beiträge zur Tagung „geschichtsdidaktik empirisch 13“, S. 153-164, Bern: hep-Verlag; Wilis, Gordon B. (2005): Cognitive Interviewing – A Tool for Improving Questionnaire Design. Thousand Oaks, CA: Sage. 417 Werner, M. & Schreiber, W. (2016, in Vorbereitung): „Kaum Wissen nötig, aber viel zu lesen“? Konstruktionsprinzipien und Eignung von HiTCH-Testaufgaben zur Messung von Kompetenzen historischen Denkens, angenommen für den Tagungsband der GDE 2015. 418 In einer vom Leibnitz-Institut für Wissensmedien durchgeführten Validierungsstudie wurde überprüft, inwiefern der HiTCH-Test mit einem auf Methodenkompetenz fokussierenden Test, der die Methoden des USForschers Sam Wineburg nutzt, korreliert. 193 Das HiTCH-Instrumentarium weist eine eindimensionale Struktur auf. Aufgrund des Vorgehens bei der Konstruktion des Tests, bei der alle theoretisch als bedeutsam eingeschätzten Bestandteile von historischer Kompetenz berücksichtigt wurden, kann der Gesamttest beanspruchen, „historische Kompetenz“ in wünschenswerter Weise in einem Gesamtwert zu erfassen. Gleichzeitig finden sich Hinweise darauf, dass die einzelnen Aufgaben einen nicht komplett vernachlässigbaren Teil der Varianz bilden, so dass vertiefende (fachdidaktische) Analysen zu den Eigenschaften der Aufgaben angezeigt sind. Bei der Überprüfung der diskriminanten Validität zeigte sich, dass sich die im HiTCH-Test erfasste Kompetenz historischen Denkens von der Lesekompetenz wie auch von allgemeinen kognitiven Fähigkeiten trennen ließ. Ausblick: Verwendungen des HiTCH-Tests 1. In der deutschsprachigen Gemeinschaft in Belgien wird mit der Laufzeit von fünf Jahren (2012-2017) in einer Vollerhebung (N=1700) die Entwicklung von Kompetenzausprägungen der Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe II gemessen.419 2. Diese Daten liegen einer vom BMBF geförderten Studie zugrunde, in der geprüft wird, inwiefern die Veränderungen der Kompetenzentwicklung (gemessen mit dem HiTCH-Test) sich aus der Nutzung eines kompetenzorientierten, multimedialen Schulbuchs (Trackingdaten) erklären lässt.420 3. Der belgische Datensatz bietet zudem die Grundlage der Überprüfung des Zusammenhangs zwischen historischen Kenntnissen und historischer Kompetenz.421 4. Der HiTCH-Test wurde für die Datenerhebung in einer Wirksamkeitsstudie digitalisiert. (Zeigt die Nutzung eines digitalen, kompetenzorientierten Geschichtsbuch Effekte auf Kompetenzausprägungen?). Der Einsatz erfolgt mit N= ca. 2000 in NRW.422 Eine Modestudie mit Sekundärnutzung der Daten der Haupterhebung ist in Planung. 5. Zur Überprüfung der diskriminanten Validität haben mit N= ca. 500, Schüler der Sekundarstufe 1 in Bayern neben dem HiTCH -Langtest den von Volker Frederking et al. erarbeiten LUK-Test zur Messung literarästhetischen Textverstehens bearbeitet. 419 Projektleiter sind Ulrich Trautwein und Waltraud Schreiber. Scheiber, W., Brefeld, U., Trautwein, U.: „Erklärung von Kompetenzausprägungen aus der Quantität und Qualität der Nutzung eines elektronischen Schulbuchs: Verbindung der Nutzungsdaten des mBooks Geschichte mit längsschnittlich erhobenen Daten zur Kompetenz- und Wissensentwicklung (LSA).” Laufzeit: 2015-2017. 421 Antragsteller Waltraud Schreiber/ Ulrich Trautwein; Bearbeiter Michael Werner. 422 Projektleitung Waltraud Schreiber; Christina Toth, Szeged; Bearbeiter: NN. 420 194 Die Ergebnisse liefern die Begründung für eine Studie die versucht, Kompetenzen historischen Lesens von denen allgemeinen Lesens und literarästhetischen Lesens zu unterscheiden.423 3.4.2 Zusammenhang mit Lehramtplus: Ansatzpunkte für die Beurteilung; Anregungen zur Optimierung Evaluierung: fachliche Kompetenzausprägungen bei Studierenden Die Beurteilung eines Zusammenhangs soll diesmal am Ausweis eines Desiderats ansetzen: Generell gilt, dass die Einschätzung, ob Studiengangkonzepte inhaltlich halten, was sie versprechen bislang vor allem Akkreditierungsagenturen überlassen wird. Das hängt nicht zuletzt damit zusammen, dass Kompetenzmodelle zur Bestimmung fachlicher Kompetenzausprägungen bei Studierenden erst ansatzweise entwickelt sind (vgl. das BMBFFörderprogramm KOKOHS). Bei der Evaluierung von Studiengängen, insbesondere von Studiengängen aus den Geisteswissenschaften, kommen Kompetenztestungen bislang selten zum Einsatz. Items für einen HiTCH-Test für Studierende werden derzeit an den Standorten des HiTCH-Konsortiums entwickelt; erste Pilotierungen sind im Gange, das Instrument ist aber noch nicht einsetzbar. Ein Zusammenhang mit Lehramtplus kann nur in Bezug auf das Studium des Faches Geschichte hergestellt werden. Erweiterung des fachdidaktischen Forschungsprofils Bei der Darstellung der Herausforderungen, vor denen Fachdidaktiken stehen, wurde die Einbindung in inter- und transdisziplinäre Forschung genannt. HiTCH war eine Möglichkeit der Weiterentwicklung der Professur für Theorie und Didaktik der Geschichte im Bereich der Empirie. Der bislang vorrangig praktizierte inhaltsanalytische Ansatz wurde um einen quantitativen erweitert. In späteren Projekten wurde die beiden Vorgangsweisen im Sinne der mixed method-Forschung wieder zusammengeführt. Studierende in Forschungsprojekten Das Projekt wurde genutzt, um Studierende an die quantitative empirische Bildungsforschung heranzuführen. Dazu wurden unterschiedliche Modultypen genutzt (Lehrforschungsprojekt, 423 Projektleiter Volker Frederking/ Waltraud Schreiber; Bearbeiter Matthias Hirsch. 195 Spezialisierungsmodul, Forschungsmodul). Studierende, die eines der Module gewählt hatten, bewarben sich um zwei Bachelor- und zwei Masterarbeiten.424 An diesen Beispielen lässt sich zeigen, dass die Strukturvorgabe, dass mit Hilfe von freien Modulen Schwerpunkte zur Bachelor- und Masterarbeit gebildet werden sollen, sich bewährt, um an Forschung heranzuführen. 3.5 Resümee An vier sehr unterschiedlichen Projekten zur empirisch ausgerichteten Bildungsforschung konnte zweierlei gezeigt werden. • Die Ergebnisse aktueller Forschung können kategorial auf bereits laufende Reformprojekte bezogen werden, auch wenn diese nicht Teil des untersuchten Samples sind, um auf implizitem Weg zur Evidenzbasierung von Entscheidungen im Rahmen des Reformprozesses beizutragen; • Reformansätze können besonders dann von Studien profitieren, wenn ihre Entwicklung theoriebezogen erfolgt ist. Die Studien und die Reformmaßnahmen gehen in diesem Fall von einem gemeinsamen Fundament aus. Damit treffen die Studien Aussagen, die zumindest in Teilaspekten zur Validierung des Reformansatzes genutzt werden können. • Die Evidenzbasierung durch den Bezug auf Studien kann u.a. für SWOT-Analysen genutzt werden, die der Planung von Optimierungsprozessen zugrunde gelegt werden sollten. Für den Diskussionsprozess an den Universitäten, einschließlich der Umsetzungsstrategien, wird so eine Triftigkeitsebene eingeführt, deren Missachtung guter Begründung bedarf. 424 Zum Teil wurden sie als studentische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Projekt angestellt. 196 C Konkretisierungen: Vor Ort mit den Herausforderung Lehrerbildung“ einer umgehen. „Reform Das der Beispiel Lehramtplus Anders als die beiden ersten, eng aufeinander bezogenen Teile der Publikation ist der dritte Teil so konzipiert, dass er auf dreierlei Weisen gelesen werden kann: (1) für sich genommen als Beispiel für das Lehrerbildungskonzept einer (bayerischen) Universität, (2) als Anhang, der zur Verdeutlichung und Ergänzung des in den ersten beiden Teilen explizierten gelesen werden kann (3) oder eben als dritter Teil des Bandes, in welchem an einem Beispiel die in Teil A in generalisierender und systematisierender Absicht zusammengestellten Herausforderung an einem Fall konkret werden, in dem die unter Bezug auf die Herausforderungen entwickelten Ansatzpunkte in nuce sichtbar sind, aber eben nicht stringent den Reformansatz leiteten, in dem schließlich deutlich wird, dass die „Zwänge der Praxis” nicht immer auf die „Erkenntnisse der Theorie” und die „Evidenzen der Empirie” Rücksicht nehmen. Diese Anlage des dritten Teils hat die Konsequenz, dass auf Querverweise weitgehend verzichtet wurde und bei der Darstellung des Konzepts an der einen oder anderen Stelle Wiederholungen in Bezug auf Teil A und B in Kauf genommen wurden. I. Das Konzept Lehramtplus – ein Überblick 197 1. Zur Einordnung in die bayerische Lehrerbildungspolitik Das konkretisierende Beispiel ist im Bundesland Bayern verortet, das sich in der Reformdiskussion der frühen 2000-er Jahre als einziges Bundesland dafür entschied, das Lehramtsstudium nicht als gestuftes Studium mit Bachelor- und Masterabschluss anzulegen, sondern als grundständiges Studium beizubehalten, das mit einem zentralen Staatsexamen abgeschlossen wird. Diese Entscheidung ist durch die Kulturhoheit der Länder möglich. Weil zugleich seit Gründung der Bundesrepublik das Prinzip der Einheit in der Vielheit gilt, musste durch ländergemeinsame Abstimmungen ein Rahmen geschaffen werden, der beide Formen des Lehramtsstudiums möglich macht. Eine explizite Folge davon ist, dass seit 2008 die Lehramtsstudiengänge auch in Bayern nach den Bologna-Grundsätzen modularisiert werden425 und dass dabei KMK-Vereinbarungen wie die KMK-Standards Lehrerbildung zu berücksichtigen sind. Als (indirekte) Folge der länderübergreifenden Abstimmungen kann die Ausschreibung von Modellversuchen für bayerische Universitäten angesehen werden, die „sowohl den Erwerb eines Bachelor- oder Master-Grades als auch die Ablegung der Ersten Prüfung für ein Lehramt an öffentlichen Schulen ermöglichen“ (26. Februar 2006, Az.: III.1-5 S 4006PRA.34). Die Ausschreibung wurde von den für Schule bzw. Hochschule zuständigen Staatsministerien für Unterricht und Kultus bzw. für Wissenschaft, Forschung und Kunst gemeinsam initiiert. Auch die Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt entschied sich zu einer Bewerbung; das Konzept Lehramtplus wurde entwickelt. Der Modellversuch wurde von den beiden Ministerien genehmigt. Die Besonderheit des Eichstätter Ansatzes war, dass er als Programm für die gesamte Universität, also für alle lehrerbildenden Fächer angelegt worden ist und als Baustein der Bologna-Reform der Universität angesehen wurde. 425 Als Grundlage für die Modularisierung wurde festgelegt, dass ca. 60% der Studieninhalte in den wichtigsten Grundzügen durch die inhaltlichen Vorgaben der LPO I und der diese konkretisierenden Kerncurricula vorgegeben werden. Die weiteren ca. 40% verantworten die einzelnen Universitäten. Hier soll auch das spezielle Profil der jeweiligen Universität einfließen können. Allerdings müssen die Universitäten auch in den inhaltlich nicht näher festgelegten Anteilen strukturelle Vorgaben der LPO I berücksichtigen. So werden z.B. ECTSPunkte für Teildisziplinen festgeschrieben, die die Studierenden als Zulassungsbedingungen zum Staatsexamen nachweisen müssen. Eine weitere Form der Einflussnahme ist, dass von den Studierenden in manchen Fächern und für manche Schularten zusätzliche Zulassungsbedingungen erbracht werden müssen, ohne dass dafür ECTSPunkte vorgesehen wären. Das können Sprachkenntnisse (z.B. Latein) sein, die durch das Abitur nicht notwendig sichergestellt sind, „Basisqualifikationen“ im musischen Bereich oder Orientierungs- bzw. Betriebspraktika. 198 2. Das Konzept Lehramtplus: Landesvorgaben, Bologna- Strukturen und Universitätsprofil im Einklang Der Titel des Modellversuchs wurde für die KU als Programm verstanden: Lehramtplus sollte eine klaren Mehrwert gegenüber einem grundständigen Staatsexamensstudium haben und die Möglichkeiten der Ausschreibung voll ausschöpfen. • Die zusätzlich zum Staatsexamen zu erwerbenden Bachelor- und Masterabschlüsse sollten eine individuelle Profilierung der Studierenden unterstützen, wahlweise bezogen auf das Berufsfeld Schule oder erweitert auch auf das Feld außerschulischer Bildung/ lebenslangen Lernens. Es ging also nicht nur um Anschlussfähigkeit an die Lehrerbildung anderer deutscher Bundesländer, sondern viel genereller um die Anschlussfähigkeit der Lehrerbildung an die Bestrebungen zur Neubestimmung europäischer Hochschulstrukturen, die laut der Lissabonner Vereinbarungen dazu beitragen sollen, dass Europa im ökonomischen, kulturellen, gesellschaftlichen und politischen Feld eine herausgehobene Position in der Welt einnehmen kann. Die Sichtweise, die Lehramtplus zugrunde liegt, ist, dass der Lehrerbildung dabei eine besondere Bedeutung zukommt, weil es in der Schule letztlich um Bildungsbefähigung für die nachkommenden Generationen geht, also darum, dass die Schülerinnen und Schüler Kompetenzen entwickeln können, die es ihnen ermöglichen, ein im Großen und Ganzen erfülltes Leben zu führen. • Die im Bologna-Prozess beabsichtigte Stärkung einer wissenschaftsbasierten Berufsbefähigung wurde im Konzept Lehramtplus sehr ernst genommen. Dabei erfolgte eine Ausdifferenzierung des „Berufsfeldbezugs Schule”: Es wurde ein gestuftes, auf alle studierten Fächer bezogenes, von Universität und Schule begleitetes Praktikumskonzept entwickelt (s. unten die vertiefenden Hinweise). Verbunden damit wurden zugleich die Strukturen geschaffen, dass Studierenden dabei unterstützt werden können, den Habitus eines „scientist practitioners“ zu entwickeln, der in seiner gesamten Berufstätigkeit die Forschungsorientierung als kontinuierliche Verbesserung seiner Arbeit ansieht. • Das damit verbundene Lebenslange Lernen wurde in mehrfacher Hinsicht als Ziel verfolgt. Dazu gehört, 199 o dass in Lehramtplus bewusst über den Tellerrand der Schule geschaut wird und außerschulische/ außerunterrichtliche Bildung einbezogen wird, auch dann, wenn Studierende die schulische Profilierung als ihren Schwerpunkt wählen;426 o dass die Heterogenität von Gesellschaft, die sich auch in den Klassenzimmern widerspiegelt, mit dem Fernziel einer inklusiven Gesellschaft explizit Beachtung findet,427 o dass Lehrerbildung selbst als lebenslanger, phasenübergreifender Prozess verstanden wird, der eine Beteiligung der Universität in allen Phasen einschließt. • Der im Bologna-Prozess verfolgte Paradigmenwechsel hin zur Kompetenzorientierung wurde bei der Konzeptionierung von Lehramtplus explizit als Chance begriffen. Dabei sollte eine kognitivistische Verengung in der Forschung wie in der Lehre vermieden werden; Grundlage dafür bildet das ganzheitliche, werteorientierte Profil der Universität Eichstätt-Ingolstadt als Katholischer Universität. • Als ein konkretes Mittel der Realisierung/ Ermöglichung einer Reform des Lehramtsstudiums wurde die Schaffung geeigneter Strukturen angesehen, die einen Rahmen für die Qualifikation der Studierenden zur Begleitung schulischer und außerschulischer Bildungsprozesse schaffen, innerhalb deren die Studierenden aber durch Wahlentscheidungen Strukturmaßnahme Lehramt plus eigene Profile ausbilden können (s. unten, ). An der KU wurde seit ca. 2005 die Bologna-Reform zeitgleich bezogen auf alle Studiengänge realisiert. Lehrerbildung funktionierte dabei als Motor, nicht zuletzt deshalb, weil der Modellversuch im Studienjahr 2007/08 starten sollte und weil die Beauftragung mit der Realisierung des Modellversuchs zugleich die Mitwirkung an der Koordination des Gesamtprozesses „Bologna” umfasste. Die gemeinsame Modularisierung schuf eine Basis, von der das gesamte Studienangebot der KU dauerhaft profitierte: • Die Vorgaben der Lehramtsprüfungsordnung (LPO) wurden so in die Bachelor- und Masterangebote der Fächer integriert, dass Lehramts- und Nicht-Lehramtsstudierende 426 Ganz in der Humboldtschen Tradition geht es dann bei den geistes- und kulturwissenschaftlichen Bildungsprozessen nicht nur um die Entwicklung von Fachkompetenzen, sondern auch um die Fähigkeit zu vernetzen, zu reflektieren, sich auszutauschen, Situationen ganzheitlich zu sehen. 427 Die Auseinandersetzung mit Inklusion, wie sie in Folge der 2008 in Kraft getretene UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen im Jahr 2014 auch als Aufgabe der Lehrerbildung in die bayerischen Lehramtsprüfungsordnung aufgenommen worden ist, war somit von Anfang an angelegt. Unterstützt wird dies durch das interdisziplinäre Drittmittel-Projekt „Leben und Lernen in inklusiven Schulen“ (2014-2019) der KU, das ein umfassendes Konzept von Inklusion vertritt, also das gemeinsame Leben und Lernen von Migranten, Lernenden mit besonderen Förderbedarfen und autochthonen Schülern. 200 die Module in ihren Studiengängen im Pflicht, Wahlpflicht- oder Wahlbereich wählen können. Eine Konkurrenz zwischen den Lehrerbildungs- und Fachstudiengängen um Ressourcen wurde so ebenso verhindert wie eine übergroße Wahlfreiheit der Studierenden, die durch Beliebigkeit der Entwicklung lehramtsspezifischer Kompetenzen entgegensteht. • Die Zeitfensterpläne, die für Lehramtsstudierende entwickelt wurden, um ein überschneidungsfreies Studienangebot zu gewährleisten, sind auch für Fachstudierende hilfreich. Das liegt einerseits an der bewusst konstruierten Polyvalenz, andererseits daran, dass die bayerischen Vorgaben 428 Fächerkombinationen in weiten Teilen sachlich motiviert sind für die und damit auch von Studierenden außerschulischer Studiengänge oft gewählt werden. • Schließlich wird durch die gemeinsame Modularisierung ein Wechsel zwischen Lehramts- und Nichtlehramts-Studiengängen erleichtert, z.B. nach dem Sockelstudium, in dem u.a. zur Reflexion der möglichen Berufsfelder angeregt wird. • 2010 erweiterte die Universität die in Lehramtplus entwickelte Struktur mit dem Modell flexible Bachelor- und Masterstudiengänge über das Lehramtsstudium hinaus.429 Die Studierenden entscheiden, welche Fächer sie kombinieren, in welchem Umfang sie die bis zu drei Fächer studieren; es kann auch die Entscheidung für ein Ein-Fach-Studium getroffen werden. In einem bis zu 25 ECTS-Punkte umfassenden Wahlbereich können die Studierenden sich ein individuelles Profil bilden, indem sie Fachmodule, interdisziplinären Module, aber auch überfachlichen Module aus dem Gesamtangebot der KU wählen. Die in den intensiven Abstimmungsprozessen zum Ausdruck kommende Akzeptanz der Lehrerbildung führte letztlich auch dazu, dass diese als Profilelement im 2014 verabschiedeten Entwicklungsplan der KU verankert wurde. 3. Struktur des Studienmodells Lehramtplus 428 Dies lässt sich am Beispiel der Kombinierbarkeit von kulturwissenschaftlichen Fächern (Geschichte, Sozialkunde, Geographie, Religion) mit Philologien gut nachvollziehen. 429 An diesem Studiengangkonzept beteiligen sich auch Fächer, die nicht im Lehramt gewählt werden können. 201 Trotz der Vereinfachung, die die gemeinsame Modularisierung aller Studiengänge mit sich brachte, blieben spezifische Herausforderungen für die Strukturierung der Lehramtplus Studiengänge bestehen. Sie erklären sich aus den Zwang, sowohl die Vorgaben der LPO berücksichtigen zu müssen als auch (aufgrund polyvalenter Studienangebote) die universitätsinternen Prüfungsordnungen und aus dem eben skizzierten Ziel, einen systematischen und individuellen Mehrwert des zusätzlichen Bachelor- und Masterabschlusses gegenüber einem grundständigen Staatsexamensstudium sicher zu stellen. Die dadurch entstehende Komplexität wurde durch eine stringente Strukturierung des Studiums geregelt, innerhalb derer aber möglichst hohe Entscheidungsspielräume für die einzelnen Studierenden bestehen. Alle Lehramtsstudiengänge (und viele Fachstudiengänge) haben dieselbe Struktur: Sie bestehen aus 1. einem Sockelstudium („polyvalenter Sockel”), 2. einer „Vertiefungsphase”, die durch den Bachelorgrad abgeschlossen wird, 3. einer „Profilphase”, an deren Ende das Staatsexamen steht, 4. einer Erweiterung der Profilphase mit dem Ziel eines Masterabschlusses. Diese Abfolge bildet den strukturellen Rahmen für eine Progression innerhalb des Studiums, wobei die Module der gewählten Fachwissenschaften, der zugehörigen Fachdidaktiken und der Erziehungswissenschaften so auf Sockel – Vertiefung – Profilierung verteilt sind, dass dies eine Progression auch innerhalb dieser „Säulen” sicherstellt. Auch die Praxismodule sind entsprechend in den Studienverlauf eingeordnet. Die berufsspezifischen Module sind im so genannten „Lehramt-Track“ zusammengefasst, der in sich einen logischen Aufbau hat, der nicht nur Progression, sondern auch Quervernetzung ermöglicht. Wegen der Komplexität kommt für das konkrete Studium der einzelnen Studierenden den idealtypischen Studienplänen als Instrument zugleich für die Semesterplanung als auch für die Gesamtorientierung des Studiums besondere Bedeutung zu. 3.1 Idealtypische Studienpläne Die Studienpläne erfüllen eine Mehrfachfunktion für Studierende und Lehrende. • Sie gewährleisten die Studierbarkeit der unterschiedlichen Fach-Kombinationen innerhalb der Regelstudienzeit. 202 • Sie schaffen den Rahmen, innerhalb dessen ein progredierendes Studium in den studierten Fachwissenschaften, Fachdidaktiken und Erziehungswissenschaften erfolgt. • Sie ermöglichen es den Dozentinnen und Dozenten, aufeinander abgestimmte LehrLernkonzepte zu entwickeln. • Insbesondere werden kooperative Module, die die Studierenden dabei unterstützen, Lehrerkompetenzen als Querschnittskompetenzen zu entwickeln, fest im Studienplan verankert. • Das Praxiskonzept ist so in das Gesamtstudium integriert, dass vernetzte, berufsfeldorientierte Handlungskompetenzen gezielt gefördert werden können. • Mit Hilfe der Module zur Bachelorarbeit und des Moduls Bachelorarbeit wird die Entwicklung eines wissenschaftlichen Habitus weiter geführt, der auch die Grundlage für das Selbstverständnis der Lehrkraft als „scientist practitioner“ darstellt. • Die Visualisierung der Studienplänen stellt den „Lehramtstrack“ als Zentrum des Lehramtsstudiums dar, in dem die berufsspezifischen fachdidaktischen und erziehungswissenschaftlichen Module sowie die Praxismodule und die Wahlmodule zur Bachelorarbeit verortet sind. • Die idealtypischen Studienpläne bilden auch für Studierende, die ihr Studium abweichend von den vorgeschlagenen Abläufen gestalten wollen, einen Orientierungsrahmen für die angestrebten Abschlüsse. Die Visualisierungen der Studienpläne verdeutlichen auf einen Blick das unterschiedliche Konzept, das den Schularten mit Fachlehrerprinzip (in Bayern sind das Gymnasium und Realschule) und den Schularten mit Klassenlehrerprinzip (Grund- und Mittelschule) zugrunde liegt. Im einen Fall dominiert die fachwissenschaftliche Ausbildung in den beiden gewählten Fächern das Studium, im anderen sollen die Studierenden zum Unterrichten in mehreren Fächern befähigt werden, konkret in einem Hauptfach und drei Nebenfächern, den so genannten Didaktikfächern. Die Studienpläne arbeiten mit farblichen Visualisierungshilfen. Im Falle des Gymnasial- und Realschulstudiums bedeutet dies: Die Fächer sind hellblau und hellgrün; ihnen sind deren Fachdidaktiken zugeordnet (dunkelblau und dunkelgrün). Der Lehramtstrack ist für die Bachelorphase rot, für die Masterphase violett umrahmt. In ihm sind die im engeren Sinne berufsfeldbezogenen Studien verortet. Die erziehungswissenschaftlichen Studien (gelb) beziehen sich auf Pädagogik und Psychologie. Die Praxisphasen (fleischfarben) sind 203 systematisch in das Studium integriert. Insbesondere mit Hilfe der rosafarbenen Module (Wahlmodule zur Bachelorarbeit und Bachelorarbeit) und der violett eingefärbten Module (Wahlmodule der Masterphase- bzw. Masterarbeit) können die Studierenden eine individuelle wissenschaftliche Schwerpunktbildung betreiben. Abb.8: Idealtypischer Studienplan (KU Eichstätt): Lehramt Gymnasium 204 Abb.9: Idealtypischer Studienplan (KU Eichstätt): Lehramt Realschule Für die Schularten mit Klassenlehrerprinzip wird nur ein Fach polyvalent mit Fachstudierenden studiert (hellblau in den idealtypischen Studienplänen); das zweite Fach setzt sich, den Erfordernissen der Schulart entsprechend, aus mehreren Teilen zusammen, die sowohl der Schulartspezifik als auch dem in der Schulart erfolgenden Fachunterricht Rechnung tragen. Für das Studium der Grundschule kommt die Schulartspezifik durch das Fach Grundschulpädagogik/-didaktik zum Ausdruck (hellgrün); für Mittelschule sind 6 ECTS-Punkte für Mittelschulpädagogik vorgesehen (hellgrün). Abb.10: Idealtypischer Studienplan (KU Eichstätt): Lehramt Grundschule Auf den Unterricht in den Nebenfächern bereiten in Bayern drei Didaktikfächer („Tripeldidaktiken“) vor (olivfarben); ein zugehöriges Fachstudium erfolgt nicht. Den Didaktiken der Fächer Deutsch und Mathematik wird dabei ein besonderes Gewicht eingeräumt; zudem muss in der Regel die Didaktik eines musischen Fachs (Kunst, Musik oder Sport) belegt werden. Insbesondere im Studium für das Lehramt an Grundschulen können die Didaktiken natur- und geisteswissenschaftlicher Sachfächer nur sehr eingeschränkt gewählt werden. Um eine gesellschaftliche Einbindung des Lehramtsstudiums für Grund- und 205 Mittelschule sicherzustellen, müssen im Rahmen der Erziehungswissenschaften einzelne kulturwissenschaftliche Module gewählt werden (Theologie, Philosophie, Politikwissenschaft, Soziologie, Volkskunde; im idealtypischen Studienplan sind sie in der Farbe der Erziehungswissenschaften, also gelb eingefärbt). Das grau eingefärbte Modul Basiskompetenzen stellt ECTS-Punkte für eine, selbst im Vergleich zu den Tripeldidakiken noch basalere Einführung ins Unterrichten der musischen Fächer bzw. des Faches Englisch bereit; dazu kommen in der Hauptschule eine Basisqualifikation für berufliche Bildung.430 Abb.11: Idealtypischer Studienplan (KU Eichstätt): Lehramt Mittelschule 3.2 Detaillierung zu den Studienphasen 3.2.1 Sockelstudium Das dreisemestrige (Realschule/ Gymnasium) bzw. zweisemestrige (Grund- und Mittelschule) Sockelstudium hat zwei Funktionen. Zum einen soll es den Studierenden ermöglichen, an der 430 Die bayerische LPO verlangt, dass die Studierenden diese grundlegenden Kompetenzen außerhalb ihres Studiums erwerben. De facto können viele Studierenden dafür keinen Nachweis erbringen, und müssen den Kompetenzerwerb deshalb in der Zeit des Lehramtsstudiums erbringen. Als Akt der Fairness wird im Rahmen von Lehramtplus dafür Studienzeit vorgesehen. 206 Universität anzukommen und die Entwicklung eines wissenschaftlichen Habitus grundzulegen. Zum anderen soll bis nach dem Sockelstudium ein Wechsel zwischen einem lehramtsbezogenen Studium und einem auf andere Berufsfelder bezogenen Fachstudium ohne Zeitverlust möglich sein. Dies setzt voraus, dass die Studierenden in den ersten Semestern die Gelegenheit bekommen, sich eine Vorstellung von den schulischen Handlungsfeldern einer Lehrkraft zu machen, sich aber auch mit anderen potentiellen Berufsfeldern befassen können, die durch die gewählten Fächer angezielt werden. Bei der Konzeptionierung von Lehramtplus wurde die Entscheidung getroffen, im Sockelstudium den fachlichen Grundlagen ein deutliches Gewicht zu geben, das Berufsfeld Schule zwar grundsätzlich einzubeziehen, die Entwicklung der berufsfeldbezogenen Kompetenzen aber vorrangig in der Vertiefungs-, zum Teil auch noch in der Profilierungsphase zu verorten. Diese Entscheidung war nicht alternativlos. Denkbar wäre etwa auch gewesen, ein Lehramtsstudium mit breit angelegten Praktika zu beginnen oder mit einem vorrangig erziehungswissenschaftlichen Sockelstudium. Begründet ist die Entscheidung damit, dass Unterrichten eines der maßgeblichsten Handlungsfelder für Lehrkräfte ist, dass durch Unterricht immer auch die fachlichen Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler entwickelt werden sollen und dass angehende Lehrerinnen und Lehrer ihrerseits über fachliche Kompetenzen verfügen müssen, ehe sie über das Schulfach und dessen Bedeutung für Schülerinnen und Schüler nachdenken können, bzw. diese in Praktika dabei unterstützen können, fachliche Kompetenzen (weiter-) zu entwickeln. Dafür, dass das Berufsfeld Schule dennoch von Anfang an im Blick bleibt, sorgen Basismodule aus den Erziehungswissenschaften (insbesondere aus der Schulpädagogik) und den Fachdidaktiken sowie erste Praxiserfahrungen im Modul schulpädagogisches Blockpraktikum. Die SWOT-Analyse, die 2013 im Zuge der Antragstellung zur Qualitätsoffensive Lehrerbildung erfolgt ist, verwies hier auf einen Optimierungsbedarf. Studierende, die sich für ein Lehramtsstudium entscheiden, sollen das Berufsfeld Schule und das Qualifikationsziel als „scientist practitonier” die vielfältigen Anforderungen im Handlungsfeld Schule bewältigen zu können, von Anfang an deutlicher vor Augen haben. Weil zugleich die Argumentation richtig bleibt, dass es nicht sinnvoll ist, Unterrichtskompetenzen entwickeln zu wollen, ohne über ausreichende wissenschaftliche Grundlagen (gemeint sind damit fachwissenschaftliche, fachdidaktische und erziehungswissenschaftliche) zu verfügen, wurde als Lösungsvorschlag 207 erarbeitet, vor Beginn des Studiums alternativ zum dreiwöchigen Orientierungspraktikum ein Orientierungsmodul anzubieten, das u.a. dazu beitragen soll, den Studienaufbau des Sockelstudiums aus einer Auseinandersetzung mit den Ansprüchen des Berufsfelds Schule an Lehrkräfte zu verstehen.431 Eine weitere strukturelle Veränderung wird von den Fachvertreterinnen und Fachvertretern der Grundschulpädagogik/ -didaktik, aber auch von Grundschul-Studierende eingefordert: Sie dringen darauf, den Grundschulbezug ab dem ersten Semester zu verstärken und einen Schulartwechsel zur Mittelschule nur im Einzelfall aber nicht strukturell zu ermöglichen. Der pädagogische Impetus, der auch in der PaLea-Studie als Motiv für die Wahl der Schulart Grundschule festgestellt wurde, lässt es sinnvoll erscheinen, diese Veränderung anzubieten. 3.2.2 Vertiefungsphase Auch in einem Studium, das durch sowohl die LPO als auch durch Polyvalenz mit anderen Studiengängen reguliert ist, haben Studierende Spielräume. Die Wahlmöglichkeiten sind von Fach zu Fach unterschiedlich umfangreich. Ein Geschichtsstudierender etwa kann entscheiden, bezogen auf welchen Raum und auf welchen thematischen Schwerpunkt er sich mit einer Epoche auseinandersetzt. Auch in den Philologien bestehen vielfältige Wahlmöglichkeiten, z.B. in Bezug auf Literaturgattungen, auf Medien und auch auf Epochen. Die Studien in Mathematik oder Psychologie reglementieren dagegen das Bachelor-Studium wesentlich stärker. Unabhängig von den fachabhängig gegebenen Spielräumen bilden die Studierenden ihren Bachelor-Schwerpunkt, indem sie ein Bachelorfach festlegen und dort zwei Module 431 „Der Iststand ist, dass das dreiwöchige Orientierungspraktikum vor Beginn des Studiums (Zulassungsbedingung zum Lehramtsstudium) ohne Begleitung seitens der Universität an einer von den angehenden Studierenden gewählten Schule erfolgt. Aufgrund der SWOT-Analyse wurde im Zuge der Antragsstellung der KU zur Qualitätsoffensive ein Orientierungsmodul „mit dem primären Ziel eines Perspektivenwechsels weg von der Schule als Ort des eigenen Lernens, hin zur Schule als Ort professionellen Lehrerhandelns entwickelt. In diesem dreiwöchigen, vor Beginn des Studiums angebotenen Orientierungsmodul soll durch die Klärung der Fragen „Welche Motive verbinde ich mit dem Lehramtsstudium?“ und „Wie sehe ich mich mit meinen spezifischen Stärken und Schwächen als zukünftige Lehrkraft?“ zum einen eine persönliche Entwicklungsperspektive eröffnet werden. In den Praktikumsphasen erfahren die Studierenden zum anderen, in welchen Bereichen Kompetenzen aufgebaut werden müssen, um eine für Schüler förderliche Erziehungs- und Unterrichtssituation zu gestalten. Methoden sind u.a. angeleitete Unterrichtsbeobachtung und Austausch mit Lehrkräften, Schulleiterinnen und Schulleitern und Dozentinnen und Dozenten. Die universitäre Begleitung erfolgt disziplinär (fachwissenschaftlich, fachdidaktisch und erziehungswissenschaftlich) und disziplinübergreifend, so dass Theorie und Praxis des Lehrerberufes aus unterschiedlichen Perspektiven reflektiert werden.” (Aus dem Antrag der KU zur Qualitätsoffensive Lehrerbildung, 2014, erarbeitet von Waltraud Schreiber, Katja Seitz-Stein, Joachim Thomas und Stefanie Zabold). 208 zusätzlich zum (Wahl-)Pflichtpensum wählen, die so genannten Wahlmodule zur Bachelorarbeit. Das damit verbundene Ziel ist es die Kompetenzen zu vertiefen, die notwendig sind, um mit eine erste umfangreichere wissenschaftliche Arbeit zu schreiben. Für den lehramtsgeeigneten Bachelorabschluss können grundsätzlich die für das Staatsexamen vorgeschriebenen Module auf Bachelorniveau angerechnet werden; umgekehrt können die für den Bachelorabschluss gewählten Module für die Zulassung zum Staatsexamen verrechnet werden. Die Bachelorarbeit bezieht sich naturgemäß auf eines der studierten Fächer. Im Rahmen von Lehramtplus wird diese auch als schriftliche Hausarbeit („Zulassungsarbeit”) für das Staatsexamen anerkannt. Wird eine Fachdisziplin (einschließlich ihrer Fachdidaktik) als Bachelorfach gewählt, wird diese zum Hauptfach. Es sollte dann darauf geachtet werden, dass die ECTS-Punkte ausreichen, um ggfs. auch zu einem Ein-Fach-Masterstudium im Hauptfach zugelassen zu werden.432 Bei der beschriebenen Schwerpunktbildung erwerben die Studierenden den Grad eines Bachelor of Arts oder Science. Wird die Bachelorarbeit in Pädagogik geschrieben oder erfolgt keine Schwerpunktbildung erwerben die Studierenden den Grad eines Bachelor of Education. Der Mehrwert des vor dem Staatsexamen liegenden Bachelor-Abschlusses besteht darin, einen international anerkannten akademischen Abschluss erworben zu haben, der weltweit zu einem Masterstudium berechtigt, wahlweise für ein Lehramtsstudium oder für die Aufnahme einer Berufstätigkeit in einem anderen Feld.433 3.2.3 Profilphase Die Profilphase ist zweigeteilt: Die Studierenden können sie mit dem Staatsexamen abschließen oder erweitern und mit einem Masterabschluss beenden. In den Semestern vor dem Staatsexamen nehmen die Studierenden vermehrt das Berufsfeld Schule in den Blick, sie bereiten sich auf diese Weise nicht nur auf das zentrale Staatsexamen vor,434 sondern auch auf die zweite Phase. Zudem soll die Grundlage verstärkt werden, sich als „scientist practitioner“ zu verstehen. Die Studierenden absolvieren das abschließende 432 Dass dies für alle Universitäten, nicht nur für die eigene gelten sollte, ergibt sich im Bologna-Zeitalter quasi von selbst. 433 Das Staatsexamen ist dagegen international nicht bekannt; wenn überhaupt wird es, auch wenn es sieben oder gar neun Semester Studium umfasst, als Bachelorabschluss anerkannt. 434 Das Staatsexamen umfasst immer eine Zentralklausur in einer Erziehungswissenschaft (wahlweise Pädagogik oder Psychologie) und eine Zentralklausur in den studierten Fachdidaktiken. Dabei wird konkreter Schulartbezug jeweils eingefordert. 209 fachdidaktische Modul, das letzte Modul aus den Erziehungswissenschaften und mit Unterrichten 2 ihr letztes Praxismodul. Außerdem steht noch ein weiterer dreiwöchiger Praktikumsblock an, bei dem sie nunmehr bereits in der Lage sein sollen, fachdidaktische oder erziehungswissenschaftliche Innovationen zu berücksichtigen, selbst Ansätze zur Differenzierung oder gar Individualisierung zu erproben etc. Dieser Block kann auch für ein „Schnupper-Referendariat“ genutzt werden, für Praktika im Ausland, insbesondere auch in Entwicklungs- und Schwellenländern. Wer nach dem Staatsexamen noch einen Master-Abschluss erwerben will, kann sein Profil auf sehr individuelle Weise entwickeln. Die Entscheidung kann zwischen berufsfeldspezifischen Angeboten (Inklusion, Bildung für nachhaltige Entwicklung, Deutsch als Fremdsprache/ Didaktik des Deutschen als Zweitsprache), fachwissenschaftlichen Vertiefungen oder dem Berufsfeld außerschulische Bildung fallen. Es können Schwerpunkte gewählt werden, die eher zur Grundlagenforschung oder eher zur anwendungsbezogenen Forschung tendieren; eine Zusammenhang zur Promotion kann angelegt werden. Grundsätzlich können in das Masterstudium lehramtsbezogene Module, die aus dem Staatsexamensstudium stammen, eingebracht werden.435 Alle an der KU angebotenen lehramtsgeeigneten Masterstudiengänge schließen mit dem Grad eines Master of Arts/ of Science ab. Bewusst wird nicht der Grad eines Masters of Education verliehen, weil die Berechtigung zum Zugang ins Referendariat ja bereits durch das Staatsexamen nachgewiesen wird. Der Mehrwert gegenüber dem Staatsexamen besteht darin, dass Profile für bildungsbezogene schulische und außerschulische Berufsfelder ausgebaut werden können, die auf die bereits erworbenen schulischen Querschnittskompetenzen aufsetzen, dieses vertiefen und/ oder erweitern. Abhängig vom studierten Lehramt ergeben sich Besonderheiten für die Ausrichtung des Masterstudiengangs. 3.2.3.1 Lehramtsstudium Gymnasium Ein Teil der Studierenden erweitert das Staatsexamensstudium nur noch durch die Masterarbeit in einem der ohnehin studierten Fächer. Die Masterarbeit wird dann 435 Weil eine Bund-Länder-Vereinbarung festlegt, dass der Bachelorabschluss keineswegs ausreicht, um die erste Phase der Lehrerbildung abzuschließen, reicht auch die Regelstudienzeit für Staatsexamina notwendig in die Masterphase eines gestuften Studiums. In Bayern beträgt die Regelstudienzeit für Grund-, Mittel- und Realschule sieben Semester, für Gymnasium neun Semester. Zur Zulassung für das modularisierte Staatsexamen absolvieren Lehramtsstudierende polyvalente Mastermodule aus den Fachstudiengängen, Module auf Masterniveau aus den Fachdidaktiken sowie Erziehungswissenschaften und Praxismodule auf Masterniveau. Diese sind in den Master-Studienordnungen verankert und werden in den idealtypischen Studienplänen in der Profilphase (7. Semester und später) verortet. 210 üblicherweise in dem Fach (bzw. in der Teildisziplin) geschrieben, das (bzw. die) auch in den Profilmodulen gewählt wird. Neben den fachwissenschaftlichen (Teil-)Disziplinen kann das auch die jeweilige Fachdidaktik sein. Mit einer in die Tiefe gehenden wissenschaftlichen Arbeit zu einem im Studium verfolgten Schwerpunkt weisen die Studierenden sich als spezialisiert und qualifiziert aus – z.B. auch für eine Tätigkeit als wissenschaftlicher Nachwuchs. Andere Gymnasialstudierende erweitern ihr Lehramtsstudium z.B. durch die Ausrichtung auf einen außerschulischen Schwerpunkt, oft in Bezug auf Bildungsinstitutionen oder informelle Formen lebenslanger Bildungsangebote (u.a. Neue Medien). Wieder andere konzentrieren sich zusätzlich auf Aspekte des schulischen Berufsfeldes (Sensibilisierung für Unterrichten in inklusiven Klassen, für Ganztagsschule, für Deutsch als Fremdsprache, bilingualen Sachfachunterricht usw.). Die Masterarbeiten können dann auch interdisziplinär angelegt sein, und sich z.B. als empirische Studien auf diese Felder beziehen. Die meisten Studierenden schreiben sich ins Masterstudium frühestens kurz vor dem Staatsexamen ein;436 sie entscheiden ausgehend vom angestrebten Profil, ob sie sich alle anrechenbaren Module ihres Staatsexamensstudiums tatsächlich anrechnen lassen wollen, oder ob sie eine Auswahl treffen und dafür ihr Studium schwerpunktbezogen um ein oder mehrere Semester verlängern wollen. 3.2.3.2 Lehramtsstudium Realschule Weil das Staatsexamensstudium sich wie beim gymnasialen Studiengang ebenfalls auf zwei Fachdisziplinen bezieht, können die beschriebenen Varianten mit den skizzierten Zielsetzungen auch von diesen Studierenden gewählt werden. Anders als im Falle der Kommilitoninnen und Kommilitonen mit dem Berufsziel Gymnasium sind die Studierenden im zweiten und dritten Mastersemester nicht an Vorgaben der LPO gebunden; dies erhöht die Flexibilität: Varianten die die Realschul-Studierende bislang gewählt haben, sind a) das Hauptfach auf mindestens 55 ECTS-Punkten auszuweiten und die Staatsexamens-Module des 7. Semesters im freien Bereich zu verrechnen; b) ein wissenschaftliches Hauptfach im Umfang von mindestens 30 ECTS-Punkten mit einem geeigneten schulischen oder außerschulischen Schwerpunkt aus der zugehörigen Fachdidaktik zu kombinieren (Umfang 25 ECTS-Punkte); c) Haupt- wie Nebenfach gleichmäßig zu verstärken (auf 40 ECTS436 Es ist möglich, nach dem Absolvieren des Staatsexamens das Referendariat abzulegen, ggf. auch weitere Jahre an der Schule zu verbringen und dann an die Universität zurück zu kehren, um das Masterstudium zu vollenden. 211 Punkte) und eine interdisziplinäre Masterarbeit zu schreiben; d) zu den mit 30 bzw. 25 ECTS Punkten studierten Unterrichtsfächern ein drittes, neues Nebenfach im Umfang von 25 ECTSPunkten zu wählen (Erwachsenenpädagogik, Deutsch als Fremdsprache u.a.). 3.2.3.3 Lehramtsstudium Grund- und Mittelschule Ein Teil der Studierenden verfasst die Bachelorarbeit im Unterrichtsfach und wählt dieses auch als Haupt- oder Nebenfach im Masterstudiengang. Einige Studierenden konzentrieren sich im Masterstudium bewusst auf die Wissenschaftsdisziplin des gewählten Unterrichtsfaches und weisen sich so, analog zu den Kommilitonen der anderen Schularten, als inhaltlich spezialisiert, auch über die Schule hinaus, aus.437 Wird die Ausrichtung auf die Schule als Berufsfeld gewünscht, kann das durch die Wahl des zweiten, ggfs. dritten Fachs sicher gestellt werden, bzw. durch die Wahl von schulbezogenen Schwerpunkten, wie z.B. der Schulsozialarbeit438, Deutsch als Fremd und Zweitsprache439 oder Inklusion440. Weil das fachliche Lernen junger Lernender weitgehend unerforscht ist, ergeben sich insbesondere für empirische Masterarbeiten zahlreiche spannende Themen. 3.2.4 Lehramtstrack 3.2.4.1 Lehramtstrack Realschule/ Gymnasium Der Lehramtstrack setzt bezogen auf Realschule/ Gymnasium im zweiten Semester des Sockelstudiums mit zwei gegenläufigen Modulen, einem allgemein- und schulpädagogischen Einführungsmodul auf der einen und dem Modul Fachreflexion auf der anderen Seite ein. Dieses Modul stellt neben das schulische Berufsfeld alternative außerschulische Berufsfelder, die typisch für die studierten Fächer sind. Das Ziel ist zum einen, die Studierenden anzuregen, 437 Einige Studierende wählen, passend zum Hauptfach, einen fachdidaktischen Schwerpunkt aus der außerschulischen Bildung (z.B. Geschichtskultur zum Hauptfach Geschichte in der Teildisziplin Geschichtsdidaktik und beziehen die Masterarbeit dann auf junge Lerner z.B. an Gedenkstätten). 438 Der Masterstudiengang „Schulsozialarbeit“ adressiert Studierende mit einem Lehramtsabschluss oder einem Bachelorabschluss in sozialer Arbeit. Grundlagenmodule zum je anderen Berufsfeld müssen belegt werden. Darauf bauen Spezialisierungsmodule zur Schulsozialarbeit auf, die gemeinsam studiert werden und Forschungsmodule, die die Masterarbeit in einem sich erst neu etablierenden Feld vorbereiten. 439 Dieser Masterstudiengang setzt keinen speziellen Bachelorstudiengang voraus, sondern den Abschluss eines Lehramtsstudiums, unabhängig von der Schulart. Die Spezialmodule sind auf 2 Semester konzentriert, dazu kommt die Masterarbeit. Bis zu 25 ECTS-Punkten können frei gewählt werden. 440 Zugangsbedingung sind ein abgeschlossenes Lehramtsstudium, ein Bachelorabschluss in Pädagogik, Religionspädagogik, Soziale Arbeit oder Psychologie. Mindestens 55 ECTS Punkte müssen sich auf Leben und Lernen in inklusiven Schulen befassen, Schwerpunktbildungen sind durch die Wahl geeigneter Nebenfächer möglich (z.B. Schulentwicklung, Migration, empirische Bildungsforschung, Schulsozialarbeit). 212 den Berufswunsch Lehrer oder Lehrerin im Spiegel anderer Möglichkeiten noch einmal zu überprüfen, zum anderen lebenslanges Lernen als Merkmal unserer Zeit zu konkretisieren: Schule muss das non-formale Lernen an außerschulischen Lernorten, aber auch informelles, eher zufälliges Lernen zunehmend einbeziehen, wenn sie auch auf Bildungsprozesse jenseits des Klassenzimmers vorbereiten will. Die beruflichen Kernaufgaben rücken im dritten Semester ins Zentrum des Lehramtstracks. Im Intensivkurs werden die Grundlagen der Pädagogik/ Schulpädagogik auf die favorisierte Schulart bezogen und fokussiert vertieft. Der Intensivkurs dient zugleich der Vorbereitung des Blockpraktikums 1. Im selben Semester liegt die Einführung in die beiden studierten Fachdidaktiken. Sie können sie sich auf die inzwischen aufgebauten fachlichen Grundlagen der zugehörigen Fachdisziplinen ebenso beziehen wie auf die Grundlagen aus dem pädagogischen Einführungsmodul und dem Intensivkurs. Das nachfolgende Blockpraktikum macht es erstmals notwendig, Theorie und Praxis im Berufsfeld Schule aufeinander zu beziehen. Das vierte Semester mit Unterrichten I und einem weiteren schulpädagogischen Modul fokussiert auf die Handlungsfelder des Unterrichtens und Erziehens. Das Aufbaumodul Pädagogik leitet die Vertiefungsphase ein, in der die Studierenden ihr Profil anlegen können. Eine Reihe Studierender entscheiden sich für einen berufsfeld-bezogenen Schwerpunkt und schreiben die Bachelorarbeit in einer der Fachdidaktiken oder einer pädagogischen Teildisziplin. Dafür belegen sie zwei zusätzliche Vertiefungsmodule. Das Blockpraktikum II kann z.B. für empirische Arbeiten genutzt werden, zur praktischen Erprobung theoretischen Ansätze, dazu Schulerfahrungen im Ausland zu gewinnen etc. In der Masterphase sind die berufsfeldbezogenen Psychologiemodule verortet, das fachdidaktische Aufbaumodul und Unterrichten II. In diesem Modul werden Bezüge auf die Fachwissenschaften auf einem vertieften Niveau hergestellt, z.B. wenn es um niveaudifferentes Arbeiten geht. Diagnostizieren, individuelles Fördern und ClassroomManagement profitieren dabei auch von den inzwischen absolvierten psychologischen Einführungen. Die universitäre Ausbildung wird damit für Studierende abgeschlossen, die ins Referendariat wechseln. Profilierungsmöglichkeiten, auch berufsfeldbezogene, bieten sich in den auf das Staatsexamensstudium aufbauenden und es vertiefenden Masterstudien an. Dies wurde bereits dargestellt. 213 3.2.4.2 Lehramtstrack Grund- und Mittelschule Die Grundintentionen der Anlage des Lehramtstracks wiederholen sich: In der Grund- und Mittelschule beginnt er allerdings bereits im ersten Semester. Dort ist das erste erziehungswissenschaftliche Modul verortet, in dem es um die gesellschafts-/ kulturwissenschaftliche Einordnung von Schule geht. Das Modul schafft eine Erweiterung zum Einführungsmodul Grund- bzw. Hauptschulpädagogik, das auf die schulartspezifischpädagogischen Besonderheiten der gewählten Schulart gerichtet ist. Das pädagogische/ schulpädagogische Grundlagenmodul und der Intensivkurs schaffen im zweiten Semester die Grundlage für die im Grund- und Mittelschulstudium früher einsetzende schulpraktische Ausrichtung des Studiums. Sie beginnt mit dem Modul Blockpraktikum (nach dem zweiten Semester) und dem zusätzlichen Praxismodul (im dritten Semester). Die fachliche Ausrichtung des Unterrichtens rückt erst mit dem dritten Semester stärker ins Zentrum. Das Basismodul Fachdidaktik bereitet das fachdidaktisch ausgerichtete Modul Unterrichten I vor. Ab dem vierten Semester verbreitern pädagogische und psychologische Module, dazu ein weiteres gesellschafts-/ kulturwissenschaftliches Modul die Einordnung der schulischen Handlungsfelder. In dieser Vertiefungsphase bilden auch die Studierenden der Lehrämter Grund- und Mittelschule ihren Bachelorschwerpunkt. Die Zahl der Studierenden, die sich für eine berufsfeld-bezogene Bachelorarbeit entscheiden, die in einer der pädagogischen Teildisziplinen oder einer Fachdidaktik geschrieben wird, ist größer als bei den Studierenden für Realschule/ Gymnasium. Dafür belegen sie zwei zusätzliche Vertiefungsmodule. Das Blockpraktikum II kann auch im Grund- und Mittelschulstudium z.B. für empirische Untersuchungen für die Bachelorarbeit genutzt werden, zur praktischen Erprobung theoretischer Ansätze oder um Schulerfahrungen im Ausland zu gewinnen. In der Masterphase liegt das letzte erziehungswissenschaftliche Modul verortet, dazu das fachdidaktische Aufbaumodul und Unterrichten II. In diesem Modul werden Bezüge auf die Fachwissenschaften auf einem vertieften Niveau hergestellt, z.B. wenn es um niveaudifferentes Arbeiten geht. Diagnostizieren, individuelles Fördern, ClassroomManagement profitieren dabei auch von den inzwischen absolvierten psychologischen Einführungen. Die universitäre Ausbildung wird damit für ins Referendariat wechselnde Studierende abgeschlossen. Profilierungsmöglichkeiten, auch berufsfeldbezogene, bieten sich in den auf das Staatsexamensstudium aufbauenden und es vertiefenden Masterstudien an; diese wurden bereits beschrieben. 214 4. Resümee Lehramtplus ermöglicht nicht nur formal den Erwerb eines Bachelor- oder Master-Grades neben dem bayerischen Staatsexamen. Der inhaltliche Mehrwert gegenüber dem Staatsexamen wurde heraus gearbeitet: Der Bachelorabschluss ist ein international anerkannter akademischer Abschluss und liegt zeitlich vor dem Staatsexamen. Der Masterabschluss vertieft und/ oder verbreitert das Staatsexamen und ermöglicht so eine auf schulische oder außerschulische Bildung bezogene Profilbildung. Inwiefern der Dreifach-Abschluss auch einen Mehrwert gegenüber den gestuften BolognaAbschlüssen der anderen Bundesländer hat, soll nun noch diskutiert werden. Ob ein solcher angenommen wird, hängt davon ab, ob sich ein Mehrwert in der vielfach kritisierten Doppelung von Staatsexamen und Modulprüfungen ergibt: Die Prüfungen, die die bayerischen Lehramtsstudierenden ablegen, folgen grundsätzlich unterschiedlichen Ausrichtungen: Die Modulprüfungen werden in der Regel als Semesterleistung erbracht; das zentrale Staatsexamen stellt die Studierenden dagegen vor die Herausforderung, ihr Wissen und ihre Kompetenzen längsschnittlich, bezogen auf das gesamte Studium nachweisen zu müssen. Dies zwingt zu einer das Studium resümierenden und durch eigene Lektüre vertiefenden Vorbereitung. Die These könnte aufgestellt werden, dass das Staatsexamen, indem es das gesamte Studium und nicht nur Einzelmodule umfasst, die Entwicklung von Lehrerkompetenzen, z.B. bezogen auf die in den HOLEKOs bestimmten Kompetenzbereiche, unterstützt: Die Vorbereitung für das Staatsexamen sollte nämlich ein den Kern identifizierendes Lernen sein. Das Abfassen der Klausuren ist eine Form einer sach- und medienspezifischen Synthese. Vor allem Selbsteinschätzung ist im Laufe der Vorbereitung immer wieder gefragt; zumindest bei der Bearbeitung der berufswissenschaftlichen Klausurthemen kann die Fähigkeit zur Einschätzung der Schülerinnen und Schüler nachgewiesen werden. Untersuchungen zur Frage, ob und inwiefern Staatsexamina tatsächlich einen Mehrwert haben, gibt es bislang kaum. Das BilWiss-Instrument, das vergleichende Aussagen zu erziehungswissenschaftlichem Wissen ermöglichen würde, wurde bislang in Bayern nicht repliziert. Die Ergebnisse der Studie PaLea 2, die die Auswirkung von Studienbedingungen vergleicht (und dabei u.a. gestufte und Staatsexamens-Studiengänge einbezieht), liegen noch nicht vor. 215 Könnte nachgewiesen werden, dass Staatsexamina positive Auswirkungen auf Kompetenzausprägungen haben, wäre als nächstes zu klären, inwiefern das wiederum das in Lehramtplus daran anschließende Masterstudium und den Masterabschluss beeinflusst. Die Master of Education-Abschlüsse wären hierzu mit lehramtsgeeigneten Master of Arts/ Science-Abschlüssen aus Bayern zu vergleichen. Während sich demzufolge vergleichende Aussagen zur inhaltlichen Qualität ohne entsprechende Studien verbieten, können strukturbezogene Aussagen durchaus getroffen werden. Es kann festgehalten werden, dass in Bezug auf die lehramtsgeeigneten Bachelorabschlüsse der anderen Bundesländer kaum Unterschiede bestehen: Als Abschlüsse werden deutschlandweit vorrangig „of Arts“- und „of Science“-Grade vergeben. Die lehramtsgeeigneten Masterstudiengänge der anderen Länder werden dagegen mit dem Grad eines „Master of Education“ abgeschlossen, weil die Masterabschlüsse in den anderen Bundesländern die bisherigen Staatsexamina ersetzen. Weil die Masterabschlüsse in Lehramtplus auf Staatsexamina aufsetzen und diese vertiefen und verbreitern, wird hier der Grad eines Master of Arts/ Science vergeben. Unabhängig von der oben angesprochenen Frage, ob Staatsexamina einen Mehrwert gegenüber Master of Education-Abschlüssen haben: Strukturell betrachtet ist der Masterabschluss in Lehramtplus der dritte Abschluss nach der Bachelor- und Staatsexamensprüfung. Es würde sich anbieten, mit Hilfe von systematischen Absolventenbefragungen zu klären, wie der Abschluss in der Selbsteinschätzung und Fremdeinschätzung (ein Indikator könnten Berufschancen sein) betrachtet wird. Weil der beantragte Zugang zu den Eichstätter Daten aus Datenschutzgründen verweigert wurde, liegen nur Zufallsdaten aus Befragungen von Master-Absolventen aus drei Fächern vor: Von fünf Absolventen aus der Geschichtsdidaktik (alle Lehramt Gymnasium) sind zwei aktuell als wissenschaftlicher Nachwuchs an Universitäten beschäftigt, einer in der innerbetrieblichen Fortbildung einer großen Firma und einer in der museumspädagogischen Abteilung eines Freiluftmuseums; einer absolviert derzeit das Referendariat. Von sieben Absolventen aus der Geographiedidaktik/ Schwerpunkt Bildung für nachhaltige Entwicklung ist einer als wissenschaftlicher Nachwuchs an Universitäten beschäftigt (Lehramt Gymnasium), einer in einer BNE-Fachabteilung eines Landratsamts (Lehramt Grundschule), zumindest einer absolviert das Referendariat (Lehramt Realschule); bei vier weiteren Absolventen (Grundschule und Gymnasium) wird dies angenommen. Als Grundlage, um z.B. der Frage nach dem Mehrwert des Modellversuchs nachgehen zu können, wurde die Studiengangsstruktur des Modellversuchs dargestellt, der Aufbau aus 216 einem polyvalenten Sockelstudium, einer mit dem Bachelorabschluss endenden Vertiefungsphase und einer zweigeteilten Profilphase, die einmal mit dem Staatsexamen, zum anderen mit dem Masterabschluss endet. Der Lehramtstrack wurde als das berufsspezifische Zentrum herausgearbeitet; Unterschiede in Bezug auf das Studium Realschule/ Gymnasium und Grund-/Mittelschule wurden beschrieben. Das Ziel ist, durch klare Strukturen den Rahmen einerseits für Progression in den studierten Fächern, zum anderen für einen vernetzten Aufbau von Lehrerkompetenzen zu schaffen. Dabei soll den Studierenden größtmöglicher Raum für ihre Profilierung als Experten für schulische und außerschulische Bildung eröffnet werden, trotz der Zwänge, die durch die Berücksichtigung der LPO auf der einen und der universitätsinternen Ordnungen auf der anderen bestehen. Die Module zur Bachelorarbeit spielen hierfür in der Bachelorphase die entscheidende Rolle; in der Masterphase sind die Freiräume für die Profilbildung, insbesondere für Studierende der Lehrämter an Grund- und Mittelschulen ungleich größer. Dies wurde ausführlich erläutert. Es wurde gezeigt, dass grundlegende Optimierungsmaßnahmen einer Grundlage bedürfen. Als Beispiel wird die 2013 im Zuge der Antragsstellung für die Qualitätsoffensive Lehrerbildung erarbeitete SWOT-Analyse angeführt.441 Die folgende SWOT-Analyse fasst die aktuelle Situation der Lehrerbildung an der KU in Bezug auf die geplante Qualitätsoffensive zusammen: Stärken Schwächen (1) Praktische Erfahrungen mit einen Begrenzte Anzahl von Stelleninhabern innovativen Lehrerbildungskonzept innerhalb der einzelnen Disziplinen (Lehramtplus) in der Lehre, der Administration, der Beratung, (2) Erfahrungen mit Ansätzen der Kooperation zwischen zwei oder „drei Säulen“ der Lehrerbildung (Fachwissenschaft, Fachdidaktik, Erziehungswissenschaft ) Die Zusammenarbeit zwischen Erziehungswissenschaften und Fachdidaktiken erfolgt bisher eher unsystematisch und punktuell in einzelnen Lehrveranstaltungen (Ringvorlesung, Praktika) 441 Sie wurde in Zusammenarbeit mit Kolleginnen und Kollegen aus der Psychologie (Prof. Dr. Joachim Thomas; Prof. Dr. Katja Seitz-Stein) und der Soziologie (Prof. Dr. Stefanie Eifler) erarbeitet. 217 (3) Innovatives Konzept zur Erweiterung des Berufsfeldbezuges durch gestufte, universitär betreute Praktika im Rahmen von Praxismodulen (seit 2007 implementiert) Schwierigkeiten bei der Umsetzung des Praktikumskonzeptes durch begrenzte personelle Ressourcen in Schule und Universität (4) Erfahrungen mit kooperativen Strukturen zwischen der ersten und zweiten Phase der Lehrerbildung (Modellversuch KOOP) Die Notwendigkeit der horizontalen und vertikalen Vernetzung als Grundlage einer zukunftsfähigen Lehrerbildung wird noch nicht ausreichend wahrgenommen (5) Vielfältige inhaltliche und methodische Kompetenzen für die empirische BildungsAnsätze schulbezogener Forschung in forschung zwar vorhanden, aber derzeit noch Fachdidaktiken, Psychologie und keine dafür ausgewiesene Professur Pädagogik (6) Etablierte kooperative Beziehungen zu Schule und Universität schöpfen das Schulen aller Schularten in der Region Nutzenspotential der Kooperation nicht hinreichend aus Chancen Risiken (1) Lehrerbildung von Hochschulleitung, Schwierige Anstellungssituation für Hochschulrat und Stiftung (Träger der Lehramtsstudierende kulturund Universität) als wesentliches geisteswissenschaftlicher Studiengänge Profilelement der Universität im aktuellen Entwicklungsplan eingestuft (10-Jahresperspektive) (2) Die Größe der Universität erleichert die Gefahr der Überforderung von Kolleginnen Entwicklung, Erprobung und und Kollegen durch Engagement in verschiedenen Projekten die aus der Implementierung innovativer Konzepte geringen Stellenanzahl in einzelnen Disziplinen ergibt (3) Vorhandenes Kompetenz-Strukturmodell der Lehrerbildung als theoretische Grundlage für die Entwicklung eines phasenübergreifenden Qualifikationsrahmens 218 Vorübergehende Beeinträchtigungen der Effizienz, die sich aus den mit organisationalen Veränderungen verbundenen Reibungsverlusten ergeben kooperativer Lehr-Lernformen (4) Einzelprojekte im Zusammenhang mit dem Modellversuch „Lehramt Plus“ dienen als Grundlage für die Maßnahmenpakete der Qualitätsoffensive (5) Für die Konzeption des Schwerpunktes „Inklusive Bildung in Forschung, Lehre und Praxis“ sind Sondermittel im Umfang von 2.75 Mio € bewilligt (6) Prinzipien der Qualitätsoffensive können so auch in dem neu einzurichtenden Schwerpunkt „Inklusion“ realisiert werden In Ausdifferenzierung des Punktes 3, Praxiskonzept wurde als Optimierungsbedarf in Bezug auf die Anlage des Modellversuchs die Verstärkung des Schulorientierung im Sockelstudium herausgearbeitet. Als Ansatz wurde die Einführung eines Orientierungsmoduls anstelle des unbegleiteten Orientierungspraktikums vorgeschlagen. Dass verkürzte, weniger methodengeleitete (SWOT-) Analysen zu Problemen führen, wenn sie zwar Schwächen (Weaknesses) und Chancen einer Lösung (Opportunities) ausmachen, dabei aber bisherige Stärken (Strength) nicht beachten und Gefahren (Threats) nicht antizipieren, lässt sich an der 2012 von der damaligen Hochschulleitung der KU getroffenen Entscheidung festmachen, eine Strukturreform bezogen auf die Prüfungs- und Studienordnungen der Lehramt- und flexiblen Studiengänge durchzuführen.442 Ein zweifellos bestehendes und im Zuge weiterer Reformen zu behebendes Problem war, dass in Umsetzung der Vorgaben des Wissenschaftsministeriums zu Beginn des Modellversuchs (2006/2007) für jede im Lehramt zugelassene Fachkombination eine eigene Bachelor- und Masterordnung vorgelegt worden war, was zu Unübersichtlichkeit führte und Fehlerpotential wie Verwaltungsaufwand z.B. dadurch enthielt, dass ein und dasselbe Modul in vielen 442 Vgl. die Hinweise zur „Vereinfachung und Reform der Studiengänge an der KU” unter KVRStud. URL http://www.ku.de/unsere-ku/leitung-undverwaltung/verwaltung/studienorganisation/qm/kvrstud. 219 Ordnungen vertreten war, eine Moduländerung also Änderungen zahlreicher Ordnungen nach sich zog.443 Der Lösungsansatz, eine Gesamtordnung für alle interdisziplinären Bachelor- und Masterstudiengänge der Universität vorzulegen, und darunter Profile (lehramtsgeeignet, flexibel, Kultur und Medien) zu unterscheiden, schien auf den ersten Blick wegen der bestehenden Polyvalenzen auf Modulebene überzeugend: Zwei Ordnungen statt 100. Bei Veränderungen von Modulen muss immer nur eine Ordnung angepasst werden, weil jedes Modul eineindeutig als Bachelor- oder Mastermodul definiert werden sollte. Eine vertiefte Beschäftigung mit Polyvalenzen444 hätte aber zugleich die damit verbundenen Probleme bzw. Gefahren aufzeigen können. Eine Strukturreform trägt sich noch nicht aus der Tatsache, dass aus den fachweise „aufgeräumten Modulen”445 grundsätzlich sinnvolle Profile, auch schulartbezogene Studiengänge zusammengestellt werden könnten. Bisherige Stärken, konkret die von der Modellversuchsausschreibung geforderte Vereinbarkeit der drei Abschlüsse Staatsexamen, Bachelor und Master gehen so ebenso verloren wie ein theoriekonformes, den immer wieder neuen Herausforderungen der Praxis standhaltendes Lehrerbildungskonzept. An Lösungen, die auf Grundlage der getroffenen Entscheidungen die Balance im Sinne einer SWOT-Analyse wiederherzustellen versuchen, wurde vom Team Lehramtplus gearbeitet.446 Die scheinbar einfache Lösung, die Verantwortung auf die Studierenden zu verlagern, verbot sich aus unserer Sicht: Es liegt nicht in der Kompetenz und Zuständigkeit von Studierenden, aus den vorhandenen Modulen der Universität so auszuwählen, dass es möglich wird, Lehrerkompetenzen als Querschnittkompetenz aufzubauen.447 Das Qualifikationsprofil für Lehramtsstudierende festzulegen und darauf bezogen schulartspezifische Studiengänge zu konzipieren, die Landesvorgaben berücksichtigen und auf ihrer Grundlage eine aus der Sicht 443 Erhöhte Belastungen in der Verwaltung wurden z.B. bei Prüfungsamt, Studiengangskoordination, Rechtsabteilung und Studienberatung festgestellt. 444 Vgl. Teil A, Kapitel IV 3.2 Polyvalente Nutzung fachwissenschaftlicher Module. Strukturelle Überlegungen. 445 Vgl. hierzu Ursus Wehrli und seine Bücher zu KUNST AUFRÄUMEN (Wehrli, U. (2002): Kunst aufräumen, Zürich: Kein & Aber). Er stellt verspielt-absurde Lösungen vor, die dort Klarheit schaffen, wo es keinen Sinn macht. 446 Vgl. hierzu die im Zuge der Akkreditierung der „interdisziplinären Bachelor- und Masterstudiengänge der KU” erarbeiteten Selbstdarstellungen zu den Profilen und zum Lehramtstrack. Grundsätzlich war in den Selbstdarstellungen war ein Spagat zu vollziehen: Akkreditiert wurden die lehramtsgeeigneten Bachelor- und Masterstudiengänge, nicht aber das Staatsexamen. Weil die Entwicklung der lehramtsgeeigneten Bachelor- und Masterstudiengänge nach den Vorgaben des Modellversuchs aufeinander abgestimmt waren, konnte eine Trennung nur an der Oberfläche, nicht in der Tiefenstruktur erfolgen. Die Selbstdarstellungen der Fächer brachten das nächste Problem ans Licht: Einige Fächer hatten nur das flexible im Blick gehabt, also das Profil für fachbezogene Studiengänge. Polyvalenzen zwischen dem flexiblen und dem lehramtsgeeigneten Profil, insbesondere den schulartspezifischen Vorgaben der LPO, waren deshalb nicht bedacht worden. 447 Dies setzte voraus, dass den Studierenden zum Zeitpunkt der Wahl klar wäre, was sie warum wählen sollten, um ein vertieftes und flexibler Wissen aufzubauen, das ihr späteres Lehrerhandeln fundieren kann. 220 der Theorie (Forschung) und Praxis zukunftsfähige Lehrerbildung ermöglichen, ist eine der vornehmsten Aufgaben einer Universität, die ihrer gesellschaftlichen Verantwortung für die Bildung der nachfolgenden Generationen gerecht werden will. Wenn Universitäten sich dieser Verantwortung entziehen, landet man, bezogen auf Lehrerbildung, wieder an der Stelle, die die OECD 2004 als ein Problemfeld kritisiert hat: 1) „die Resistenz der Fachwissenschaften (Unterrichtsfächer), sich den Problemen der Lehrerbildung zu stellen: Die fachwissenschaftliche Ausbildung angehender Lehrkräfte wird in der Regel gemeinsam mit der Ausbildung künftiger Spezialisten in diesen Fächern organisiert, wobei es oft den Studierenden überlassen bleibt, welche Veranstaltungen sie aus dem breiten Angebot des jeweiligen Fachbereichs auswählen wollen.”448 Die Ergebnisse großer wissenschaftlicher Studien (wie z.B. COACTIV oder BilWiss) belegen inzwischen zweifelsfrei, dass die Fähigkeit zur gezielten Vernetzung von Kompetenzen Grundlagen erfolgreichen Lehrerhandels sind. Wie die KU mit dem Problem umgehen wird, ist aktuell (2015) noch offen. II. Konkretisierungen In den folgenden Kapiteln werden drei der in Lehramtplus verfolgten Maßnahmen näher betrachtet. Sie hängen jeweils mit der Implementation des Paradigmenwechsels hin zur Kompetenzorientierung zusammen. (1) Die Orientierung der Studiengangorganisation am Paradigma der Kompetenzorientierung; der Schwerpunkt legt hier auf den Optimierungsmaßnahmen, die den Reformprozess kontinuierlich begleiten, (2) die Kooperation mit der Zweiten Phase; das Ziel des an dieser Stelle vorgestellten Modellversuchs ist, den Kompetenzaufbau gemeinsam durch Maßnahmen der Kooperation zu 448 Döbrich, P., Klemm, K., Knauss, G. & Lange, H. (2004): Ausbildung, Einstellung und Förderung von Lehrerinnen und Lehrern (OECD-Lehrerstudie). Ergänzende Hinweise zu dem Nationalen Hintergrundbericht (CBR) für die Bundesrepublik Deutschland, URL http://www.oecd.org/edu/school/suplement.pdf, S. 23. 221 fördern und (3) Schlaglichter auf Fortbildungskonzepte der KU; sie sollen jeweils eine kohärente, auf Kompetenzförderung ausgerichtete Lehrerfortbildung unterstützen. Weil zu jeder der ausgewählten Maßnahmen die Hintergründe in den Teilen A und B bereits dargestellt wurden, erfolgt an dieser Stelle jeweils nur eine straffe Zusammenfassung. Ausführlicher dargestellt werden die konkreten Realisierungs- und Optimierungsprozesse, ggf. die damit verbundenen Herausforderungen und Probleme. 1. Kompetenzorientierung als Paradigma, um auf die tiefgreifenden Veränderungen der Welt zu reagieren Dass „Kompetenzorientierung 2.0“ die Möglichkeit ist, um mit den Unsicherheiten, mit denen in den Lebensspannen heute lebender Menschen verstärkt zu rechnen ist, umgehen zu können, ist aus unterschiedlichen Perspektiven bereits dargestellt worden. Hier werden Ansätze aufgeführt, um „Kompetenzorientierung“ als Grundlage von Studienreformen wirksam zu machen. Im Zentrum steht dann der Outcome, also das worüber Studierende verfügen können, wenn sie die akademische Ausbildung durchlaufen haben, was sie berufsweltlich oder lebensweltlich-gesellschaftlich anwenden können sollen, um mit für sie neuen, problemhaltigen Situationen erfolgreich und verantwortlich umzugehen. Mit dem Wissenschaftsrat (2015) gesprochen, war das an der KU vertretene Ziel, das Humboldtsche Konzept von „Bildung durch Wissenschaft” zeitgemäß zu denken. 1.1 Schritte der Entwicklung, Überarbeitung und Optimierung 2005/06 war das Paradigma der Kompetenzorientierung noch wenig präsent. Im Zuge der Vorbereitung des Modellversuchs und eingebunden in die Gesamtreform wurden Umsetzungshilfen für eine kompetenzorientierte Studiengangentwicklung erarbeitet. Z.B. wurden Leitlinien für Studiengangbeschreibungen oder Formulare für Modulbeschreibungen sowie Muster für idealtypische Studienpläne zur Diskussion gestellt. Die konkreten Umsetzungen erfolgten in fachlichen und überfachlichen Teams. Vor Semesterbeginn 222 2007/2008 wurden sie von den Gremien verabschiedet und bei den Ministerien eingereicht. Die Realisierung des Modellversuchs wurde auf Basis exemplarischer Unterlagen genehmigt. Einige Fächer hatten sich nicht durchringen können, bereits den Start mitzutragen. In den Folgejahren schlossen sich aber alle Lehramt-Fächer an das Gesamtkonzept an; in zwei Fällen449 mit Ausnahmeregelungen. Wie auch an vielen anderen Universitäten bestand für die ersten Studiengangbeschreibungen/ Qualifikationsbeschreibungen, vor allem auch für die ersten Modulbeschreibungen noch Überarbeitungsbedarf. Früh zeichnete sich ab, dass die Hochschulreform/ Bologna-Reform ein langwieriger Prozess sein würde, der nicht mit Einzelmaßnahmen zu erledigen sei. Die Akzeptanz, dass kontinuierliche Reformmaßnahmen anstanden und weiterhin anstehen werden, war und ist unter den Kolleginnen und Kollegen eher gering. 1.1.1 Reform der Reform: Kompetenzorientierte Modulbeschreibungen Bereits im ersten Semester war sichtbar geworden, dass die Module überarbeitet werden mussten: Die Kompetenzbeschreibungen und die Unterscheidung von Inhalten, an denen die Kompetenzen entwickelt werden sollten, waren oft nicht präzise genug. In der Folge waren auch die geforderten Prüfungsleistungen von Form und Niveau her häufig noch nicht stimmig. Zudem trafen die Annahmen bezüglich der jeweiligen workloads bei vielen Modulen nicht zu. Weil die Studierenden selbst die Akteurinnen und Akteure ihrer individuellen Kompetenzentwicklung sind, wurde nach Wegen gesucht, sie aktiv in die Optimierungsmaßnahmen einzubinden. Als Grundlage dafür wurden vom Team Lehramtplus zwischen dem Wintersemester 2007/08 und dem Sommersemester 2010 regelmäßig Workload-Erhebungen durchgeführt; eine Replikation fand im Sommersemester 2014 statt. Unter Bezug auf deren Ergebnisse und auf der Grundlage der Verlautbarungen der HRK/ KMK zur Modularisierung erfolgte 2010 eine Überarbeitung aller Module. Ein von der Hochschulleitung eingesetztes Team von Professoren und Professorinnen unter der Leitung der Beauftragten für Lehrerbildung konkretisierte den Rahmen der „Reform 449 der Reform”. Eine Stabsstelle für Grundschulpädagogik war nicht bereit als Hauptfach zu fungieren und über Bachelorabschlüsse das Gesamtkonzept mitzutragen. Psychologie hatte das Konzept eines Ein-Fach-Bachelors auch für Schulpsychologen entwickelt, fungierte deshalb in den Zwei-Fächer-Studiengängen nur als Nebenfach. 223 Studiengangorganisation und Qualitätsmanagement gab es zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Um die Kolleginnen und Kollegen dabei zu unterstützen, bei den Überlegungen zur Modulüberarbeiten die Prinzipien der Kompetenzorientierung ins Zentrum zu rücken, wurden u.a. Definitionen und Formulierungshilfen angeboten sowie persönliche Coaching-Termine vereinbart. Um die Zusammenarbeit mit den Fächern zu vereinfachen, wurden diese gebeten, Fachsprecher zu benennen, die die Kommunikation übernahmen und fachintern die Überarbeitung der Module koordinierten. In der Verantwortung standen während des gesamten Überarbeitungsprozesses jeweils Professorinnen und Professoren, ggfs. unterstützt von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Es handelt sich um einen akademischen Prozess. Nach der Überarbeitung wurde jedes einzelne Modul überprüft, ggfs. wurde, versehen mit einem Feedback, noch einmal eine Überarbeitung erbeten. Dass eine deutliche Qualitätszunahme auf diesem Wege erreicht wurde, zeigte auch die Replikation der Workload-Erhebung im Jahr 2014. 1.1.2 Überarbeitung der Ordnungen Im Anschluss an die Arbeit an den Modulen erfolgte in Zusammenarbeit zwischen der Rechtsabteilung und dem Team Lehramtplus eine grundlegenden Überarbeitung aller Ordnungen mit Lehramtsbezug. Das Ziel war, das jeweilige Qualifikationsprofil zu verdeutlichen. Es handelte sich dabei um die fachbezogenen Lehramtsordnungen für das grundständige Staatsexamensstudium Masterordnungen in den jeweiligen sowie die lehramtsgeeigneten Fächerverbindungen. Der Bachelor- Rahmen für und eine kompetenzorientierte Lehrerbildung war somit aufgespannt. Der dritte Schritt, die Anpassung der idealtypischen Studienpläne diente der Kommunikation innerhalb der Universität, insbesondere auch an die Studierenden. Die Rolle des Lehramtstracks für den Aufbau der berufsbezogenen Kompetenzen auszudifferenzieren, war das nächste Ziel bei der Implementation der Kompetenzorientierung. 1.2 Lehrerkompetenzen als Querschnittskompetenzen; Maßnahmen zur Unterstützung der Kompetenzförderung 224 Um die Möglichkeiten des Lehramtstracks zu kommunizieren, fanden gerade in der Frühphase des Modellversuchs zahlreiche Treffen und Maßnahmen statt. • Sie sollten dazu beitragen, das Praxiskonzept450 den Bedürfnissen der Schulen, der Dozenten und der Praktikumslehrkräfte anzupassen. 2008 waren mit dem schulpädagogischen Praxismodul die ersten Module der Praxisphase zu belegen. Durch zahlreiche Kontakte mit Schulen und der Schulverwaltung wurde sicher zu stellen versucht, dass die Studierenden in den Praktika die den Zielsetzungen der Module entsprechenden Möglichkeiten bekamen. Während es Stefan Seitz (Leiter des Praktikumsamts) gelang, das Begleitheft zum Blockpraktikum in einem konsensuellen Prozess mit den Schulen abzustimmen, war die Herausforderung, dass die Studierenden in den Modulen Unterrichten 1 und 2 Unterricht in den beiden Fächern visitieren und erproben konnten, nicht zur Zufriedenheit aller zu lösen.451 Das Hauptproblem bestand darin, dass für den Modellversuch wegen der zugrunde gelegten Finanzneutralität die Zahl der Praktikumslehrkräfte nicht erhöht werden konnte. Deshalb musste ständig mit Notlösungen experimentiert werden. Der anfängliche Widerstand mancher universitärer Kollegen gegen gestufte Praxisseminare hat sich mit der gemeinsamen Diskussion über Progression bei der Entwicklung von Lehrerkompetenzen aufgelöst. Niemand ist mehr bereit, auf diese Form des progredierenden Kompetenzaufbaus zu verzichten. • Abstimmungen insbesondere zwischen Fachdidaktikern und Erziehungswissenschaftlern zielten auf eine Unterstützung des horizontal vernetzten Kompetenzaufbaus. Die Wege dazu wurden in Kapitel A, IV 6.3 Konkrete Maßnahmen zur Entwicklung von Lehrerkompetenzen als Querschnittskompetenz ausführlich beschrieben. Deshalb erfolgt hier nur ein zusammenfassendes Resümee: Bei den Praxismodulen ist die Abstimmung weitgehend geglückt. Kombimodule sind dagegen noch nicht in allen Fächern eingeführt. Das Konzept vernetzter Module wird themenabhängig und eher unsystematisch von einzelnen Kollegen zur Förderung der querschnittlichen Entwicklung von Lehrerkompetenzen genutzt. 450 Das Praxiskonzept wird an dieser Stelle nicht mehr erläutert, weil es in Kapitel A IV 5.1 Berufsfeldbezug Schule: Chancen und Grenzen von Praktika/ Praxismodulen und 6.3.1 Handlungsfelder Unterrichten und Erziehen - Förderung der Querschnittskompetenzen mit Hilfe der Praxismodule bereits ausführlich vorgestellt worden ist. 451 Aktuell werden Praktikumsformate diskutiert, bei denen Unterricht nur mehr in einem Fach gesehen wird und die Fachdidaktiker sich im zweiten Praxisseminar mit Videovignetten und anderen Formen repräsentierter Praxis behelfen. 225 • Ansätze für die vertikale Vernetzung der drei Phasen werden im kommenden Kapitel näher dargestellt. In den einzelnen Treffen wurde auch jeweils versucht, das Verständnis des Konzepts Kompetenzorientierung abzustimmen und zu vertiefen. Dabei wurde konsequent Bezug auf die Kompetenzdefinition von Weinert genommen. Der nationale und internationale Diskurs wurde aufgegriffen, der mit der fachbezogenen Ausdifferenzierung von Kompetenzmodellen verbunden war, die in der ersten Dekade des 21. Jahrhunderts stattfand. Von Eichstätt gingen wichtige Impulse in die Fachgemeinschaften aus; dies lässt sich insbesondere an den Beispielen der Geographie-452 und Geschichtsdidaktik453 verdeutlichen. 2. Modellversuch „Kooperation Erste und Zweite Phase Lehrerbildung“ In einem weiteren vom Bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus und der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt finanzierten Modellversuch ging es darum, 1. den Ist-Zustand der zwischen Universität und Studienseminar aufgeteilten Erstausbildung zu erfassen; 2. Konzepte zur Optimierung einer auf das Paradigma Kompetenzorientierung ausgerichteten Lehrerbildung zu entwickeln; 3. Konkrete Maßnahmen der Kooperation zu erproben; 4. den Mehrwert der Vernetzung zwischen Universität und Studienseminar herauszuarbeiten. 452 Das in der Geographie weit verbreitete Kompetenzmodell wurde unter der Leitung von Ingrid Hemmer erarbeitet. Vgl. Hemmer, I., Hemmer, M., Rhode-Jüchtern, T., Ringel, G. & E. Schallhorn (2012). Bildungsstandards im Fach Geographie für den Mittleren Schulabschluss. Hrsg. von der Deutschen Gesellschaft für Geographie, 8. Aufl., Berlin: DGfG,; Hemmer, I. (2012). Standards und Kompetenzen. In: Haversath M. (Mod.): Geographiedidaktik. Theorie - Themen - Forschung (= Das Geographische Seminar). Braunschweig: Westermann, S. 90-106. Hemmer, I. & Hemmer, M. (2013). Bildungsstandards im Geographieunterricht Konzeption, Herausforderung, Diskussion. In: Rolfes, M. & A. Uhlenwinkel, A. (Hg.): Metzler Handbuch 2.0 Geographieunterricht. Braunschweig: Westermann, S. 24-32 u. S. 553. 453 In der Geschichtsdidaktik hat sich national und international das Kompetenzstrukturmodell der FUERGruppe etabliert (vgl. Schreiber, 2006; Körber, Schreiber, Schöner, 2007). 226 Die Laufzeit des zweiten Modellversuchs war 2010 bis 2012. Der Modellversuch wurde im Rahmen des Forschungs- und Entwicklungsprojekts Optimierung und Evaluierung Lehramtplus durchgeführt. 2.1 Projektstruktur 2.1.1 Fachgruppen Damit sich arbeitsfähige Gruppen etablieren konnten, wurden Fachgruppen gebildet, die jeweils aus Vertreterinnen und Vertretern der universitären Fachdidaktik und von Studienseminaren der Schularten bestanden, in denen das Fach Schulfach ist. Folgende Fachgruppen wurden gebildet: • Deutsch mit den Schularten RS, GY, GS, MS, • Didaktik des Deutschen als Zweitsprache mit den Schularten GS, MS, • Englisch mit den Schularten RS, GY, GS, MS, • Geographie mit den Schularten RS, GY, GS, MS, • Geschichte mit den Schularten RS, GY, GS, MS • Latein mit der Schulart GY, • Religion mit den Schularten RS, GY, GS, MS, • romanische Sprachen mit den Schularten RS, GY, • Biologie mit den Schularten GS, MS, • Pädagogik mit den Schularten RS, GY, GS, MS. Gearbeitet wurde in selbstorganisierten Arbeitstreffen der Fachgruppen, wobei in der zweijährigen Projektlaufzeit insgesamt weit über 100 Sitzungen stattfanden. 2.1.2 Plenartage Neben der Arbeit in den Fachgruppen standen Plenartage. Pro Halbjahr wurde von der Projektleitung ein zweitägiges Arbeitstreffen organisiert, das dem Austausch, der Richtungsvereinbarung und der konzeptionellen Arbeit diente. Pro Plenartag wurde ein Schwerpunkt vereinbart. U.a. wurde um ein gemeinsames Verständnis von Kompetenzorientierung gerungen. Im Nachhinein betrachtet bestand die Hauptleistung der 227 gut 50 Personen umfassenden KOOP-Gruppe darin, in nuce ein Kompetenzstrukturmodell für die Kompetenzförderung in den drei Phasen der Lehrerbildung zu entwickeln und zu erproben. (Das Modell wurde ausführlich vorgestellt in Kapitel B I 2.2 Lehrerbildung „holistisch“ gesehen: Ein Kompetenz-Struktur-Modell für Lehrerkompetenzen als Querschnittskompetenz.) Im letzten Plenartreffen wurden Visionen für die Institutionalisierung der Kooperation entwickelt. 2.1.3 Koordinatorentreffen Pro Semester fanden über diese beiden Arbeitsformen hinaus, an denen jeweils alle Mitglieder des KOOP-Projekts beteiligten waren, zwei bis drei Koordinatorentreffen statt. Neben der Projektleitung war daran jeweils mindestens ein Gruppenmitglied pro Fachgruppe beteiligt. Die Aufgaben des Koordinatorentreffens bestanden darin, die kontinuierliche Arbeit zwischen den Plenartagen sicher zu stellen, für Informationsaustausch zu sorgen und die Plenartermine vorzubereiten. Die Fragebögen zur Evaluation des Projekts wurden bei diesen Koordinatorentreffen vereinbart. 2.1.4 Projektleitung Die Projektleitung (Waltraud Schreiber, Stefanie Zabold) hatte alle koordinatorischen Aufgaben inne, dazu die Vertretung des Modellversuchs gegenüber den Geldgebern und nach außen. Zudem wurde eine elektronische Plattform zum Austausch von Informationen zwischen den Gruppen entwickelt. Über zwei Jahre hinweg fand ein wöchentlicher jour fixe statt. 2.2 Klären des Ist-Zustands der Kompetenzförderung in den beiden Phasen Um gemeinsame und abgestimmte Zielsetzungen für die Kompetenzentwicklung in den beiden Phasen der Erstausbildung formulieren zu können und die jeweiligen Zuständigkeiten für die Förderung diskutieren zu können, war der erste Schritt, dass Universität und 228 Studienseminare der einzelnen Schularten sich den anderen jeweils vor Ort vorstellten. Dabei wurden gemeinsame Grundlagen, Selbstwahrnehmungen, Fremdwahrnehmung sowie Chancen und Probleme einer Kooperation ebenso sichtbar wie unterschiedliche Perspektiven z.B. auf Unterricht. Vor allem aber wurde deutlich, wie wenig die Gruppen voneinander wussten. Dies gilt nicht nur für Universität auf der einen Seite und Studienseminar auf der anderen, sondern auch zwischen den Schularten. Es zeigte sich, dass im Spiegel der anderen sowohl das eigene Profil geschärft als auch gemeinsame Aufgaben besser erkannt werden konnten. So wurde eine Grundlage für die Entwicklung von Konzepten einer gezielten Kompetenzförderung in den beiden Phasen der Lehrerbildung geschaffen und ein Rahmen gesteckt, in dem über Progression nachgedacht werden konnte. Ein bedeutsamer Ausgangspunkt für die Entwicklung gemeinsamer Konzepte war, dass in der Kennenlernphase, die an sich vorrangig der Beschreibung des Ist-Zustands hätte dienen sollte, auch deutlich wurde, in welchem Maße Universität und Schule, aber auch die unterschiedlichen Schularten voneinander lernen könnten. Grundschulseminarlehrkräfte erwiesen sich z.B. als versiert und erfahren, ihre Referendare im Umgang mit Heterogenität zu fördern. Mittelschulseminarlehrkräfte verfügten über breite Erfahrungen bei der individuellen Förderung ihrer Schülerinnen und Schüler. Die Seminarlehrkräfte von Realschule und Gymnasium erkannten zuerst staunend, wir eng die Ausbildungsziele, die sie sich für ihre Referendare setzten korrelieren: Bei beiden stehen die Fachlichkeit und die Förderung eines selbstständigen Umgangs mit Themen und Methoden klar im Zentrum. Sie führten dann spannende Gespräche über Spezifika ihrer Schularten, die sie schließlich u.a. in der Abstraktionsfähigkeit, der Reichweite des Transfers und im Anwendungsbezug ausmachten. Die Erfahrungen der Seminarlehrkräfte dieser Schularten in der fachlichen Förderung erwiesen sich wiederum als bedeutsam für die je anderen Schularten. 2.3 Maßnahmen und Konzepte zur Optimierung einer auf das Paradigma Kompetenzorientierung ausgerichteten Lehrerbildung Die Fachgruppen entschieden sich jeweils von konkreten Maßnahmen der Kooperation auszugehen, diese zu erproben und dann mit den anderen Fachgruppen zu diskutieren. In Koordinatorentreffen wurden sie gesammelt und kommuniziert; in einer der Plenarsitzungen wurden sie in folgende Bereiche und Felder gegliedert: 229 2.3.1 Seminarlehrkräfte an die Universität Maßnahmen wurden in drei Feldern erprobt: • Optimierung des Praxisbezugs an der Universität: o Als besonders ertragreich erwies sich die Teamlehre in den Praxisseminaren und die gemeinsame Vorbereitung, Begleitung und Reflexion der Praktika. Die Seminarlehrkräfte brachten ihre Erfahrungen bei der Begleitung der Referendare bei den ersten Unterrichtsversuchen ein (Arbeitsaufgaben für die Hospitation, Aufgaben für erste Unterrichtsversuche, Feedback-Strategien etc.); die Universitätsdozenten steuerten Theoriekonzepte (u.a. in Bezug auf Kompetenzorientierung) bei. Zusammen mit den Studierenden wurden Unterrichtskonzepte für kompetenzorientierten Unterricht entwickelt, dabei wurde intensiv über Möglichkeiten der Progression wie der Differenzierung diskutiert. Die Unterrichtserfahrungen wurden reflektiert und für die Weiterarbeit genutzt. • kooperative und innovative Lehr- und Lernformen: o Die Formen können sich an Studierende, Referendare oder Schüler richten; in Formen wie summer schools wurde phasenübergreifend zusammengearbeitet; elearning-Konzepte wurden ebenso erprobt wie „Lernen durch Lehren“Konzepte. Intensiv diskutiert wurde an diesen Beispielen auch die Abstimmungen zwischen Universität und Studienseminaren. • anwendungsbezogene Forschung: o Im Zentrum stand die gemeinsame Arbeit am Kompetenzstrukturmodell Lehrerkompetenzen (HOLEKO). Die Förderung einzelner Kompetenzbereiche wurde in Studienseminar und Universität erprobt; ebenso Möglichkeiten, zu diagnostizieren, welche Formen der Kompetenzentwicklung vorfindlich, wie sie modifiziert werden können und wo Erweiterungen notwendig sind. o Gemeinsam diskutiert wurde auch, woran Kompetenzausprägungen bei Schülern erkannt werden können, wann Weiterentwicklungen und wann ein Neuaufbau sinnvoll ist und wie Fördermaßnahmen aus Lernstandserhebungen abgeleitet werden können. 230 2.3.2 Dozenten ins Seminar Die erste Aufgabe der Gruppe war, Ausbildungsphasen und Seminartage zu identifizieren, die davon profitieren, Fachwissenschaftler/ Fachdidaktiker zu Gast zu haben. Zum einen ging es um Theorieinformation aus erster Hand, u.a. mit dem Ziel, die von verschiedenen Universitäten kommenden Referendare auf vergleichbare Stände zu bringen, sodann um die gemeinsame Gestaltung von Seminartagen im Studienseminar zu forschungsnahen Themen, und schließlich darum, am Ende des Referendariats noch einmal Ergebnisse der Forschung und Innovationsansätze der Universität ins Gedächtnis zu rufen, deren Realisierung im eigenverantwortlichen Unterricht Raum greifen sollten. 2.3.3 Tandems zwischen Studierenden und Referendaren Die Zusammenarbeit erfolgte z.B. im „Schnupper-Referendariat“, bei Projektarbeiten in den Klassen der Referendare, bei der Vorbereitung innovativen Unterrichts oder in der Diskussion von Unterrichtsversuchen der Referendare wie der Studierenden. Das erstaunlichste Ergebnis dieser Tandems war, dass beide Seiten voneinander profitierten, nicht nur, wie angenommen, die Studierenden von den Referendaren. Das Prinzip „Lernen durch Lehren“ schien zu wirken. 2.3.4 Gemeinsame Ausbildung von Praktikumslehrkräften Praktikumslehrkräfte begleiten den Erstkontakt der Studierenden mit der Schule, ohne gezielt darauf vorbereitet zu sein. Weil eine Ausbildung für diese Tätigkeit bislang nicht vorgesehen ist, fehlen dafür auch jegliche Konzepte. An solchen Konzepten wurde gearbeitet: Dabei bildeten die Erfahrungen der Seminarlehrkräfte für den Umgang mit den ersten Unterrichtsversuchen der Referendare eine Grundlage. Gemeinsam wurde daran gearbeitet, auch fachdidaktisch-theoretische Prinzipien und Konzepte für die Praktikumslehrer zu 231 operationalisieren, Feedbackstrategien für Unterricht zu erarbeiten oder Beratungs- und Beurteilungskriterien für die Praktika zu entwickeln.454 2.4 Mehrwert der Vernetzung zwischen Universität und Studienseminar Im letzten Plenartreffen wurden der Mehrwert der Kooperation zusammengestellt und auch Visionen für die Institutionalisierung der Kooperation entwickelt. Der Kontakt zwischen Universität und Studienseminar muss institutionalisiert werden, und zwar so, dass eine Winwin-Situation für beide Seiten entsteht. ● Vorschlag 1: Abordnung im Umfang von vier Stunden von je einer Seminarlehrkraft pro Schulart für drei Jahre an eine Didaktikprofessur. Realisiert wird dabei • gemeinsame Lehre in Praxis- oder Kombimodulen in Zusammenarbeit mit Dozenten der Fachdidaktik, ggf. der Fachwissenschaft, • Gaststudium: Jede Seminarlehrkraft belegt eine Lehrveranstaltung als Gasthörer in der Fachwissenschaft, Fachdidaktik oder Erziehungswissenschaft (ggf. kann die Universität hierfür ein Zertifikat anbieten), um Universität nach der BolognaReform aus eigener Erfahrung zu kennen und besser einschätzen zu können, mit welchen Kompetenzausprägungen er/ sie bei den Referendaren rechnen kann. • Ein Dozent/ eine Dozentin der jeweiligen Professur besucht – auf deren Einladung – Studienseminare unterschiedlicher Schularten (damit läuft ein Teil der Abordnungsstunden an die Professur wieder zurück in die II. Phase); • Seminarlehrkraft und Dozent entwickeln gemeinsam kleine berufsfeldbezogenen Forschungsprojekte, die im Studienseminar realisiert werden. (2) Gemeinsame Beteiligung an Maßnahmen der Fort- und Weiterbildung ● Seminarlehrkraft und Dozent schulen gemeinsam Praktikums- und Betreuungslehrer; ● Seminarlehrkraft und Dozent arbeiten ihre für das Studium/ das Referendariat entwickelten Konzepte innovativen Unterrichtens für Fortbildungseinheiten in der regionalen/ schulinternen Lehrerfortbildung um; (3) Konzepte zur Sicherung der Nachhaltigkeit • Pro Semester findet mindestens eine universitätsinterne Plenumstagung statt (Erfahrungsaustausch, Feststellen 454 schulartspezifischer/ lernalterspezifischer Gerade in Grund- und Mittelschulbereich werden die Überlegungen nachhaltig genutzt. Ausbildungslehrgänge finden insbesondere in Mittelfranken statt. Die KU lädt Praktikumslehrkräfte regelmäßig zu Schulungen ein. 232 Gemeinsamkeiten; Weiterentwicklung Querschnittskompetenzen/ HOLEKOs; des Entwicklung Ansatzes von universitätsspezifischer Ansätze der Lehrerbildungsforschung). • Einmal pro Jahr findet eine landweite Tagung zum Austausch zwischen den Universitäten zur Kooperation I. und II. Phase statt, • Die abgeordneten Seminarlehrkräfte wirken als Multiplikatoren für ihre Kollegen und kommunizieren ihre an der Universität gesammelten Erfahrungen und deren Bedeutung für die Kooperation I. und II. Phase. 2.5. Kostenneutral? Kostenneutral ist die Kooperation zwischen Universität und Schule nicht zu beleben. Mit Sonntagsreden allein hat sich noch nie etwas verändert. Wegen der nicht erfüllbaren Forderung nach Kostenneutralität liegen die Ansätze und Ergebnisse des KOOP-Projekts in den Schubladen der Beteiligten. 3. Zur Beteiligung der KU an der Lehrerfortbildung für die Dritte Phase Diese Konkretisierung bezieht sich auf erste Ansätze der KU, mit Hilfe von Lehrerfortbildung daran mitzuwirken, dass Lehrerbildung als lebenslangen Prozess verstehbar wird. Das Ziel ist, dass die Lehrkräfte forschungsnahe Ansätze zur Weiterentwicklung ihres schulischen Handelns nutzen, also in ihrer Haltung als „scientist practitioner“ gefördert werden. 3.1 Grundsätzliche Überlegungen Auf Paradigmenwechsel im Bildungsbereich mit einer Veränderung der Erstausbildung von Lehrkräften zu reagieren, ist eine notwendige Maßnahme, hinreichend ist sie aber nicht. Das 233 liegt nicht zuletzt daran, dass die „jungen Kolleginnen und Kollegen“ allein schon wegen ihrer Rolle als Berufsanfänger überfordert damit sind, die maßgeblichen Träger von Reformen zu sein. Dazu kommt die Beobachtung, dass nicht wenige Berufsanfänger gar nicht als „scientist practitioner“ agieren und die Reformansätze aus Universität und Studienseminar in die Schule tragen, sondern dass sie zurückfallen in traditionelle Praktiken, die sie zum Teil selbst als Schülerin oder Schüler erlebt oder bei Kolleginnen oder Kollegen beobachtet haben.455 Daraus erwächst die Einsicht, dass der Dritten Phase der Lehrerbildung bei der Reform von Schule eine entscheidende Rolle zukommt. Dies ergibt sich nicht nur aus der ungleich größeren Zahl der im Berufsleben stehenden Lehrkräfte, sondern auch daraus, dass die Kollegen sich über Jahre hinweg im System Schule etabliert haben und dieses in unterschiedlichen Funktionen tragen. Damit stabilisieren sie zugleich ein System, das den gesellschaftlichen Entwicklungen nicht mehr genügt und deshalb reformiert werden soll. Die Beteiligung der Universität als Institution an der Fort- und Weiterbildung der Dritten Phase ist bislang noch wenig ins Zentrum des Interesses von Praxis und Forschung gerückt. Das heißt nicht, dass nicht Universitätsdozenten eingeladen würden, als Referenten an Lehrerfortbildung mitzuwirken456 oder dass nicht einzelne Lehrerbildungszentren oder Lehrstühle zu Lehrerfortbildungen an die Universität einladen würden.457 Was fehlt, sind umfassendere Konzepte für die Beteiligung von Universitäten an Lehrerfort- und weiterbildung als Teil einer lebenslangen wissenschaftsbasierten Lehrerbildung. Auch die KU hat bislang nicht systematisch begonnen, an einem Konzept für ihre Mitwirkung an der Lehrerfort- und -weiterbildung zu arbeiten; im 2014 verabschiedeten Entwicklungsplan ist das Ziel als Fernperspektive aber verortet. Es soll in Angriff genommen werden, wenn die 455 Vgl. hierzu und zum Folgenden die Darstellungen in Kapitel A III 4. Fort- und Weiterbildung: die dritte Phase; dort werden auch die entsprechenden Studien zitiert. 456 Es ist lange Tradition, dass Universitäts-Dozenten, insbesondere aus den Fachdidaktiken und Erziehungswissenschaften, in der Lehrerfortbildung tätig sind. Sie werden von den ministeriumsnahmen ZentralInstitutionen der Lehrerfortbildung angefragt, wobei es dann oft um Multiplikatorenschulung [1] im Rahmen der jeweiligen Schwerpunktprogramme geht, teilweise um Lehrgänge der Weiterbildung von Leitungspersonal. Sie werden von weiteren Trägern der Lehrerfortbildung (wie Verlagen, Bezirksregierungen, Schulämtern, z.T. Schulen) eingeladen, manchmal von privaten Fortbildungsinstituten als freie Mitarbeiter angestellt. 457 Die wenigen wissenschaftlich begleiteten Modellversuche zu innovativen Fortbildungskonzepten spiegeln auch die bislang eher sporadisch erfolgende Beteiligung von Universitäten wider (Inklusion in NRW – noch nicht abgeschlossen, vgl. hierzu Fortbildung für Schulen auf dem Weg zur Inklusion, URL http://www.lehrerfortbildung.schulministerium.nrw.de/Fortbildung/Fortbildung-NRW/); Blended Learning (Reinmann, G., Florian, A. Häuptle, E. und Johannes Metscher, Johannes (2009): Wissenschaftliche Begleitung von Blended Learning in der Lehrerfortbildung: Konzept, Methodik, Ergebnisse, Erfahrungen und Empfehlungen am Beispiel »Intel® Lehren – Aufbaukurs Online«, Münster: MV-Verlag; Ganz, A., Reinmann, G. (2007). Blended Learning in der Lehrerfortbildung. Evaluation einer Fortbildungsinitiative zum Einsatz digitaler Medien im Fachunterricht. In: Unterrichtswissenschaft 35, 2, S. 169-191), in Ansätzen auch in der Umweltbildung (De Haan, G., Jungk, D., Kutt, K. Michelsen, G., Nitschke, C., Schnurpel, U., Seybold, H. (2013). Umweltbildung als Innovation: Bilanzierungen und Empfehlungen zu Modellversuchen und Forschungsvorhaben, Berlin u.a.: Springer). 234 Reformvorhaben zum Lehramtsstudium einen Status erreicht haben, der nächste Schritte erfolgsversprechend sein lässt.458 In der Zwischenzeit wird versucht, die vorhandenen Aktivitäten zu bündeln. An einzelnen Lehreinheiten wurde Konzepte entwickelt und erprobt, die Ansatzpunkte z.B. für einen späteren Modellversuch sein könnten. Zwei Beispiele werden abschließend vorgestellt. Für die folgende Darstellung werden einige Grundannahmen formuliert, die für wichtig erachtet werden, wenn Universitäten mit den Ziel der Förderung einer wissenschaftsbasierten Weiterentwicklung von Lehrerkompetenzen an Lehrerfort- und -weiterbildungen mitwirken wollen: (1) „Diagnostik“ im Sinne der Berücksichtigung der Ausgangslage muss als Element von Lehrerfortbildungen gestärkt werden, insbesondere dann, wenn ein Paradigmenwechsel unterstützt werden soll. Die Klärung der Ausgangslage sollte in zwei Richtungen gehen. Zum einen muss gefragt werden, inwiefern die Lehrkräfte für sich die Notwendigkeit sehen, eingespielte Routinen zu verändern, zum anderen sollte geklärt sein, auf welchen vorhandenen Kompetenzausprägungen angesetzt werden kann. (2) Um eine nachhaltige Kompetenzerweiterung zu unterstützen, muss ihr theoretischer Rahmen im Laufe der Fortbildung als Mehrwert wahrgenommen werden können. Dahinter steht, dass Reflektiertheit und Selbstreflexion als Grundlage dafür verstanden werden, Theorie und Praxis so zu verbinden, dass die alltäglichen Handlungssituationen besser bewältigt werden können. (3) Damit eng verbunden ist, dass in Lehrerfortbildungen konkrete Möglichkeiten der Operationalisierung im schulischen Handeln angeboten werden müssen, denen zugetraut wird, vorhandene Probleme zu lösen. Nur dann kann von der Bereitschaft ausgegangen werden, die eigenen Kompetenzen zu erweitern, zu modifizieren, eventuell sogar grundlegend zu verändern. (4) Lehrerbildungsforschung, verstanden als Evaluierung, vor allen aber auch als Wirksamkeits- und Innovationsforschung sollten mit dem Ziel der theoretischen Fundierung und Evidenzbasierung gezielt eingeschlossen werden. 458 Die Akkreditierung des lehramtsgeeigneten Profils im Rahmen der Gesamtakkreditierung steht für die externe Evaluierung; die auf der angeführten SWOT-Analyse aus dem Jahr 2013 aufgebaute, durch die Hochschulleitung aber nicht weiterverfolgte Antrag zur Qualitätsoffensive Lehrerbildung markiert die interne Klärung des Zwischenstands. 235 Damit wird von Lehrerbildung als Einheit ausgegangen, die einer theoretischen Grundlegung ebenso bedarf wie sie den Anforderungen der Praxis gerecht werden muss. Für die Beteiligung der Universität an der Fort- und Weiterbildung der dritten Phase müssen Beteiligungsformen entwickelt werden, die Theorie für die Praxis erschließen und den Mehrwert für das praktische Handeln in den Berufsfeldern an konkreten Fällen verdeutlichen. 3.2. Erläuterung an konkreten Beispielen 3.2.1 Sichtbarmachen der KU als Akteur in der Fortbildung der Dritten Phase Im Rahmen des Ausbaus der Lehrerbildungszentren, zum Teil auch unter Bezug auf Bundesförderungen durch die „Exzellenzinitiative Lehre“ oder die „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“, bemühen sich die Universitäten um Kontinuität und Sichtbarkeit, ansatzweise auch um Nachhaltigkeit ihrer Fortbildungsangebote. Die Maßnahmen der KU haben dafür Beispielcharakter: Seit Jahren bieten einzelne Fächer disziplinbezogene Veranstaltungen an,459 überfachlich ausgerichtete Lehrertage wurden etabliert,460 auf Einzelgruppen wie z.B. Praktikumslehrkräfte oder Seminarlehrkräfte ausgerichtete Angebote461 werden gemacht. Es hat sich an der KU wie an vielen Universitäten zum Standard entwickelt, dass alle Angebote, auch die einmalig stattfindenden Angebote, in Broschüren gebündelt dargestellt werden, die den Lehrkräften online und in einer Papierfassung zur Verfügung stehen.462 In der Regel wird bei den universitären Angeboten der Theorie-Praxiszusammenhang dezidiert hergestellt (vgl. oben Grundannahme 2 und 3). Optimierungsbedarf besteht in Bezug auf die horizontale Vernetzung zwischen den einzelnen Angeboten. Kompetenzorientierung als umfassender Paradigmenwechsel wird meist zwar unterstützt, oft aber implizit, als Teilaspekt des jeweiligen Themas. Die explizite gemeinsame Theoriefundierung der Angebote mehrerer Dozenten stellt derzeit noch die Ausnahme dar. Auch der explizite Akzent auf vertikale Vernetzung bleibt ein selten tatsächlich verfolgtes 459 In Eichstätt gilt das u.a. für die Fächer Geographie, Geschichte, Latein, Mathematik, die Philologien, Religion und Schulpädagogik. 460 Der Eichstätter Lehrertag, der meist überfachliche Themen hat, ist ein Beispiel dafür. 461 Akteur und Organisator für diese Angebote ist insbesondere das Praktikumsamt für Grund- und Mittelschulen. 462 Vgl. hierzu die Homepage des Eichstätter Lehrerbildungszentrums. 236 Ziel; versucht wird er z.B. in Fortbildungsangeboten, die sich an Studierende wie Lehrerinnen und Lehrer richten.463 Die Erhebung der Ausgangslage (vgl. oben Grundannahme 1) spielt gegenüber dem Inhaltsbezug bei den universitären Angeboten oft eine eher untergeordnete Rolle. Dies ergibt sich vielfach daraus, dass es sich bei den Fortbildungsangeboten um ca. 90-minütige Einzelangebote handelt, die Teilnehmerinnen und Teilnehmer oft aus unterschiedlichen Schularten und von vielen verschiedenen Schulen mit unterschiedlichster Schulkultur kommen. Differenzierung erfolgt unter diesen Bedingungen eher selten. Die Veranstaltungen werden in der Regel über Lickert-skalierte Fragebögen evaluiert, die auf Einschätzungen der Teilnehmer fokussieren.464 Auf Wirksamkeits- oder Innovationsforschung gerichtete Lehrerbildungsforschung beginnt an der KU erst (vgl. oben 4). Wenn sie stattfindet, dann wird sie vorrangig auf fachbezogene Kompetenzziele bezogen; übergreifende Kompetenzziele, wie z.B. die HOLEKOs werden aktuell nur implizit berücksichtigt. Abschließend werden exemplarisch zwei mit Fortbildungsforschung vernetzte Konzepte skizziert, die jeweils in Teams der Geschichtsdidaktik verfolgt werden. 3.2.2 Von der Einzelveranstaltung zu Fortbildungsreihen und begleitendem Coaching der Teilnehmenden Das erste Beispiel adressiert Grund- und Mittelschullehrpersonen, die Geschichte häufig fachfremd unterrichten. Das Projekt fand im Rahmen der wissenschaftlichen Begleitung des Modellversuchs Lehramtplus zwischen 2012 und 2015 statt. Ziel war es, ein Professionalisierungskonzept für Grund- und Hauptschullehrkräfte zu einwickeln und zu erproben, das diese dabei unterstützt, den Paradigmenwechsel zur Kompetenzorientierung mit nachhaltiger Wirkung auf ihren Unterricht zu vollziehen. Bezug nehmend auf Erfahrungen, die zeigen, dass gerade fachfremd unterrichtende Lehrkräfte wenig profitieren von Fortbildungsmaßnahmen, die ihre Ausgangslage zu wenig berücksichtigen, wurde ein Implementationskonzept entwickelt, das durch systematische Anlage auf progredierende Förderung zielt. Die Teilnehmer sollten während der Fortbildungsmaßnahmen kontinuierlich begleitet werden. Im Anschluss daran sollte das Angebot gemacht werden, einen Lehrerarbeitskreis zu gründen, der sich regelmäßig trifft, um die non-formale Entwicklung 463 Solche Angebote machen z.B. die Englisch- und die Deutschdidaktik. Die subjektive Zufriedenheit mit den Eichstätter Angeboten ist meist groß; über die Praxis-Wirksamkeit kann nur spekuliert werden. 464 237 der Unterrichtskompetenz weiter zu unterstützen. Unterricht sollte gemeinsam geplant und reflektiert werden; motivationale und volitionale Einbrüche im Umstellungsprozess sollten vermieden werden. Das Konzept wurde von einem Team der Professur für Theorie und Didaktik der Geschichte an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt unter Leistung von Stefanie Zabold entwickelt. Es wurde über die regionale Lehrerfortbildung der Regierung von Mittelfranken institutionalisiert. Ein auf Mentorentraining ausgerichtetes Folgeprojekt wird zusätzlich durch Drittmittel einer Privatstiftung gefördert. Die Konzepte, Erfahrungen und Ergebnisse werden in einer Publikation zusammengefasst.465 Die Fortbildungsreihe wurde 2012/13 durchgeführt und war auf fünf Veranstaltungen angelegt. Es adressierte Grund- und Mittelschullehrer im Regierungsbezirk Mittelfranken. Die Veranstaltungen bauten aufeinander auf und berücksichtigten die oben unter 1 bis 4 angesprochenen Prinzipien. Die Teilnehmenden erhielten von Sitzung zu Sitzung materialgestützte Aufgaben. Die bei der Umsetzung gesammelten Erfahrungen wurden jeweils in der Gruppe reflektiert, darüber hinaus wurden persönliche Feedbacks gegeben. Die unterrichtliche Realisierung wurde z.T. videographiert. Für die Arbeit mit den Videographien konnte noch nicht auf Instrument zurückgegriffen werden, die aktuell im Rahmen entsprechender Videostudien entwickelt wurden.466 Die Basis für das Feedback bildeten Erfahrungen aus der Begleitung von Unterricht junger Lehrkräfte in Praktika und Studienseminaren, die im Zuge des beschriebenen KOOP-Projekts I. und II. Phase systematisiert und reflektiert wurden. Die Veranstaltungsevaluierungen ergaben bei einen insgesamt positiven Feedback dennoch explizite und implizite Hinweise auf die Optimierung: Der Mehrwert einer theoretischen Einbindung war nicht deutlich genug geworden; die Unterrichtsanregungen wurde eher als Rezepte, denn als eine mögliche Konkretisierung für kompetenzorientiertes Unterrichten aufgefasst. Aus dem Kreis derer, die an der Fortbildungsreihe teilgenommen hatten, konstituierte sich eine Arbeitsgruppe („AK Geschichte Innovativ“), die sich zwei Ziele setzte: (1) im gegenseitigen Austausch die eigenen Kompetenzen für kompetenzorientierten Geschichtsunterricht weiterzuentwickeln, (2) auf Grundlage der eigenen Erfahrung ein 465 Zabold, S. & Obermeyer, I. (2016, in Vorbereitung). Wie können Fortbildungen Lehrer nachhaltig dazu motivieren, Geschichtsunterricht kompetenzorientiert zu unterrichten? 466 Zum Teil waren die Konzepte noch gar nicht erarbeitet (Das Heidelberger EKOL-Projekt begann erst nach der Fortbildungsreihe), oder nicht zugängig (wie der Observer der TUM München). 238 Lehrerfortbildungskonzept zu entwickeln, das die AK-Mitglieder ihrerseits als Moderatoren begleiten. Dieses Ziel wurde durch Drittmittel einer Stiftung gefördert. Weil Geschichtsunterricht in beiden Schularten nur im Umfang von wenigen Wochen und im Rahmen des Heimat- und Sachunterrichts bzw. im Verbundfach „Geschichte, Sozialkunde Erdkunde“ realisiert wird, kompetenzorientiertes Unterrichten zugleich Unterrichtsprinzip für alle Fächer ist, entschied sich die Gruppe dazu, die Förderung an einem fächerverbindenden Projekt zwischen dem Deutsch- (genauer: Literatur)- und Geschichtsunterricht anzusetzen. Überfachlich geltende Prinzipien kompetenzorientierten Unterrichtens sollten ebenso geschult werden wie die fachspezifische Ausprägung für kompetenzorientierten Geschichtsunterricht. Zuerst entwickelten die Arbeitskreislehrkräfte Unterrichtssequenzen für das Gesamtprojekt. Sie entschieden sich, für die Grundschule von der Lektürearbeit an Willi Fährmanns „Der überaus starke Willibald“ (1983) auszugehen und für die Mittelschule von Hans Peter Richters „Damals war es Friedrich“ (1961).467 Ein besonderes Augenmerk lag darauf, die Lektüre und die Auseinandersetzung mit den historischen Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass in beiden Fällen die Förderung der Kompetenzentwicklung der Schülerinnen und Schüler das Ziel ist, zugleich aber die Fachspezifik historischer bzw. literarischer Kompetenz jeweils herausgearbeitet wird. Dazu gehört, dass Geschichte und Literatur als zwei unterschiedliche Formen der Auseinandersetzung mit vergangenen Erfahrungen und der dort erfolgten Bedeutungszuweisung für die Gegenwart herausgearbeitet werden. Die Sequenzen wurden erprobt, der Unterrichtsverlauf wurde intensiv diskutiert. In der Folge wurden die Entwürfe mehrfach optimiert. Die These, dass Lehrerfortbildung konkrete Beispiele braucht, um Kompetenzorientierung als Ziel zu verdeutlichen, erwies sich als richtig. Das erarbeitete Fortbildungskonzept wurde mehrfach erprobt (in Moderatorenschulungen, bei regionalen und schulhausinternen Fortbildungen) und ebenfalls überarbeitet. Eine Konsequenz der Erfahrungen ist die Entwicklung einer didaktischen Wanderausstellung, die das fachübergreifende Projekt auf 467 Trotz des Diskurses, der über die beiden Kinderbücher in der Deutsch- und Literaturdidaktik besteht, entschied der AK sich für die beiden Texte, weil sie in der Realität der deutschen Klassenzimmern nach wie vor eine wichtige Rolle spielen (Damals war es Friedrich erschien 2013 in der 62. Auflage! Zur Einordnung vgl. Kinderund Jugendmedien: Damals war es Friedrich, URL http://www.kinderundjugendmedien.de/index.php/werke/837-richter-hans-peter-damals-war-es-friedrich-inbearbeitung. Zur Kritik vgl. u.a. Schrader, U. (2005). Immer wieder Friedrich. In: Praxis Deutsch 32, S. 57-58; Waldherr, F.: Hans Peter Richter: Damals war es Friedrich. Modelle für den Literaturunterricht 5-10. Reihe: Klasse!Lektüre. Hrsg. von K.-M. Bogdal u. C. Kammler. München: Oldenbourg Schulbuchverlag 2001; Dahrendorf, M. & Shavit, Z. (Hrsg.) (1988): Die Darstellung des Dritten Reichs im Kinder – und Jugendbuch. Frankfurt a.M.: dipa; insbesondere auch Wetzel, J. (2010): „Damals war es Friedrich“ – Vom zähen Leben misslungener guter Absicht, in: W. Benz (Hrsg.), Vorurteile in der Kinder- und Jugendliteratur, Berlin: Metropol, S. 201-209. Das Ziel des AK war einen kritischen Umgang mit Kinderliteratur, gerade auch ausgehend von der historischen Auseinandersetzung mit den Themen zu initiieren. 239 knapp 20 rollup-Elementen präsentiert. Diese Ausstellung wird in den Schulen präsentiert, die das Projekt durchführen wollen. Begleitend findet eine schulhausinterne Lehrerfortbildung statt, die von einem Mitglied des Arbeitskreises durchgeführt wird. Dieses steht auch als Coach für die Lehrkräfte, die vor Ort zum Thema arbeiten (wollen) zur Verfügung, um die doppelte Kompetenzentwicklung (bei den Schülerinnen und Schülern und bei den Lehrkräften) zu unterstützen. Zum „Willibaldprojekt” wurden mehrere Seminararbeiten und eine Bachelorarbeit vergeben.468 Als Beitrag zur Fortbildungsforschung entsteht derzeit eine Dissertation. Ina Obermeyer entwickelte die These, dass kompetenzorientierte Aufgabenstellungen ein Ansatzpunkt sind, um Lehrkräfte, die Geschichte fachfremd unterrichten (und z.T. vor dem Paradigmenwechsel hin zur Kompetenzorientierung studiert haben), bei der Entwicklung der Kompetenz zu kompetenzorientiertem Unterrichten zu unterstützen. Dabei wird theoretisch das Potential der Aufgabenentwicklungen als Grundelement für entsprechende Fortbildungen herausgearbeitet, dann wird eine entsprechende Fortbildungsreihe entwickelt und erprobt. Die dabei von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern erarbeiteten und erprobten Aufgaben bilden die Grundlage für Feedback und Coaching. Sie schaffen zudem den Materialpool für die Evaluierung der Wirksamkeit des Ansatzes. 3.2.3 Kompetenzorientiertes Geschichtslernen und digitale Lehr-Lernmittel Das Ziel der Entwicklung dieses an Gymnasiallehrkräfte adressierten Fortbildungsprojekts ist, den Paradigmenwechsel hin zu einem digital-multimedial unterstützten kompetenzorientierten Lehren und Lernen zu unterstützen. Die Ausgangslage ist, dass für den gymnasialen Geschichtsunterricht in der Sekundarstufe 1 in Nordrhein-Westfalen mit dem Ziel, die Implementation eines kompetenzorientierten Geschichtsunterrichts zu unterstützen, ein digital-multimediales Schulbuch (mBook NRW) erarbeitet worden ist. Kompetenzorient zu unterrichten und digitales Lernen zu unterstützen ist eine doppelte Herausforderung für die Unterrichtsentwicklung. Ohne gezielte Lehrerfortbildung sind die beiden Umorientierungen nicht flächendeckend zu implementieren. Sobald Fortbildung aber an alle Lehrkräfte eines Landes adressiert wird, ist es nicht mehr möglich, Expertenteams als 468 Daten für eine Auswertung des Professionalisierungsprojekts wurden zudem als Grundlage für eine Sekundäranalyse gesammelt (Protokolle zu den Arbeitssitzungen, Sammeln der Ergebnismaterialien in den unterschiedlichen Bearbeitungsständen, Interviewdaten). 240 Akteure einzusetzen. Insbesondere in Flächenstaaten muss die Fortbildung dezentral und mit Hilfe von Multiplikatoren realisiert werden. National und international ist das Problem der mit diesem Schneeballsystem einhergehenden Qualitätsminderung noch nicht gelöst. Die Herausforderung besteht also darin, ein Konzept für eine Multiplikatorenschulung zu entwickeln, das den Qualitätsverlust minimiert. Von einem Team der Professur für Theorie und Didaktik der Geschichte (Waltraud Schreiber, Florian Sochatzy, Marcus Ventzke) wurde ein Konzept erarbeitet, das „face-to-faceFortbildungen“ mit „blended learning“ und „Fortbildung on demand“ verknüpft. Um ein zeitunabhängiges und bedarfsgerechtes Angebot zu entwickeln („Fortbildung on demand“), wurde eine Lehrervariante zum digital-multimedialen Schulbuch für Schülerinnen und Schüler469 erarbeitet: Lehrerhandreichungen, sind in der Lehrerversion des digitalen Schulbuchs eingearbeitet;470 Sie betreffen inhaltliche, fachdidaktische und unterrichtsmethodische Fragen und sind ebenfalls digital-multimedial aufbereitet. Das Ziel der Multiplikatorenfortbildung ist, dass die Multiplikatoren sich als „kompetent“ für einen kompetenzorientierten Geschichtsunterricht erachten und dafür, digitale Lehr- und Lernmittel gezielt zur Förderung der Kompetenzentwicklung der Schülerinnen und Schüler einsetzen zu können. Diese Kompetenzen werden überprüft, weil sie Bedingung dafür sind, Lehrkräfte erfolgreich schulen zu können.471 Dafür sollen in einem Drittmittelprojekt zur wissenschaftlichen Begleitung des Ansatzes Instrumente erarbeitet werden, mit deren Hilfe die Entwicklung von Lehrerkompetenzen in Bezug auf „Kompetenzorientiertes Unterrichten unter Nutzung digital-multimedialer Lehr-Lernmittel“ beobachtet, erfasst und schließlich gemessen werden kann. Dieses Instrument wird in einem ersten Schritt an den Multiplikatoren erprobt und zusammen mit ihnen optimiert. Das finale Instrument wird schließlich genutzt, um nach den von Multiplikatoren durchgeführten Fortbildungen an aussagekräftigen Zufalls-Stichproben aus den fortgebildeten Lehrkräften deren Kompetenzausprägungen zu bestimmen. Fernziel ist, ein Instrument des Self-Assessments für Lehrkräfte, die an Fortbildungsmaßnahmen teilgenommen haben, bzw. sich selbst in die Nutzung des mBooks eingearbeitet haben, vorzulegen. 469 Nähere Informationen zum mbook vgl. URL http://mbook.institut-für-digitales-lernen.de. Vgl. hierzu die Hinweise in Kapitel A, III 1.3.3.2.2 Fortbildungsreihen zu Sonderthemen. 471 In diesem Sinne ist ein Aspekt des Fortbildungskonzepts, dass die Multiplikatoren zumindest in der Schulungsphase selbst Geschichtsunterricht mit dem mBook geben. 470 241 Bislang ist das dreigliedrige Fortbildungskonzept (allerdings durchgeführt von Expertenteams) erfolgreich erprobt und durch Einschätzung der Teilnehmenden evaluiert worden. Die Erprobung an Multiplikatoren steht noch aus, ebenso die Entwicklung eines Untersuchungsinstruments. 242 D. Resümee Ein Resümee zu den Überlegungen zu Reformen der Lehrerbildung zu ziehen, ist eine Herausforderung für sich: Ob Zwänge der Praxis, Erkenntnisse der Theorie und/ oder Evidenzen der Empirie als maßgeblich angesehen werden, hängt nicht nur vom jeweiligen Standpunkt ab, sondern auch davon, welche Aspekte man konkret in den Blick nimmt. Betrachtet man vorfindliche Realisierungen der Lehrerbildungsreform an den Universitäten, ist das Ergebnis ambivalent. Vieles, was die OECD vor Beginn der Reformen als Manko deutscher Lehrerbildung formuliert hat, scheint heute noch aktuell. Das bedeutet, dass bereits erkannte Hürden nicht ausgeräumt wurden, auch wenn es längst Theorieansätze, praktische Erfahrungen und empirische Befunde dazu gibt, wie sie überwunden werden könnten. Ein Beispiel ist die ungebremste Beliebigkeit der Modulauswahl, die einen querschnittlich vernetzenden und längsschnittlich tragfähigen Kompetenzaufbau für das immer komplexer werdende schulische Handlungsfeld erschwert. Davon zu unterscheiden ist die – eine Profilierung erst ermöglichende – Wahlfreiheit in einem vom Kompetenzprofil „schulisches Handeln” her definierten Rahmen. Um diesen Rahmen durch strukturelle Maßnahmen zu schaffen, haben Reformmodelle unterschiedliche Wege gefunden. Ob sie sich in ihrer Wirksamkeiten unterscheiden lassen, versuchen Studien wie PaLea inzwischen zu erfassen, indem sie klären, inwiefern die unterschiedlichen Studienstrukturen Bedeutung für die professionsbezogene Kompetenzentwicklung Lehramtsstudierender haben. Ebenfalls von den Konkretisierungen an den Universitäten her gedacht, lässt sich weiterhin resümieren, dass sich im Windschatten der Hochschulreformen neue Zwischenebenen entwickelt haben. Als wissenschaftsunterstützendes Personal oder als Stabsstellen soll das neue Personal z.B. bei der Studienorganisation, beim Qualitätsmanagement und in Planungssituationen entlastend wirken. Institutionelle Zuständigkeiten (z.B. in den als neue Ebenen eingezogenen Stellen) gehen aber nicht zugleich mit wissenschaftlich-fachlichen Kompetenzen einher (über die Dozentinnen und Dozenten verfügen). Für die zu treffenden Reformentscheidungen für die Lehrerbildung ist aber beides notwendig, fachliche wie strukturelle Kompetenz und Zuständigkeit. Dadurch entsteht neuer Kommunikationsbedarf. 243 Zugleich besteht aber nicht immer das Bedürfnis nach Kommunikation, genauso wenig wie die Kommunikation unterstützenden Strukturen aufgebaut sind. Solche Grauzonen sind für die Lehrerbildung aufgrund ihrer Komplexität besonders fatal. Vermutlich geschieht es nicht einmal bewusst. Niemand hat die Absicht (angehende) Lehrkräfte beim Aufbau von Kompetenzen explizit zu behindern: Es „passiert” aber, an ganz unterschiedlichen Stellen, z.B. • wenn, wie eben skizziert, institutionelle Zuständigkeit/ Kompetenz und wissenschaftlichfachliche Zuständigkeit/ Kompetenz im Reformprozesse nicht eng genug zusammenwirken, • wenn in Folge davon, z.B. durch Überreglementierung, Fakten geschaffen werden, die der Kompetenzentwicklung angehender Lehrkräfte nicht förderlich sind; • wenn die Lehrerbildung institutionell und personell keine starke mit Zuständigkeit und Kompetenz ausgestattete Vertretung hat, die vertrauensvoll mit den Akteuren der Lehrerbildung zusammenarbeitet und allen Studierenden Anlaufstellen bietet; • wenn die Hochschulleitung, die letztlich Verantwortung für das Profil der Universität trägt, sich schwankend gegenüber der Lehrerbildung verhält (Terhart). Wählt man als Bezugspunkt für die Einschätzung des laufenden Reformprozesses dagegen, inwiefern es gelingt, als Land mit den Herausforderungen umzugehen, vor denen Reformen der Lehrerbildung in allen Phasen stehen, so zeigt sich ein positiveres Bild: Zwar werden vor Ort unterschiedliche Wege beschritten, um die gegebenen Herausforderungen zu meistern, im Einzelfall wie strukturell. Werden aber die Ansätze verglichen, so spiegeln sich mehr Gemeinsamkeiten wider, als es auf den ersten Blick erscheint. Es ist ein gemeinsamer Horizont, in dem sich die Reformbestrebungen bewegen. Ein Beispiel für die Ausdifferenzierung des Horizonts stellen die drei Ansatzpunkte dar, die in Teil B dargestellt wurden: Kompetenzorientierung 2.0, das Selbstverständnis der Lehrkräfte als „scientist practitioners“, die Evidenzbasierung als Grundlage, um Ausrichtungen und Wirkungen zu vergleichen und einzuschätzen. Im Kern finden sich diese Aspekte in den Reformbemühungen aller drei Phasen wieder. Die Tragfähigkeit und Praxistauglichkeit der Ansatzpunkte mittels vertiefender Theoriearbeit, über Modellversuche oder über Projekte Einzelner zu prüfen, mag aufwändig, vielleicht auch nicht sofort zielführend sein. Dennoch ist das der Weg, der zeigt, dass die Richtung stimmt, und vor allem, dass die Reform der Lehrerbildung Träger, Mittel und Wege hat, ihr eigentliche Ziel zu verfolgen: Dazu beizutragen, Lehrkräfte so zu bilden, dass sie 244 Schülerinnen und Schüler in einer Schule der Vielfalt dabei unterstützen können, die Kompetenzen zu erwerben, die es ihnen ermöglichen, lebensweltlich, berufsweltlich und gesellschaftlich erfolgreich und verantwortlich mit für sie neuen, problemhaltigen Situationen umgehen zu können. Wenig verantwortungsvoll ist es, wenn vorhandene Reformansätze, die sich auf Ebene z.B. einer Universität bewährt haben, daran gehindert werden, auf die nächste Ebene zu gelangen (z.B. an weiteren Universitäten erprobt zu werden), obwohl es auf der Hand liegt, dass sie Potential haben. Verantwortlichkeiten, Per die se können universitäts- Finanzneutralität oder oder institutionsbezogene phasenübergreifende Zusammenarbeit erschweren, oder auch die Tatsache, dass es mühsam ist, die Resistenzen Einzelner zu überwinden, keine Argumente sein, um Reformansätze zu blockieren. Dies führt dazu, dass Ergebnisse und Implementationsvorschläge von Modellversuchen (wie Koop I. und II. Phase) in der Schublade bleiben, dass es für Fortbildungskonzepte immer noch keine Qualitätsstandards gibt (wie z.B. den Theorie-Praxis-Zusammenhang als Grundlage zu nehmen und dadurch das Selbstbild der Lehrkraft als „scientist practitioners“ zu stärken) oder dass ein übergreifendes Kompetenzstrukturmodell Lehrerbildung, das die Realisierung von Reformzielen in allen Säulen und Phasen orientieren könnte, gar nicht erst erprobt wird. Alte Hürden bleiben bestehen, solange, bis sie als Barrieren erkannt werden, die Universitäten und/ oder Schule daran hemmen, das zu leisten, was sie leisten können und sollen. Aufgabe aller Phasen der Lehrerbildung ist es, Lehrkräfte dabei zu unterstützen, die immer wieder neuen Problemlagen zu meistern, die sich im schulischen Handeln stellen. Dem dient ein Kompetenzaufbau, der horizontal und vertikal vernetzt angelegt ist. Die Weichen dafür sind gestellt. Staatliche Fördermaßnahmen wie die „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ unterstützen das Vorankommen der Reformvorhaben. Interdisziplinäre Forschungskooperationen und Kooperationsinitiativen für Forschung und Pragmatik bewähren sich. Ein neues Verständnis von lebenslangem Lernen setzt sich durch. All dies könnten Indizien dafür sein, dass die „Macht des Faktischen“ Reformen der Lehrerbildung vorantreibt. 245 Bibliographie Literaturverzeichnis Literaturangaben Abel, J. & Faust, G. (Hrsg.). Wirkt Lehrerbildung? Antworten aus der empirischen Forschung. Münster u..: Waxmann 2010. Aljets, E. (2014). Der Aufstieg der Empirischen Bildungsforschung: Ein Beitrag zur institutionalistischen Wissenschaftssoziologie, Wiesbaden: Springer. Altrichter, H., Brüsemeister, T. & Wissinger, J. (Hrsg.) (2007). Educational Governance. Handlungskoordination und Steuerung im Bildungssystem. Wiesbaden: VS. Altrichter, H. & Maag Merki, K. (2010). Handbuch Neue Steuerung im Schulsystem. Wiesbaden: VS. 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